Und so hatte sich Caesar, als er das Forum verließ, ein wenig mit dem Gedanken angefreundet, daß er die nächsten Jahre in Rom verbringen würde. Es würde nicht leicht werden, und das gefiel ihm. Catulus, Bibulus und die anderen boni würden ihm das Leben schwermachen. Aber es gab ja auch Freunde; Appius Claudius war an keine Partei gebunden, und als Patrizier hielt er es mit den Patriziern.

Aber was war mit Cicero? Seit seine Brillanz und sein moderner Geist Gaius Verres lebenslanges Exil eingebracht hatten, kannte ihn jeder, obwohl er den schweren Nachteil hatte, keine nennenswerten Vorfahren zu besitzen. Ein homo novus, ein neuer Mann. Der erste aus einer achtbaren Bauernfamilie, der einen Sitz im Senat hatte. Er kam aus derselben Gegend wie Marius und war mit ihm verwandt, aber etwas in seinem Wesen ließ ihn die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die meisten Römer außerhalb des Senats noch immer das Andenken des Gaius Marius verehrten. Deshalb weigerte Cicero sich, Kapital aus dieser Verbindung zu schlagen, vermied es nach Möglichkeiten, über seine Herkunft aus Arpinum zu sprechen, und tat so, als sei er der römischste aller Römer. Es standen sogar die wächsernen Masken vieler Vorfahren in seinem Atrium, aber sie gehörten zur Familie seiner Frau Terentia; wie Gaius Marius hatte er in die höchste Nobilität hineingeheiratet und zählte darauf, daß Terentias Beziehungen ihm den Weg zum Amt des Konsuls ebnen würden.

Am besten kennzeichnete ihn wohl der Begriff »sozialer Aufsteiger«, etwas, das Gaius Marius nie gewesen war. Marius hatte die ältere Schwester von Caesars Vater geheiratet, Caesars geliebte Tante Julia, aus demselben Grund übrigens, aus dem auch Cicero seine häßliche Terentia geehelicht hatte. Aber Marius hatte das Amt des Konsuls nur angestrebt, um sich einen wichtigen militärischen Posten zu sichern, aus keinem anderen Grund. Für Cicero dagegen war dieses Amt das höchste Ziel. Marius hatte der »Erste Mann in Rom« werden wollen. Cicero wollte einfach nur zur Nobilität gehören. Und das würde er schon noch schaffen! Vor Gericht konnte ihm keiner das Wasser reichen, und so hatte er sich eine eindrucksvolle Schar dankbarer Halunken zugelegt, die im Senat einen kolossalen Einfluß ausübten. Ganz zu schweigen davon, daß er Roms größter Redner war, und so war er auch bei anderen einflußreichen Leuten ein gefragter Mann.

Caesar schätzte ihn wegen solcher Verdienste und hoffte, Cicero für seine Sache gewinnen zu können. Leider war Cicero unberechenbar; sein wacher Geist erkannte so viele mögliche Stolpersteine, daß er sich schließlich immer wieder von seiner Furchtsamkeit leiten ließ. Und für einen Mann wie Caesar, der keiner Furcht den Sieg über seine Instinkte zugestand, war Furchtsamkeit der schlechteste aller Ratgeber. Trotzdem würde ein Cicero an seiner Seite ihm das politische Leben wesentlich erleichtern. Doch ob Cicero jemals begreifen würde, welche Vorteile ihm eine solche Loyalität brachte? Das wußten nur die Götter.

Außerdem war Cicero ein armer Mann, und Caesar hatte nicht das Geld, um ihn zu kaufen. Abgesehen von den Ländereien der Familie in Arpinum war seine Frau seine einzige Einkommenquelle; Terentia war unglaublich reich. Leider wachte sie mit Argusaugen über ihr Geld und zeigte keinerlei Verständnis für Ciceros Vorliebe für Kunstwerke und exklusive Landsitze. Ja, das liebe Geld. Damit ließen sich viele Hindernisse aus dem Weg schaffen, vor allem dann, wenn man die Absicht hatte, der »Erste Mann in Rom« zu werden. Man mußte sich nur Pompeius den Großen ansehen. Er war der Herr über unermeßliche Reichtümer. Er machte sich seine Anhänger gefügig, während Caesar trotz seiner erlesenen Vorfahren nicht die Mittel hatte, um sich Anhänger und Stimmen zu kaufen. Das war etwas, was ihn mit Cicero verband. Der Mangel an Geld. Wenn ihn etwas aufhalten konnte, dachte Caesar, dann war es der Mangel an Geld.

Am nächsten Tag entließ Caesar seine Klienten nach der morgendlichen Begrüßung und ging allein den Vicus Patricii hinauf zu der Wohnung, die er in einem großen Haus zwischen der Färberei Fabricius und dem öffentlichen Bad gemietet hatte. Hier hatte er sich einen Zufluchtsort eingerichtet, nachdem er aus dem Krieg gegen Spartacus zurückgekehrt war. Die Gegenwart seiner Mutter, seiner Frau und seiner Tochter hatten in seinem Haus eine Atmosphäre weiblicher Dominanz entstehen lassen, die er nicht länger ertragen hatte. In Rom war jeder an Lärm gewöhnt, selbst die Leute, die in den großzügigen Häusern auf dem Palatin und dem Carinae wohnten — Sklaven lärmten und sangen, lachten und zankten während der Arbeit, kleine Kinder brüllten, Frauen schwatzten unaufhörlich miteinander, wenn sie nicht gerade nörgelten oder herumjammerten. Das war alles so normal, daß es die meisten männlichen Haushaltsvorstände nicht weiter störte. Aber Caesar empfand es als lästig, denn er hatte ein tiefes Bedürfnis nach Zurückgezogenheit und wenig Geduld für alles, was ihm belanglos erschien. Als echter Römer hatte er gar nicht den Versuch gemacht, seine häusliche Umgebung nach seinem Geschmack zu organisieren, und den Lärm sowie die ständigen Störungen durch die Frauen zu untersagen. Statt dessen hatte er sich einen Ort gesucht, an den er sich zurückziehen konnte.

Er mochte schöne Dinge; vielleicht täuschten die drei Räume, die er gemietet hatte, auch deshalb über die Gegend hinweg, in der das Mietshaus stand. Sein einziger wirklicher Freund, Marcus Licinius Crassus, war ein leidenschaftlicher Aufkäufer von Nachlässen, und einmal hatte er einer großzügigen Anwandlung nachgegeben und Caesar für wenig Geld genug Mosaik verkauft, um damit die beiden Räume auslegen zu können, die Caesar selbst benutzte. Als Crassus dem Marcus Livius Drusus das Haus abgekauft hatte, war ihm der antiquierte Bodenbelag ein Graus gewesen; Caesar jedoch hatte einen untrüglichen Sinn für schöne Dinge und wußte, daß in den letzten fünfzig Jahren kaum etwas Schöneres hergestellt worden war. Zudem war es Crassus sehr recht gewesen, Caesars Wohnung als Übungsplatz für ganze Scharen von ungelernten Sklaven nutzen zu können, die er in so einträglichen Techniken wie dem Verputzen von Wänden, dem Vergolden von Zierleisten und Pilastern sowie dem Anfertigen von Wandmalereien ausbilden ließ.

Und so seufzte Caesar zufrieden auf, als er seine Wohnung betrat und das perfekt renovierte Arbeitsund Empfangszimmer sowie das Schlafzimmer in Augenschein nahm. Ausgezeichnet! Lucius Decumius hatte seine Anordnungen exakt befolgt und einige neue Möbelstücke genau dort aufgestellt, wo Caesar sie haben wollte. Caesar hatte sie in Hispania Ulterior entdeckt und bereits vor Ablauf seiner Amtszeit nach Rom schicken lassen. Es waren ein wunderschöner Spieltisch aus rötlichem Marmor mit Löwenpfoten als Beinen, ein vergoldeter Diwan, bezogen mit einem Stoff, der in tyrischem Purpur gehalten war, sowie zwei herrliche Sessel. Belustigt stellte er fest, daß auch das neue Bett, von dem Lucius Decumius gesprochen hatte, bereits an seinem Platz stand, ein geräumiges Möbel aus Ebenholz mit Goldauflage und einer purpurnen Überdecke. Wer hätte beim Anblick dieses Lucius Decumius gedacht, daß sein Geschmack sich durchaus mit dem Caesars messen konnte? Caesar ersparte sich die Besichtigung des dritten Raumes, der eigentlich nur ein Teil des Balkons war, welcher den inneren Lichthof säumte. An beiden Seiten war eine Wand gezogen worden, um ihn von den Nachbarn abzugrenzen, und vor dem Fenster zum Lichthof befand sich ein schwerer hölzerner Laden, der zwar Luft zum Atmen, aber keine neugierigen Blicke durchließ. Dort waren die sanitären Anlagen untergebracht, von der mannsgroßen Bronzebadewanne bis zu der Zisterne, in der das Spülwasser für den Nachttopf gesammelt wurde. Kochgelegenheiten gab es keine, und es wohnte auch kein Diener in Caesars Räumen. Das Putzen oblag Aurelias Hausangestellten, die Eutychus regelmäßig vorbeischickte, damit sie das Badewasser ausleerten, die Zisterne gefüllt und den Nachttopf sauberhielten, die Leinenwäsche reinigten, die Böden fegten und alle anderen Oberflächen abstaubten.

Lucius Decumius war bereits da. Er saß auf dem Diwan, seine Füße baumelten über der wunderschönen, bunten Maserung des Fußbodens. Er war in eine Schriftrolle vertieft.

»Nun, vergewisserst du dich, daß die Bücher des Kollegiums der Prüfung durch den Stadtprätor standhalten?« fragte Caesar und schloß die Tür.

»Hmm«, machte Lucius Decumius. Mit einem Zungenschnalzen schnappte die Rolle zu.

