Teil III

Januar 65 v. Chr. bis Quinctilis 63 v. Chr.

Marcus Licinius Crassus war so reich geworden, daß man ihm inzwischen einen zweiten Nachnamen, Dives, gegeben hatte, was soviel wie »unermeßlich reich« bedeutete. Und als er zusammen mit Quintus Lutatius Catulus zum Zensor gewählt wurde, fehlte ihm zu seiner Karriere eigentlich nur noch ein großer, ruhmreicher Feldzug. Gewiß, er hatte Spartacus besiegt und dafür großen Beifall geerntet, aber sechs Monate Feldzug gegen einen Gladiator, dessen Armee vornehmlich aus Sklaven bestand — an einem solchen Sieg war nicht viel Glanz haftengeblieben. Ihm schwebte ein Feldzug vor, wie Pompeius der Große ihn geführt hatte. »Retter des Vaterlandes« — wie imponierend das klang! Diese Art Anerkennung brauchte er. Es tat weh, von einem Emporkömmling in den Schatten gestellt zu werden.

Aus Gründen, die Crassus nicht verstand und die ihn befremdeten, erwies Catulus sich auch nicht als freundlicher Zensorenkollege. Noch nie war ein Licinius Crassus als Demagoge oder Radikaler verschrien gewesen. Was hatte dieser Catulus an ihm auszusetzen?

»Es liegt an deinem Geld«, sagte Caesar, an den Crassus sich mit dieser heiklen Frage gewandt hatte. »Catulus gehört zu den boni, er sieht es nicht gern, daß Senatoren in eigenen Geschäften tätig sind. Was meinst du, wie gern er dich zusammen mit einem anderen Zensor genauer unter die Lupe nehmen würde. Aber solange du sein Kollege bist, kann er das wohl nicht gut tun, oder?«

»Er würde seine Zeit verschwenden!« erwiderte Crassus beleidigt. »Ich tue nichts, was nicht auch der halbe Senat tut! Ich verdiene mein Geld mit meinem Besitz, und jeder Senator weiß darüber Bescheid! Gut, ich habe Anteile an ein paar Handelsgesellschaften, aber bei keiner von ihnen gehöre ich zu den Direktoren; ich bin nur eine Finanzierungsquelle. Wer wollte mir daraus einen Vorwurf machen?«

»Das weiß ich ja alles«, sagte Caesar geduldig. »Und das weiß auch unser geliebter Catulus. Ich sag es dir noch einmal: Er neidet dir den Reichtum. Der alte Catulus müht sich ab, um Geld für den Neubau des Jupiter Optimus Maximus zu beschaffen; er kann das Vermögen der Familie nicht vermehren, weil er jede Sesterze für den Tempel braucht. Und währenddessen scheffelst du das Geld nur so. Der pure Neid.«

»Der soll sich seinen Neid für Leute aufsparen, die ihn verdienen!« Crassus war keineswegs beschwichtigt.

Nach Beendigung seines gemeinsamen Konsulats mit Pompeius dem Großen war Crassus in ein neues Geschäft eingestiegen, ein Gewerbe, für das ein gewisser Servilius Caepio vierzig Jahre zuvor Pionierarbeit geleistet hatte: die Herstellung von Waffen für die römischen Legionen, die in einer Reihe von Siedlungen nördlich des Flusses Padus im italischen Gallien stationiert waren. Sein guter Freund Lucius Calpurnius Piso, Roms Ausrüstungsbeschaffer während des Italischen Krieges, hatte Crassus darauf gebracht. Lucius Piso hatte das Potential erkannt, das in dieser neuen Industrie steckte, und er hatte sich mit großer Begeisterung darauf gestürzt und eine Menge Geld damit verdient. Er hatte ohnehin enge Beziehungen zum italischen Gallien, denn seine Mutter Calventia stammte von dort. Und als Lucius Piso gestorben war, hatte ein anderer Lucius Piso die Geschäfte wie auch die Freundschaft mit Crassus fortgesetzt und sich schließlich davon überzeugen lassen, wie vorteilhaft es war, ganze Städte zu besitzen, die sich auf die Herstellung von Kettenpanzern, Schwertern, Speeren, Helmen und Messern spezialisiert hatten.

Als Zensor war Crassus nun in der Lage, seinem Freund Lucius Piso zu helfen, und auch dem jungen Quintus Servilius Caepio Brutus, dem Erben der Manufakturen des Servilius Caepio in Feltria, Cardianum und Bellunum. Das italische Gallien auf der anderen Seite des Padus gehörte schon so lange zu Rom, daß sich bei seinen Bürgern — von denen viele Gallier waren, aber noch viel mehr aus Mischehen stammten — ein großer Unmut angestaut hatte, weil man ihnen noch immer nicht das römische Bürgerrecht gewähren wollte. Erst drei Jahre zuvor hatte es Unruhen gegeben, die Caesar auf seiner Rückreise nach Spanien beschwichtigen konnte. Crassus wußte also genau, was er zu tun hatte, sobald er Zensor und damit Herr über das Verzeichnis der Bürger Roms war: Er würde seinen Freunden Lucius Piso und Caepio Brutus helfen und sich selbst eine riesige Klientel verschaffen, indem er dafür sorgte, daß die Menschen auf der anderen Seite des Padus im italischen Gallien das volle römische Bürgerrecht erhielten. Südlich des Padus hatten alle das Bürgerrecht, und so erschien es unzulässig, es Menschen, die vom selben Blut waren, nur deshalb zu verwehren, weil sie auf der falschen Seite eines Flusses lebten!

