Fulvia schlug Publius Clodius ins Gesicht, bis seine Lippe aufgesprungen war und er aus der Nase blutete.

»Dummkopf!« zischte sie bei jedem ihrer Schläge. »Dummkopf! Dummkopf! Dummkopf!«

Er machte gar nicht den Versuch, sich zu wehren oder seine Schwestern um Hilfe zu bitten, die mit ängstlicher Befriedigung zusahen.

»Warum?« fragte Clodia, als Fulvia mit ihm fertig war.

Es dauerte eine Weile, bis er antworten konnte; erst mußten Blut und Tränen gestillt sein. Dann sagte er: »Ich wollte Aurelia und Fabia Schmerz zufügen.«

»Clodius, du hast Rom Schmerz zugefügt! Wir sind verflucht!« schrie Fulvia.

»Ach, was habt ihr bloß?« rief er. »Eine Handvoll Frauen, die ihrem Ärger über die Männer Luft machen wollen! Was soll das? Ich habe die Peitschen gesehen! Ich weiß von den Schlangen! Das Ganze ist ein aberwitziger Unsinn!«

Aber damit hatte er nur noch Öl ins Feuer geschüttet; jetzt gingen die Frauen zu dritt auf ihn los, und wieder wurde Clodius geschlagen und gestoßen.

»Bona Dea«, sagte Clodilla zwischen den Zähnen, »ist keine hübsche griechische Statue! Bona Dea ist so alt wie Rom, sie gehört zu uns, sie ist unsere Gute Göttin. Jede Frau, die bei deiner abscheulichen Tat dabei war und schwanger ist, muß jetzt die Arznei nehmen.«

»Und zu denen«, sagte Fulvia und begann zu schluchzen, »ge höre auch ich.«

»Nein!«

»Doch! Doch! Doch!« schrie Clodia und versetzte ihm einen Tritt. »Ach, Clodius, warum? Es hätte tausend Möglichkeiten gegeben, dich an Fabia und Aurelia zu rächen! Warum ausgerechnet mit einem Frevel? Du bist verdammt!«

»Ich habe nicht lange darüber nachgedacht, ich fand die Idee so ausgezeichnet!« Er versuchte, Fulvias Hand zu ergreifen. »Bitte, füge unserem Kind keinen Schaden zu!«

»Kapierst du immer noch nicht?« kreischte sie und riß sich los. »Du hast unserem Kind geschadet! Es wird mißgebildet und häßlich. Ich muß die Arznei nehmen! Clodius, du bist verflucht!«

»Mach, daß du rauskommst!« schrie Clodilla. »Aber gefälligst auf dem Bauch, wie eine Schlange!«

Und so kroch Clodius wie eine Schlange auf dem Bauch hinaus.

»Wir müssen ein neues Bona Dea veranstalten«, sagte Terentia zu Caesar, als sie zusammen mit Fabia und Aurelia in sein Arbeitszimmer kam. »Die Riten werden die gleichen sein, und zusätzlich müssen wir ein Sühneopfer bringen. Die Sklavin Doris wird auf besondere Weise bestraft werden, aber keine Frau darf etwas darüber verraten, nicht einmal dem Pontifex Maximus.«

Den Göttern sei Dank dafür, dachte Caesar, der sich nur zu genau vorstellen konnte, wer als das Sühneopfer ausersehen war. »Ihr braucht also ein Gesetz, das einen der nächsten Tage für alle Komitien sperrt, und ihr bittet den Pontifex Maximus, es durch einen religiösen Konvent der siebzehn Tribus beschließen zu lassen?«

»So ist es«, sagte Fabia. Sie glaubte, sprechen zu müssen, weil Caesar nicht denken sollte, sie habe sich von zwei Frauen abhängig gemacht, die nicht dem vestalischen Kollegium angehörten. »Bona Dea muß an einem dies nefastus abgehalten werden, und bis zum Februar gibt es keine mehr.«

»Ihr habt recht. Es geht nicht an, daß die Bona Dea bis zum Februar wach bleiben muß. Soll ich das Gesetz für den sechsten Tag vor den Iden in Kraft setzen?«

»Das wäre wunderbar«, sagte Terentia und seufzte.

»Bona Dea wird sich zufrieden schlafen legen«, tröstete Caesar. »Es tut mir leid, daß jede schwangere Frau, die an dem Fest teilgenommen hat, jetzt ein so schweres und ungewöhnliches Opfer bringen muß. Mehr sage ich nicht dazu, es ist Sache der Frauen. Vergeßt nicht, daß keine römische Frau sich des Sakrilegs schuldig gemacht hat. Bona Dea wurde von einem Mann und einer Nichtrömerin beleidigt.«

»Wie man hört«, sagte Terentia und erhob sich, »soll Publius Clodius ein äußerst rachsüchtiger Mensch sein. Wir wollen einmal sehen, wie die Rache der Bona Dea ihm schmecken wird.«

Aurelia blieb sitzen, aber sie redete erst, nachdem die Tür sich hinter Terentia und Fabia geschlossen hatte.

»Pompeia packt ihre Sachen.«

»Ich hoffe, sie nimmt alle ihre Sachen mit.«

»Es kümmert sich jemand darum. Armes Ding! Sie hat so geweint, Caesar. Ihre Schwägerin will sie nicht aufnehmen, Cornelia Sulla weigert sich ebenfalls — es ist so traurig.«

»Ich weiß.«

»>Caesars Frau muß, wie alle anderen in Caesars Familie, über jeden Verdacht erhaben sein<«, zitierte Aurelia.

»Ja.«

»Es erscheint mir nicht richtig, sie für etwas zu bestrafen, von dem sie nicht einmal gewußt hat.«

»Mir auch nicht, Mater. Aber ich habe keine Wahl.«

»Ich bezweifle, daß deine Kollegen etwas dagegen gehabt hätten, wenn du sie als deine Frau behalten hättest.«

»Wahrscheinlich nicht. Aber ich hatte etwas dagegen.«

»Du kannst unerbittlich sein.«

»Ein Mann, der nicht unerbittlich sein kann, Mater, steht früher oder später unter der Regentschaft einer Frau. Sieh dir Cato oder Silanus an.«

»Ich habe gehört«, nahm Aurelia das Thema auf, »daß Silanus’ Zustand sich rapide verschlechtern soll.«

»Nach dem zu urteilen, wie er heute morgen ausgesehen hat, will ich es gern glauben.«

»Vielleicht bedauerst du es noch einmal, daß du dich in dem Augenblick scheiden läßt, in dem Servilia Witwe wird.«

»Solange sie meinen Ring nicht am Finger trägt, muß ich mir darüber keine Gedanken machen.«

»In mancher Hinsicht wäre Servilia eine gute Partie«, sagte sie und konnte es kaum erwarten zu erfahren, wie er wirklich darüber dachte.

»In mancher Hinsicht«, pflichtete er ihr bei und lächelte unergründlich.

