Am folgenden Abend trafen sich Caesar und Servilia in seinen Gemächern am Vicus Patricii. Sie war jetzt fünfundvierzig, doch man sah es ihr nicht an. Die sinnliche Figur hatte ihr Form behalten, der wundervolle Busen war immer noch straff; sie sah in der Tat prachtvoll aus.

Er hatte an diesem Abend Leidenschaft erwartet, doch Servilia bot ihm statt dessen eine langsame und erotische Trägheit, die er unwiderstehlich fand — ein bestrickendes Sinnennetz, das ihn in hilflose Ekstase versetzte. Als er sie kennengelernt hatte, war er imstande gewesen, stundenlang eine Erektion halten zu können, ohne einem Orgasmus zu erliegen; doch irgendwann war sie als Siegerin aus diesem Kampf hervorgegangen. Je länger er sie kannte, desto weniger gelang es ihm, sich ihren sexuellen Reizen zu entziehen. Sein einziger Schutz ihr gegenüber bestand darin, dieses Geheimnis für sich zu bewahren; wichtige Informationen gab man tunlichst nicht an Servilia weiter — sie pflegte sie auszunutzen.

»Ich höre, daß die boni dir den totalen Krieg erklärt haben, seit du das pomerium überschritten und deine Kandidatur angemeldet hast«, sagte sie, als sie anschließend gemeinsam im Bad lagen.

»Hast du denn etwas anderes erwartet?«

»Nein, sicher nicht. Aber Catulus’ Tod hat eine Hemmschwelle abgebaut. Bibulus und Cato sind ein fatales Paar, weil sie zwei Eigenschaften haben, von denen sie jetzt ohne Furcht vor Kritik oder Mißbilligung Gebrauch machen können: die eine ist die Fähigkeit, jedwede Handlung — und sei sie noch so verabscheuenswert — hinzustellen, als sei sie ehrenhaft; die andere ist die Unfähigkeit, vorauszublicken. Catulus war gefährlich, weil er im Gegensatz zu seinem Vater von gemeinem Charakter war — den hatte er seiner Mutter, einer Domitia, zu verdanken. Die Mutter seines Vaters allerdings war eine Popilia, von wesentlich besserer Herkunft. Doch Catulus hatte wenigstens eine Vorstellung davon, was es bedeutet, ein römischer Aristokrat zu sein; gelegentlich gelang es ihm sogar, die Folgen mancher boni-Taktiken vorauszusehen. Und deshalb warne ich dich, Caesar, sein Tod ist für dich eine Katastrophe.«

»Magnus sprach ganz ähnlich über Catulus. Ich brauche keine Belehrungen, Servilia, aber deine Meinung interessiert mich. Was würdest du an meiner Stelle tun, um die boni zu bekämpfen?«

»Ich denke, der Zeitpunkt ist gekommen, wo du dir eingestehen mußt, daß du nicht ohne einige sehr starke Verbündete gewinnen kannst, Caesar. Bis jetzt ist es ein einsamer Kampf gewesen, nun muß es ein Kampf mit vereinten Kräften werden. Dein Lager ist zu klein. Du solltest es jetzt ausbauen.«

»Mit wem?«

»Marcus Crassus ist auf dich angewiesen, um seinen Einfluß bei den publicani zu retten, und Atticus ist nicht so töricht, sich blind an Ciceros Fersen zu heften. Zwar hat er eine Schwäche für Cicero, doch seine Schwäche für Handelsaktivitäten ist bei weitem größer. Geld spielt für ihn keine Rolle, er sehnt sich nach Macht. Du kannst von Glück sagen, daß ihn die politische Macht nie gereizt hat, sonst hättest du in ihm einen Konkurrenten. Balbus, den wichtigsten Bankier überhaupt, hast du bereits in deinem Lager. Du müßtest Gaius Oppius, den größten aller römischen Bankiers, ebenfalls an deine Seite locken. Brutus gehört dir ja, dank Julia, ohnehin.«

Sie lag da, mit ihren wundervollen Brüsten, die sich sanft auf der Oberfläche des Wassers bewegten, ihrem dichten schwarzen Haar, das sie hochgesteckt hatte, um es trocken zu halten, und den großen schwarzen Augen, die jetzt nach innen, in die tieferen Schichten ihres Geistes, gerichtet waren.

»Und was ist mit Pompeius Magnus?« fragte er träge.

Servilia erstarrte plötzlich, sie schaute Caesar beschwörend an. »Nein, nein! Nicht dieser Schlächter aus Picenum! Er versteht Roms Machtmechanismen nicht, das hat er nie getan und wird es auch nie tun. Er mag ja seine Fähigkeiten besitzen. Aber er ist kein Römer! Wäre er das, hätte er dem Senat niemals so übel mitgespielt wie seinerzeit, bevor er Konsul wurde. Es mangelt ihm an Feingefühl und an der felsenfesten Überzeugung, unbesiegbar zu sein. Pompeius denkt, daß Regeln und Gesetze jederzeit verletzt werden dürfen, sofern es nur ihm selbst zugute kommt. Gleichzeitig hungert er nach Anerkennung und ist ständig innerlich zerrissen von seinen widerstrebenden Begierden. Er möchte bis ans Ende seiner Tage Erster Mann in Rom sein, doch hat er keine Vorstellung davon, wie sich dieses Ziel erreichen ließe.«

»Es stimmt, daß er sich bei der Scheidung von Mucia Tertia nicht sehr klug verhalten hat.«

»Das«, sagte sie, »schreibe ich Mucia Tertia zu. Man vergißt leicht, wer sie ist. Scaevolas Tochter, Crassus Orators geliebte Nichte. Nur ein picentischer Lümmel wie Pompeius konnte es fertigbringen, sie jahrelang in einer Festung einzusperren, zweihundert Meilen von Rom entfernt. Und als sie ihm dann Hörner aufsetzte, da tat sie es mit einem Bauern wie Labienus. Dich hätte sie viel lieber gehabt.«

»Das war mir immer klar.«

»Und ihren Brüdern ebenfalls. Weshalb sie ihr ja auch den Schwindel abgenommen haben.«

»Ah, dachte ich mir’s doch.«

»Wie dem auch sei, Scaurus paßt sehr gut zu ihr.«

»Du meinst also, ich sollte mich von Pompeius fernhalten.«

»Ja, ja und nochmals ja! Er kann bei diesem Spiel nicht mitspielen, weil er die Spielregeln nicht kennt.«

»Sulla hatte ihn in der Hand.«

»Und er Sulla. Vergiß das nie, Caesar.«

»Da hast du recht. Und dennoch, Sulla brauchte ihn.«

»Um so schlimmer für Sulla«, sagte Servilia verächtlich.

Als Lucius Flavius Pompeius’ Gesetz zur Landreform vor die Plebejische Versammlung brachte, schwand auch die allerletzte Hoffnung, es jemals durchzubringen. Denn Celer gab sein Bestes, um alles, was Flavius vorzutragen hatte, mit flammenden Worten zu entstellen. Die Auseinandersetzung mit dem armen Flavius war so erbittert, daß dieser sich schließlich auf sein Recht berief, die Tagesordnung reibungslos abwickeln zu können, und Celer umgehend ins Lautumiaegefängnis bringen ließ. Von seiner Zelle aus ließ Celer eine Senatssitzung einberufen. Als Flavius dann die Zellentür mit seiner eigenen Körperkraft zuhalten wollte, befahl Celer, die Wand niederzureißen, und überwachte diesen Vorgang höchstpersönlich. Nichts hätte ihn daran gehindert, die Zelle einfach zu verlassen, da das Lautumiaegefängnis baufällig war; aber dem Ersten Konsul war vor allem daran gelegen, Flavius bloßzustellen, und so erledigte er seine Senatsgeschäfte von seiner Zelle aus. Enttäuscht und überaus verärgert blieb Pompeius nichts anderes übrig, als seinen Volkstribun zur Ordnung zu rufen, der daraufhin Celers Entlassung anordnete und nie mehr an den Sitzungen der Plebejischen Versammlung teilnahm.