Als er jedoch seine Absicht verkündete, dem ganzen italischen Gallien die Bürgerrechte zu geben, ging sein Co-Zensor Catulus auf die Barrikaden. Nein, nein und nochmals nein! Niemals! Römisches Bürgerrecht nur für Römer! Gallier waren keine Römer! Es gab schon viel zu viele Gallier, die sich Römer nannten, zum Beispiel Männer wie Pompeius der Große und seine picentischen Marionetten!

»Der uralte Streit«, sagte Caesar angewidert. »Römisches Bürgerrecht nur für Römer. Warum können diese Narren von boni nicht endlich begreifen, daß alle Völker Italiens zu Rom gehören, wie Rom selbst zu Italien gehört?«

»Ich stimme dir zu«, meinte Crassus. »Aber Catulus sieht das anders.«

Crassus’ anderer Plan fand ebenfalls keine Gegenliebe.

Er wollte Ägypten annektieren, auch um den Preis eines Krieges — mit ihm an der Spitze der Armee natürlich. Was Ägypten betraf, war Crassus inzwischen ein Wissensträger von enzyklopädischem Rang. Und jede weitere Tatsache, die er erfuhr, diente nur der Bestätigung seiner Vermutung, daß Ägypten das reichste Land der Welt war.

»Stell dir das vor!« sagte er zu Caesar, der sich ausnahmsweise einmal dumm stellte. »Es gehört alles dem Pharao! So etwas wie ein Besitzrecht gibt es in Ägypten nicht — man ist dort verpflichtet, alles vom Pharao zu pachten, der Pharao streicht den Pachtzins ein. Und auch alle ägyptischen Produkte gehören ihm, vom Getreide über Gold und Juwelen bis hin zu Gewürzen und Elfenbein! Nur das Leinen nicht. Das Leinen gehört den ägyptischen Priestern, aber auch da nimmt der Pharao ein Drittel vom Erlös. Sein privates Einkommen beträgt mindestens sechstausend Talente im Jahr, und dazu kommen Steuerabgaben von noch einmal sechstausend Talenten. Und noch der Zuschlag aus Zypern.«

»Ich habe gehört«, sagte Caesar, um den Stier in Crassus hervorzulocken, »daß die Ptolemäer so dumm waren, den ägyptischen Staatsschatz bis auf die letzte Drachme durchzubringen.«

Der Stier in Crassus schnaubte, aber mehr verächtlich als wütend. »Unsinn! Absoluter Unsinn! Nicht einmal der dümmste Ptolemäer könnte auch nur ein Zehntel seiner Einkünfte ausgeben. Mit seinen Einkünften wird das Land unterhalten — er bezahlt davon eine Armee von Bürokraten, Soldaten, Seeleuten, Polizisten, Priestern und stattet damit seine Paläste aus. Sie haben seit Jahren keinen Krieg mehr geführt, höchstens untereinander, und selbst dann ist das Geld wieder an Ägypter gegangen und hat das Land nicht verlassen. Sein privates Einkommen legt er auf die Seite; er hat es nicht einmal nötig, seine Schätze — Gold, Silber, Rubine, Elfenbein und Saphire, Türkise, Chalzedone und Lapislazuli — zu Bargeld zu machen. Sie werden irgendwo gelagert. Abgesehen von den Stücken, die er den Handwerkern gibt, damit sie ihm Möbel oder Schmuck daraus anfertigen.«

»Und was ist mit dem Diebstahl des goldenen Sarkophags von Alexander dem Großen?« fragte Caesar provokativ. »Der erste Ptolemäer, der sich Alexander nannte, muß so arm gewesen sein, daß er ihn zu Goldmünzen schmelzen und durch einen kristallenen Sarkophag ersetzen ließ.«

»Da haben wir’s wieder!« empörte sich Crassus. »Diese lächerlichen Ammenmärchen sterben nicht aus! Dieser Ptolemäer hat sich ganze fünf Tage in Alexandria aufgehalten, bevor er fliehen mußte. Willst du mir tatsächlich weismachen, er habe innerhalb von fünf Tagen ein Objekt aus massivem Gold im Werte von viertausend Talenten wegtransportieren und in so kleine Stücke schneiden lassen, daß sie in den bechergroßen Schmelztiegel eines Goldschmieds paßten, um sie dann eines nach dem anderen zu mehreren Millionen Münzen verabeiten zu lassen? Das hätte länger als ein Jahr gedauert! Und nicht nur das. Wo ist dein gesunder Menschenverstand geblieben, Caesar? Ein transparenter Sarkophag aus Felskristall, der groß genug für einen menschlichen Körper ist — auch wenn ich wohl weiß, daß Alexander der Große ein kleiner Mann war —, würde zehnmal soviel kosten wie ein Sarkophag aus massivem Gold. Und wenn man ein passendes Stück gefunden hat, dauert es Jahre, ihn daraus herzustellen. Nein, die Logik sagt mir, daß irgend jemand dieses passende Stück gefunden hat, und zufällig wurden die Sarkophage gerade in der Zeit ausgetauscht, als der Ptolemäer Alexander in der Stadt war. Die Priester des Sema wollten, daß die Menschen Alexander den Großen tatsächlich sehen konnten.«

»Igitt!« sagte Caesar.