Caesar las den Zylinder der Wasseruhr ab. »Nach unserem Freund hier zu urteilen, solltest du allmählich hinuntergehen, Papa. Vielleicht ist sie unpünktlich. Wer weiß, ob Silanus ein Freund von Chronometern ist? Aber sie hat nicht den Eindruck einer Frau gemacht, für die Zeit keine Rolle spielt.«

»Du brauchst mich hier oben ja nicht, Pavo. Ich bringe sie bis zur Tür und geh dann nach Hause«, sagte Lucius Decumius und ging hinaus.

Caesar nahm an seinem Schreibtisch Platz, um einen Brief an die Königin Oradaltis von Bithynien zu schreiben, doch kaum hatte er das leere Blatt vor sich auf den Tisch gelegt, da öffnete sich die Tür, und Servilia trat ein. Seine Einschätzung war richtig gewesen, sie legte Wert auf Pünktlichkeit.

Er erhob sich und ging um den Schreibtisch herum, um sie zu begrüßen; es imponierte ihm, daß sie ihm wie ein Mann die Hand entgegenstreckte. Er ergriff sie mit vorsichtigem Druck, wie es solch zarten Knochen angemessen war, aber doch so, wie er die Hand eines Mannes ergriffen hätte. Vor seinem Schreibtisch stand ein Stuhl für sie bereit. Während er sie erwartete, hatte er sich Gedanken darüber gemacht, ob er das Gespräch über den Schreibtisch hinweg führen sollte, oder ob sie es sich nicht etwas gemütlicher machen und sich näher zueinander setzen sollten. Seine Mutter hatte recht gehabt; man wußte nicht recht, wie man Servilia einschätzen sollte. Also bot er ihr den Stuhl ihm gegenüber an und kehrte zurück zu seinem eigenen. Er verschränkte die Hände vor sich auf dem Schreibtisch und blickte sie feierlich an.

Ganz gut erhalten, wenn sie tatsächlich schon siebenunddreißig ist, dachte er. Sie war elegant gekleidet und trug ein zinnoberrotes Kleid, dessen Farbe dem flammenden Rot einer Prostituiertentoga gefährlich nahekam und trotzdem unschuldig, ja vornehm aussah. Sie besaß dichtes Haar von so tiefem Schwarz, daß es bläulich schimmerte; sie hatte es in der Mitte gescheitelt und streng nach hinten gekämmt, wo es in einem Dutt zusammengehalten wurde. Ungewöhnlich, aber ebenfalls vornehm. Ein kleiner, ein wenig geschürzter Mund, ein reiner, weißer Teint, schwere Augenlider mit langen, geschwungenen Wimpern, Augenbrauen, die sie wohl regelmäßig zupfte und — besonders interessant — ein leichtes Erschlaffen des rechten Wangenmuskels, das er schon bei ihrem Sohn Brutus beobachtet hatte.

Höchste Zeit, das Schweigen zu brechen, denn sie machte keine Anstalten etwas zu sagen. »Was kann ich für dich tun, domina?« fragte er förmlich.

»Decimus Silanus ist unser pater familias, Gaius Julius, aber ein paar Dinge, die noch meinen verstorbenen ersten Ehemann betreffen, will ich lieber selbst in die Hand nehmen. Mein gegenwärtiger Gatte ist kein gesunder Mann, deshalb möchte ich ihm zusätzliche Belastungen ersparen. Du darfst es bitte nicht falsch verstehen, wenn ich mich um Dinge kümmere, die von außen betrachtet eigentlich Sache des pater familias wären«, erwiderte sie noch viel förmlicher.

Der Ausdruck distanzierten Interesses, den er auf dem Gesicht trug, seitdem er sich gesetzt hatte, veränderte sich nicht; Caesar lehnte sich nur ein wenig in seinen Sessel zurück. »Keine Angst, ich verstehe es schon nicht falsch«, sagte er.

Unmöglich zu sagen, ob diese Versicherung sie beruhigt hatte, denn sie machte seit dem Augenblick ihres Eintretens einen völlig gelassenen Eindruck. Und doch wirkte sie jetzt eine Spur selbstsicherer; er sah es ihrem Blick an. »Meinen Sohn Brutus hast du vorgestern kennengelernt«, sagte sie.

»Ein netter Junge.«

»Ja, das ist er.«

»Formaljuristisch noch immer ein Kind.«

»Ein paar Monate noch. Diese Angelegenheit betrifft ihn, und er ist der Ansicht, daß sie keinen Aufschub duldet.« Ein leises Lächeln spielte um ihren linken Mundwinkel, der auch beim Sprechen lebhafter wirkte als der rechte. »Die Jugend ist ungeduldig.«

»Er hat keinen ungeduldigen Eindruck auf mich gemacht«, meinte Caesar.

»Meistens ist er es auch nicht.«

»Dann vermute ich, daß ein Wunsch des jungen Marcus Junius Brutus dich zu mir führt?«

»Richtig.«

»Nun«, sagte Caesar und atmete tief durch, »nachdem wir die Formalitäten hinter uns haben, solltest du mir vielleicht sagen, was der Junge auf dem Herzen hat.«

»Er möchte deine Tochter Julia heiraten.«

Meisterhafte Selbstkontrolle! zollte Servilia ihm innerlich Beifall. Er hatte sich nicht das geringste anmerken lassen.

»Sie ist erst acht«, gab Caesar zu bedenken.

»Und er ist offiziell noch gar kein Mann. Trotzdem, er wünscht es sich.«

»Er könnte seine Meinung ändern.«

»Das habe ich ihm auch gesagt. Er versichert mir, daß er sie nicht ändern wird, und er hat mich überzeugt.«

»Ich weiß nicht, ob ich Julia jetzt schon jemandem versprechen will.«

»Warum nicht? Meine beiden Töchter sind bereits vergeben, und sie sind jünger als Julia.«

»Julias Mitgift wird sehr gering ausfallen.«

»Das ist mir bekannt, Gaius Julius. Aber mein Sohn hat ein großes Vermögen. Er ist nicht auf eine reiche Braut angewiesen. Sein leiblicher Vater hat ihn außerordentlich gut versorgt, und er wird auch Silanus beerben.«

»Möglich, daß du Silanus noch einen Sohn schenkst.«

»Möglich.«

»Aber nicht wahrscheinlich, was?«

»Silanus zeugt nur Töchter.«

Caesar lehnte sich wieder vor. Er wirkte noch immer gleichgültig. »Sag mir, warum ich mich auf die Sache einlassen sollte, Servilia.«

Sie hob die Augenbrauen. »Das versteht sich doch von selbst! Siehst du irgendwo einen würdigeren Mann für Julia? Von meiner Seite ist Brutus ein patrizischer Servilius, von väterlicher Seite zählt Lucius Junius Brutus, der Gründer der Republik, zu seinen Vorfahren. Das alles weißt du. Er hat ein beträchtliches Vermögen, in seiner politischen Karriere wird er mit Sicherheit einmal das Amt eines Konsuls übernehmen, und vielleicht wird er sogar einmal Zensor, falls man auch dieses Amt wieder einführt. Er ist über die Rutilii, die Servilii Caepiones und die Livii Drusi mit euch blutsverwandt. Und durch Brutus’ Großvater und seine treue Ergebenheit gegenüber deinem Onkel Gaius Marius sind die Familien auch freundschaftlich verbunden. Ich weiß, daß du eng mit Sullas Familie verwandt bist, aber weder meine eigene Familie noch die meines Gatten hatten je irgendwelchen Streit mit Sulla. Mit einem augenfälligen Familienzwist, wie er bei euch zwischen Marius und Sulla schwelt, ist Brutus nicht belastet.«

»Du argumentierst wie ein Advokat!« lobte Caesar und lächelte jetzt sogar.

»Ich nehme das als Kompliment!«

»So war es auch gemeint.«

Caesar erhob sich, ging um den Schreibtisch herum und streckte die Hand aus, um ihr aus dem Sessel zu helfen.

»Bekomme ich denn keine Antwort, Gaius Julius?«

»Du bekommst eine Antwort, aber nicht heute.«

»Wann?« fragte sie und ging zur Tür.

Ein leiser, aber betörender Duft von Parfüm wehte ihm in die Nase, als er ihr folgte. Er wollte sagen, daß er ihr nach den Wahlen eine Antwort geben würde, doch plötzlich faszinierte ihn etwas an ihr so sehr, daß er sie früher wiederzusehen wünschte. Sie war züchtig gekleidet, wie ihre Herkunft und ihr Status es verlangten, und doch war ihr das Kleid auf dem Rücken ein wenig nach unten gerutscht und hatte die Haut im Nacken und zwischen den Schulterblättern entblößt, wo sich ein zarter Flaum wie eine feingefiederte Spur über ihr Rückgrat zog, um sich in den Tiefen ihres Kleides zu verlieren. Er schien weich und seidig, nicht borstig zu sein, und schmiegte sich an ihre weiße Haut, und doch lag er nicht so, wie er hätte liegen müssen, denn wer auch immer ihr den Rücken abgetrocknet haben mochte, hatte nicht dafür Sorge getragen, daß die Härchen sich glatt in die schmalen Mulden entlang der wohlgeformten Rückenwirbel fügten. Und dabei lechzten sie förmlich nach dieser kleinen Aufmerksamkeit!

»Komm morgen wieder, falls du es einrichten kannst«, schlug Caesar vor und streckte die Hand aus, um ihr die Tür zu öffnen.