»Kannst du denn nichts für Pompeia tun, abgesehen davon, daß sie ihre Sachen und ihre Mitgift mitnehmen darf?«

»Warum sollte ich?«

»Ja, warum eigentlich, wo ihre Strafe doch unverdient ist und sie nie wieder einen Mann finden wird, nicht wahr? Welcher Mann würde eine Frau heiraten, deren Ehemann sie der Beteiligung an einem Religionsfrevel verdächtigt hat?«

»Jetzt gehst du zu weit, Mater.«

»Nein, Caesar, das tue ich nicht! Du weißt, daß sie unschuldig ist, aber den Römern suggerierst du eine andere Version der Geschichte, wenn du dich von ihr scheiden läßt.«

»Mater, du strapazierst meine Freude über deine Anwesenheit.«

Sie erhob sich auf der Stelle. »Gar nichts?« fragte sie noch einmal.

»Ich suche ihr einen neuen Ehemann.«

»Wer sollte sich schon dazu bewegen lassen, sie zu heiraten?«

»Ich könnte mir vorstellen, daß Publius Vatinius von dem Gedanken begeistert ist. Die Enkeltochter des Sulla ist ein Hauptgewinn für jemanden, dessen Großeltern Italiker waren.«

Aurelia dachte kurz darüber nach, dann nickte sie. »Das ist eine ausgezeichnete Idee, Caesar. Vatinius war Antonia Cretica ein treusorgender Mann, und sie war mindestens so dumm wie Pompeia. O ja, wunderbar! Und als Italiker wird er sie an der kurzen Leine halten. Dann ist sie viel zu beschäftigt, um noch Zeit für den Clodius-Club zu haben.«

»Nun geh endlich, Mater«, sagte Caesar und seufzte.

Das zweite Fest der Bona Dea verlief ohne Zwischenfälle, aber es dauerte noch lange, bis das weibliche Rom sich wieder beruhigt hatte. Viele schwangere Frauen der Stadt folgten dem Beispiel derjenigen, die an der ersten Zeremonie teilgenommen hatten; die Vestalinnen gaben die Roggenarznei aus, bis ihre Vorräte nahezu erschöpft waren. Noch nie zuvor waren so viele männliche Neugeborene auf den Scherben des Mons Testaceus ausgesetzt worden, und zum erstenmal kamen keine kinderlosen Ehepaare, um sie sich zu holen und sie aufzuziehen; sie blieben unerwünscht und mußten sterben. Die Stadt weinte und trug Trauer bis zum ersten Mai, und das um so mehr, als der Kalender so wenig im Gleichklang mit den Jahreszeiten war, daß die Schlangen ihren Winterschlaf noch nicht beendet hatten und niemand so recht wußte, ob die Gute Göttin nun verziehen hatte oder nicht.

Publius Clodius, der eigentliche Urheber des Unglücks, wurde gemieden und bespuckt. Die Zeit würde die religiöse Krise beheben, aber der Anblick von Publius Clodius war eine ständige Erinnerung daran. Er tat nicht einmal das Naheliegendste, nämlich die Stadt zu verlassen, sondern behauptete steif und fest, er sei unschuldig und an dem besagten Abend ganz woanders gewesen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Fulvia ihm verzieh; es war ihr erst möglich, nachdem der Schmerz über die abgebrochene Schwangerschaft abgeklungen war und sie spürte, daß ihn die Trauer darüber mindestens ebensosehr quälte wie sie selbst. Warum hatte er es getan?

»Ich habe nicht darüber nachgedacht, einfach nicht darüber nachgedacht!« Er weinte in ihren Schoß. »Ich hielt es für einen tollen Jux.«

»Es war ein schwerer Frevel!«

»Ich habe mir nichts dabei gedacht!« Er hob den Kopf und sah sie aus rotgeränderten, verquollenen Augen an. »Ich meine, es ist doch nur ein albernes Frauenbesäufnis — wenn ihr alle stockbetrunken seid, dann masturbiert ihr oder treibt es miteinander. Ich habe nicht darüber nachgedacht, Fulvia!«

»Clodius, die Bona Dea ist etwas ganz anderes. Etwas Heiliges! Ich darf dir nicht verraten, was es genau ist, weil ich sonst schrumpfen und bis an mein Lebensende nur noch Schlangen zur Welt bringen würde! Aber die Bona Dea ist für uns allein! Alle anderen Göttinnen der Frauen sind auch für die Männer — Juno Lucina und Juno Sospita und die anderen —, aber die Bona Dea gehört nur uns. Sie kümmert sich um all die weiblichen Dinge, von denen die Männer nichts wissen, gar nichts wissen wollen. Wenn sie sich nicht ordentlich schlafen legt, kann sie nicht ordentlich aufwachen, und Rom besteht nicht nur aus Männern, Clodius. Rom, das sind auch die Frauen!«

»Sie werden mich vor Gericht stellen und verurteilen, oder?«

»Es sieht so aus, auch wenn keine von uns das will. Es würde bedeuten, daß die Männer sich wieder einmal in etwas einmischen, was sie nichts angeht. Sie eignen sich Bona Deas Göttlichkeit an.« Fulvia erschauerte heftig. »Es ist nicht der Prozeß, vor dem ich Angst habe, Clodius. Es ist das, was die Bona Dea mit dir machen wird, und du kannst dich nicht davon freikaufen wie von ein paar Geschworenen.«

»Es gibt in ganz Rom nicht genug Geld, um mich von diesen Geschworenen freizukaufen.«

Aber Fulvia lächelte nur. »Wenn es soweit ist, wird schon genug Geld da sein. Wir Frauen sind dagegen. Wenn wir es verhindern, wird Bona Dea uns vielleicht vergeben. Aber einer Männerwelt, die sich ihre Vorrechte anmaßt, wird sie ganz sicher nicht vergeben.«

Kaum aus Spanien zurück, stürzte sich Publius Vatinius auf die Gelegenheit, Pompeia Sulla zu heiraten.

»Caesar, ich bin dir sehr dankbar«, sagte er lächelnd. »Natürlich durftest du sie nicht als dein Eheweib behalten, das verstehe ich. Aber ich weiß auch, daß du sie mir nicht angeboten hättest, wenn sie an dem Frevel beteiligt gewesen wäre.«

»Könnte sein, daß Rom nicht so nachsichtig ist, Vatinius. Es gibt viele, die davon überzeugt sind, daß ich sie verstoßen habe, weil sie mit Clodius gemeinsame Sache gemacht hat.«

»Rom ist mir egal, für mich zählt nur dein Wort. Meine Kinder werden Antonii und Cornelii sein! Sag mir, wie ich dir das vergelten kann.«