»Nein, nein, sie haben ihn perfekt konserviert. Er soll heute noch so schön sein, wie er im Leben war.« Der Enthusiasmus riß Crassus mit sich fort.

»Einmal abgesehen von dem unerquicklichen Thema, wie gut konserviert Alexander der Große ist, Marcus — es gibt keinen Rauch ohne Flamme. Immer wieder hört man von Ptolemäern, die ohne ihr letztes Hemd fliehen mußten. Es kann dort unten nicht annähernd soviel Geld und Schätze geben, wie du behauptest.«

»Diese Märchen basieren auf einem Irrtum«, rief Crassus triumphierend. »Die Leute wollen einfach nicht begreifen, daß die Schätze der Ptolemäer und die Reichtümer des Landes nicht in Alexandria aufbewahrt werden. Alexandria ist ein aufgepfropfter Schößling auf dem uralten ägyptischen Baum. Über die Schätze Ägyptens wachen die Priester in Memphis. Dort werden sie gehortet. Und wenn ein Ptolemäer — oder eine Kleopatra — fliehen muß, glaubst du im Ernst, daß sie dann das ganze Delta hinunter nach Memphis reisen? Die segeln direkt aus dem Hafen von Alexandria nach Zypern oder Syrien oder Kos. Deshalb können sie nur so viel mitnehmen, wie sie in Alexandria finden.«

Caesar machte ein äußerst feierliches Gesicht, seufzte, lehnte sich in seinen Sessel zurück und legte die Hände hinter den Kopf. »Mein lieber Crassus, du hast mich überzeugt.«

Jetzt erst hatte sich Crassus so weit beruhigt, daß er die Ironie in Caesars Blick bemerkte. Er mußte laut lachen. »Elender! Du machst dich über mich lustig!«

»Was Ägypten betrifft, stimme ich voll und ganz mit dir überein«, sagte Caesar. »Schade nur, daß Catulus sich ein solches Abenteuer niemals einreden lassen wird.«

Catulus ließ es sich nicht einreden und tat im übrigen sein Bestes, um es dem Senat auszureden. Mit dem Ergebnis, daß das gemeinsame Magistrat der Zensoren Catulus und Crassus nach weniger als drei Monaten ein jähes Ende fand, lange bevor sie die Listen des Ritterstandes revidieren, geschweige denn eine Volkszählung durchführen konnten. Crassus trat öffentlich zurück, und er hatte vieles — wenn auch wenig Schmeichelhaftes — über Catulus zu sagen. Es war nur eine kurze Amtszeit gewesen. Der Senat entschied, im nächsten Jahr zwei neue Zensoren wählen zu lassen.

Wie es sich für ihn als guten Freund gehörte, unterstützte Caesar im Senat beide Vorschläge des Crassus — die Erteilung des Bürgerrechts für die Gallier jenseits des Padus und die Annexion Ägyptens. Sein Hauptinteresse lag in diesem Jahr jedoch woanders: Er war zu einem der beiden kurulischen Ädilen gewählt worden, was bedeutee, daß er im kurulischen Elfenbeinsessel Platz nehmen durfte und zwei Liktoren ihm die fasces voraustrugen. Er hatte dieses Amt »in seinem Jahr« erreicht, ein Zeichen dafür, daß er auf dem cursus honorum der Magistrate bereits so weit nach oben geklettert war, wie er vorgehabt hatte. Zu seinem Unglück wurde mit ihm zusammen (wenn auch mit wesentlich weniger Stimmen) Marcus Calpurnius Bibulus in dieses Amt gewählt.

Die beiden hatten sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Amtsführung eines kurulischen Ädilen auszusehen hatte, und zwar in jedem einzelnen Aspekt der Aufgabe. Zusammen mit den beiden plebejischen Ädilen waren sie für die öffentliche Instandhaltung der Stadt Rom verantwortlich — die Wartung der Straßen, Plätze, Parks und Marktplätze, für den Verkehr, die öffentlichen Gebäude, Recht und Ordnung, die Wasserversorgung (einschließlich der Brunnen und Bäder), für Grundstücksverzeichnisse, Baugenehmigungen, Abwasserkanäle, öffentliche Standbilder und Tempel. Sie übten das Amt alle vier gleichzeitig aus, bestimmte Aufgaben wurden jedoch einem oder mehreren von ihnen übertragen.

Für Maße und Gewichte waren ausschließlich die beiden kurulischen Ädilen zuständig, die ihren Amtssitz im Castor-und-Pollux-Tempel hatten, einem sehr zentralen Platz am Rand des unteren Forums, neben dem Haus der Vestalinnen. Die Eichmaße wurden unter dem Podium des Tempels aufbewahrt, den die Leute Castor nannten — der Einfachheit halber übersah man Pollux. Die plebejischen Ädilen waren in einem viel weiter entfernten Gebäude untergebracht, im schönen Tempel der Ceres am Fuß des Aventin. Vielleicht kümmerten sie sich deshalb weniger um ihre Aufgaben.