Kein Begleiter wartete auf dem schmalen Treppenabsatz, also brachte er sie hinunter ins Vestibül. Doch als er sie auch noch nach draußen führen wollte, hielt sie ihn zurück. »Danke, Gaius Julius, das ist weit genug.«

»Bist du sicher? Es ist nicht gerade die feinste Gegend.«

»Ich habe eine Eskorte. Also dann, bis morgen.«

Er stieg wieder hinauf. Oben erwartete ihn der letzte zarte Hauch ihres raffinierten Parfüms, und irgendwie kam ihm die Wohnung auf einmal leer vor. Servilia... Sie war tiefgründig, und jede Schicht war von anderer Härte — Eisen, Marmor, Basalt, adamas. Nicht unbedingt eine Schönheit. Auch nicht übermäßig weiblich, trotz ihrer großen, spitzen Brüste. Vielleicht war es gefährlich, ihr den Rücken zuzuwenden, denn in seiner Phantasie besaß sie zwei Köpfe, wie Janus: den einen, um zu sehen, wohin sie ging, den anderen, um zu sehen, wer ihr folgte. Ein Ungeheuer. Kein Wunder, daß alle Welt sagte, Silanus sehe von Tag zu Tag kränker aus. Kein pater familias würde sich für Brutus einsetzen, das hätte sie ihm nicht erklären müssen. Natürlich nahm Servilia ihre Angelegenheiten selber in die Hand, und dazu gehörte auch ihr Sohn, ganz gleichgültig, was das Gesetz dazu sagte. War das Werben um Julia ihre eigene Idee, oder stammte sie tatsächlich von Brutus? Vielleicht wußte Aurelia Bescheid. Er würde nach Hause gehen und sie fragen.

Auf dem Heimweg dachte er noch immer an Servilia, er stellte sich vor, was es wohl für ein Gefühl wäre, diese schmale Linie schwarzen Flaums auf ihrem Rücken wieder ordentlich zurechtzustreichen.

»Mutter«, sagte er, nachdem er in ihr Arbeitszimmer geplatzt war, »ich brauche deinen Rat. Laß alles stehen und liegen und komm in mein Arbeitszimmer!«

Aurelia ließ die Schreibfeder sinken und starrte Caesar verblüfft an. »Es ist Monatsende«, sagte sie.

»Und wenn’s Quartalsende wäre.«

Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, war er auch schon wieder draußen. Aurelia blieb nichts anderes übrig, als ihre Rechnungsbücher liegenzulassen. Das sah Caesar gar nicht ähnlich! Was war bloß in ihn gefahren?

»Also?« fragte sie, als sie in sein tablinum stolziert kam, wo er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stand und ungeduldig auf den Zehen wippte. Seine Toga lag zusammengeknüllt auf dem Boden, also bückte sie sich, hob sie auf und warf sie durch die offene Tür ins Eßzimmer.

Einen Moment schien es so, als hätte er sie noch gar nicht bemerkt, dann hob er den Kopf und sah sie mit einer Mischung aus Belustigung und Hochgefühl an, erst danach bot er ihr den Sessel an, in den sie sich immer setzte.

»Mein lieber Caesar, kannst du nicht wenigstens stillstehen, wenn du dich schon nicht setzen willst? Du kommst mir vor wie ein alter Gaul, den der Hafer sticht.«

Er fand das so komisch, daß er laut loslachen mußte. »Wahrscheinlich fühl’ ich mich wie ein alter Gaul, den der Hafer sticht!«

Der Monatsletzte war längst vergessen; Aurelia ahnte, mit wem Caesar eben gesprochen haben mußte. »Aha! Servilia!«

»Servilia«, wiederholte er und setzte sich; plötzlich hatte sich sein prickelndes Hochgefühl wieder gelegt.

»Und? Bist du verliebt?« fragte seine Mutter nüchtern.

Er überlegte, schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, nicht. Vielleicht begehre ich sie, aber nicht einmal da bin ich sicher. Nein, ich glaube, ich mag sie nicht.«

»Ein vielversprechender Anfang. Dir ist langweilig.«

»Stimmt. Und ganz sicher öden mich alle diese Frauen an, die mich bewundernd anstarren und sich vor mir in den Staub werfen, damit ich mir die Füße an ihnen putzen kann.«

»Das wird sie nicht für dich tun, Caesar.«

»Ich weiß, ich weiß.«

»Was wollte sie? Eine Affäre mit dir anfangen?«

»O nein, Mater, so weit sind wir noch lange nicht. Ich weiß ja gar nicht, ob sie mich auch begehrt. Vielleicht auch nicht, denn eigentlich begann ich es zu tun, als sie sich bereits umdrehte, um zu gehen.«

»Nun spann mich nicht auf die Folter. Was wollte sie?«

»Rat einmal«, grinste er.

»Laß diese Spielereien.«

»Du willst nicht raten?«

»Caesar, wenn du dich weiter so kindisch aufführst, gehe ich.«

»Nein, nein, bleib, Mater. Es ist nur so ein schönes Gefühl, diese Herausforderung, eine Art terra incognita.«

»Ich versteh’ dich ja«, sagte sie und lächelte. »Erzähle.«

»Sie ist wegen Brutus gekommen. Sie hat mich gebeten, ihm Julia zu versprechen.«

Das war offensichtlich eine Überraschung. Aurelia blinzelte ein paarmal. »Wie ungewöhnlich!«

»Die Frage ist, wer den Einfall hatte, Mutter. Sie oder Brutus?«

Aurelia legte nachdenklich den Kopf auf die Seite. Schließlich nickte sie und sagte: »Brutus, nehme ich an. Da die geliebte Enkeltochter ja noch ein Kind ist, kommt so etwas ein wenig unerwartet, aber je länger ich darüber nachdenke — es gab Anzeichen. Manchmal stiert er sie wie ein dämlicher Schafbock an.«

»Du hast es heute mit den Tiermetaphern, Mater! Erst der alte Gaul, dann der Schafbock.«

»Spar dir deine Ironie. Und wenn du noch so wild auf die Mutter des Jungen bist — Julias Zukunft ist eine ernste Angelegenheit.«

Er war sogleich wieder sachlich. »Ja, natürlich. Bei Licht betrachtet ist es ein wunderbares Angebot, selbst für eine Julierin.«

»Das stimmt, vor allem jetzt, wo deine politische Karriere auf ihren Höhepunkt zustrebt. Die Verlobung mit einem Junius Brutus, dessen Mutter eine Servilius Caepio ist — das würde dir eine Menge Unterstützung von Seiten der boni einbringen, Caesar. Sämtliche Junii, die patrizischen und die plebejischen Servilii, Hortensius, ein paar von den Domitii, eine ganze Reihe Caecilii Metelli, selbst Catulus würde sich zurückhalten müssen.«

»Verlockend«, mußte Caesar zugeben.

»Sehr verlockend, falls der Junge es ernst meint.«

»Seine Mutter hat es mir versichert.«

»Ich glaube es eigentlich auch. Er kommt mir nicht so vor wie einer, der nicht weiß, was er will. Ein besonnener und zurückhaltender Junge, dieser Brutus.«

»Würde es Julia gefallen?« Caesar runzelte die Stirn.

Aurelia hob eine Augenbraue. »Eine seltsame Frage, aus deinem Mund. Du bist ihr Vater, ihr eheliches Schicksal liegt ausschließlich in deiner Hand, und du trägst dich doch nicht etwa mit dem Gedanken, sie aus Liebe heiraten zu lassen. Dazu ist sie zu wichtig. Sie ist dein einziges Kind. Und außerdem tut Julia das, was man ihr sagt. Ich habe ihr beigebracht, daß sie über Dinge wie die Eheschließung nicht zu bestimmen hat.«

»Aber es wäre doch schön, wenn unser Vorschlag ihr gefiele.«

»Du neigst doch im Grunde nicht zur Sentimentalität, Caesar. Liegt es daran, daß du den Jungen nicht magst?« fragte sie mit gewohnter Treffsicherheit.

Er seufzte. »Zum Teil ja. Doch nein, eine Abneigung wie gegen seine Mutter hege ich nicht gegen ihn. Aber er scheint mir ein recht langweiliger Hund zu sein.«

»Tiermetaphern!«

Er lachte kurz auf. »Sie ist so ein hübsches kleines Ding, und so lebendig. Ihre Mutter und ich waren glücklich miteinander, solch ein Glück in der Ehe würde ich ihr auch wünschen.«

»Langweilige Hunde sind gute Ehemänner«, sagte Aurelia.

»Du stehst dem Angebot wohlwollend gegenüber?«

»Durchaus. Wer weiß, ob auch nur ein halb so gutes nachkommt, wenn wir es ausschlagen? Seine Schwestern haben sich den jungen Lepidus und Vatia Isauricus’ ältesten Sohn geangelt. Zwei gute Partien sind also schon vergeben. Würdest du ihr lieber einen Claudius Pulcher oder einen Caecilius Metellus zum Mann geben? Oder den Sohn von Pompeius Magnus?«

Ihn schauderte bei dem Gedanken. »Du hast ja recht, Mater. Lieber einen langweiligen Hund als einen reißenden Wolf oder einen räudigen Köter! Ich hatte eigentlich auf einen von Crassus’ Söhnen gehofft.«

Aurelia atmete geräuschvoll durch die Nase. »Crassus ist ein guter Freund von dir, Caesar, aber du weißt sehr genau, daß er keinen seiner Söhne einem Mädchen zum Mann gibt, wenn die Mitgift nicht groß genug ausfällt.«

»Auch da hast du recht, Mater.« Er schlug sich auf die Schenkel, ein Zeichen, daß er sich entschieden hatte. »Also gut, dann eben Marcus Junius Brutus! Wer weiß? Vielleicht mausert er sich zum unwiderstehlichen Adonis, wenn er einmal keine Pickel mehr hat.«

»Wenn du nur nicht immer übertreiben würdest, Caesar!« sagte seine Mutter und erhob sich, um zu ihren Büchern zurückzukehren. »Das tut der Karriere auf dem Forum nicht gut, das sieht man an Cicero. Aus dem armen Brutus wird nie ein unwiderstehlicher Mann. Auch kein schneidiger.«

»Um so besser für ihn«, sagte Caesar in vollem Ernst. »Männern, die zu gut aussehen, traut man nicht über den Weg.«

»Wenn wir Frauen das Stimmrecht hätten«, sagte Aurelia mit vielsagendem Lächeln, »würde sich das sehr schnell ändern. Dann wäre jeder Memmius ein König von Rom.«