»Nichts einfacher als das, Vatinius«, sagte Caesar. »Nächstes Jahr bekomme ich eine Provinz, und im Jahr darauf kandidiere ich als Konsul. Ich möchte, daß du bei diesen Wahlen als Volkstribun kandidierst.« Er seufzte. »Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Bibulus mein Kollege als Konsul wird. Der einzige andere Aristokrat von Bedeutung in unserem Jahr ist Philippus, und ich nehme an, er wird die Rolle des Epikuräers der des Politikers vorziehen. An seinem Amt als Prätor hat er nicht viel Spaß gehabt. Und die Männer, die davor Prätoren waren, sind ziemlich jämmerliche Gestalten. Deshalb werde ich einen guten Volkstribun gebrauchen können, wenn Bibulus ebenfalls Konsul wird. Und du, Vatinius«, fügte Caesar gutgelaunt hinzu, »wirst einen außerordentlich fähigen Volkstribun abgeben.«

»Eine Stechmücke gegen einen Floh.«

»Das Gute an Flöhen ist«, bemerkte Caesar zufrieden, »daß sie zerspringen, wenn man sie mit dem Daumennagel bearbeitet. Stechmücken sind viel schwerer zu fassen.«

»Pompeius soll demnächst in Brundisium landen.«

»Ja, das erzählt man sich.«

»Er wird sich um Land für seine Soldaten bemühen.«

»Vergeblich, fürchte ich.«

»Wäre es nicht besser, wenn ich schon im nächsten Jahr als Volkstribun kandidiere, Caesar? Auf diese Weise könnte ich Pompeius Land besorgen, und er wäre tief in deiner Schuld. Dieses Jahr sind Aufidius Lurco und Cornelius Cornutus seine einzigen Volkstribunen, und keiner von beiden wird allzuviel zuwege bringen. Und nächstes Jahr hat er Lucius Flavius, aber das hilft ihm auch nicht übermäßig weiter.«

»O nein«, sagte Caesar leise, »wir wollen es Pompeius nicht zu einfach machen. Je länger er warten muß, desto größer wird seine Dankbarkeit sein. Du bist mein Mann für Körper und Seele, Vatinius, und das muß auch unser großer Held Magnus begreifen.

Er war lange im Osten, und dort lernt man das Schwitzen.«

Auch die boni kamen ins Schwitzen, obwohl sie einen neuen Volkstribun hatten, der wesentlich zufriedenstellender arbeitete als Aufidius Lurco und Cornelius Cornutus. Er hieß Quintus Fufius Calenus, und es sollte sich recht bald erweisen, daß er mehr erreichte als die anderen neun zusammen. Am Anfang seines Jahres war das jedoch noch nicht abzuschätzen, und deshalb herrschte unter den boni eine gedrückte Stimmung.

»Irgendwie müssen wir Caesar kriegen«, sagte Gaius Piso zu Bibulus, Catulus und Cato.

»Schwierig, nach der Geschichte mit der Bona Dea«, meinte Catulus. »Er hat sich absolut korrekt verhalten, und ganz Rom weiß es. Er hat sich von Pompeia getrennt und ihr die Mitgift gelassen, und die Bemerkung über Caesars Frau, die über jeden Verdacht erhaben sein müsse, ist auf dem Forum bereits zum geflügelten Wort geworden. Ein brillanter Schachzug! Es bedeutet, daß er sie für unschuldig hält, aber die Etikette verlangt, daß sie gehen muß. Wenn du eine Frau zu Hause hättest, Piso, oder auch du, Bibulus, dann wüßtet ihr, daß keine Frau in ganz Rom Kritik an Caesar dulden würde. Hortensia hämmert es mir ein, und Lutatia hämmert es Hortensius ein. Keine Ahnung, warum, aber die Frauen wollen nicht, daß Clodius vor Gericht gestellt wird, und sie wissen Caesar auf ihrer Seite. Frauen«, fügte Catulus düster hinzu, »sind eine unterschätzte Kraft im allgemeinen Lauf der Dinge.«

»Ich werde bald wieder eine Frau zu Hause haben«, verkündete Bibulus.

»Wen?«

»Wieder eine Domitia. Cato hat mir geholfen.«

»Mir scheint eher, du willst Caesar helfen«, knurrte Gaius Piso. »Wenn ich du wäre, würde ich allein bleiben. Ich werde es jedenfalls so halten.«

Cato enthielt sich jedes Kommentars. Er saß da, das Kinn auf die Hand gestützt, und wirkte niedergeschlagen.

Das vergangene Jahr war für Cato nicht besonders erfolgreich gewesen. Wieder einmal hatte er aus der bitteren Erkenntnis klug werden müssen, die da lautet: Wenn man seine Konkurrenten zu früh verschleißt, dann hat man später keine mehr, gegen die man glänzen kann. Nachdem sich Metellus Nepos zu Pompeius dem Großen geflüchtet hatte, war Catos Amtszeit als Volkstribun in friedlicher Bedeutungslosigkeit zu Ende gegangen. Seine letzte Amtshandlung war nicht besonders populär gewesen, schon gar nicht bei seinen engsten Freunden unter den boni. Als die Getreidepreise nach der letzten Ernte ins Unermeßliche gestiegen waren, hatte er dafür gesorgt, daß dem Volk der Scheffel für zehn Sesterzen verkauft wurde — eine Maßnahme, die das Schatzamt weit über tausend Talente kostete. Und im Senat, dem Cato das Gesetz korrekterweise zuerst vorlegte, hatte sogar Caesar dafür gestimmt und obendrein eine elegante Rede gehalten und Cato für seinen Sinneswandel und seine Voraussicht gedankt. Wie unangenehm, zu wissen, daß Männer wie Caesar nur zu gut begriffen, daß seine Gesetzeseingabe von Klugheit und weiser Voraussicht zeugte, während Männer wie Gaius Piso und Ahenobarbus lauter gequiekt hatten als ein Stall voller Ferkel. Sie hatten ihm sogar vorgeworfen, er sei ein noch schlimmerer Demagoge als Saturninus und wolle sich bei der untersten Klasse einschmeicheln!

»Wir müssen Caesar mit seinen Schulden festnageln«, meinte Bibulus.

»Mit Anstand können wir das nicht tun«, sagte Catulus.

»Wir können es, wenn man uns nicht damit in Verbindung bringt.«

»Tagträume, Bibulus!« meinte Gaius Piso. »Wir müßten erreichen, daß die diesjährigen Prätoren keine Provinzen bekommen, und beim bloßen Versuch, die Amtszeit der gegenwärtigen Statthalter zu verlängern, würde man uns niederbrüllen.«

»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagte Bibulus.

Cato hob das Kinn von der Hand. »Welche?«

»Die Lose für die prätorischen Provinzen werden am Neujahrstag gezogen. Ich habe mit Fufius Calenus geredet. Er würde mit Freuden sein Veto gegen die Verlosung einlegen, mit der Begründung, daß keine offiziellen Entscheidungen getroffen werden dürfen, solange die Sache mit der Bona Dea nicht erledigt ist. Und da die Frauen darauf drängen, daß nichts unternommen wird, und der halbe Senat nur allzu geneigt ist, dem Drängen der Frauen nachzugeben, kann Fufius Calenus monatelang immer wieder sein Veto einlegen. Und wir müßten nur ein paar Geldverleihern in die Ohren flüstern, daß die diesjährigen Prätoren lange auf ihre Provinzen warten können.«

»Etwas muß man Caesar zugute halten«, sagte Cato. »Er hat es geschafft, deinen Verstand zu schärfen, Bibulus. Früher wäre dir das nicht eingefallen.«

Bibulus lag eine grobe Bemerkung auf der Zunge, aber er hielt sich zurück; statt dessen schenkte er Cato ein müdes Lächeln.