Inzwischen waren die Vorbereitungen für die kurulischen Wahlen mit äußerster Betriebsamkeit vorangeschritten, da auch das öffentliche Interesse aufgrund der Rückkehr Caesars gewaltig angefacht worden war. Aus irgendeinem Grund schien alles eintöniger zu sein, wenn Caesar nicht in Rom war, wohingegen seine Anwesenheit zumeist für Aufregungen sorgte. Den jungen Curio traf man abwechselnd auf der Rostra oder auf Castors Rednertribüne an, je nachdem, welche von den beiden gerade nicht besetzt war. Er schien wild entschlossen, Metellus Nepos, der nach Hispania Ulterior aufgebrochen war, als Caesars höchstpersönlichen Kritiker zu vertreten. Die Mär um König Nicomedes wurde wieder und wieder aufgelegt, jedesmal in einer anderen Version, aber immer mit geistreichen Ausschmückungen.

»Eher würde ich Curio als weibisch bezeichnen«, sagte Cicero voller Wut zu Pompeius. »Er war auf alle Fälle Catilinas Bursche — und das wohl in verschiedener Hinsicht.«

»Und ich dachte, er gehöre zu Publius Clodius«, sagte Pompeius, der stets Schwierigkeiten hatte, sich über die verworrenen politischen und sozialen Bündnisse auf dem laufenden zu halten.

Cicero konnte bei der Erwähnung dieses Namens einen Schauder nicht unterdrücken. »In erster Linie gehört er wohl sich selbst«, erwiderte er.

»Tust du auch alles, was dir möglich ist, um Lucceius’ Kandidatur zu unterstützen?«

»Welche Frage!« meinte Cicero überheblich.

Das entsprach der Wahrheit, wenn seine Unterstützung auch zumeist von zufälligen Begegnungen auf dem Forum abhing.

Cicero hatte es Terentia zu verdanken, daß Publius Clodius ein erbitterter und gefährlicher Feind geworden war. Warum machten Frauen einem das Leben nur so schwer? Hätte Terentia ihm nicht so zugesetzt, dann hätte er vielleicht vermeiden können, als Zeuge gegen Clodius auszusagen, als dessen Prozeß wegen des Frevels gegen die Bona Dea vor einem Jahr begann. Clodius hatte behauptet, er habe sich am Tag der Bona Dea in Interamna aufgehalten, und konnte sogar glaubwürdige Zeugen vorweisen, die seine Aussage bestätigten. Aber Terentia wußte es besser.

»Er kam am Tag der Bona Dea hier vorbei«, sagte sie unnachgiebig, »um dir mitzuteilen, daß er als Quästor ins westliche Sizilien gehen würde. Es war am Tag der Bona Dea, das weiß ich ganz genau! Du sagtest noch, er sei gekommen, um sich Rat von dir einzuholen.«

»Du bist im Irrtum, meine Liebe«, warf Cicero rasch ein. »Die Provinzen wurden erst drei Monate später verteilt!«

»Unsinn, Cicero! Du weißt so gut wie ich, daß sie bereits vergeben waren. Clodius wußte genau, wohin er gehen würde! Es hat mit dieser Schlampe Clodia zu tun, habe ich nicht recht? Nur wegen ihr willst du nicht aussagen.«

»Schlafende Hunde weckt man nicht, Terentia, deshalb will ich nicht aussagen. Clodius hat nichts mehr für mich übrig, seit ich vor dreizehn Jahren mitgeholfen habe, Fabia zu verteidigen. Ich mochte ihn schon damals nicht, heute verabscheue ich ihn geradezu. Doch er ist ein patrizischer Claudius und alt genug, um im Senat zu sein. Außerdem sind Nigidius Figulus und ich mit seinem älteren Bruder Appius eng befreundet. Die amicitia muß erhalten werden.«

»Du hast eine Affäre mit seiner Schwester Clodia und willst nur deshalb deiner Pflicht nicht nachkommen«, sagte Terentia störrisch.

»Ich habe keine Affäre mit Clodia! Sie macht sich lächerlich mit diesem Dichterknaben Catullus.«

»Frauen sind nicht wie Männer, mein lieber Cicero«, sagte Terentia mit perfider Logik. »Sie haben vielleicht nicht so viele Pfeile in ihren Köchern zur Verfügung, die sie abschießen können, aber dafür ist es ihnen möglich, in der Rückenlage unbegrenzt Munition zu empfangen.«

Und so gab Cicero endlich nach und machte eine Zeugenaussage, die Clodius’ Alibi zerstörte. Obwohl ihn Fulvias Geld bei den Geschworenen freikaufte (sie sprachen ihn mit einunddreißig gegen fünfundzwanzig Stimmen frei), hatte Clodius weder vergessen noch vergeben. Dazu kam noch, daß Clodius, der kurz nach diesem Vorfall im Senat einzog, versucht hatte, auf Ciceros Kosten geistreich zu sein; doch leider hatte Cicero mit seiner gewandten Zunge sich selbst mit Ruhm bedeckt, ihn aber, Clodius, der Lächerlichkeit preisgegeben, was dessen Groll noch steigerte.

Zu Anfang dieses Jahres dann hatte der Volkstribun Gaius Herennius — auch ein Picener, ob er wohl auf Pompeius’ Geheiß handelte? — die ersten Schritte unternommen, um Clodius mit Hilfe eines besonderen Gesetzes von den Patriziern zu den Plebejern hinüberwechseln zu lassen. Clodias Ehemann Metellus Celer hatte die Sache amüsiert beobachtet und war nicht eingeschritten. Jetzt konnte man Clodius überall verbreiten hören, daß er sich um das Amt des Volkstribuns bewerben wolle, sobald Celer seine Wahlkabine in der Plebejischen Versammlung öffnen würde. Und sei er erst im Amt, so wolle er Cicero strafrechtlich verfolgen lassen, weil dieser römische Bürger ohne Prozeß habe hinrichten lassen.

Cicero hatte Atticus seine Angst eingestanden und ihn beschworen, seinen Einfluß bei Clodia geltend zu machen, damit sie ihren Bruder zurückhalte. Doch Atticus hatte dies mit den Worten abgelehnt, Publius Clodius sei nicht beizukommen, sobald er einer seiner Rachelaunen nachgebe. Er habe sich nun einmal Cicero als Opfer in den Kopf gesetzt.

Und dennoch gab es sie bisweilen, zufällige Begegnungen.

Durfte ein Kandidat für das Amt des Konsuls auch keine Gladiatorenspiele unter seinem Namen und mit seinem Geld organisieren, so konnte doch ein anderer eine Veranstaltung zu Ehren des tata oder avus des Kandidaten durchführen; Voraussetzung war lediglich, daß jener tata oder avus nicht nur mit dem Kandidaten, sondern auch mit dem Organisator der Spiele verwandt war. So kam es, daß Celer, Erster Konsul, Gladiatorenspiele zu Ehren eines gemeinsamen Vorfahren von sich und Bibulus gab.

Lucceius ging eben, kräftig um Stimmen werbend, durch das untere Forum, wobei ihn Cicero und Clodius begleiteten; plötzlich standen sie auf engstem Raum zusammen, verursacht durch das Drängen derer, die sich gerade um Caesar scharten, der ebenfalls um Stimmen warb. Was blieb da Cicero und Clodius anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich zivilisiert zu benehmen?

»Ich hörte, du hast nach deiner Rückkehr aus Sizilien Gladiatorenspiele ausgerichtet«, sagte Clodius mit einem Lächeln, das sein eher düsteres Gesicht aufhellte. »Stimmt das, Marcus Tullius?«

»Ja, das ist richtig«, antwortete Cicero freundlich.