»Von einem Caesar gar nicht zu reden, was? Vielen Dank, Mater, mir ist es lieber so, wie es ist.«

Zu Hause bewahrte Servilia Stillschweigen über ihr Gespräch mit Caesar, sowohl Silanus als auch Brutus gegenüber. Sie verriet auch nicht, daß sie ihn gleich am nächsten Tag wiedersehen würde. In kaum einem anderen Haushalt hätten die Bediensteten eine solche Neuigkeit für sich behalten können, aber unter Servilias Herrschaft hatten sie es gelernt. Die beiden Griechen, die sie sich als Eskorte mitnahm, wenn sie ausging, waren altgediente Hausangestellte und kannten sie viel zu gut, als daß sie gewagt hätten, über Privatangelegenheiten ihrer Dienstherrin zu plaudern. Die Geschichte von dem Kindermädchen, das sie auspeitschen und kreuzigen ließ, weil der kleine Brutus ihr aus der Hand gefallen war, hatte sie bis ins Haus des Silanus begleitet, und niemand machte den Fehler, Silanus für stark genug zu halten, um den Launen und Temperamentsausbrüchen seiner Frau Einhalt zu gebieten. Es war seitdem zu keiner weiteren Kreuzigung gekommen, aber es hatten genug Auspeitschungen stattgefunden, um für Gehorsam zu sorgen und die Zungen im Zaum zu halten. Es war auch kein Haushalt, in dem die Sklaven irgendwann entlassen wurden und sich die Mütze der Freigelassenen auf den Kopf setzen durften. Wer einmal in Servilias Diensten war, blieb für immer ein Sklave.

Und so machten die beiden Griechen, die sie am nächsten Morgen zum Ende des Vicus Patricii begleiteten, auch nicht den geringsten Versuch, sich anzusehen, was sich hinter den Mauern des Hauses verbarg, und nicht im Traum wäre es ihnen eingefallen, hinter ihr die Treppen hinaufzuschleichen, um an Türen zu lauschen oder durch Schlüssellöcher zu spähen. Ein Verhältnis mit einem anderen Mann vermuteten sie ohnehin nicht; Servilia war viel zu bekannt, um in dieser Hinsicht verdächtig zu sein. Sie galt als hochnäsig, und alle Welt, von ihresgleichen bis hin zu Bediensteten, ging davon aus, daß ihr nur Jupiter Optimus Maximus das Wasser reichen könnte.

Nun, vielleicht stimmte das, aber auch eine Liaison mit Gaius Julius Caesar erschien ihr durchaus reizvoll, als sie nun allein die Treppen hinaufstieg, und sie hielt es für ein gutes Omen, daß dieser übelriechende kleine Kerl sie heute nicht in Empfang nahm. Die Überzeugung, daß bei ihrem Gespräch mit Caesar mehr herausspringen könnte als das Versprechen seiner Tochter, war ihr erst gekommen, als er sie gestern zur Tür brachte und sie eine Veränderung an ihm spürte, die Hoffnungen, ja sogar ein wenig Vorfreude in ihr geweckt hatte. Natürlich wußte auch sie, was ganz Rom wußte: daß er von seinen Frauen geradezu peinliche Sauberkeit verlangte. Also hatte sie sich gründlich gebadet und ein dezentes Parfüm gewählt, das natürliche Gerüche keinesfalls zudeckte; zum Glück schwitzte sie wenig und wechselte täglich die Kleider. Gestern hatte sie ein zinnoberrotes Kleid getragen; heute hatte sie sich für eine kräftige Bernsteinfarbe entschieden, dazu trug sie Anhänger aus Bernstein an den Ohren und eine Bernsteinkette um den Hals. Ich habe mich herausgeputzt wie eine Verführerin, dachte sie, als sie an die Tür klopfte.

Er öffnete ihr selbst, bot ihr einen Sessel an und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, wie er es gestern getan hatte. Aber er sah sie nicht so an wie gestern; sein Blick kam ihr heute weniger unbeteiligt und kühl vor. Sie las etwas darin, das sie in den Augen eines Mannes noch nie entdeckt hatte, ein vertrauliches, beinahe besitzergreifendes Leuchten, und weder machte sie es wütend, noch tat sie ihn deswegen als primitiven Lüstling ab. Denn nichts sagte ihr, daß dieser Blick sie ehrte, sie von ihren Geschlechtsgenossinnen abhob.

»Wie hast du dich entschieden, Gaius Julius?« fragte sie.

»Ich akzeptiere das Angebot des jungen Brutus.«

Das freute sie; zum erstenmal, seit er sie kannte, lächelte sie über das ganze Gesicht und offenbarte dabei, daß ihr rechter Mundwinkel unbeweglicher war als ihr linker. »Gut!« seufzte sie erleichtert und setzte wieder ein kleines, bescheidenes Lächeln auf.

»Dein Sohn bedeutet dir sehr viel.«

»Er bedeutet mir alles«, antwortete sie schlicht.

Vor ihm auf dem Tisch lag ein Blatt Papier; er warf einen Blick darauf. »Ich habe einen rechtsgültigen Vertrag über die Verlobung deines Sohnes mit meiner Tochter aufgesetzt«, sagte er, »aber wenn es dir lieber ist, können wir mit den Formalitäten noch warten, bis Brutus noch weiter zum Mann gereift ist. Vielleicht ändert er seine Meinung.«

»Er wird sie nicht ändern, und ich meine auch nicht«, antwortete Servilia. »Laß uns die Angelegenheiten hier und jetzt besiegeln.«

»Wenn du willst. Aber ich muß dich darauf aufmerksam machen, daß ein unterzeichnetes Abkommen beide Parteien und die Vormünder juristisch dazu verpflichtet, im Falle eines Bruches einen Ersatz in Höhe der vereinbarten Mitgift zu leisten.«

»Wie hoch ist Julias Mitgift?«

»Ich habe sie auf hundert Talente festgesetzt.«

Es verschlug ihr den Atem. »Du kannst ihr unmöglich hundert Talente mitgeben, Caesar!«

»Im Augenblick nicht. Aber bis Julia heiratsfähig ist, bin ich längst Konsul. Ich habe keineswegs die Absicht, sie vor ihrem achtzehnten Geburtstag heiraten zu lassen. Und bis dahin kann ich die hundert Talente für ihre Mitgift aufbringen.«

»Ich bin davon überzeugt«, sagte Servilia langsam. »Das bedeutet aber auch, daß mein Sohn, sollte er seine Meinung ändern, um hundert Talente ärmer ist.«

»Doch nicht mehr ganz überzeugt von seiner Standhaftigkeit?« fragte Caesar lächelnd.

»Absolut überzeugt«, sagte sie. »Laß uns das Geschäft abschließen.«

»Bist du bevollmächtigt, für Brutus zu entscheiden, Servilia? Ich kann mich erinnern, daß du gestern Silanus als pater familias des Jungen bezeichnet hast.«

Sie befeuchtete sich die Lippen. »Ich bin Brutus’ rechtlicher Vormund, Caesar, nicht Silanus. Gestern wollte ich nicht, daß du schlecht über mich denkst, weil ich persönlich zu dir gekommen bin, anstatt meinen Gatten zu schicken. Wir leben in Silanus’ Haus, und dort ist er natürlich der pater familias. Aber Onkel Mamercus war der Testamentsvollstrecker meines verstorbenen Mannes, und er hat auch meine nicht unbeträchtliche Mitgift verwaltet. Bevor ich Silanus geheiratet habe, hat Onkel Mamercus mit mir zusammen meine Dinge in Ordnung gebracht, und dazu gehörte auch der Nachlaß meines verstorbenen Mannes. Silanus war gern bereit, mir mein Eigentum und die Vormundschaft über Brutus zu lassen. Das Abkommen hat Bestand, und Silanus mischt sich nicht ein.«

»Niemals?« fragte Caesar, und seine Augen funkelten.

»Nun ja, bis auf einmal«, gab Servilia zu. »Er hat darauf bestanden, daß Brutus eine Schule besuchte und nicht zu Hause von einem Privatlehrer unterrichtet wurde. Ich habe eingewilligt, weil er mich überzeugt hatte. Ich war erstaunt, wie gut die Schule Brutus getan hat. Er neigt zu einem leicht exzentrischen Verhalten, das er Intellektualismus nennt, und ein eigener Lehrer im Haus hätte dies nur verstärkt.«

»Ja, Hauslehrer pflegen so etwas zu verstärken«, sagte Caesar ernst. »Er geht noch immer zur Schule, nehme ich an.«

»Noch bis zum Jahresende. Danach kommt er auf das Forum zu einem grammaticus, unter Aufsicht von Onkel Mamercus.«

»Eine glänzende Entscheidung, die eine glänzende Zukunft verspricht. Mamercus ist auch mit mir verwandt. Darf ich hoffen, daß du mich an Brutus’ rhetorischer Ausbildung teilhaben läßt? Immerhin werde ich sein Schwiegervater«, sagte Caesar und erhob sich.

»Ich würde mich sehr darüber freuen«, antwortete Servilia. Sie verspürte eine tiefe Enttäuschung. Gar nichts würde passieren! Ihr Instinkt hatte sie grausam getäuscht!

Er ging um den Schreibtisch herum. Um ihr aus dem Sessel zu helfen, dachte sie, aber ihre Beine versagten ihr den Dienst; sie mußte sitzen bleiben wie eine Statue und fühlte sich entsetzlich elend.