Catulus reagierte ausgesprochen seltsam. »Unter einer Bedingung stimme ich dem Plan zu«, Sagte er. »Metellus Scipio darf nichts davon erfahren.«

»Und warum nicht?« fragte Cato verdutzt.

»Weil ich seine ewige Litanei nicht mehr hören kann — >Caesar hier aufhalten, Caesar dort aufhalten, aber nie gelingt es uns<!«

»Diesmal kann es nicht schiefgehen«, sagte Bibulus. »Man wird Publius Clodius nicht vor Gericht stellen.«

»Das heißt, auch er hat darunter zu leiden«, stellte Gaius Piso fest. »Als gewählter Quästor bekommt er keine Aufgabe, wenn keine Verlosung stattfindet.«

Gleich nach dem Neujahrsfiasko im Tempel des Jupiter Optimus Maximus (der sich seit dem letzten Jahr zu seinem Vorteil verändert hatte — Caesars Warnung war bei Catulus nicht auf taube Ohren gestoßen) brach im Senat der Krieg um den Prozeß gegen Publius Clodius aus. Vielleicht der stagnierenden Geschäfte wegen faßte man den Beschluß, neue Zensoren zu wählen; mit Gaius Scribonius Curio und Gaius Cassius Longinus fiel die Wahl auf zwei Konservative, eine gute Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit, falls sie von den Volkstribunen in Ruhe gelassen würden — bei einem Mann wie Fufius Calenus beileibe keine Selbstverständlichkeit.

Der Erste Konsul war ein Piso Frugi, der vom Calpurniuszweig der Familie in den der Pupius übergewechselt war; er gehörte zu den Männern, die eine nörgelnde Frau zu Hause hatten, und wehrte sich leidenschaftlich dagegen, daß Publius Clodius angeklagt wurde.

»Der Kult der Bona Dea fällt nicht in die Zuständigkeit des Staates«, stellte er rundheraus fest, »und ich bezweifle die Legalität aller Maßnahmen, die über das hinausgehen würden, was bereits geschehen ist — die Erkärung des Kollegiums der Pontifices, daß Publius Clodius einen Religionsfrevel begangen hat. Doch sein Verbrechen ist nicht in den Statuten vermerkt. Er hat weder eine vestalische Jungfrau belästigt, noch hat er die Person oder die Riten einer offiziellen römischen Gottheit beleidigt. Das alles mindert nicht die Ungeheuerlichkeit seiner Tat, aber ich bin der gleichen Meinung wie die Frauen dieser Stadt: Die Bona Dea soll ihre Vergeltung selbst üben, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen hält.«

Eine Aussage, die bei seinem Kollegen Messala Niger nicht besonders gut ankam. »Ich werde nicht ruhen, bis Publius Clodius vor Gericht steht!« erklärte er und schien es auch so zu meinen. »Wenn das entsprechende Gesetz nicht auf den Tafeln steht, dann sollten wir es schleunigst entwerfen! Es reicht nicht, darüber zu jammern, daß ein Mann nicht verurteilt werden kann, weil wir keine Kriterien für sein Verbrechen haben! Wir werden schon noch eine Kennzeichnung für Publius Clodius finden, und ich verlange, daß wir uns sofort darum kümmern!«

Das bringt nur ein Mann wie Clodius fertig, dachte Caesar belustigt, auf einer hinteren Bank zu sitzen und so zu tun, als ginge ihn die ganze Sache nicht das geringste an, während sich da vorn Piso Frugi und Messala Niger die Argumente und wohl bald auch die Fäuste um die Ohren schlagen.

Währenddessen richtete Pompeius der Große sich auf dem Marsfeld ein. Seine Armee hatte er entlassen, weil der Senat erst über seinen Triumphzug beraten konnte, wenn die leidige Bona-Dea- Affäre vom Tisch war. Seine Scheidungserkärung war ihm viele Tage vorausgeeilt, auch wenn niemand Mucia Tertia gesehen hatte. Man erzählte sich überall, Caesar sei der Missetäter! Deshalb bereitete es Caesar besonderes Vergnügen, an einer Sonderberatung im Circus Flaminius teilzunehmen, einer Veranstaltung, auf der Pompeius sogar eine Rede halten durfte. Eine recht armselige Rede, wie Cicero danach in scharfem Ton bemerken sollte.

Ende Januar, als die neuen Zensoren sich ins Kampfgetümmel stürzten, gab Piso Frugi seinen Widerstand auf und erklärte sich bereit, ein Gesetz einzubringen, daß eine Anklage gegen Publius Clodius wegen einer neuen Form des Religionsfrevels ermöglichte.

»Eine Farce«, sagte Piso Frugi, »aber die Römer haben nun einmal eine Schwäche für Farcen, und so wird es wohl seine Richtigkeit haben. Was seid ihr doch bloß für Narren! Er wird freigesprochen werden, und hinterher geht es ihm wahrscheinlich besser als unter der schweren Anschuldigung.«

Als Experte verfaßte Piso Frugi die Gesetzesvorlage selbst, eine ernste Sache, wenn man sie unter dem Aspekt der Strafandrohung betrachtete — lebenslanges Exil und Konfiszierung des gesamten Besitzes —, aber sie enthielt auch eine sonderbare Klausel, die besagte, daß der Prätor, der den Vorsitz über das Sondergericht führen sollte, die Geschworenen persönlich auswählen mußte. Also hatte der Gerichtsvorsitzende Clodius’ Schicksal in der Hand. Ein Clodius wohlgesonnener Prätor würde nachsichtige Geschworene auswählen, ein Befürworter einer Verurteilung die strengsten Geschworenen, die er finden konnte.

Jetzt saßen die boni in der Klemme. Einerseits wollten sie einen Prozeß gegen Clodius hinauszögern, denn sowie er begonnen hätte, würden die prätorischen Provinzen ausgelost; andererseits wollten sie nicht, daß Clodius veruteilt wurde, denn Catulus war der Meinung, daß die Bona-Dea-Affäre die Männer und den Staat nichts anging.

»Machen sich Caesars Gläubiger bereits Sorgen?« fragte Catulus.

»O ja«, sagte Bibulus. »Wenn wir bis März eine Anklage gegen Clodius durch unser Veto verhindern, findet sicher keine Verlosung mehr statt. Und dann werden sie handeln.«

»Können wir noch einen Monat durchhalten?«

»Ohne weiteres.«

An den Kalenden des Februar erwachte Silanus aus einem ruhelosen Schlaf und erbrach Blut. Vor vielen Monaten hatte er eine kleine Bronzeklingel neben seinem Bett aufgestellt, aber er hatte sie so selten benutzt, daß das ganze Haus aufwachte, wenn er es einmal tat.