»Und hast du Ehrenplätze für deine sizilianischen Klienten reservieren lassen?«

»Äh — nein«, antwortete Cicero errötend; wie sollte er erklären, daß er nur äußerst bescheidene Spiele gegeben hatte?

»Ich habe nämlich vor, meinen sizilianischen Klienten Sitzplätze anzubieten. Das Problem ist nur, daß sich mein Schwager Celer als nicht sehr hilfsbereit erweist.«

»Dann wende dich an deine Schwester Clodia. Als Frau des Konsuls sollten ihr ausreichend Sitze zur Verfügung stehen.«

»Clodia?« rief Clodius mit so lauter Stimme, daß er die Aufmerksamkeit der wenigen Umstehenden auf sich zog, die dem Gespräch der beiden stadtbekannten Feinde noch nicht neugierig gelauscht hatten. »Clodia? Sie würde mir nicht mal den kleinen Finger reichen!«

Cicero grinste. »Na ja, warum sollte sie dir auch den kleinen Finger reichen, wenn du ihr, wie ich höre, regelmäßig deinen elften Finger in voller Länge verpaßt?«

O weh, jetzt hatte er es endgültig geschafft! Wieso war seine Zunge nur so verräterisch? Das ganze Forum, allen voran Caesar, konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, während Clodius wie versteinert dastand.

»Dafür bezahlst du mir!« zischte Clodius Cicero zu, raffte zusammen, was ihm an Würde noch geblieben war, und schritt mit der von Wut entstellten Fulvia am Arm davon.

»Ja!« kreischte sie, »dafür wirst du bezahlen, Cicero! Eines Tages mache ich aus deiner Zunge Hackfleisch!«

Welch unerträgliche Beleidigung für Clodius! Überhaupt war der Juni, wie sich herausstellen sollte, nicht unbedingt sein Glücksmonat. Denn als sein Schwager Celer die Wahlkabine für die plebejischen Kandidaten öffnete und Clodius seinen Namen für die Kandidatur als Volkstribun einreichen wollte, wurde er abgewiesen.

»Du bist Patrizier, Publius Clodius.«

»Ich bin kein Patrizier!« sagte Clodius mit geballten Fäusten. »Gaius Herennius hat eine besondere gesetzliche Verfügung in der Plebejischen Versammlung erwirkt, um meinen Status abzuändern.«

»Gaius Herennius würde das Gesetz nicht einmal kennen, wenn man ihn mit der Nase darauf stieße«, sagte Celer kühl. »Wie kann dich die Plebejische Versammlung von deinem Status als Patrizier befreien? Sie hat gar nicht das Recht, zu Fragen des Patriziats Stellung zu nehmen. Geh jetzt, Clodius, du stiehlst mir meine Zeit. Wenn du Plebejer werden willst, dann auf legale Art und Weise — laß dich von einem Plebejer adoptieren.«

Und Clodius zog ab, kochend vor Wut. Seine Racheliste wurde immer länger! Nun hatte sich auch Celer einen führenden Platz darauf erworben.

Doch seine Rache konnte warten. Zunächst mußte er einen Plebejer finden, der bereit war, ihn zu adoptieren, wenn es nun einmal nicht anders möglich war.

Als ersten fragte er Marcus Antonius, ob er sein Vater werden wolle, doch der brach in Gelächter aus. »Die Million, die ich von dir für diesen Dienst verlangen müßte, brauche ich nicht länger, seit ich Fadia geheiratet habe und ihr tata auf dem besten Wege ist, Großvater zu werden.«

Auch Curio reagierte reserviert. »Wenn du dir einbildest, ich würde in der Öffentlichkeit herumlaufen und dich >mein Sohn< nennen, dann irrst du dich gewaltig! Ich würde meine eigene Person ja lächerlicher machen als die Caesars.«

»Was liegt dir eigentlich daran, ihn lächerlich zu machen?« fragte Clodius, der plötzlich neugierig geworden war. »Mir wäre es viel lieber, der Clodius-Club würde ihn ausnahmslos unterstützen.«

»Ich habe Langeweile«, sagte Curio kurz angebunden, »außerdem würde ich zu gern einmal erleben, wie Caesar die Beherrschung verliert — angeblich soll es furchterregend sein.«

Auch Decimus Brutus wollte Clodius nicht adoptieren. »Meine Eltern würden mich dafür umbringen«, sagte er. »Tut mir leid, Clodius.«

Selbst Poplicola sträubte sich. »Ich soll mich von dir tata nennen lassen? Nein, Clodius, nein!«

Natürlich war auch Clodius selbst von dem Gedanken an eine Adoption nicht angetan gewesen, deshalb hätte er es vorgezogen, Herennius etwas von dem schier unerschöpflichen Geldvorrat Fulvias zukommen zu lassen, um die Verfügung zu bewirken.

Doch dann kam Fulvia die Idee. »Verzichte auf die Hilfe von deinesgleichen«, sagte sie. »Forums-Angelegenheiten haften lange im Gedächtnis — und niemand würde etwas tun, wofür er später einmal verspottet werden könnte. Was du brauchst, ist ein Dummkopf.«

Daran gab es nun reiche Auswahl! Clodius hatte kaum begonnen, darüber nachzudenken, schon tauchte der ideale Mann in seinem Blickfeld auf: Publius Fonteius! Schon immer war er ganz wild darauf gewesen, Mitglied des Clodius-Clubs zu werden, und stets hatte man ihn abgewiesen. Reich war er, ja, doch unverdientermaßen. Erst neunzehn Jahre alt, ohne Familienoberhaupt, das ihn hätte hemmen können, und ungefähr so intelligent wie ein Holzklotz.

»Oh, Publius Clodius, welche Ehre!« stieß Fonteius atemlos hervor, als Clodius sich an ihn wandte. »Ja, gern!«

»Dir ist natürlich klar, daß ich dich nicht als meinen pater familias anerkennen kann, sobald das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist. Da es sehr wichtig ist für mich, den eigenen Namen zu behalten, mußt du mich gleich danach von deiner Autorität entbinden.«

»Aber natürlich, selbstverständlich! Ich tue alles, was du wünschst.«

Und Clodius ging geradewegs zu Caesar Pontifex Maximus.

»Ich habe einen Plebejer gefunden, der bereit wäre, mich zu adoptieren«, verkündete er ohne lange Einleitung. »Ich brauche daher die Genehmigung der Priester und Auguren, damit ich eine lex Curiata bewirken kann. Kannst du sie mir beschaffen?«

Der wohlwollende Ausdruck in Caesars gut geschnittenem Gesicht veränderte sich nicht, noch lag auch nur ein Hauch von Zweifel oder Mißbilligung in seinen stechend hellen, dunkel umschatteten Augen. Der humorvolle Mund zuckte nicht. Doch schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis Caesar endlich antwortete: »Ja, Publius Clodius, ich kann sie dir beschaffen, doch leider nicht mehr vor den diesjährigen Wahlen.«

Clodius wurde blaß. »Und warum nicht? Es sollte dir ein leichtes sein!«

»Hast du vergessen, daß dein Schwager Augur ist? Er war es aber, der deine Bewerbung für das Tribunal abgelehnt hat.«

»Oh.«

»Sei guten Mutes, irgendwann wird es schon klappen. Die Angelegenheit kann warten, bis Celer in seine Provinz geht.«

»Ich wollte doch in diesem Jahr Volkstribun werden!«

»Ich kann dich gut verstehen, doch leider wirst du dich gedulden müssen.« Caesar machte eine Pause. »Es wird dich übrigens etwas kosten, Clodius«, sagte er freundlich.

»Was?« fragte Clodius vorsichtig.

»Sprich mit dem jungen Curio, er soll aufhören, in der Öffentlichkeit über mich herzuziehen.«

Clodius streckte Caesar ohne Zögern seine Hand entgegen. »Abgemacht!« sagte er.