In die schwierigste Aufgabe teilten sich alle vier: die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide — von der Entladung der Kähne bis zu dem Augenblick, in dem ein Bürger den Sack mit der ihm zugeteilten Ration nach Hause trug. Sie waren auch für den Einkauf des Getreides zuständig, für die Bezahlung der Lieferanten, das Abwiegen bei der Ankunft und das Einsammeln des Getreideobolus. Sie führten die Liste der Bürger, die vom Staat preisgünstiges Getreide beziehen durften, also besaßen sie eine Abschrift des römischen Bürgerverzeichnisses. Die Berechtigungsscheine wurden an einem Stand unter dem Porticus Metelli auf dem Marsfeld verteilt, aber das Getreide selbst lagerte in riesigen Silos am Fuß der Felsen des Aventin, entlang dem Vicus Portae Trigeminae im Hafen von Rom.

Die beiden plebejischen Ädile dieses Jahres — Ciceros jüngerer Bruder Quintus war der eine von ihnen — stellten keine Konkurrenz für die aediles curules dar.

»Da werden wir wohl nur mit mittelmäßigen Spielen rechnen dürfen«, sagte Caesar zu Bibulus und seufzte dabei. »Und für die Stadt scheinen sie auch nicht viel tun zu wollen.«

Bibulus betrachtete seinen Kollegen mit säuerlichem Mißfallen. »Du solltest dir auch von den kurulischen Ädilen nicht allzuviel versprechen, Caesar. Ich werde meinen Teil zu guten Spielen beitragen, aber nicht zu großen Spielen. Dafür reichen meine Finanzen ebensowenig wie deine. Ich habe auch nicht vor, die Abwasserleitungen oder jeden einzelnen Wasseranschluß überprüfen zu lassen oder Castor einen neuen Anstrich verpassen zu lassen oder über die Märkte zu laufen, um jede Waage zu überprüfen.«

»Was hast du denn vor, wenn ich fragen darf?«

»Nur das veranlassen, was nötig ist.«

»Und die Kontrolle der Waagen hältst du nicht für nötig?«

»Nein.«

»Nun«, sagte Caesar mit einem bösen Lächeln, »da ist es doch sehr angemessen, daß wir im Castor untergebracht sind. Wenn du der Pollux sein willst, nur zu. Aber vergiß nicht, welches Schicksal Pollux zu erleiden hat — von allen vergessen, von niemandem erwähnt.«

Es war kein guter Anfang, aber Caesar war viel zu zielbewußt, um sich mit Leuten aufzuhalten, die nicht zur Zusammenarbeit bereit waren; also machte er sich ans Werk, als wäre er der einzige Ädil in Rom. Er hatte den Vorteil, über ein ausgezeichnetes Netz von Informanten zu verfügen, denn Lucius Decumius und seine Kreuzwegbrüder meldeten ihm jede Übertretung, und Caesar ging mit aller Härte gegen Händler vor, die zu leicht wogen oder zu kurz maßen, gegen Bauherren, die Grenzen überschritten oder schlechtes Material verwandten, gegen Hauswirte, die die Wassergesellschaften betrogen, indem sie dickere Zuflußrohre von den Hauptleitungen zu ihren Grundstücken legen ließen, als das Gesetz ihnen erlaubte. Gnadenlos verhängte er seine drastischen Geldstrafen, und er verschonte niemanden, nicht einmal seinen Freund Marcus Crassus.

»Du gehst mir langsam auf die Nerven«, stellte ihn Crassus Anfang Februar verärgert zur Rede. »Du hast mich schon ein Vermögen gekostet! Zu wenig Zement im Mörtel, zu wenig Balken in den Decken des Mietshauses, das ich auf dem Viminal hochziehen lasse — aber ich habe nicht einen einzigen Meter öffentlichen Grund dafür in Anspruch genommen, und wenn du es tausendmal behauptest! Fünfzigtausend Sesterzen Strafe, nur weil ich zwei Latrinen in meinen beiden neuen Wohnungen auf dem Carinae an den Kanal angeschlossen habe? Das sind zwei Talente, Caesar!«

»Wenn du das Gesetz brichst, mußt du zahlen«, sagte Caesar ungerührt. »Ich brauche jede Sesterze in meiner Bußgeldschatulle, und da mache ich auch bei Freunden keine Ausnahme.«

»Wenn du so weitermachst, hast du bald keine Freunde mehr.«

»Damit gibst du mir zu verstehen, daß du nur ein Schönwetterfreund bist«, lautete Caesars ein wenig ungerechte Antwort.

»Nein, das bin ich nicht! Aber wenn du Geld brauchst, um spektakuläre Spiele zu veranstalten, dann mußt du es dir leihen. Du kannst nicht erwarten, daß jeder Geschäftsmann in Rom deine öffentlichen Extravaganzen mitfinanziert!« schrie Crassus außer sich vor Wut. »Ich leihe dir das Geld, und ich berechne dir nicht einmal Zinsen.«

»Nein, danke«, erwiderte Caesar bestimmt. »Wenn ich das annehmen würde, wäre ich der Schönwetterfreund. Wenn ich mir Geld leihen will, gehe ich zu einem Geldverleiher.«