»So ist Sulla auch gestorben«, sagte er mit müder Stimme zu Servilia.

»Nein, Silanus«, ermutigte sie ihn, »das geht wieder vorbei. Sulla ist es viel schlechter gegangen. Du wirst wieder gesund. Wer weiß? Vielleicht will dein Körper sich reinigen.«

»Mein Körper zerfällt. Ich blute auch aus dem Darm, bald habe ich überhaupt kein Blut mehr.« Er seufzte, versuchte zu lächeln. »Wenigstens habe ich es zum Konsul gebracht, und in meinem Haus gibt es ein konsularisches imago mehr.«

Vielleicht waren die vielen Ehejahre doch nicht ganz ohne Bedeutung. Servilia empfand zwar keinen Schmerz, aber sein Zustand ging ihr so weit zu Herzen, daß sie seine Hand ergriff. »Du warst ein guter Konsul, Silanus.«

»Das glaube ich auch. Es war kein leichtes Jahr, aber ich habe es überlebt.« Er drückte ihre warmen, trockenen Finger. »Dich habe ich nicht überlebt, Servilia.«

»Du warst bereits krank, als wir geheiratet haben.«

Er schwieg, seine unbeschreiblich langen Wimpern legten sich wie Fächer auf die eingesunkenen Wangen. Wie gut er aussieht, dachte seine Frau, und wie gut er mir damals gefallen hat, als wir uns kennenlernten. Jetzt werde ich zum zweitenmal Witwe.

»Ist Brutus zu Hause?« fragte er eine Weile später und hob die müden Augenlider. »Ich möchte mit ihm reden.« Als Brutus hereinkam, blickte der Kranke an seinem dunklen, traurigen Gesicht vorbei auf Servilia. »Geh jetzt, meine Liebe, hol die Mädchen und warte. Brutus wird euch dann rufen.«

Sie haßte es, fortgeschickt zu werden. Aber sie gehorchte, und Silanus wartete, bis sie wirklich gegangen war, dann wandte er sich seinem Sohn zu.

»Setz dich auf mein Bett, Brutus.«

Brutus gehorchte, im flackernden Kerzenlicht glitzerten Tränen in seinen schwarzen Augen.

»Weinst du um mich?« fragte Silanus.

»Ja.«

»Weine um dich selber, mein Sohn. Du wirst es schwerer mit ihr haben, wenn ich nicht mehr bin.«

»Ich glaube kaum, daß noch eine Steigerung möglich ist, Vater.« Brutus unterdrückte ein Schluchzen.

»Sie wird Caesar heiraten.«

»Ja, sicher.«

»Vielleicht ist es gut für sie. Ich kenne keinen stärkeren Mann als ihn.«

»Es wird nur Krieg zwischen ihnen geben«, erwiderte Brutus.

»Und Julia? Wie werdet ihr damit zurechtkommen, wenn sie heiraten?«

»Wir schaffen es schon.«

Silanus zupfte kraftlos an den Bettüchern, schien in sich zusammenzusinken. »Brutus, meine Zeit ist gekommen«, seufzte er. »Ich wollte dir noch soviel sagen, aber ich habe zu lange gewartet. Ist das nicht kennzeichnend für mein ganzes Leben?«

Brutus lief weinend hinaus und rief seine Mutter und seine Schwestern herein. Silanus brachte noch ein Lächeln für sie zustande, dann schloß er die Augen und starb.

Auch wenn das Begräbnis nicht auf Staatskosten stattfand, war es beeindruckend; allerdings hatte es eine pikante Note: Die Aufsicht über die Bestattung des Ehemanns führte der Liebhaber der Witwe, und obendrein hielt er noch eine schöne Trauerrede von der Rostra herab, so als hätte er die Witwe nie im Leben gesehen und sei der beste Freund des Toten gewesen.

»Wer hat dafür gesorgt, daß Caesar die Trauerrede hält?« wollte Cicero von Catulus wissen.

»Was glaubst du wohl?«

»Aber das kommt Servilia nicht zu!«

»Meinst du etwa, das kümmert sie?« »Ein Jammer, daß Silanus keine Söhne hatte.«

»Wohl eher ein Segen.«

Sie waren auf dem Rückweg vom Grab des Junius Silanus, der im Süden der Stadt an der Via Appia seine letzte Ruhe gefunden hatte.

»Catulus, was machen wir jetzt mit Clodius’ Frevel?«

»Wie denkt deine Frau darüber, Cicero?«

»Sie ist hin- und hergerissen. Wir Männer hätten uns nicht einmischen sollen, aber wir haben es nun einmal getan, und jetzt muß Publius Clodius auch verurteilt werden.« Cicero blieb stehen. »Ich muß dir sagen, Quintus Lutatius, daß ich mich in einer äußerst unangenehmen und heiklen Situation befinde.«

Jetzt blieb auch Catulus stehen. »Du, Cicero? Weshalb?«

»Terentia glaubt, daß ich eine Liebesaffäre mit Clodia habe.«

Einen Augenblick lang starrte Catulus ihn fassungslos an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte so laut, daß ein paar Trauergäste sich neugierig nach ihnen umdrehten. Sie boten einen grotesken Anblick — beide in schwarzer Trauertoga mit dem purpurroten Streifen der Ritter auf der rechten Schulter der Tunika, eine Kleidung, die sie für den Toten angelegt hatten, doch der eine wieherte vor Belustigung, und der andere stand zu Tode beleidigt daneben.

»Was findest du daran so komisch?« fragte Cicero drohend.

»Du! Du!« keuchte Catulus und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Cicero, das ist nicht wahr... du... und Clodia?«

»Dann laß dir sagen, daß Clodia mir schon seit einiger Zeit schöne Augen macht«, erwiderte Cicero steif.

»Diese Dame«, sagte Catulus und ging weiter, »ist schwerer zu erobern als Nola. Warum, glaubst du, läßt sich Celer das von ihr gefallen? Er weiß, wie sie vorgeht! Gurrt und kichert und klimpert mit den Augendeckeln, bis die armen Männer sich zu Narren machen, und dann zieht sie sich hinter die Mauern zurück und verriegelt das Tor. Sag Terentia, sie soll sich nicht so anstellen. Wahrscheinlich macht Clodia sich nur über dich lustig.«

»Sag du es ihr doch.«

»Nein, danke, Cicero, lieber nicht. Deine Angelegenheiten mußt du schon selber in Ordnung bringen. Ich habe mit Hortensia genug zu tun, da will ich mich nicht auch noch mit Terentia herumschlagen.«

»Ich mich auch nicht«, erwiderte Cicero unglücklich. »Celer hat mir geschrieben, weißt du. Er schreibt mir regelmäßig, seit er da oben in Gallien ist.«

»Und? Behauptet er auch, daß du Clodias Liebhaber bist?«

»Nein, nein! Ich soll Pompeius dabei helfen, Land für seine Soldaten zu beschaffen. Eine schwierige Aufgabe.«

»Aber nur, wenn du dich vor diesen Karren spannen läßt, mein Freund!« erwiderte Catulus grimmig. »Nur über meine Leiche bekommt Pornpeius Land für seine Soldaten, das schwöre ich dir!«

»Ich wußte, daß du das sagen würdest.«

»Und worüber regst du dich auf?«

Cicero knirschte vernehmlich mit den Zähnen. »Ich rege mich ja nicht auf! Aber weiß Celer denn nicht, daß ganz Rom sich das Maul über Clodia und diesen neumodischen Dichterling Catullus zerreißt?«

»Na also«, stellte Catulus zufrieden fest, »wenn ganz Rom über Clodia und einen Poeten redet, dann kann die Sache mit dir und Clodia ja nicht so ernst sein, oder? Sag das Terentia.«

»Mmh!« Cicero spielte den Beleidigten und zog es vor, schweigend weiterzugehen.