»Ausgezeichnet!«

»Bist du dir sicher, daß du nichts anderes von mir verlangst, Caesar?«

»Lediglich Dankbarkeit, Clodius. Ich bin mir sicher, daß aus dir ein hervorragender Volkstribun werden wird, weil du schlitzohrig genug bist, um dir der Macht des Gesetzes bewußt zu sein.« Und Caesar wandte sich lächelnd zum Gehen.

Wie meistens wartete schon Fulvia in der Nähe.

»Nicht bevor Celer in seine Provinz geht«, sagte Clodius zu ihr. Fulvia umfaßte seine Mitte und küßte ihn lasziv, woran mehrere Umstehende Anstoß nahmen. »Caesar hat recht«, sagte sie. »Ich mag ihn, Publius Clodius! Er erinnert mich stets an ein wildes Tier, das vorgibt, zahm zu sein. Welch wundervollen Demagogen er abgäbe!«

Dieser Satz versetzte Clodius einen eifersüchtigen Stich. »Vergiß Caesar, Frau!« knurrte er wütend. »Weißt du denn noch, wer ich bin, der Mann, mit dem du verheiratet bist? Ich werde einen wundervollen Demagogen abgeben!«

An den Kalenden des Quinctilis, neun Tage vor den kurulischen Wahlen, berief Metellus Celer eine Senatssitzung ein, um über die Verteilung der konsularischen Provinzen zu debattieren.

»Marcus Calpurnius Bibulus möchte eine Erklärung abgeben«, wandte er sich an das überfüllte Haus, »daher erteile ich ihm jetzt das Wort.«

Umgeben von den boni, erhob sich Bibulus so majestätisch und erhaben, wie seine winzige Gestalt es ihm erlaubte. »Ich danke dir, Erster Konsul. Geschätzte Kollegen des römischen Senats, ich möchte euch eine Geschichte erzählen, die meinen guten Freund, den Ritter Publius Servilius, betrifft. Er gehört zwar nicht zu dem patrizischen Zweig dieser berühmten Familie, hat jedoch gemeinsame Vorfahren mit dem vornehmen Publius Servilius Vatia Isauricus. Nun, Publius Servilius wird vom Zensus auf vierhunderttausend Sesterzen geschätzt, doch bezieht er sein Einkommen ausschließlich aus einem ziemlich kleinen Weinberg auf dem Ager Falernus. Ein Weinberg, versammelte Väter, der so berühmt ist für die Qualität des Weines, den er hervorbringt, daß Publius Servilius diesen jahrelang einkellert, ehe er ihn zu einem märchenhaften Preis an Interessenten aus der ganzen Welt verkauft. Angeblich haben ihn sowohl König Tigranes als auch König Mithridates schon gekauft, während König Phraates von Parthien ständiger Abnehmer sein soll. Vielleicht kann sich selbst König Tigranes den Wein auch jetzt noch leisten, da sich Gnaeus Pompeius — irrtümlich genannt der Große! — ja dazu ermächtig hat, die königliche Hoheit von ihren >Missetaten< freizusprechen und ihr den Großteil ihrer Einkünfte zu überlassen.«

Bibulus machte eine Pause, um sich umzublicken. Die Senatoren hörten aufmerksam zu, und niemand in den hinteren Reihen schien vor sich hinzudämmern. Catullus hatte recht—man brauchte ihnen nur eine Geschichte zu erzählen, und alle blieben wach, um wie die Kinder ihrer Amme zu lauschen. Caesar saß wie üblich in der ihm eigenen Manier auf seinem Platz: aufrecht und mit jenem Ausdruck von beflissenem Interesse, der nicht verhehlen konnte, daß er tödlich gelangweilt, doch zu gut erzogen war, um es offen zu zeigen.

»Nun, da wäre also unser angesehener Ritter Publius Servilius, der einen einzigen kleinen, wenn auch sehr wertvollen Weinberg besitzt. Gestern noch in der Lage, sich für den Vierhunderttausend-Sesterzen-Zensus eines Ritters zu qualifizieren, und heute dagegen ein armer Mann. Wie ist so etwas möglich? Wie kann ein Mann aus heiterem Himmel um sein Vermögen kommen? Hatte Publius Servilius Schulden? Nein, keinen Sesterz. Ist er verstorben? Nein. Fand etwa ein Krieg in der Campania statt, von dem uns niemand etwas sagte? Nein, ganz und gar nicht. Vielleicht ein Feuer? Mitnichten. Ein Sklavenaufstand? Ebensowenig. Traf einen unachtsamen Weinbauern die Schuld? Nein, nein, nein!«

Jetzt hatte er sie, mit Ausnahme von Caesar, in seinem Bann. Bibulus stellte sich auf die Zehenspitzen und erhob seine Stimme.

»Ich kann euch sagen, wie mein Freund Publius Servilius um seine einzige Erwerbsquelle gekommen ist, liebe Kollegen! Die Antwort verbirgt sich hinter einer großen Viehherde, die von Lucania nach — wie war doch gleich der Name dieses unsäglichen Ortes an der adriatischen Küste am Ende der Via Flaminia? Licenum? Ficenum? Pic... Pic... Gleich hab’ ich’s, wartet nur — Picenum! Ja, das ist es, Picenum! Das Vieh wurde von dem einen riesigen Besitz, den Gnaeus Pompeius — irrtümlich genannt der Große — von den Lucilii geerbt hat, zu dem anderen, sogar noch größeren Besitz getrieben, den er von seinem Vater, dem Schlächter, erbte. Nun sind ja Rinder wirklich nutzlose Kreaturen, es sei denn, einer ist im Rüstungsgeschäft tätig oder stellt Schuhe oder Lederbehälter für Bücher her. Niemand würde sie je essen! Niemand trinkt ihre Milch oder macht Käse daraus, obwohl ich glaube, daß die nördlichen Barbaren aus Gallien und Germanien etwas daraus herstellen, das sie Butter nennen und sowohl großzügig auf ihr grobes dunkles Brot als auch auf ihre quietschenden Wagenachsen schmieren. Nun, sie wissen es nicht besser, und sie leben in Ländern, die zu rauh und frostig sind, um unser wunderbares Olivenöl hervorzubringen. Doch auf unserer warmen und fruchtbaren Halbinsel gedeihen die Olive und der Wein, die beiden besten Geschenke, die die Götter den Menschen gegeben haben. Warum sollte es irgend jemand nötig haben, in Italia Vieh zu halten, geschweige denn, es von einem Weideland zum anderen zu treiben, wenn nicht ein Waffenkönig oder Flickschuster? Um welchen von beiden, glaubt ihr, handelt es sich bei Gnaeus Pompeius? Stellt er Waffen her oder Schuhe? Sollte er gar mit Waffen und mit Schuhen handeln? Vielleicht ist er ja Waffenkönig und Flickschuster!«

Wie faszinierend, dachte Caesar, immer noch mit dem gleichen Ausdruck beflissenen Interesses auf seinem Gesicht. Bin ich es, hinter dem er her ist, oder Magnus? Oder schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe? Welch jämmerliches Bild der große Pompeius gerade abgibt! Könnte er unbemerkt den Raum verlassen, so würde er es sofort tun. Doch das Ganze klingt mir nicht nach unserem Bibulus. Ich frage mich, wer derzeit seine Reden schreibt.