»Weißt du eigentlich«, ertönte seine Stimme — oder irgendeine Stimme, so heiser und fremd klang sie auf einmal —, »daß dir da hinten auf dem Rücken ein entzückender Flaum wächst? Aber niemand streicht ihn glatt, er ist ganz zerzaust. Schon gestern dachte ich, wie schade das eigentlich ist.«

Er berührte ihren Nacken, und zunächst dachte sie, es seien seine sanften, vorsichtig tastenden Fingerspitzen. Doch sein Kopf war direkt hinter ihrem, und er legte beide Arme um sie, um ihre Brüste mit den Händen bedecken zu können. Sie spürte den kühlen Atem an ihrem Hals wie einen Windhauch auf nasser Haut, und jetzt erst begriff sie, was er tat. Er leckte mit der Zunge über diesen Flaum, den sie so sehr haßte, über den ihre Mutter sich zeit ihres Lebens lustig gemacht hatte. Er leckte zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite, immer am Rückgrat entlang, und so arbeitete er sich langsam nach unten vor. Und Servilia saß einfach nur da und gab sich Empfindungen hin, von deren Existenz sie keine Ahnung gehabt hatte, erhitzt und überwältigt vom Ansturm der Gefühle.

Achtzehn Jahre Eheleben hatte sie hinter sich, mit zwei vollkommen unterschiedlichen Männern, doch noch nie hatte sie so etwas erlebt, eine solche Explosion der Empfindungen; durch die Spitze seiner Zunge geweckt, breiteten sie sich blitzartig im ganzen Körper aus. Irgendwann gelang es ihr, sich zu erheben, nicht etwa, um ihm dabei zu helfen, die Schärpe unterhalb ihrer Brüste zu lösen oder ihr die Kleider und Unterkleider von den Schultern zu streifen — das hätte er auch allein gekonnt —, sondern um aufrecht zu stehen, damit er mit seiner Zunge der Linie aus weichem Flaum weiter folgen konnte, bis hinunter zu der Stelle, wo sie im Unsichtbaren verschwand und die Wölbung ihres Gesäßes begann. Und wenn er jetzt ein Messer hervorzöge und es mir bis zum Heft ins Herz stieße, dachte sie, ich könnte nicht einen Zoll zurückweichen, um ihn daran zu hindern, ich würde ihn gar nicht hindern wollen. Nichts war mehr wichtig außer der Befriedigung dieser Seite in ihrem Wesen, von der sie nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Seine eigenen Kleider, Toga und Tunika, behielt er an, bis seine Zunge am Ende ihrer Reise angekommen war und Servilia spürte, daß er einen Schritt zurücktrat; doch sie konnte sich nicht zu ihm umdrehen, denn sie wäre unweigerlich zu Boden gestürzt, wenn sie die Lehne des Sessels losgelassen hätte.

»Ja, so ist es besser«, hörte sie ihn sagen. »So muß es immer aussehen.«

Er kam zurück zu ihr, drehte sie um, legte ihre Arme um seine Hüften; jetzt spürte sie endlich seine Haut und hob das Gesicht dem erwarteten Kuß entgegen, den er ihr noch nicht gegeben hatte. Doch er hob sie hoch, trug sie in sein Schlafzimmer und legte sie ohne Anstrengung auf das Bett, dessen Decke er bereits zurückgeschlagen hatte. Sie hatte die Augen geschlossen, so spürte sie nur, daß er sich über sie beugte. Aber als er ihr die Nase in den Bauchnabel steckte und tief einatmete, schlug sie die Augen auf.

»Süß«, sagte er, und die Nase wanderte weiter zum Venushügel. »Mollig, saftig und süß.« Er lachte.

Wieso lachte er? Aber er lachte, und als sie die Augen beim Anblick seiner Erektion weit aufriß, zog er sie an sich heran und küßte sie endlich auf den Mund. Nicht so wie Brutus, der ihr die Zunge so tief in den Mund gesteckt hatte, daß es ihr widerlich gewesen war. Und auch nicht so wie Silanus, der sie mit keuscher Ehrfurcht geküßt hatte. Das hier war wunderbar, sie genoß es, gab sich hin, konnte nicht genug bekommen. Eine Hand streichelte ihren Rücken vom Gesäß bis hinauf zu den Schultern, während die Finger der anderen Hand damit beschäftigt waren, vorsichtig ihre Schamlippen zu erkunden und ihr damit einen Schauer nach dem anderen durch den Körper zu jagen. Oh, was für ein Luxus! Wie herrlich gleichgültig war es ihr, was sie für einen Eindruck machte, ob sie zu drängend oder zu zurückhaltend war und was er von ihr dachte! Es war ihr so gleich, so gleich... Es gab nur sie und ihn auf der Welt. Sie rollte sich auf ihn, umschloß sein erigiertes Glied mit beiden Händen und führte es ein; dann richtete sie sich auf und bewegte langsam die Hüften hin und her, bis sie auf dem Gipfel der Lust laut aufschrie, reglos und erstarrt wie ein Tier im Wald auf dem Spieß des Jägers.

Aber er war noch nicht fertig. Es kam ihr vor, als ginge es noch stundenlang weiter, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wann er einen Orgasmus hatte und ob es mehrere waren, denn er gab keinen Laut von sich und sein Glied blieb steif, bis er plötzlich aufhörte.

»Sehr beachtlich«, sagte sie, hob seinen Penis und ließ ihn auf den Bauch zurückfallen.

»Und sehr klebrig«, sagte er, wand sich geschmeidig aus ihrer Umarmung und verschwand aus dem Zimmer.

Als er zurückkehrte, war ihr Blick wieder klar, und sie konnte erkennen, daß er unbehaart war wie das Standbild eines Gottes und so gut gebaut wie der Apoll des Praxiteles.

»Du bist ein schöner Mann«, sagte sie und betrachtete ihn.

»Das darfst du denken, wenn es sein muß, aber sprich es bitte nicht aus«, antwortete er.

»Und wieso gefall’ ich dir, wo du selbst keine Haare hast?«

»Weil du weich und saftig und süß bist, und weil ich verrückt nach dem Flaum auf deinem Rücken bin.« Er setzte sich auf die Bettkante und schenkte ihr ein Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. »Und außerdem hat es auch dir Spaß gemacht. Und das ist für mich mindestens das halbe Vergnügen.«

»Ist es Zeit, daß ich gehe?« fragte sie. Es war ihr nicht entgangen, daß er sich nicht wieder hingelegt hatte.

»Ja, du mußt jetzt gehen.« Er lachte. »Ich frage mich, ob es nicht strenggenommen Inzest ist, was wir da treiben. Immerhin sind unsere Kinder miteinander verlobt.«

Sie sah ihn bestürzt an. »Aber natürlich nicht!«

»Ich habe nur Spaß gemacht, Servilia«, sagte er freundlich. Er stand auf. »Hoffentlich sind deine Kleider nicht zu sehr verknittert. Sie liegen nebenan auf dem Fußboden.«

Während sie sich ankleidete, füllte er die Badewanne, indem er den ledernen Eimer mehrmals in die Zisterne tauchte und über der Wanne ausleerte. Er hörte nicht einmal auf, als sie hereinkam und ihm zusah.

»Wann sehen wir uns wieder?« fragte sie.

»Nicht zu häufig, sonst verliert es seinen Reiz, und das möchte ich nicht«, erwiderte er, unermüdlich Badewasser schöpfend.

Ohne es zu wissen war sie einer seiner Eignungsprüfungen unterzogen worden; wenn die Empfängerinnen seiner Liebesdienste in Tränen ausbrachen oder protestierten, um ihn ihrer Liebe zu versichern, verlor er das Interesse.

»Der Meinung bin ich auch«, sagte sie.

Der Eimer blieb mitten im Schöpfvorgang stehen, Caesar starrte sie verblüfft an. »Wirklich?«

»Ja, tatsächlich«, sagte sie und überprüfte, ob ihre Bernsteinohrringe richtig eingehängt waren. »Hast du noch andere Frauen?«

»Nein, im Moment nicht, aber das kann sich jederzeit ändern.« Das war die zweite Prüfung, härter noch als die erste.

»Ja, du hast einen Ruf zu verlieren, das kann ich verstehen.«

»Kannst du das wirklich?«

»Natürlich.« Auch wenn es ihr an Sinn für Humor fehlte, jetzt lächelte sie sogar ein bißchen und sagte: »Ich habe ja eben am eigenen Leib erfahren dürfen, was man sich von dir erzählt. Ich werde noch tagelang steif und wund sein.«

»Dann laß uns mit dem nächsten Treffen bis nach den Wahlen zur Volksversammlung warten. Ich bewerbe mich um das Amt des Kurators der Via Appia.«

»Und mein Bruder Caepio will Quästor werden. Und vorher will sich Silanus von den Zenturien zum Prätor wählen lassen.«

»Und dein Bruder Cato wird zweifellos zum Militärtribun ernannt.«

Ihr Mund wurde schmal, der Blick steinhart. »Cato ist nicht mein Bruder, er ist mein Halbbruder«, erwiderte sie.

»Das behauptet man auch von Caepio. Dieselbe Stute, derselbe Hengst.«

Sie atmete tief ein und sah Caesar fest in die Augen. »Ich weiß, was man sich erzählt, und halte es für die Wahrheit. Aber Caepio trägt meinen Familiennamen, und weil das so ist, erkenne ich ihn an.«

»Das ist sehr vernünftig«, sagte Caesar und leerte seinen Eimer aus.

Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, daß sie ganz leidlich, wenn auch nicht so untadelig aussah als noch vor ein paar Stunden, begab Servilia sich auf den Heimweg.

Caesar machte ein nachdenkliches Gesicht, als er in die Wanne kletterte. Was für eine ungewöhnliche Frau. Und dieser bezaubernde schwarze Flaum. Er war sich nicht sicher, ob er sie jetzt, da sie seine Geliebte war, ein wenig lieber mochte, aber den Laufpaß würde er ihr nicht so bald geben. Immerhin war sie eine Ausnahmeerscheinung, sah man einmal von ihrem Charakter ab. In seinen Kreisen waren Frauen, die sich ohne Hemmungen im Bett bewegten, so selten wie Feiglinge in Crassus’ Armee. Selbst seine geliebte Cinnilla hatte auf Sittsamkeit und Anstand geachtet. Na ja, sie wurden eben so erzogen, die armen Dinger! Und da er es sich angewöhnt hatte, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, mußte er sich eingestehen, daß er nichts dafür tun würde, daß man Julia anders erzog. Sicher, es gab auch Verführerinnen in seinen Kreisen, Frauen, die für ihre sexuelle Raffinesse kaum weniger berühmt waren als Prostituierte, wie die verstorbene Colubra oder die alternde Praecia. Aber wenn es Caesar nach einem ausgefallenen sexuellen Abenteuer verlangt hatte, dann waren ihm die freizügigen, etwas derben, aber grundanständigen Frauen der Subura lieber gewesen. Bis heute. Servilia. Wer hätte das geahnt? Und sie würde über ihren Seitensprung Schweigen bewahren. Er drehte sich in der Wanne um und langte nach dem Bimsstein.