Aus Gründen der Pietät ließ Servilia ein paar Tage verstreichen, ehe sie Caesar einen Brief schickte, in dem sie ihn um eine Unterredung bat — in seinen Räumen am Vicus Patricii.

Es war nicht der gewöhnliche Caesar, der zu dieser Verabredung ging, doch nicht die Aussicht auf ein unangenehmes Zusammentreffen hatte die Veränderung bewirkt, sondern das Unbehagen darüber, daß seine Gläubiger plötzlich auf Rückzahlung drängten. Den Clivus Argentarius hinauf und hinunter erzählte man sich, daß es in diesem Jahr keine Provinzen für die Prätoren geben werde, ein Umstand, der aus dem Hoffnungsträger Caesar einen hoffnungslosen Verlierer machte. Natürlich steckten Catulus, Cato, Bibulus und die anderen boni dahinter. Sie hatten schließlich einen Weg gefunden, den Prätoren ihre Provinzen zu verweigern, und Fufius Calenus war ein ausgezeichneter Volkstribun. Verschlimmert wurde die Lage durch die allgemeine wirtschaftliche Situation. Wenn schon ein konservativer Mann wie Cato die Notwendigkeit sah, den Preis für Getreidezuteilungen zu senken, dann mußte Rom in der Tat in großen Schwierigkeiten stecken. Was war plötzlich aus Caesars sprichwörtlichem Glück geworden? Oder wollte die Göttin Fortuna ihn nur auf die Probe stellen?

Servilia begrüßte ihn vollständig bekleidet und ziemlich kühl, dann setzte sie sich und bat um ein Glas Wein.

»Vermißt du Silanus?« fragte er.

»Vielleicht.« Sie drehte das Kelchglas zwischen den Fingern. »Was weißt du über den Tod, Caesar?«

»Nur, daß er unausweichlich ist. Ich habe keine Angst vor ihm, solange er schnell kommt. Aber wenn ich Silanus’ Schicksal erleiden müßte, würde ich mich in mein Schwert stürzen.«

»Ein paar Griechen sagen, es gibt ein Leben nach dem Tode.«

»Ja.«

»Glaubst du daran?«

»Nicht im Sinne eines Bewußtseins. Der Tod ist ein ewiger Schlaf, davon bin ich überzeugt. Wir schweben nicht körperlos davon und bleiben wir selbst. Aber keine Materie löst sich auf, es gibt ganze Welten von Kräften, die wir weder sehen noch begreifen. Unsere Götter gehören einer solchen Welt an. Sie sind immerhin so greifbar, daß sie Verträge und Bündnisse mit uns schließen können. Aber wir werden niemals einer solchen Welt angehören, weder im Leben noch im Tode. Wir sind ihr Gegengewicht. Ohne uns würde ihre Welt nicht existieren. Und genau das meinen die Griechen. Wer weiß, ob die Götter ewig sind? Wie lange währt eine Kraft? Bilden sich neue Kräfte, wenn die alten schwinden? Was passiert mit einer Kraft, wenn sie nicht mehr existiert? Die Ewigkeit ist ein traumloser Schlaf, selbst für die Götter. Das glaube ich.«

»Und doch hat etwas das Zimmer verlassen, als Silanus gestorben ist«, sagte Servilia langsam. »Ich habe es nicht gesehen und auch nicht gehört. Aber es ist hinausgegangen, Caesar. Das Zimmer war leer.«

»Ich glaube, es war eine Vorstellung, die hinausgegangen ist.«

»Eine Vorstellung?«

»Sind wir das nicht alle, eine Vorstellung?«

»Von uns — oder von den anderen?«

»Beides. Auch wenn es nicht die gleiche Vorstellung sein muß.«

»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was ich gespürt habe. Was Silanus am Leben erhalten hatte, ist hinausgegangen.«

»Trink deinen Wein.«

Sie trank den Kelch leer. »Es war ein sonderbares Gefühl, aber nicht so wie damals, als ich ein Kind war und so viele Menschen sterben mußten. Und auch nicht so, wie ich mich gefühlt habe, als Pornpeius Magnus mir aus Mutina Brutus’ Asche geschickt hatte.«

»Deine Kindheit war ein einziger Horror«, sagte er, stand auf und kam zu ihr herüber. »Aber deinen ersten Ehemann hast du weder geliebt noch erwählt. Er war nichts weiter als der Mann, der dir deinen Sohn gemacht hat.«

Sie hob das Gesicht seinen Lippen entgegen. Noch nie war ihr so bewußt gewesen, was Caesars Kuß ausmachte, denn sie hatte sich immer viel zu sehr danach verzehrt, um ihn genießen und analysieren zu können. Die vollkommene Verschmelzung von Verstand und Gefühl, dachte sie und legte die Arme um seinen Hals. Seine Haut war wettergegerbt, ein wenig kratzig, und er roch ganz schwach nach einem Opferfeuer, nach Asche in einem erkalteten Kamin. Vielleicht, fragte ihr Verstand trotz der Berührung und des Geruchs weiter, geht es mir darum, mir für immer etwas von seiner Kraft zu sichern, und das bekomme ich nur auf diese Weise; wenn unsere Körper sich aneinanderschmiegen, wenn er in mir ist, sind wir beide für ein paar Augenblicke allen Wissens um andere Dinge enthoben und existieren nur einer im anderen...

Keiner von beiden sagte mehr etwas. Sie waren beide kurz eingeschlafen, und als sie erwachten, war sie plötzlich wieder da: die Welt mit ihren schreienden Kindern, kreischenden Frauen, hustenden Männern, dem Geholpere der Karren auf den Pflastersteinen, dem dumpfen Hämmern von Werkzeugen in einer nahe gelegenen Fabrik, dem zarten Zittern des Volcanus aus tiefster Erdentiefe.

»Nichts dauert ewig«, sagte Servilia.