»Besagte große Viehherde tappte nun blind in der Campania herum, geführt von ein paar nichtsnutzigen Hirten, sofern man die, die Rindviecher begleiten, überhaupt so bezeichnen kann«, fuhr Bibulus nach Art eines Märchenerzählers fort. »Wie euch allen bekannt sein dürfte, versammelte Väter, hat jedes municipium in Italia seine eigenen Straßen und Wege für das Vieh, das man von Ort zu Ort treibt. Sogar in den Wäldern gibt es markierte Viehpfade, um Schweine während des Winters zu den Eicheln zu führen, um Schafe, der Jahreszeit entsprechend, von höher zu tiefer gelegenem Weideland zu treiben, vor allem aber, um das Vieh auf den größten Markt Italias schaffen zu können, auf das Gelände des Vallis Camenarum außerhalb der Servianischen Mauer von Rom. Diese Wege und Pfade sind öffentliches Land, und Vieh, das sie benutzt, darf sich nicht auf private Ländereien verirren und privates Gras, Getreide oder... Wein verwüsten.«

Es trat eine lange Pause ein. »Unglücklicherweise«, sagte Bibulus mit einem betrübtem Seufzer, »konnten die nichtsnutzigen Hirten, die die Viehherde hüten sollten, den rechten Pfad nicht finden — obgleich, dies sei hinzugefügt, die Viehpfade stets eine gute Meile breit sind! Das Vieh fand statt dessen Weinstöcke im Überfluß, die es fressen konnte. Ja, meine lieben Freunde, diese abscheulichen und nutzlosen Tiere, die Gnaeus Pompeius, irrtümlich genannt der Große, sein eigen nennt, drangen in Publius Servilius’ kostbaren Weinberg ein. Was sie nicht fressen konnten, das trampelten sie nieder. Nur für den Fall, daß ihr mit den Eigenarten und Gewohnheiten von Rindern nicht vertraut sein solltet, hier noch eine Ergänzung meiner Ausführungen: die Speichelflüssigkeit der Tiere vernichtet alles Blattwerk und verhindert für zwei Jahre das Wachstum junger Pflanzen. Aber die Rebstöcke des Publius Servilius waren sehr sehr alt, so daß sie gänzlich abstarben. Mein Freund Publius Servilius ist nun ein gebrochener Mann. Ich habe sogar Tränen für den König Phraates von Parthien übrig, der diesen edlen Wein niemals mehr trinken wird.«

Bibulus, ich ahne, worauf du hinauswillst, dachte Caesar, ohne daß Mimik und Gestik ihn verrieten.

»Natürlich beschwerte sich Publius Servilius bei den Pächtern der riesigen Besitzungen und Ländereien des Gnaeus Pompeius, irrtümlich genannt der Große« — hier schluchzte Bibulus auf —, »nur um sich anhören zu müssen, daß eine Ausgleichszahlung für den Verlust des herrlichsten Weinbergs der Welt nicht möglich sei. Weil, versammelte Väter, weil der Pfad, auf welchem diese Rinder entlanggetrieben wurden, das letztemal vor so langer Zeit inspiziert worden war, daß alle Grenzmarkierungen verschwunden waren! Die Viehhüter hatten insofern keinen Irrtum begangen, als sie ja gar nicht wissen konnten, wohin ihr Vieh zu treiben war. Auf alle Fälle nicht in einen Weinberg, höre ich euch sagen. Ganz recht. Doch wie schwer läßt sich so ein Zwischenfall vor dem Gericht oder dem Tribunal des Stadtprätors beweisen! Gibt es denn jemand in den municipia, der zu sagen wüßte, wo Wege und Pfade auf den Karten eingezeichnet sind, die man einmal für Viehherden bestimmt hat? Wie steht es um die Tatsache, daß Rom sich vor circa dreißig Jahren die gesamte italische Halbinsel einverleibte und ihren Einwohnern dafür die volle Staatsbürgerschaft verlieh? Hat Rom damit nicht auch die Pflicht, die Warenwege, die Straßen und die Pfade quer durch Italia zu markieren? Ich jedenfalls bin dieser Meinung!«

Cato machte einen Satz nach vorn wie ein angebundener Hund, Gaius Piso lachte still in sich hinein, Ahenobarbus fletschte die Zähne: Die boni bereiteten sich augenscheinlich auf einen Sieg vor.

»Erster Konsul, Mitglieder des Hauses, ich bin ein friedfertiger Mann, der zuverlässig seinen soldatischen Pflichten nachgekommen ist. Ich habe keinerlei Verlangen, in der Blüte meiner Jahre in die Provinzen zu marschieren, und Kriege gegen glücklose Barbaren zu führen, um meine eigenen Truhen mehr aufzufüllen als die Roms. Doch ich bin Patriot. Wenn der Senat und das Volk von Rom sagen, ich solle meinen Dienst in einer der Provinzen aufnehmen — nach meiner Zeit als Konsul, denn ich werde Konsul! —, dann werde ich gehorchen. Doch warum kann es nicht ein Dienst zum Wohle aller sein? Warum kein stiller Dienst im Hintergrund? Ein notwendiger Dienst, der sich uns einprägt, weil er fachkundig geleistet wurde, und nicht, weil er durch eine Vielzahl von Triumphwagen beeindruckt! Aus diesem Grunde bitte ich das Haus, den Konsuln des nächsten Jahres ein Jahr Statthaltertätigkeit zuzuteilen, in dem sie für die Inspektion und Kennzeichnung der öffentlichen Straßen, Wege und Pfade Italias zuständig sind. Ich kann Publius Servilius’ vernichtete Weinstöcke nicht zu neuem Leben erwecken, noch kann ich hoffen, seine Wut damit zu stillen. Doch wenn ich alle hier Anwesenden zu der Einsicht bewegen könnte, daß Statthaltertätigkeit auch anderes bedeuten kann als Kriegsführung in fremden Ländern, dann werde ich auf bescheidene Weise meinen Freund, den Ritter Publius Servilius, entschädigt haben.«

Bibulus hielt inne, setzte sich aber nicht, weil er ganz offensichtlich noch etwas hinzuzufügen hatte. »Ich habe den Senat niemals um große Gefallen gebeten, seit ich Senator bin. Gewährt mir diese eine Gunst, und es wird meine letzte Bitte sein. Ihr habt darauf das Wort eines Calpurnius Bibulus.«

Die Senatoren applaudierten lange und enthusiastisch; auch Caesars Beifall war aufrichtig, obgleich er weniger Bibulus’ Vorschlag galt. Doch seine Rede war ein Meisterstück gewesen. Welch wirkungsvolle Strategie, freiwillig ein mühevolles, undankbares Amt zu übernehmen und jeden Gegner damit zu beschämen, anstatt bereits im voraus eine Provinz abzulehnen.

Pompeius saß noch immer wie ein Häufchen Elend da; er spürte, wie die Augen vieler Senatoren auf ihn gerichtet waren, verwundert darüber, daß ein vermögender und mächtiger Mann wie Pompeius dem armen Ritter Publius Servilius so grausam hatte mitspielen können. Schließlich war es Lucius Lucceius, der lautstark und energisch gegen eine Aufgabe protestierte, die so lächerlich sei, daß die Zensoren besser daran täten, sie an professionelle Inspektoren zu vergeben. Auch andere Redner ergriffen noch das Wort, die jedoch alle Bibulus’ Vorschlag rühmten.

»Gaius Julius Caesar, du bist ein sehr begünstigter Kandidat bei diesen Wahlen«, sagte Celer süßlich. »Hast du irgend etwas hinzuzufügen, bevor ich zur Abstimmung aufrufe?«

»Nicht ein Wort, Quintus Caecilius«, sagte Caesar lächelnd und nahm damit den boni den Wind aus den Segeln. Der Antrag, den Konsuln des nächsten Jahres die Wege und Pfade von Italias Wäldern und Weideland anzuvertrauen, wurde begeistert angenommen. Sogar Caesar stimmte dafür, ganz offensichtlich sehr zufrieden. Was führte er im Schilde? Warum war er nicht mit Gebrüll aus seinem Käfig ausgebrochen?

»Komm, Magnus, laß den Kopf nicht hängen«, sagte Caesar zu Pompeius, der noch im Senat zurückgeblieben war, nachdem die Menge sich entfernt hatte.