»Und wieviel davon«, fragte er den kleinen Stein, »soll ich meiner Mama erzählen? Seltsam! Normalerweise fällt es mir nicht schwer, ihr von meinen Frauen zu erzählen, so unvoreingenommen wie sie ist. Aber bevor ich Servilia erwähne, sollte ich lieber die blutrote Toga des Zensors tragen.«

In diesem Jahr fanden die Wahlen pünktlich statt. Zuerst wurden in den Zenturien die Konsuln und Prätoren gewählt, dann wählten die Patrizier und Plebejer in der Volksversammlung die niedrigeren Magistrate, und schließlich traten in der Plebejischen Versammlung noch die Tribus zusammen, um die plebejischen Ädile und Volkstribunen zu wählen.

Dem Kalender nach war Quinctilis, eigentlich hätte es Hochsommer sein müssen, aber die Jahreszeiten hinkten dem Kalender hinterher, weil Metellus Pius Pontifex Maximus viele Jahre lang keinerlei Neigung gezeigt hatte, jeden zweiten Februar zwanzig zusätzliche Tage einzufügen. Daher war es nicht verwunderlich, daß Gnaeus Pompeius Magnus — Pompeius der Große — die Lust verspürte, Rom einen Besuch abzustatten, um dem Wahlvorgang in der Plebejischen Versammlung beizuwohnen, denn das Wetter war frühlingshaft mild und heiter.

Trotz seines Anspruchs auf den Titel »Erster Mann in Rom« haßte Pompeius die Stadt und zog es vor, auf seinem riesigen Besitz im nördlichen Picenum zu leben. Dort fühlte er sich wie ein richtiger König; in Rom wurde ihm immer peinlich bewußt, daß die Mehrheit der Senatoren ihn noch weniger schätzte als er die Stadt Rom. Unter den Rittern, die in Roms Geschäftswelt den Ton angaben, war er außerordentlich beliebt, aber diese Tatsache vermochte sein äußerst sensibles, leicht verletzliches Selbstbild nicht aufzurichten, wenn ihm wieder einmal deutlich vor Augen geführt worden war, daß die boni und andere Adelskreise in ihm nichts anderes sahen als einen anmaßenden Emporkömmling, einen nichtrömischen Fremdkörper.

Er war von bescheidener Abstammung, besaß aber durchaus einige erwähnenswerte Vorfahren. Sein Großvater war Mitglied des Senats gewesen und hatte in eine ganz und gar römische Familie geheiratet, die Lucilii; sein Vater war der berühmte Pompeius Strabo gewesen, Konsul, siegreicher General im Italischen Krieg und Fürsprecher der konservativen Elemente im Senat, als Rom von Marius und Cinna bedroht wurde. Doch Marius und Cinna hatten schließlich gesiegt, und Pompeius Strabo war in einem Lager außerhalb der Stadt einer Krankheit erlegen. Da sie Pompeius Strabo die Schuld an der Typhusepidemie gaben, die damals im belagerten Rom wütete, hatten die Bewohner des Quirinal und des Viminal seinen nackten Leichnam von einem Esel durch die Straßen schleifen lassen. Für den jungen Pompeius eine Greueltat, die er Rom niemals vergeben hatte.

Seine Chance war gekommen, als Sulla aus dem Exil zurückgekehrt und in die italische Halbinsel eingefallen war; der zwanzigjährige Pompeius hatte drei Legionen aus Veteranen seines toten Vaters angeworben, in Marsch gesetzt und Sulla in der Campania zugeführt. Der schlaue Sulla, der nur allzugut wußte, daß Pompeius ihm die Zustimmung zu einem gemeinsamen Kommando abpressen wollte, hatte ihn, als er die Diktatur ansteuerte, für einige seiner fragwürdigsten Unternehmungen benutzt. Bevor Sulla zurückgetreten und gestorben war, hatte er noch für diesen ehrgeizigen, selbstbewußten jungen Mann gesorgt, indem er ein Gesetz erließ, das auch einem Mann, der nicht im Senat war, erlaubte, eine von Roms Armeen zu befehligen. Pompeius hatte sich nämlich gegen den Senat gestellt und sich geweigert, ihm anzugehören. Danach hatte er sechs Jahre lang in Spanien gegen den Rebellen Quintus Sertorius Krieg geführt, und während dieser sechs Jahre waren Pompeius so manche Zweifel an seinen militärischen Fähigkeiten gekommen. Mit grenzenloser Zuversicht war er nach Spanien gezogen, überzeugt davon, mit Sertorius in kürzester Zeit fertig zu werden, doch er sollte es mit einem der fähigsten Generäle in der Geschichte Roms zu tun bekommen. Schließlich gelang es ihm aber doch, Sertorius zu zermürben. Und so kehrte ein sehr veränderter Pompeius nach Italien zurück: listig, skrupellos und darauf bedacht, allen zu zeigen, daß er den Senat (der ihn mit Geld und Nachschub in Spanien unverschämt kurzgehalten hatte) in die Knie zwingen konnte.

Pompeius hatte begonnen, dieses Ansinnen in die Tat umzusetzen, und zwei Männer hatten ihn dabei mit stillschweigendem Einverständnis gewähren lassen — der eine war Marcus Crassus, Sieger über Spartacus, der andere niemand anderer als Caesar. Der neunundzwanzig Jahre alte Caesar zog für sie die Fäden, Pompeius und Crassus zwangen den Senat mit Hilfe ihrer beiden Armeen, sie als Konsuln kandidieren zu lassen. Noch nie war jemand in dieses Amt gewählt worden, ehe er nicht wenigstens Mitglied des Senats gewesen war, aber Pompeius wurde Erster Konsul und Crassus sein Kollege. Und so hatte dieser außergewöhnliche, viel zu junge Mann aus Picenum sein Ziel auf eine ganz und gar nicht verfassungsmäßige Weise erreicht, und Caesar, der noch sechs Jahre jünger war als er, hatte ihm gezeigt, wie man so etwas machte.

Um die Schmach des Senats zu vervollständigen, wurde die Amtszeit der beiden Konsuln Pompeius Magnus und Marcus Crassus zu einem einzigen Triumph, einem Jahr der Festlichkeiten und Zirkussensationen, des Frohsinns und des Wohlstands. Und als es um war, lehnten es beide Männer ab, eine Provinz zu übernehmen; sie zogen sich statt dessen ins Privatleben zurück. Nur ein einziges wichtiges Gesetz hatten sie erlassen, und das gab den Volkstribunen, die Sulla per Gesetzgebung entmachtet hatte, ihre vollen Rechte zurück.

Und nun war Pompeius in die Stadt gekommen, um der Wahl der Volkstribunen für das nächste Jahr beizuwohnen, und Caesar, der ihm und der großen Menge seiner Klienten beim Verlassen des Forums an der Ecke Via Sacra und Clibus Orbius begegnet war, staunte nicht schlecht darüber.

»Ich hätte nicht erwartet, dich in Rom zu treffen«, sagte Caesar, als ihre Gefolgschaften sich vereinigten. Er musterte Pompeius ungeniert von Kopf bis Fuß und grinste. »Du siehst gut aus und scheinst in Hochform zu sein«, sagte er. »Hast deine gute Figur in die mittleren Jahre gerettet.«

»Mittlere Jahre?« fragte Pompeius beleidigt. »Ich bin doch nicht alt, nur weil ich schon einmal Konsul war! Ende September werde ich achtunddreißig

»Und ich bin gerade zweiunddreißig geworden«, erwiderte Caesar hochmütig. »In dem Alter warst nicht einmal du Konsul, Pompeius Magnus.«

»Du willst mich foppen«, sagte Pompeius schon wesentlich ruhiger. »Du bist wie Cicero, deine scharfe Zunge wird dich noch auf den Scheiterhaufen bringen.«

»Ich wollte, ich wäre so originell wie er. Aber meine Frage war durchaus ernst gemeint, Magnus. Was tust du in Rom, wenn du keinen besseren Grund hast als die Wahl der Volkstribunen? Ich hätte nicht geglaubt, daß du es inzwischen nötig hast, Volkstribunen für dich arbeiten zu lassen.« »Ein, zwei Volkstribunen kann jeder gut gebrauchen, Caesar.«

»Ach ja? Was führst du im Schilde, Magnus?«

Pompeius blickte Caesar aus seinen blauen Augen arglos an. »Ich führe nichts im Schilde.«

»Oh! Sieh nur!« rief Caesar und deutete in Richtung Himmel. »Hast du’s gesehen, Magnus?«

»Was gesehen?« Pompeius suchte die Wolken ab.

»Das hellrosa Schweinchen. Es flog wie ein Adler.«

»Du glaubst mir nicht.«

»Stimmt, ich glaube dir nicht. Warum schenkst du mir keinen reinen Wein ein? Du weißt sehr gut, daß ich nicht zu deinen Feinden zähle. Ich war dir in der Vergangenheit von großem Nutzen, und es gibt keinen Grund, warum ich dich nicht auch in Zukunft unterstützen sollte. Du mußt zugeben, daß ich kein schlechter Redner bin.«

»Nun...«, sagte Pompeius, schwieg dann aber.