»Auch wir nicht, wie ich dir gesagt habe.«

»Aber wir haben unsere Namen, Caesar. Wenn die nicht vergessen werden, ist das auch eine Art Unsterblichkeit.«

»Die einzige, nach der ich strebe.«

Ein Groll stieg in ihr auf, sie wandte sich von ihm ab. »Du bist ein Mann, du hast die Möglichkeit dazu. Aber was ist mit mir?«

»Was soll mit dir sein?« fragte er und zog ihr Gesicht zu sich her.

»Das war keine philosophische Frage«, sagt sie.

»Nein, war es nicht.«

Sie setzte sich auf und umschlang ihre Knie mit den Händen, der zarte, dunkle Flaum zwischen ihren Schultern wurde von der Fülle des herabfallenden schwarzen Haars verdeckt.

»Wie alt bist du, Servilia?«

»Ich werde dreiundvierzig.«

Auch Caesar setzte sich auf. »Willst du wieder heiraten?«

»Ja, gern.«

»Wen?«

Sie sah ihn aus großen Augen an. »Wen wohl, Caesar?«

»Ich kann dich nicht heiraten, Servilia.«

Ihre Erschütterung war deutlich zu spüren; sie zuckte zusammen. »Warum nicht?«

»Zum einen sind da unsere Kinder. Es wäre nicht gegen das Gesetz, wenn wir heiraten und auch unsere Kinder eine Ehe eingehen. Der Verwandtschaftsgrad wäre zulässig. Aber es wäre zu beschämend, und ich will es ihnen nicht antun.«

»Das ist eine Ausrede«, erwiderte sie verkniffen.

»Nein, ist es nicht. Damit ist es mir sehr ernst.«

»Und was noch?«

»Du hast doch gehört, was ich gesagt habe, als ich mich von Pompeia scheiden ließ? >Caesars Frau muß über jeden Verdacht erhaben sein!<«

»Bin ich das nicht?«

»Nein, das bist du nicht.«

»Caesar, das ist nicht wahr! Man sagt mir nach, ich sei zu stolz, um mich mit Jupiter Optimus Maximus zusammenzutun.«

»Aber du warst nicht zu stolz, dich mit mir zusammenzutun.«

»Natürlich nicht!«

Er zuckte die Achseln. »Da siehst du’s.«

»Was?«

»Daß du nicht über jeden Verdacht erhaben bist. Du bist eine untreue Ehefrau.«

»Bin ich nicht.«

»Aber sicher! Jahrelang hast du deinen Mann betrogen.«

»Aber nur mit dir, Caesar, mit niemandem sonst! Nicht ein einziges Mal davor, und auch dich habe ich nicht betrogen, nicht einmal mit Silanus!«

»Was sollte es für eine Rolle spielen«, sagte Caesar gleichgültig, »daß du es nur mit mir getan hast? Du bist eine untreue Ehefrau.«

»Aber dir war ich nicht untreu!«

»Woher soll ich das wissen? Du warst Silanus untreu. Warum nicht auch mir?«

Es war ein Alptraum; um eine Antwort auf seine ungeheuerlichen Äußerungen bemüht, holte Servilia tief Luft. »Vor dir waren alle Männer schal«, sagte sie, »und alle, die nach dir kommen, werden auch schal sein.«

»Ich heirate dich nicht, Servilia. Du bist über keinen Verdacht und über keinen Vorwurf erhaben.«

»Was ich für dich empfinde«, kämpfte sie weiter, »läßt sich nicht mit dem Maß des richtigen oder falschen Verhaltens messen. Du bist einzigartig. Für keinen anderen Mann — nicht einmal für einen Gott! — hätte ich meinen Stolz und meinen guten Namen aufs Spiel gesetzt. Wie kannst du dieses Gefühl gegen mich wenden?«

»Ich wende überhaupt nichts gegen dich, Servilia, ich sage dir nur, wie es ist: Die Frau Caesars muß über jeden Verdacht erhaben sein.«

Und damit war das Gespräch für ihn beendet; Caesar stieg aus dem Bett. Sie hörte ihn nebenan im Bad, offensichtlich mit sich und der Welt zufrieden. Schließlich stieg auch sie aus dem Bett und kleidete sich an.

»Kein Bad?« fragte er und lächelte ihr sogar zu, als sie zum Ankleidezimmer ging.

»Ich nehme zu Hause ein Bad.«

»Verzeihst du mir?«

»Ist dir daran gelegen?«

»Es ist eine große Ehre für mich, dich als Geliebte zu haben.«

»Ich glaube sogar, daß du das ernst meinst.«

»Ich meine es ernst«, erwiderte er aufrichtig.

Sie straffte die Schultern und preßte die Lippen zusammen. »Ich werde darüber nachdenken, Caesar.«

»Gut!«

Er wußte genau, daß sie wiederkommen würde.

Sie dankte den Göttern für den langen Heimweg. Wie hatte er ihr so etwas antun können? So selbstsicher und mit dieser vernichtenden Höflichkeit! Als wären ihre Gefühle von keinerlei Belang — als wäre sie, eine Patrizierin aus der Familie der Servilia Caepionis, etwas vollkommen Nebensächliches. Erst stellte er die Frage nach der Ehe, und dann schleuderte er ihr die Antwort ins Gesicht wie den Inhalt eines Nachttopfs. Er hatte sie zurückgewiesen wie die Tochter eines neureichen Bauerntölpels aus Sizilien oder Gallien. Sie hatte versucht, vernünftig mit ihm zu reden, hatte ihn angefleht, sich für ihn hingelegt, auf sich herumtrampeln lassen! Sie, eine Servilia Caepionis! Jahrelang hatte sie ihn erregt, wie keine andere Frau es vermocht hätte — wie hätte sie da ahnen sollen, daß er sie im entscheidenden Moment zurückweisen würde? Sie hatte ernsthaft geglaubt, er würde sie heiraten. Oh, was mußte dieses kleine Possenspiel ihm für ein Vergnügen bereitet haben! Sie hatte immer gedacht, sie könne kühl bleiben, aber so kühl wie er war sie lange nicht. Und warum liebte sie ihn so sehr? Warum liebte sie ihn jetzt immer noch? Er hatte ihr den Geschmack verdorben. Nach ihm schmeckten alle Männer schal. Er hatte gewonnen. Aber das würde sie ihm niemals verzeihen. Niemals!

Daß Pompeius der Große in einer gemieteten Villa über dem Marsfeld wohnte, bereitete so manchem ein Gefühl des Unbehagens. Es war, als würde die einzige Barriere zwischen dem Löwen und dem Senat von Rom aus einem Blatt Papier bestehen. Früher oder später würde sich jemand in die Finger schneiden, und wenn ein Löwe Blut riecht, dann fährt er vorsichtshalber die Pranke aus. Allein aus diesem Grund beschloß man, im Circus Flaminius eine beratende Sitzung der Volksversammlung abzuhalten, um Piso Frugis Gesetzesvorlage zur Anklage gegen Publius Clodius zu diskutieren. Um Pompeius — der mit dem Clodius-Skandal absolut nichts zu tun haben wollte — in Verlegenheit zu bringen, richtete Fufius Calenus gleich zu Beginn eine Frage an ihn, wie er denn über die Klausel denke, die den Richter damit beauftrage, die Geschworenen höchstpersönlich auszusuchen. Die boni strahlten: Alles, was Pompeius den Großen in Bedrängnis brachte, nahm ihm etwas von seiner Größe!