»Das darfst du gar nicht. Du bist Senator.«

»Das darf ich, Senator hin oder her. Wenn man mich aus dem Senat wirft, weil ich mir bei einem Wucherer etwas geliehen hab, lieber Crassus, dann hat das Haus morgen keine fünfzig Mitglieder mehr«, sagte Caesar. Seine Augen funkelten. »Du könntest mir einen Gefallen tun.«

»Welchen?«

»Besorge mir einen verschwiegenen Perlenhändler, der die schönsten Perlen, die er je gesehen hat, für weit weniger Geld kaufen will, als er auf dem Markt dafür bekommt.«

»Oho! Ich kann mich nicht erinnern, etwas von Perlen gelesen zu haben, als du die Beute aus dem Piratenfeldzug aufgelistet hast.«

»Ich habe sie nicht deklariert und auch nicht die fünfhundert Talente die ich für mich behalten habe. Mein Schicksal liegt also in deiner Hand, Marcus. Du mußt mich nur vor Gericht anschwärzen, und ich bin erledigt.«

»Das werde ich nicht tun, Caesar — falls du damit aufhörst, mir Geldstrafen aufzuerlegen«, erwiderte Crassus listig.

»Dann lauf doch lieber gleich zum Stadtprätor und schwärze mich an.« Caesar lachte. »Glaub bloß nicht, daß du mich kaufen kannst.«

»Ist das alles, was du unterschlagen hast, fünfhundert Talente und ein paar Perlen?«

»Das ist alles.«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Mach dir nichts draus, da bist du nicht der einzige«, sagte Caesar und rüstete sich zum Aufbruch. »Aber sei bitte so nett und besorge mir einen Perlenhändler. Ich würde es ja selber tun, wenn ich wüßte, wo ich anfangen soll zu suchen. Du bekommst auch eine Perle als Provision.«

»Behalt doch deine Perlen!« sagte Crassus empört.

Eine der Perlen, ein riesiges Exemplar von der Form und der Farbe einer Stachelbeere, blieb in Caesars Besitz. Er wußte selbst nicht genau, warum er sie nicht veräußerte, denn allein mit dieser Perle hätte er die Summe von fünfhundert Talenten, die er für die anderen bekam, womöglich verdoppeln können. Er traf die Entscheidung ganz instinktiv, nachdem der lebhaft interessierte Käufer die Perle bereits gesehen hatte.

»Ich würde sechs oder sieben Millionen Sesterzen dafür bekommen«, sagte der Mann wehmütig.

»Nein«, beschied Caesar, warf die Perle einmal in die Luft und fing sie wieder auf. »Ich glaube, diese werde ich nicht hergeben. Vielleicht bringt sie mir Glück.«

Caesar gab das Geld gern mit vollen Händen aus, aber er konnte auch rechnen, und als er es Ende Februar tat, sank ihm der Mut. In der Ädilenschatulle mochten fünfhundert Talente sein; Bibulus hatte angedeutet, daß er zu ihren ersten Spielen, den ludi Megalenses im April, hundert und zu den großen Spielen, den ludi Romani im September, zweihundert Talente beisteuern würde. Caesar besaß etwa tausend Talente eigenes Geld; sie waren seine gesamte Habe, abgesehen von seinem wertvollen Landbesitz, von dem er sich auf keinen Fall trennen würde, garantierte er ihm doch den Sitz im Senat.

Nach seiner Rechnung würden die ludi Megalenses siebenhundert und die ludi Romani tausend Talente kosten. Das machte zusammen siebzehnhundert, ungefähr soviel, wie er besaß. Aber leider ging es nicht nur darum, zweimal Spiele zu veranstalten; diese Aufgabe hatte jeder kurulische Ädil, und je großartiger er sie gestaltete, desto größer das Ansehen, das er damit erwerben konnte. Caesar wollte überdies auf dem Forum Gladiatorenspiele zum Gedenken an seinen Vater inszenieren, und die würden ihn noch einmal fünfhundert Talente kosten. Also würde er sich etwas leihen müssen. Darüber hinaus stieß er all jene vor den Kopf, die ihn gewählt hatten, indem er Geldstrafen gegen sie verhängte, um seine Ädilenschatulle zu füllen. Und das nicht zu knapp! Marcus Crassus, der eigentlich der Meinung war, ein Mann müsse zu seinen Freunden stehen, selbst gegen die Interessen des Staates, tolerierte es nur, weil er Caesar wirklich liebte.

»Ich gebe dir alles, was ich besitze, Pavo«, sagte Lucius Decumius, als er Caesar, über Zahlenkolonnen gebeugt, an seinem Tisch sitzen sah.

Auch wenn er müde und ein wenig mutlos aussah, für diesen seltsamen alten Mann, der eine so große Rolle in seinem Leben spielte, hatte er noch immer ein Lächeln übrig. »Laß nur, Papa! Mit deinem Geld könnte ich höchstens ein einziges Gladiatorenpaar engagieren.«

»Ich besitze fast zweihundert Talente.«

Caesar pfiff durch die Zähne. »Da habe ich wohl doch den falschen Beruf! Bringt es so viel ein, den Bewohnern der Via Sacra und des Vicus Fabricii Ruhe und Ordnung zu garantieren?«

»Im Laufe der Jahre kommt einiges zusammen«, erwiderte Lucius Decumius bescheiden.