»Nun, was?«

Pompeius blieb stehen, warf einen Blick hinter sich auf die Menge der Klienten in ihrem Gefolge, schüttelte den Kopf und ging an den Rand des Weges, wo er sich gegen eine der prächtigen Marmorsäulen lehnte, von denen die Arkaden vor dem Hauptsaal der Basilica Aemilia gestützt wurden. Caesar hatte verstanden, daß Pompeius auf diese Weise lästigen Ohrenzeugen ausweichen wollte, und baute sich so neben dem Großen auf, daß er ihm zuhören konnte, während die Herde der Klienten, die vor Neugierde leuchtende Augen hatten, außer Hörweite blieb.

»Und wenn nun einer von denen von den Lippen lesen kann?« fragte Caesar.

»Schon wieder hältst du mich zum besten!«

»Nein, eigentlich nicht. Aber warum drehen wir uns nicht einfach um und tun so, als würden wir auf Aemilias Galerie pinkeln?«

Das war zuviel; Pompeius brüllte los vor Lachen. Als er sich wieder beruhigt hatte, wandte er sich so weit von ihrem Publikum ab, daß die Männer ihn nur im Profil sehen konnten, und die Lippen benutzte er so sparsam wie ein Pornographiehändler auf dem Forum.

»Tatsache ist«, sagte Pompeius leise, »daß ich dieses Jahr einen guten Kameraden unter den Kandidaten habe.«

»Aulus Gabinius?«

»Woher weißt du das?«

»Er stammt aus Picenum und hat in Spanien zu deinem persönlichen Stab gehört. Er ist übrigens ein guter Freund von mir. Wir waren beide als junge Militärtribune in Mitylene, während der Belagerung.« Caesar feixte. »Gabinius konnte Bibulus auch nicht ausstehen, und die Jahre haben ihn den boni nicht geneigter gemacht.«

»Gabinius ist der beste Kamerad, den es gibt.«

»Und ein sehr fähiger Mann.«

»Das auch.«

»Was für ein Gesetz soll er für dich einbringen? Sollen sie Lucullus das Kommando entziehen und dir auf dem Silbertablett servieren?«

»Nein, nein!« knurrte Pompeius. »Dafür ist es viel zu früh. Zuerst brauche ich einen kurzen Feldzug, um die Muskeln aufzuwärmen.«

»Die Piraten?« fragte Caesar.

»Diesmal hast du ins Schwarze getroffen! Die Piraten.«

Caesar beugte das rechte Knie, um das Bein gegen die Säule zu lehnen. Er machte ein Gesicht, als würden sie sich nur ein wenig über die alten Zeiten unterhalten. »Mein Kompliment, Magnus. Das ist nicht nur sehr klug, sondern auch äußerst nützlich.«

»Metellus das Zicklein auf Kreta imponiert dir wohl nicht?«

»Der Mann ist ein halsstarriger Dummkopf und korrupt obendrein. Ein passender Schwager für Verres — in mehr als einer Hinsicht. Er verfügte über drei gute Legionen, und trotzdem hätte er die Landschlacht gegen einen buntgemischten Haufen von vierundzwanzigtausend unausgebildeten, von ein paar Seeleuten angeführten Kretern um ein Haar verloren.«

»Schrecklich.« Pompeius schüttelte düster den Kopf. »Ich frage dich, Caesar, was hat es für einen Sinn, sich auf Gefechte an Land einzulassen? Die Piraten operieren auf See! Sicher, man muß ihre Stützpunkte an Land ausräuchern, aber erst wenn du sie auf See erwischst, kannst du ihre Lebensgrundlage zerstören — ihre Schiffe. Ein moderner Seekrieg ist was anderes als Troja. Du kannst ihre Schiffe nicht am Ufer in Brand stecken. Während ihre Hauptstreitmacht dich aufhält, formieren die anderen sich zu Rumpfmannschaften und rudern mit der Flotte woanders hin.«

»Ja.« Caesar nickte. »Den Fehler haben sie bis jetzt alle gemacht, angefangen bei den beiden Antonii bis hin zu Vatia Isauricus. Dörfer niedergebrannt und Städte geplündert. Die Sache verlangt nach einem Mann, der wirklich etwas von Organisation versteht.«

»Genau!« rief Pompeius. »Und dieser Mann bin ich, das verspreche ich dir! Und wenn meine selbstverordnete Passivität in den letzten Jahren zu nichts anderem getaugt hat — ich hatte wenigstens Zeit zum Nachdenken. In Spanien habe ich mich blind ins Getümmel gestürzt. Ich hätte mir überlegen müssen, wie man so einen Krieg gewinnt, bevor ich aus Mutina losgezogen bin. Ich hätte alles vorher ausklügeln müssen, nicht nur, wie man am schnellsten über die Alpen kommt. Dann hätte ich auch gewußt, wieviel Legionen ich brauche, wieviel Reiterei, wieviel Geld in der Kriegskasse. Und ich hätte meinen Feind besser kennengelernt. Quintus Sertorius war ein brillanter Taktiker. Aber man gewinnt einen Krieg nicht mit Taktik, Caesar. Strategie ist das Zauberwort. Strategie!«

»Und was die Piraten betrifft, Magnus, da hast du dich gründlich informiert?«

»Und ob. Über jeden einzelnen Aspekt, vom wichtigsten bis zum unwichtigsten: Karten, Spione, Schiffe, Geld, Männer. Ich weiß, wie man die Sache am besten erledigt«, sagte Pompeius und zeigte viel mehr Zuversicht als früher. Spanien, das war noch der Feldzug eines Schlächters gewesen. Gemetzel dieser Art gehörten der Vergangenheit an.

Und so sah Caesar der Wahl der zehn Volkstribunen mit großem Interesse zu. Aulus Gabinius war ein sicherer Kandidat, folglich erhielt er auch die meisten Stimmen und wurde Vorsitzender des Kollegiums der Volkstribunen, das am zehnten Dezember mit seiner Arbeit beginnen würde.

Da die Volkstribunen die meisten neuen Gesetze einbrachten und traditionell die einzigen Gesetzgeber waren, die nichts gegen Veränderungen hatten, brauchte jede der mächtigsten Faktionen im Senat mindestens einen Volkstribunen auf ihrer Seite. So auch die boni, die ihre Männer dazu benutzten, jede neue Gesetzgebung zu blockieren. Die wirksamste Waffe des Volkstribunen war das Veto, mit dem er seine Kollegen, alle anderen Amtsträger und sogar den Senat blockieren konnte. Und das bedeutete, daß die Volkstribunen der boni keine neuen Gesetze einbrachten, sondern ihr Veto dagegen einlegten. Und natürlich gelang es den boni, bei der Wahl drei ihrer Männer durchzubringen — Globulus, Trebellius und Otho. Keiner von ihnen war herausragend, aber ein Volkstribun der boni mußte nicht brillant sein, er brauchte nur die Fähigkeit, laut und deutlich das Wort »Veto!« aussprechen zu können.

Pompeius hatte in dem neuen Gremium zwei ausgezeichnete Männer, die seine Ziele verfolgten. Aulus Gabinius mochte zwar mittellos und von vergleichsweise unbedeutender Herkunft sein, aber er würde es weit bringen; Caesar kannte ihn seit der Belagerung von Mitylene. Natürlich stammte auch Pompeius’ zweiter Mann aus Picenum: ein gewisser Gaius Cornelius, nicht nur ein Patrizier, sondern ein Abkömmling der ehrwürdigen gens Cornelia. Vielleicht war er nicht so an Pompeius gebunden wie Gabinius, doch auf keinen Fall würde er gegen ein von Gabinius eingebrachtes Plebiszit sein Veto einlegen.

Caesar fand das alles zwar höchst interessant, der eine Mann unter den Gewählten jedoch, der ihm am meisten Sorgen machte, gehörte weder zu den boni noch zu Pompeius. Er hieß Gaius Papirius Carbo, einer von der radikalen Sorte, der gern sein eigenes Süppchen kochte. Eine Zeitlang erzählte man sich auf dem Forum, er habe die Absicht, Caesars Onkel Marcus Aurelius Cotta vor Gericht zu stellen, weil dieser während seines Feldzugs in Bithynien gegen Roms alten Erzfeind König Mithridates Beute unterschlagen haben sollte, die er Heracleia abgenommen hatte. Gegen Ende des berühmten gemeinsamen Konsulats von Pompeius und Crassus war Marcus Cotta im Triumphzug nach Rom zurückgekehrt, und kein Mensch hatte damals seine Integrität angezweifelt. Und jetzt wühlte dieser Carbo in alten Geschichten, und als Tribun der wieder voll in ihre Rechte eingesetzten Plebs besaß er die Macht, Marcus Cotta vor einem eigens einberufenen Tribunal der Plebejischen Versammlung anzuklagen. Caesar liebte und verehrte seinen Onkel Marcus. Deshalb war Carbos Wahl ihm ein Dorn im Auge.

Nachdem die letzte Scherbe ausgezählt war, nahmen die zehn siegreichen Männer auf der Rostra die Hochrufe entgegen; Caesar drehte sich um und ging langsam nach Hause. Er war müde. Zuwenig Schlaf, zuviel Servilia. Sie hatten sich erst vor sechs Tagen wiedergesehen, nach dem Tag der Wahlen in der Volksversammlung, und wie zu erwarten gewesen war, hatten sie beide etwas zu feiern gehabt. Caesar war jetzt Kurator der Via Appia, und Servilias sogenannter »Bruder« Caepio war zu einem von zwanzig Quästoren gewählt worden. Sie hatten ihm ein Amt als Stadtquästor in Rom gegeben, er mußte also nicht in einer der Provinzen seinen Dienst leisten.