»Noch nie hat jemand mir von diesem Publius Servilius berichtet!« rief er. »Wart nur, bis ich meine Aufseher zu fassen kriege!«

»Magnus, Magnus, sei doch nicht albern! Es gibt keinen Publius Servilius! Bibulus hat ihn erfunden.«

Pompeius stutzte, und seine Augen wurden rund wie sein Gesicht. »Hatihn erfunden?«brüllte er. »Jetzt habe ich aber endgültig genug! Ich werde diesen Schlappschwanz umbringen!«

»Du wirst nichts dergleichen tun«, sagte Caesar. »Laß uns zu mir nach Hause gehen und einen Becher Wein trinken, von dem ein Publius Servilius nur träumen kann. Erinnere mich doch daran, daß ich König Phraates von Parthien eine Mitteilung über meinen Wein zusende. Ich glaube, er würde ihm munden. Die Weinerzeugung ist wahrscheinlich eine weniger zermürbende Art, Geld zu verdienen, als Roms Provinzen zu regieren — oder seine Warenwege zu inspizieren.«

Caesars heitere Art hob Pompeius’ Stimmung im Nu; er lachte, drückte Caesars Arm und machte sich mit ihm auf den Weg.

»Ich denke, es ist Zeit, daß wir uns unterhalten«, sagte Caesar, als er Erfrischungen reichte.

»Ich habe mich auch schon gefragt, wann wir beide uns endlich einmal unter vier Augen sehen.«

»Das Domus Publica ist ein prachtvolles Haus, doch es hat seine Nachteile. Jedermann kann es sehen — und beobachten —, wer ein und aus geht. Das gleiche gilt für dein Haus; du bist so bekannt, daß ständig Reisende und Spione davor auf der Lauer liegen.« Ein verschmitztes Lächeln blitzte in Caesars Augen auf. »Tatsächlich bist du so bekannt, daß mir erst kürzlich — auf dem Weg zu Marcus Crassus — auf den Märkten reihenweise Stände auffielen, die kleine Büsten von dir feilboten. Erhältst du gute Tantiemen? Diese Miniaturausgaben von dir fanden so reißenden Absatz, daß die Verkäufer kaum damit nachkamen, neue aufzustellen.«

»Tatsächlich?« fragte Pompeius mit leuchtenden Augen. »Die muß ich mir wohl einmal ansehen. Man stelle sich das vor! Büsten von mir?«

»Büsten von dir.«

»Wer hat sie denn gekauft?«

»Vorwiegend junge Mädchen«, sagte Caesar ernsthaft. »Es gab auch ältere Kunden beiderlei Geschlechts, doch, wie gesagt, vorwiegend junge Mädchen.«

»Mich alten Knaben?«

»Magnus, du bist ein Held. Die bloße Erwähnung deines Namens läßt jedes weibliche Herz höher schlagen. Außerdem«, fügte er grinsend hinzu, »handelt es sich nicht um herausragende Kunstwerke. Jemand hat eine Gußform angefertigt und produziert nun im gleichen Tempo Gipsbüsten wie eine Hündin ihre Jungen. Er hat ein paar Maler angestellt, die pinseln Farbe auf die Haut, tauchen dein Haar in grelles Gelb, dann kommen noch zwei blaue Augen drauf — ganz so siehst du in Wirklichkeit nicht aus.«

Das eine mußte man Pompeius lassen: Er war durchaus in der Lage, über sich selbst zu lachen, wenn er erkannte, daß man ihn wohlwollend auf den Arm nahm. So lehnte er sich jetzt in seinen Stuhl zurück und lachte, bis ihm die Tränen kamen; er wußte, er konnte es sich leisten. Caesar log nicht. Die Büsten verkauften sich tatsächlich. Er war ein Held, und mindestens die Hälfte der weiblichen erwachsenen Bevölkerung war in ihn verliebt.

»Da siehst du nun, was dir entgeht, wenn du dich weigerst, Marcus Crassus zu besuchen.«

Der Name Marcus Crassus wirkte ernüchternd auf Pompeius. Er richtete sich auf und blickte Caesar mürrisch an. »Ich kann den Mann nicht ausstehen!«

»Wer sagt, daß ihr euch lieben müßt?«

»Wer sagt, daß ich ein Bündnis mit ihm eingehen muß?«

»Ich, Magnus.«

»Ah!« Der schöne Becher, den Caesar ihm gereicht hatte, senkte sich, zwei kluge blaue Augen blickten auf in Caesars wenig ermutigende Miene. »Glaubst du denn nicht, wir könnten es allein schaffen?«

»Möglich, doch nicht wahrscheinlich. Unsere Stadt, dieses Land, diese Idee — wie immer du es nennen magst — ist am Zugrundegehen, weil hier eine Timokratie herrscht, die sich nur dafür einsetzt, die Ziele und den Ehrgeiz jedes Mannes zu unterdrücken, der höher hinauswill als der Rest. In mancher Hinsicht ist das wohl bewundernswert, in anderer fatal; fatal wird es für Rom sein, wenn nicht bald etwas geschieht. Es muß sowohl für herausragende Männer Platz geschaffen werden, damit sie ihre Fähigkeiten beweisen können, als auch für viele andere, weniger begabte Männer, die gleichwohl im Bereich der öffentlichen Ämter etwas leisten könnten. Die Mittelmäßigen können nicht regieren, das ist das Problem. Wenn sie regieren dürften, würden sie bald feststellen, daß man gar nichts erreicht, wenn man all seine Kraft in absurde Darbietungen investiert, wie Celer und Bibulus sie uns heute im Senat vorgeführt haben. Nimm beispielsweise mich, Magnus, einen begabten und fähigen Mann, dem man die Chance raubt, aus Rom mehr zu machen, als es ist. Mich will man zum Inspektor degradieren, will, daß ich die gesamte Halbinsel hinauf- und hinunterstapfe, um zuzusehen, wie ganze Trupps von Männern mit ihren Meßgeräten Wegstrecken markieren. Warum soll ausgerechnet ich als kleiner Beamter arbeiten, warum ich eine notwendige Arbeit leisten, die, wie Lucceius sagte, effizienter von Männern ausgeführt werden könnte, die der Zensor vertraglich verpflichtet? Weil ich, Magnus, wie du auch, von Höherem träume und weiß, daß ich die Fähigkeiten habe, es zu erreichen.«

»Eifersucht. Neid.«

»Meinst du? Vielleicht spielt Eifersucht auch eine Rolle, doch ganz so einfach ist es nicht. Die Menschen können eines nicht ertragen, das ist, wenn andere sie übertreffen; und das gilt selbst für die, deren Geburt und Status sie erhaben machen sollten. Wer sind schon Bibulus und Cato? Der eine ein Aristokrat, den Fortuna in mehr als einer Hinsicht dürftig ausgestattet hat, der andere ein rigider, unduldsamer Heuchler, der Männer wegen Wahlbestechung vor Gericht bringt, doch selbst zum gleichen Mittel greift, wenn es den eigenen Zwecken dient. Ahenobarbus gebärdet sich wie ein wilder Eber, Gaius Piso wie ein korrupter Pfuscher. Celer hat ohne Zweifel seine Qualitäten, doch sogar er verschwendet seine Energie lieber in den Sturz anderer, bevor er persönliche Differenzen vergißt und an Rom denkt.«

»Willst du damit sagen, sie sehen ihre Unzulänglichkeiten wirklich nicht? Sie halten sich für ebenso fähig wie uns? So eingebildet können sie nicht sein!«

»O doch! Magnus, ein Mann besitzt ein einziges Instrument, mit dem er Intelligenz messen kann — und das ist sein Verstand. So mißt er einen jeden an dem größten Intellekt, der ihm bekannt ist: nämlich dem eigenen. Wenn du ihm vorführst, wie du unser Meer im Zeitraum eines kurzen Sommers von Piraten säuberst, dann zeigst du ihm damit nur eines: nämlich, daß es machbar ist. Also hätte auch er es tun können. Doch du hast ihn ja nicht zum Zuge kommen lassen. Du hast ihn per Gesetz gezwungen, abseits zu stehen und dir zuzusehen. Die Tatsache, daß er seit Jahren nur Geschwätz von sich gegeben hat, spielt keine Rolle. Du hast ihm gezeigt, daß es möglich ist. Gäbe er zu, daß er es nicht geschafft hätte, so müßte er sich eingestehen, daß er nicht viel wert ist; das aber wird er niemals tun. Es ist nicht reine Eitelkeit, sondern Blindheit, gepaart mit Selbstzweifeln, die er nicht zuzugeben wagt. Mit einem solchen Manne rächen die Götter sich an jenen, die wahrhaft überragend sind.«

Pompeius wurde langsam unruhig. War er auch sehr wohl in der Lage, abstrakte Gedanken nachzuvollziehen, so hielt er diese Übung für nicht besonders sinnvoll.