»Behalt es, Papa, ich will es nicht.«

»Und wo willst du das fehlende Geld hernehmen?«

»Ich leihe es mir, gegen die Sicherheit meiner Einkünfte als Proprätor in einer guten Provinz. Ich habe Balbus nach Gades geschrieben, und er ist bereit, Empfehlungsschreiben an die richtigen Leute hier in Rom zu schicken.«

»Kannst du es dir nicht von ihm leihen?«

»Nein, er ist ein Freund von mir. Ich leihe mir kein Geld von Freunden, Papa.«

»Ach, du bist schon ein seltsamer Kerl!« Lucius Decumius schüttelte das ergraute Haupt. »Dafür sind Freunde doch da.«

»Da bin ich anderer Meinung, Papa. Wenn ich das Geld aus irgendeinem Grund nicht zurückzahlen kann, dann möchte ich es lieber einem Fremden schuldig sein. Ein unerträglicher Gedanke, daß ich womöglich einen meiner Freunde mit meinen Verrücktheiten in den Ruin treiben könnte.«

»Wenn du es nicht zurückzahlen kannst, Pavo, dann kann Rom einpacken.«

Caesars Gesicht hellte sich ein wenig auf, und er seufzte. »Du hast recht, Papa. Ich werde es zurückzahlen, keine Angst. Also«, fuhr er in wesentlich besserer Laune fort, »was sorge ich mich? Ich werde mir genügend Geld borgen und der großzügigste kurulische Ädil werden, den Rom jemals gesehen hat!«

Caesar setzte seine Absicht in die Tat um. Ende des Jahres betrugen seine Schulden tausend Talente und nicht fünfhundert, wie er ausgerechnet hatte. Crassus half ihm, indem er ein paar Geldverleihern ins Ohr flüsterte, Caesar sei eine gute Investition in die Zukunft, sie sollten ihm besser keine Wucherzinsen berechnen. Balbus brachte ihn mit Leuten zusammen, die diskret und nicht allzu habgierig waren: zehn Prozent einfache Zinsen, der offizielle Satz. Es gab nur ein Problem: Er mußte die Darlehen innerhalb eines Jahres zurückzahlen, sonst kämen zu den einfachen Zinsen noch die Zinseszinsen; dann müßte er Zinsen auf die Zinsen und auf das geliehene Kapital zahlen.

Die ludi Megalenses waren die ersten und die rituell am stärksten geprägten Spiele des Jahres, vielleicht deshalb, weil sie (zumindest in den Jahren, in denen der Kalender mit den Jahreszeiten zusammenfiel) den Frühling ankündigten und weil sie aus dem schrecklichen zweiten Krieg gegen die Karthager hervorgegangen waren, als Hannibal mit seinen Horden quer durch ganz Italien gezogen war. Damals fing man in Rom damit an, der Magna Mater zu huldigen, der großen asiatischen Erdmutter, für die man auf dem Palatin, oberhalb vom Vallis Murcia, in dem der Circus Maximus lag, einen Tempel errichtet hatte. In mancher Hinsicht war es für das konservative Rom ein ungehöriger Kult; die Römer verachteten Eunuchen, Auspeitschungsriten und was sonst noch alles zur religiösen Barbarei gehörte. Aber die Würfel waren gefallen, als die vestalische Jungfrau Claudia auf wundersame Weise das Frachtschiff tiberaufwärts gezogen hatte, in dem der schwarze Meteorstein lag, der die Magna Mater verkörperte. Jetzt mußte Rom eben die Folgen tragen: kastrierte Priester, die am vierten Tag des April Trompete blasend, aus selbst beigefügten Wunden blutend und mit dem Bildnis der Großen Mutter um den Hals durch die Straßen Roms zogen und um Almosen baten.

Die eigentlichen Spiele paßten besser zu Rom. Sie dauerten sechs Tage, vom vierten bis zum zehnten Tag des April. Am ersten Tag fand die Prozession statt, danach eine Zeremonie im Tempel der Magna Mater, und zuletzt wurden noch ein paar Gladiatorenkämpfe im Circus Maximus abgehalten. Die folgenden vier Tage waren theatralischen Veranstaltungen gewidmet, die in mehreren, eigens zu diesem Zweck errichteten provisorischen Holzbauten dargeboten wurden, während am letzten Tag die Prozession der Götter durchgeführt wurde, vom Kapitol hinunter zum Circus, wo anschließend stundenlange Wagenrennen die Gemüter der Zuschauer erhitzten.

Als der Erstgewählte der beiden kurulischen Ädilen führte Caesar am ersten Tag die Aufsicht über die Feierlichkeiten, und er brachte der Großen Mutter ein seltsam unblutiges Opfer dar, wenn man bedachte, was für eine blutdürstige Dame Kubaba Kybele war: eine Schüssel mit Kräutern.

Manche Leute nannten diese Spiele patrizische Spiele, denn am ersten Abend feierten die Patrizierfamilien miteinander, und dabei wurde sorgsam auf rein patrizische Gästelisten geachtet. Es wurde als gutes Omen gewertet, wenn der kurulische Ädil, der das Opfer darbrachte, ein Patrizier wie Caesar war. Bibulus war Plebejer und fühlte sich an diesem Eröffnungstag ausgeschlossen; Caesar hatte die Sondertribüne auf den Stufen des Tempels ausschließlich mit Patriziern besetzen lassen, und die größte Ehre wurde dabei den Claudii Pulchri zuteil, standen sie doch zu der Präsenz der Magna Mater in Rom in besonders enger Beziehung.