Doch als Pompeius an den Rand des Rednerpodiums trat, stieg aus Tausenden von Kehlen ein gewaltiger Jubel auf; abgesehen von den Senatoren und ein paar älteren Rittern der Achtzehn waren sie alle nur gekommen, um Pompeius Magnus, den Eroberer des Ostens, zu sehen. Der brachte es allerdings im Verlauf der folgenden drei Stunden fertig, sein Publikum so gründlich zu langweilen, daß es nach Hause ging.

»Das hätte er auch in einer Viertelstunde sagen können«, flüsterte Cicero Catulus zu. »Der Senat hat wie immer recht, der Senat muß unterstützt werden — mehr hat er doch nicht gesagt. Und dabei hat er kein Ende gefunden.«

»Er ist einer der schlechtesten Redner Roms«, meinte Catulus. »Mir tun die Füße weh!«

Aber die Qual war noch nicht vorüber, auch wenn die Senatoren sich wieder setzen durften. Gleich nachdem Pompeius seine Rede beendet hatte, rief Messala Niger den Senat zu einer Sitzung zusammen.

»Gnaeus Pompeius Magnus«, sagte Messala Niger mit lauter Stimme, »würdest du diesem Haus bitte deine ehrliche Meinung zu dem Religionsfrevel des Publius Clodius und der Gesetzesvorlage von Pupius Piso Frugi mitteilen?«

Die Angst vor dem Löwen war so groß, daß keiner es wagte, bei dieser Aufforderung aufzustöhnen. Pompeius saß mitten unter den Konsularen, gleich neben Cicero, der schwer schluckte und sich sogleich in einen Tagtraum von seinem neuen Stadthaus und dessen Einrichtung flüchtete. Diesmal dauerte die Rede eine knappe Stunde, und als er fertig war, ließ Pompeius der Große sich so geräuschvoll auf seinen Stuhl fallen, daß Cicero erschreckt zusammenfuhr.

Das sonnengebräunte Gesicht war puterrot geworden von der Anstrengung, sich an die Techniken der freien Rede zu erinnern. Pompeius ächzte: »Ich glaube, ich habe zu dem Thema genug gesagt!«

»Das hast du zweifellos«, antwortete Cicero und lächelte süßlich.

Als Crassus sich erhob, um eine Rede zu halten, verlor Pompeius das Interesse und begann damit, Cicero nach den Klatschgeschichten auszufragen, die sich während seiner langen Abwesenheit in Rom ereignet hatten. Kaum hatte Crassus jedoch mit seiner Rede begonnen, da saß Cicero auch schon kerzengerde auf seinem Stuhl und hatte kein Ohr mehr für Pompeius. Wie wunderbar! Welche Glückseligkeit! Crassus lobte ihn über den grünen Klee! Seiner Leistung als Konsul sei es zu verdanken, daß die Stände wieder dichter zusammenrücken konnten; Ritter und Senatoren durften wieder ein Herz und eine Seele sein...

»Was, in aller Welt, hat dich dazu verleitet?« wollte Caesar von Crassus wissen, als sie am Tiber den Treidelpfad entlangspazierten, um den Gemüsehändlern aus dem Weg zu gehen, die nach einem arbeitsreichen Tag ihre Stände zusammenpackten.

»Ciceros Verdienste zu preisen, meinst du?«

»Es wäre mir ja egal gewesen, wenn er es nicht zum Anlaß für seine langatmigen Ausführungen über die Harmonie zwischen den Ständen genommen hätte. Auch wenn ich zugeben muß, daß es nach Pompeius beinahe eine Wohltat war, ihm zuzuhören.«

»Darin bestand ja auch der Grund meiner Rede. Es gefällt mir nicht, wie sie alle vor diesem widerwärtigen Magnus katzbuckeln. Ein schräger Blick von ihm, schon kneifen sie den Schwanz ein. Und Cicero saß so verloren neben unserem Helden, da hab’ ich den großen Mann eben ein bißchen ärgern wollen.«

»Das ist dir gelungen. In Asia bist du ihm aus dem Weg gegangen, nehme ich an.«

»So gut es ging.«

»Deshalb erzählen sich die Leute, du hättest dich mit Publius in Richtung Osten aus dem Staub gemacht, um bei Magnus’ Ankunft nicht in Rom zu sein.«

»Ich muß mich doch immer wieder über die Leute wundern. Ich war bei Magnus’ Ankunft in Rom.«

»Wenn sich einer über die Leute wundern muß, dann bin ich es. Wußtest du, daß ich Pompeius’ Scheidungsgrund sein soll?«

»Wieso? Bist du es etwa nicht?«

»Diesmal bin ich wirklich unschuldig. Ich war seit Jahren nicht mehr in Picenum, und Mucia Tertia war seit Jahren nicht mehr in Rom.«

»Ich habe nur Spaß gemacht. Immerhin hat Pompeius dich mit seinem strahlendsten Lächeln geehrt.« Crassus räusperte sich, ein untrüglicher Hinweis darauf, daß er ein heikles Thema anschneiden wollte. »Du hast Schwierigkeiten mit den Kredithaien, nicht wahr?«

»Noch kann ich sie mir vom Leib halten.«

»In Geldkreisen geht das Gerücht um, die diesjährigen Prätoren würden aufgrund der Clodius-Affäre keine Provinzen bekommen.«

»Ja. Aber das habe ich nicht diesem Dummkopf Clodius zu verdanken. Dafür haben Cato und Catulus und die anderen boni gesorgt.«

»Du hast sie erfinderisch gemacht, das muß man sagen.«

»Keine Angst, ich bekomme meine Provinz«, erwiderte Caesar todernst. »Das Glück hat mich noch nicht verlassen.«

»Das glaube ich dir, Caesar. Trotzdem sage ich dir jetzt etwas, das ich noch niemandem gesagt habe. Andere Männer müßten mich darum bitten — aber wenn die Geldverleiher einmal nicht mehr warten sollten, bis du deine Provinz bekommen hast, dann wende dich bitte an mich. Ich möchte mein Geld auf einen sicheren Sieger setzen.«

»Ohne Zinsen dafür zu verlangen, Marcus? Wie sollte ich es dir jemals zurückzahlen?«

»Du wärst zu starrköpfig, mich zu bitten?«

»Ja.«

»Ich weiß, wie hart und eigensinnig so ein julianischer Kopf sein kann. Deshalb habe ich es dir ja von mir aus angeboten und dich sogar darum gebeten. Andere Männer würden auf die Knie fallen und betteln. Du würdest dich eher in dein Schwert stürzen, und das wäre schade. Ich fange nicht wieder davon an, aber vergiß nicht: Du mußt mich nicht bitten, da ich es dir angetragen habe. Das ist ein Unterschied.«