»Alles ganz schön und gut, Caesar, doch reine Spekulation führt uns nicht weiter. Sag mir jetzt lieber, warum wir Crassus einschalten müssen.«

Eine sowohl logische als auch pragmatische Frage. Ein Jammer nur, daß Pompeius, indem er Caesar unterbrach, das Angebot für eine tiefe, dauerhafte Freundschaft in den Wind schlug. Caesar hatte ihm die Hand gereicht, ein überragender Mann dem anderen. Ein Jammer nur, daß Pompeius’ Überlegenheit, seine Interessen und Talente auf ganz anderer Ebene lagen. Caesar wurde wieder nüchtern.

»Wir müssen Crassus einschalten, weil weder du noch ich annähernd so viel Einfluß bei den Achtzehn haben wie er«, sagte Caesar geduldig, »und weil wir nicht einmal ein Tausendstel der rangniedrigeren Ritter kennen, die Crassus kennt. Ja, wir beide kennen viele Ritter, ältere wie jüngere, das weiß ich auch. Doch Crassus können wir nicht das Wasser reichen! Ich weiß, daß du vermutlich sehr viel reicher bist als er, aber dein Geld hast du auf völlig andere Weise erworben. Er ist Geschäftsmann durch und durch, er kann nicht anders. Jeder ist Crassus einen Gefallen schuldig. Und deshalb ist er für uns wichtig! Im Grunde ihres Herzens sind alle Römer Geschäftsleute. Warum hätte sich Rom sonst wohl erhoben, um die Welt zu beherrschen?«

»Wegen seiner Soldaten und Generäle«, sagte Pompeius ohne Zögern.

»Das auch. Und hier kommen wir ja auch zum Zuge. Aber der Krieg ist ein vorübergehender Zustand. Kriege sind manchmal sinnloser und kostenträchtiger für ein Land als eine Vielzahl von gescheiterten Geschäftsunternehmungen. Stelle dir vor, um wieviel reicher Rom heute sein könnte, wäre es nicht über dreißig Jahre in zahllose Bürgerkriege verwickelt gewesen. Du mußtest erst den Osten erobern, um Rom zu einer neuen und soliden finanziellen Basis zu verhelfen. Aber die Eroberung ist abgeschlossen, jetzt geht es, wie üblich, nur noch um Geschäfte. Du hast, hinsichtlich des Ostens, deinen Beitrag an Rom schon geleistet, wogegen Crassus’ Beitrag gerade erst beginnt. Und daher rührt auch seine Macht. Was durch Eroberungen gewonnen wird, wird durch den Handel erhalten. Du eroberst ganze Reiche, damit Crassus sie wirtschaftlich nutzt und romanisiert.«

»Nun gut, du hast mich überzeugt«, sagte Pompeius und griff nach seinem Becher. »Stellen wir uns vor, wir drei bildeten ein Triumvirat. Was würden wir damit bewirken können?«

»Zusammen würden wir die Macht besitzen, die boni zu besiegen. Denn nur so bekämen wir die Stimmen, die wir brauchen, um in den Versammlungen Gesetze zu erlassen. Denn vom Senat, einer Institution, die grundsätzlich von Ultrakonservativen dominiert wird, würden wir keine Billigung erhalten. Die Versammlungen sind die Brutstätte der Veränderung. Du darfst nicht vergessen, daß die boni dazugelernt haben, seit Gabinius und Manilius deine Sonderkommandos durch Gesetzgebung bewirkt haben. Sieh dir Manilius an. Es wird uns nie gelingen, ihn nach Rom zurückzuholen, sein Schicksal dient allen zukünftigen Volkstribunen als Warnung: Sie sehen, was geschehen kann, wenn sich ein Volkstribun den boni zu sehr widersetzt. Celer hat Lucius Flavius in die Knie gezwungen, weshalb dein Gesetz zur Landreform scheitern mußte, bevor es überhaupt zur Abstimmung kam. Du hattest es auf die gewohnt Art versucht. Doch heutzutage lassen sich die boni nichts mehr vormachen. Von jetzt an, Magnus, zählt nur noch rohe Gewalt. Und drei Männer sind nun einmal stärker als zwei. Verbündet können wir uns gegenseitig Vorteile verschaffen, und mit mir als Erstem Konsul haben wir den mächtigsten Gesetzgeber der Republik in unserer Mitte. Unterschätze nicht die Befugnisse eines Konsuls, nur weil er für gewöhnlich nicht als Gesetzgeber agiert. Ich habe vor, gesetzgebender Konsul zu werden, und weiß schon einen guten Mann für den Posten meines Volkstribuns — Publius Vatinius.«

Den Blick fest auf Pompeius’ Gesicht gerichtet, machte Caesar eine Pause, um den Erfolg seiner Argumente einzuschätzen. Ja, doch, seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Pompeius war bei all seiner Sucht, geliebt zu werden, kein Dummkopf.

»Bedenke nur, wie lange du und Crassus vergeblich gekämpft habt. Hat Crassus es nach annähernd einem Jahr erreicht, daß seine asiatischen Steuerverträge geändert werden? Nein. Hat man nach anderthalb Jahren deine Besiedelung des Ostens genehmigt oder dir Land für deine Veteranen zuerkannt? Nein. Beide habt ihr mit ganzer Kraft versucht, den boni-Berg zu versetzen, und seid beide gescheitert. Gemeinsam hättet ihr vielleicht Erfolg gehabt. Doch wenn Pompeius Magnus, Marcus Crassus und Gaius Caesar sich verbünden, dann können sie die Welt verändern.«

»Ich gebe zu, da hast du recht«, sagte Pompeius schroff. »Es setzt mich immer wieder in Erstaunen, wie sehr du in der Lage bist, die Dinge zu durchschauen, Caesar. Schon damals, als ich noch der Meinung war, Philippus würde für mich das erreichen, was ich wollte, warst du es dann, dem es gelang. Bist du Politiker, Mathematiker oder Magier?«

»Ich habe einen sehr guten Menschenverstand«, lachte Caesar.

»Dann laß uns jetzt mit Crassus sprechen.«

»Nein, ich spreche mit Crassus«, sagte Caesar freundlich. »Nach der Tracht Prügel, die wir heute im Senat bezogen haben, wird es niemanden überraschen, daß wir gemeinsam unsere Sorgen ertränken. Doch als Verbündete kennt man uns nicht, und dabei sollte es auch bleiben. Marcus Crassus und ich hingegen sind seit vielen Jahren Freunde, und niemand wird sich daran stören, wenn ich mit ihm ein Bündnis schließe. Nicht mal die boni werden sonderlich beunruhigt sein. Von jetzt an bis zum Ende dieses Jahres ist deine Teilnahme an unserem Triumvirat — das Wort gefällt mir! — ein Geheimnis, das nur uns dreien bekannt ist. Die boni sollen denken, sie hätten schon gesiegt.«

»Ich hoffe, daß ich mich beherrschen kann, wenn ich ab jetzt mit Crassus verkehren soll«, seufzte Pompeius.