Auch wenn die veranstaltenden Ädilen und die offiziellen Teilnehmer am ersten Tag nicht in den Circus Maximus hinabstiegen, sondern von den Stufen des Magna-Mater-Tempels aus zusahen, hatte Caesar beschlossen, unten im Circus ein besonderes Schauspiel zu bieten und die Menge, die der blutigen Prozession gefolgt war, nicht mit den üblichen Faustkämpfen und Wettläufen zu unterhalten. Für ein Wagenrennen war nicht genug Zeit. Deshalb hatte Caesar den Tiber angezapft und einen Kanal quer über das Forum Boarium angelegt, um einen Fluß mitten durch den Circus fließen zu lassen. Auf diese Weise war die spina zur Tiberinsel geworden und teilte diesen spektakulären Wasserlauf. Während die Menge ihre Begeisterung durch vielerlei Rufe kundtat, ließ Caesar den Kraftakt der Vestalin Claudia nachstellen: Sie zog den Kahn vom Ende des Forum Boarium, wo am letzten Tag die Torbögen für den Start der Rennwagen errichtet werden würden, einmal ganz um die spina herum, um ihn dann vor dem großen Stadiontor vor Anker zu legen. Der Kahn glitzerte golden, seine bestickten Segel bauschten sich im Wind; auf dem Deck hatten sich alle Eunuchenpriester um die glatte, schwarze Kugel versammelt, die den Nabelstein symbolisieren sollte, während hoch oben auf dem Heck die Statue der Magna Mater auf ihrem Streitwagen stand, der von zwei absolut naturgetreuen Löwen gezogen wurde. Caesar hatte nicht etwa einen kräftigen Mann in die Gewänder der Vestalin Claudia gesteckt — die Rolle wurde von einer zierlichen, schönen Frau gespielt, und die Männer, die bis zu den Hüften im Wasser wateten und das Schiff anschoben, hatte er unter einem falschen, mit Goldbronze bemalten Rumpf versteckt.

Nach dem dreistündigen Schauspiel gingen die Leute begeistert nach Hause. Caesar stand mitten unter entzückten Patriziern und nahm ihre überschwenglichen Komplimente für seine Phantasie und seinen guten Geschmack entgegen. Bibulus nahm es zum Anlaß, sich still und leise davonzuschleichen, weil sich ohnehin kein Mensch um ihn kümmerte.

Nicht weniger als zehn hölzerne Theater hatte Caesar zwischen dem Marsfeld und dem Stadiontor errichten lassen, in das größte paßten zehntausend Menschen, das kleinste faßte noch fünfhundert. Und statt sie wie Provisorien aussehen zu lassen, die sie ja schließlich waren, hatte Caesar darauf bestanden, sie streichen, dekorieren und vergolden zu lassen. In den größeren Theatern kamen Farcen und Pantomimen zur Aufführung, die Stücke von Terenz und Plautus und Ennius in den kleineren, die Dramen von Sophokles und Aischylos im allerkleinsten, sehr griechisch aussehenden Auditorium. Für jeden Theatergeschmack war etwas geboten. Vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit spielten alle zehn Theater volle vier Tage lang — ein Hochgenuß für die Sinne, und ein Hochgenuß war es auch buchstäblich, denn Caesar ließ während der Pausen Erfrischungen servieren.

Am letzten Tag versammelte die Prozession sich auf dem Kapitol und machte sich auf den Weg durch das Forum Romanum und die Via Triumphalis hinunter zum Circus Maximus, vorbei an vergoldeten Standbildern von Göttern wie Mars und Apollo — und von Castor und Pollux. Da Caesar die Vergoldungen aus eigener Tasche bezahlt hatte, war es nicht erstaunlich, daß Pollux sehr viel kleiner ausgefallen war als sein Zwillingsbruder Castor. Und das amüsierte ihn.

Eigentlich galten die ludi Megalenses als staatlich finanzierte Spiele, und die Wagenrennen waren ihre größte Attraktion, tatsächlich aber gab es so gut wie keine staatlichen Zuschüsse für das Unterhaltungsprogramm. Das hatte Caesar jedoch nicht daran gehindert, am letzten Tag der Spiele mehr Wagenrennen zu veranstalten, als Rom jemals gesehen hatte. Als erstem kurulischen Ädil fiel ihm die Aufgabe zu, die Rennen zu starten. An jedem nahmen vier Wagen teil — ein roter, ein blauer, ein grüner und ein weißer. Das erste Rennen war für Wagen mit vier nebeneinander eingespannten Pferden, aber in anderen fuhren Gespanne mit zwei Pferden oder Tandemgespanne mit zwei oder drei Pferden hintereinander; Caesar ließ sogar Rennen mit ungesattelten Pferden durchführen, auf deren nackten Rücken Postreiter saßen.