Und so hatten sie sich in guter Laune und mit großer Vorfreude aufeinander wiedergetroffen, und der gemeinsame Tag im Bett war so vergnüglich gewesen, daß keiner von beiden das nächste Stelldichein lange hinausschieben wollte. Folglich trafen sie sich jetzt jeden Tag zu einem Fest der Lippen, der Zungen und der Haut, und jeden Tag gab es etwas Neues zu erforschen. Heute hatten die Wahlen jedoch ein weiteres Treffen verhindert. Und wahrscheinlich würden sie sich erst an den Kalenden des September wiedersehen können, denn Silanus nahm Servilia, Brutus und die Mädchen mit ins Seebad Cumae, wo er eine Villa besaß. Auch für Silanus waren die diesjährigen Wahlen erfolgreich verlaufen; im nächsten Jahr würde er das Amt des Stadtprätors innehaben. Dieses äußerst wichtige Amt hob auch Servilias öffentliches Ansehen; unter anderem durfte sie darauf hoffen, daß man ihr Haus für das den Frauen vorbehaltene Fest der Bona Dea auswählen würde, bei dem Roms erlauchteste Matronen die gute Göttin in den Winterschlaf wiegten.

Und er mußte Julia endlich mitteilen, daß er ihre Heirat arrangiert hatte. Die offizielle Verlobungszeremonie würde erst stattfinden, nachdem Brutus im Dezember die toga virilis angelegt hatte, aber die rechtlichen Formalitäten waren erledigt, Julias Schicksal war besiegelt. In seinem Inneren nagte Unzufriedenheit darüber, daß er dieser Pflicht — ganz gegen seine Art — noch nicht nachgekommen war; er hatte Aurelia gebeten, es Julia zu sagen, aber die nahm es mit der häuslichen Etikette sehr genau und hatte sich geweigert. Er war der pater familias. Es war seine Aufgabe. Frauen! Warum gab es so viele Frauen in seinem Leben, und warum war er davon überzeugt, daß die Zukunft noch viel mehr für ihn bereithalten würde? Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die damit verbunden waren.

Julia hatte heute mit Matia gespielt, der Tochter seines guten Freundes Gaius Matius, der in Aurelias Mietshaus das Erdgeschoß bewohnte. Sie war eine ganze Weile vor der Essenszeit heimgekehrt, also hatte er keine Ausrede mehr, er mußte es ihr sagen. Wie eine junge Nymphe tanzte sie durch den Garten im Lichthof, der Stoff ihres Kleides wehte wie ein lavendelblauer Schleier um ihren noch unentwickelten Körper. Aurelia kleidete sie mir Vorliebe in helle Blau- oder Grüntöne, und sie tat recht daran. Wie schön sie einmal sein wird, dachte er, während er sie ansah; vielleicht entsprach sie nicht dem griechischen Ideal wie Aurelia, dafür aber besaß sie das magische Wesen der Julierinnen, das der pragmatischen, vernünftigen Aurelia abging, die eben eine typische Cotta war. Man sagte den Julierinnen nach, sie würden ihre Männer glücklich machen, und jedesmal, wenn er seine Tochter sah, wollte er es gern glauben. Doch der Volksmund war nicht unfehlbar; seine jüngere Tante (sie war Sullas erste Frau gewesen) hatte nach einer langen Liebesaffäre mit Hilfe der Weinflasche Selbstmord begangen, und seine Cousine Julia Antonia durchlebte mit ihrem zweiten Ehemann schreckliche Perioden der Depression und Hysterie. Und doch ging dieses geflügelte Wort in Rom um. Jeder junge Aristokrat, der nicht auf eine üppige Mitgift angewiesen war, dachte zuerst an eine Julierin.

Sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie ihren Vater an den Sims des Eßzimmerfensters gelehnt stehen sah, kam zu ihm herübergeschwebt und schaffte es mit einiger Eleganz, in seine Arme zu klettern.

»Wie geht’s meinem Mädchen?« fragte er sie, trug sie zu einer der drei Ruhebänke hinüber und setzte sie neben sich ab.

»Ich hatte einen wunderschönen Tag, tata. Sind die richtigen Leute zu Volkstribunen gewählt worden?«

Sein Lächeln ließ in den äußeren Winkeln der Augen einen Fächer aus Falten entstehen; er hatte von Natur aus eine helle Haut, doch lange Jahre des Lebens auf Foren und Gerichtsplätzen oder an den Schauplätzen seines Militärdienstes hatten die der Sonne ausgesetzten Oberflächen gebräunt und dabei nur die Falten um die Augen herum ausgespart, die tief drinnen ganz weiß geblieben waren. Dieser Kontrast faszinierte Julia, die ihn am liebsten hatte, wenn er nicht gerade lächelte oder die Augen zusammenkniff, sondern die Fächer aus weißen Streifen zeigte wie ein Barbar seine Kriegsbemalung. Und so kletterte sie auf seine Knie, um zuerst den einen und dann den anderen Fächer zu küssen, während er seinen Kopf auf ihre Lippen zubewegte, innerlich dahinschmelzend wie sonst bei keinem weiblichen Wesen, nicht einmal bei Cinnilla.

»Du weißt sehr gut«, antwortete er, als das Ritual beendet war, »daß nicht nur die richtigen Leute Volkstribunen werden. Das neue Kollegium ist die übliche Mischung aus guten, bösen, gleichgültigen, beunruhigenden und faszinierenden Männern. Aber ich glaube, sie werden ein bißchen aktiver sein als die Bande vom vergangenen Jahr. Im nächsten Jahr wird einiges los sein auf dem Forum.«

Natürlich war sie über politische Angelegenheiten gut informiert, denn sowohl ihr Vater als auch die Großmutter stammten aus berühmten Politikerfamilien, aber wenn man in der Subura lebte, dann hatte man eben Spielkameraden, die nur ein geringes Interesse für Machenschaften und personelle Veränderungen im Senat, in den Versammlungen und Gerichtshöfen aufbrachten. Aus diesem Grund hatte Aurelia sie mit sechs Jahren auf die Schule des Marcus Antonius Gnipho geschickt; Gnipho war Caesars Privatlehrer gewesen, aber als Caesar mit dem offiziellen Beginn des Mannesalters den Mantel und das Filzbarett des Hamen Dialis angelegt hatte, war Gnipho Leiter einer Schule mit aristokratischer Schülerschaft geworden. Julia hatte sich als intelligente und lernwillige Schülerin erwiesen, sie entwickelte die gleiche Liebe zur Literatur wie ihr Vater, nur in Mathematik und Geographie waren ihre Leistungen nicht besonders gut. Auch hatte sie Caesars erstaunliches Gedächtnis nicht geerbt. Und das war auch gut so, fanden alle, die um sie herum waren; flinke und kluge Mädchen waren wunderbar, aber brillante, intellektuelle Mädchen waren Stolpersteine, nicht zuletzt für den eigenen Lebensweg.

»Warum sind wir hier drinnen, tata?« fragte sie ein wenig verwundert.

»Ich habe Neuigkeiten, und die möchte ich dir an einem ruhigen Ort mitteilen«, antwortete Caesar, der jetzt, wo er sich entschlossen hatte, genau wußte, wie er es ihr sagen würde.

»Gute Neuigkeiten?«

»Das weiß ich noch nicht, Julia. Ich hoffe es, aber ich stecke nicht in deiner Haut. Vielleicht ist es keine so gute Neuigkeit, aber ich glaube, wenn du dich erst einmal dran gewöhnt hast, wirst du sie nicht ganz unerträglich finden.«

Weil sie flink und klug war, hatte sie ihn sofort verstanden. »Du hast einen Ehemann für mich gefunden«, sagte sie.

»Richtig. Freust du dich?«

»Sehr, tata. Junia ist auch verlobt, und jetzt spielt sie uns allen gegenüber die große Dame. Wer ist es?«

»Junias Bruder. Marcus Junius Brutus.«

Er sah ihr fest in die Augen, deshalb war ihm das flüchtige Aufflackern des Erschreckens in ihrem Blick nicht entgangen, bevor sie ganz schnell den Kopf abwandte und vor sich hinstarrte. Sie schluckte.

»Freust du dich nicht?« fragte er. Ihm sank ein wenig der Mut.

»Es kommt überraschend, das ist alles«, sagte Aurelias Enkeltochter, der man von der Krippe an beigebracht hatte, daß sie alles würde ertragen müssen, was das Schicksal einmal für sie bereithielt. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, und die großen blauen Augen lächelten wieder. »Ich freue mich sehr. Brutus ist nett.«

»Bist du sicher?«

»O tata, natürlich bin ich sicher!« sagte sie so ehrlich, daß ihre Stimme zitterte. »Wirklich, tata, es ist eine gute Neuigkeit. Brutus wird mich lieben und für mich sorgen, das weiß ich.«

Ihm fiel ein Stein vom Herzen, er seufzte, lächelte, nahm ihre kleine Hand und küßte sie, bevor er sie fest in die Arme schloß. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, sie danach zu fragen, ob sie es nicht lernen könnte, Brutus zu lieben, denn Caesar hatte nie Freude an einem Gefühl wie der Liebe gehabt, nicht einmal an seiner Liebe zu Cinnilla und zu diesem bezaubernden Wildfang in seinen Armen. Liebe machte ihn verwundbar, und er haßte es, verwundbar zu sein.

Plötzlich sprang sie von der Speiseliege herunter und stürzte aus dem Zimmer; aus der Entfernung hörte er, wie sie Aurelia zurief: »Avia, avia, ich werde meinen Freund Brutus heiraten! Ist das nicht großartig? Ist das keine gute Neuigkeit?«

Und dann kam ihr langgezogenes Schluchzen, bevor sie in Tränen ausbrach. Caesar hörte, wie seine Tochter weinte, als sei ihr Herz gebrochen, und doch war er sich nicht sicher, ob sie vor Freude oder vor Schmerz weinte. Er trat gerade hinaus in das Vestibül, als Aurelia das Kind, das sein Gesicht in ihrer Seite vergraben hatte, zu ihrem Alkoven führte.

Seine Mutter wirkte völlig unbeeindruckt. »Ich wünschte«, sagte sie in seiner Richtung, »weibliche Wesen würden lernen zu lachen, wenn sie glücklich sind! Aber die meisten von ihnen weinen. Auch Julia.«