»Du mußt gar nicht wirklich mit ihm verkehren, Magnus. Das ist der Vorteil, wenn sich drei zusammentun. Ich bin das Bindeglied zwischen dir und Crassus; ihr braucht euch gar nicht allzuoft zu sehen. Ihr seid keine Konsulatskollegen, ihr seid privati.«

»Nun schön, wir alle wissen, was ich will. Wir wissen auch, was Crassus will. Doch was erhoffst du dir von diesem Triumvirat, Caesar?«

»Das italische Gallien und Illyricum.«

»Afranius hat heute erst erfahren, daß seine Amtszeit dort verlängert worden ist.«

»Sie wird nicht verlängert werden, Magnus, soviel steht fest.«

»Er ist mein Klient!«

»Und spielt die zweite Geige neben Celer.«

Pompeius runzelte die Stirn. »Das italische Gallien und Illyricum für ein Jahr?«

»Oh, nein. Für fünf Jahre.«

Die lebhaften blauen Augen wandten sich plötzlich ab; der Löwe, der sich wohlig in der Sonne geräkelt hatte, sah eine Wolke aufziehen. »Worauf willst du hinaus?«

»Auf ein Oberkommando, Magnus. Gönnst du es mir nicht?«

Das wenige, was Pompeius über Caesar wußte, war blitzschnell aufgezählt: vor Jahren irgendeine Schlacht in der Nähe von Trallis, die Bürgerkrone für Tapferkeit, eine gute, wenn auch ruhige Amtszeit als Quästor, ein brillanter Feldzug im nordwestlichen Iberia, der soeben abgeschlossen war — aber nichts Herausragendes! Und wohin würde Caesar jetzt wohl ziehen? In das Danubiusbecken vermutlich. Nach Dacia? Moesia? Ins Land der Roxolani? Ja, das wäre ein großartiger Feldzug, doch nicht vergleichbar mit seiner Eroberung des Ostens. Gnaeus Pompeius Magnus hatte gegen Könige gekämpft, die ernstzunehmende Gegner waren, nicht gegen tätowierte Barbaren in Kriegsbemalung. Gnaeus Pompeius Magnus war an der Spitze von Armeen marschiert, seit er zweiundzwanzig war. Worin bestand da die Gefahr? Er sah keine.

Der Löwe entspannte sich; Pompeius lächelte über das ganze Gesicht.

»Doch, Caesar, doch, ich gönne es dir sogar sehr. Ich wünsche dir viel Glück.«

Gaius Julius Caesar ging an den Ständen, die die primitiven Büsten von Pompeius dem Großen ausstellten, vorbei, überquerte den Macellum Cuppedinis und stieg fünf enge Treppen hinauf, um Marcus Crassus zu besuchen, der heute, wie so oft in letzter Zeit, nicht im Senat gewesen war. Man hatte Crassus’ Stolz verletzt, und sein Dilemma war noch immer ungelöst. Trotz seiner Macht und seines Einflusses sah er sich außerstande, in einer Sache seinen Willen durchzusetzen, die im Grunde eine Bagatelle war. Seine Stellung als hellster und größter Stern am römischen Geschäftshimmel war in Gefahr, sein guter Ruf zerstört. Täglich kamen angesehene Ritter zu ihm, um ihn zu fragen, warum es ihm denn nicht gelungen sei, seine Steuerverträge ändern zu lassen; und täglich bemühte er sich zu erklären, daß ein kleines Grüppchen von Männern den Senat auf eine Weise führe, wie man einen Bullen an einem Nasenring führt. Und man hielt ihn für den Bullen! Doch es schwand nicht nur seine dignitas; viele Ritter verdächtigten ihn schon, etwas im Schilde zu führen, weswegen er die Neuverhandlung dieser elenden Verträge absichtlich hinauszögere. Zu allem Überfluß fiel ihm auch noch sein Haar aus wie einer Katze das Fell im Frühling!

»Komm mir ja nicht zu nahe!« knurrte er Caesar an.

»Warum in aller Welt denn nicht?« fragte ihn Caesar grinsend und ließ sich auf der Ecke von Crassus’ Schreibtisch nieder.

»Ich habe die Räude.«

»Du hast Weltschmerz. Komm, laß den Kopf nicht hängen, ich habe gute Nachrichten.«

»Es sind zu viele Leute hier, aber ich bin zu müde, um auch nur ein paar Schritte vor die Tür zu tun.« Dann brüllte er in den überfüllten Raum hinein: »Geht sofort nach Hause, alle ohne Ausnahme! Beeilt euch! Ich werde euch auch nicht den Lohn kürzen, nun macht schon!«

Alle verließen hocherfreut den Raum; Crassus bestand darauf, daß jede einzelne Sekunde bis Sonnenuntergang hart gearbeitet wurde, und die Tage wurden zum Sommer hin, der noch auf sich warten ließ, immer länger. Jeder achte Tag der Woche war zwar arbeitsfrei, und auch die Saturnalien, Kompitalien und die wichtigsten Spiele galten als Feiertage, doch man erhielt an diesen Tagen auch keinen Lohn. Wer nicht arbeitete, den bezahlte Crassus auch nicht.

»Du und ich«, sagte Caesar, »wir werden uns zusammentun.«

»Das wird auch nicht viel ändern«, antwortete Crassus kopfschüttelnd.

»Doch, wenn wir ein Triumvirat bilden.«

Crassus’ kräftige Schultern verkrampften sich, wenngleich sein Gesicht gelassen blieb.

»Nicht mit Magnus!«

»Doch, mit Magnus.«

»Ohne mich, und damit basta.«

»Dann wirst du Abschied nehmen müssen von deiner jahrelangen Arbeit, Marcus. Wenn wir kein Bündnis mit Pompeius Magnus eingehen, dann verlierst du deinen Ruf als Patron der ersten Klasse.«

»Unsinn! Bist du erst Konsul, wird es dir schon gelingen, die asiatischen Verträge zu reduzieren.«

»Mein lieber Freund, gerade heute hat man mir meine Provinz zugeteilt. Man will, daß Bibulus und ich diejenigen Wege Italias inspizieren, auf denen Viehherden getrieben werden dürfen.«

Crassus blieb der Mund offenstehen. »Das ist ja noch schlimmer, als keine Provinz zu bekommen! Sie machen euch zur Zielscheibe des Spottes! Einen Julius — und einen Calpurnius immerhin! — zwingt man, die Arbeit eines kleinen Beamten zu tun?«

»So ist es, und Bibulus wäre sogar bereit, seine eigene dignitas aufs Spiel zu setzen, nur um mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Es war seine Idee, Marcus! Verstehst du jetzt, wie ernst die Situation ist? Die boni würden ihren Kopf riskieren, Hauptsache, es kostet auch den meinen. Von dir und Magnus ganz zu schweigen.«

»Dann gebe ich dir recht. Wir müssen eine Allianz mit Magnus bilden.«

So einfach war das. Wenn man etwas von Crassus wollte, brauchte man sich nicht in philosophischen Erörterungen ergehen. Solange man ihn mit Fakten konfrontierte, ließ er sich überzeugen. Er schien sich über das geplante Triumvirat sogar zu freuen, als ihm klar wurde, daß er gar nicht gezwungen wäre, mit Pompeius, dem Mann, den er in Rom am meisten haßte, öffentlich aufzutreten; denn er und Pompeius waren ja privati. Mit Caesar als ihrem Mittelsmann würde die Form gewahrt werden; die Drei- Mann-Partnerschaft wäre funktionsfähig.

»Ich fange besser damit an, Stimmen für Lucceius zu werben«, sagte Crassus, als Caesar sich erhob.

»Bemüh dich nicht zu sehr, Marcus, ich würde nicht auf dieses Pferd setzen. Magnus besticht seit Monaten mit allen Mitteln, aber nach der Afranius-Bestechung wird niemand seinen Männern mehr Beachtung schenken. Magnus ist kein Politiker, er tut nie den rechten Schritt zur rechten Zeit. Er hätte Labienus an Flavius’ Stelle setzen und sich mit Lucceius einen harmlosen Konsul sichern sollen.«

Zum Abschied tätschelte Caesar Crassus’ kahlen Schädel. »Es werden Bibulus und ich, soviel ist sicher.«