Die Strecke eines jeden Rennens betrug fünf Meilen, das waren sieben Runden um die spina, eine schmale, hohe Insel mit vielen Standbildern, an deren einem Ende sieben goldene Delphine angebracht waren, während am anderen sieben goldene Eier auf sieben großen Kelchen thronten. Nach jeder Runde wurde die Nase eines Delphins nach unten gezogen, damit der Schwanz sich in die Höhe reckte, und eines der Eier aus seinem Kelch genommen. Waren die zwölf Tages- und die zwölf Nachtstunden gleichlang, dann dauerte jedes Rennen etwa eine Viertelstunde; das Ganze ging also in einem hohen Tempo vonstatten. Stürze passierten gewöhnlich beim Umrunden der metae, der Wendepunkte, an denen jeder Fahrer mit Mut und Können versuchte, möglichst weit innen zu fahren, weil dies der kürzere Weg war. Die Zügel, in denen ein Messer steckte, damit sie sich im Falle eines Sturzes befreien konnten, hatten die Wagenlenker sich mehrmals um den Leib geschlungen.

Die Menge war begeistert von dem Tag. Caesar hatte dafür gesorgt, daß zwischen den Rennen keine langen Pausen entstanden; die Buchmacher, die zwischen den zweihunderttausend begeisterten Zuschauern umherliefen und Wetten entgegennahmen, hatten alle Hände voll zu tun, um mit der zügigen Abfolge der Rennen Schritt halten zu können. Nicht eine einzige Reihe war freigeblieben, die Männer hatten ihre Frauen auf dem Schoß, damit noch mehr Leute Platz fanden. Kinder, Sklaven, selbst Freigelassene hatten keinen Zutritt, aber die Frauen durften bei den Männern sitzen. Bei Caesars Spielen zwängten sich über zweihunderttausend freie römische Bürger in den Circus Maximus, und Tausende mehr drängelten sich an den günstigsten Aussichtspunkten auf dem Aventin und dem Palatin.

»Es waren die besten Spiele, die Rom jemals gesehen hat«, sagte Crassus am Ende des sechsten Tages zu Caesar. »Was für eine technische Meisterleistung, den Tiber umzuleiten und alles rechtzeitig wieder wegzuräumen, um trockenen Grund für die Wagenrennen zu haben.«

»Das war noch gar nichts«, erwiderte Caesar lächelnd, »und es war auch nicht besonders schwer, einen Tiber umzuleiten, der vom vielen Regen bis oben hin angeschwollen ist. Warte erst bis zu den ludi Romani im September. Lucullus wäre am Boden zerstört, wenn er in die Stadt kommen könnte, um sie sich anzusehen.«

Zwischen den ludi Megalenses und den ludi Romani stellte Caesar noch etwas so Ungewöhnliches und Spektakuläres auf die Beine, daß Rom noch nach Jahren davon sprach. Die Stadt erstickte bereits unter dem Zustrom auswärtiger Gäste, die wegen der großen Spiele im September gekommen waren, da ließ Caesar noch Spiele zum Gedenken an seinen Vater veranstalten und nutzte dafür das gesamte Forum Romanum. Natürlich war es heiß und der Himmel wolkenlos, deshalb wollte er das ganze Gelände mit roten Segeltüchern überdachen lassen, deren Kanten an den Gebäuden, die hoch genug waren, befestigt wurden; wo keine Gebäude standen, sollte der schwere Stoff mit Hilfe von hohen Holzmasten und Halteseilen aufgespannt werden. Er fand ein solches Vergnügen an der technischen Herausforderung, daß er die Entwürfe selbst anfertigte und ihre Ausführung persönlich überwachte.

Aber als der Aufbau dieser unglaublichen Konstruktion begann, verbreitete sich das Gerücht, Caesar trage sich mit der Absicht, tausend Gladiatorenpaare gegeneinander antreten zu lassen. Catulus rief den Senat zusammen.

»Was führst du tatsächlich im Schilde, Caesar?« fragte ihn Catulus vor überfülltem Haus. »Ich habe immer schon gewußt, daß du die Republik untergraben willst, aber zweitausend Gladiatoren zu einem Zeitpunkt in die Stadt zu bringen, da keine einzige Legion zu ihrem Schutz bereitsteht? Du gräbst nicht etwa klammheimlich einen Tunnel, du nimmst den Rammbock!«

»Ja, es ist wahr«, erwiderte Caesar gedehnt und erhob sich auf dem kurulischen Podium von seinem Stuhl, »daß ich einen gewaltigen Rammbock mein eigen nenne, und so manches Mal habe ich klammheimlich in einem dunklen Gang gegraben, aber immer das eine mit dem anderen.« Er zog den Ausschnitt seiner Tunika ein Stück vom Hals weg, senkte den Blick hinein und rief in den entstandenen Zwischenraum: »Stimmt es nicht, o du mein Rammbock?« Dann glättete er die Tunika wieder und setzte sein bezauberndstes Lächeln auf. »Er sagt, daß es stimmt.«

Crassus stieß einen undefinierbaren, gurgelnden Ton aus, aber noch bevor ein richtiges Lachen daraus werden konnte, übertönte ihn Cicero mit fröhlichem Gebell; das Haus brach in einen Sturm der Heiterkeit aus, dem ein sprachloser, im Gesicht puterroter Catulus hilflos gegenüberstand.

Daraufhin nannte Caesar die richtige Zahl: Er beabsichtige, dreihundertzwanzig in Silber gekleidete Gladiatorenpaare zu präsentieren.

Doch bevor die Gedenkspiele tatsächlich beginnen konnten, erregten sich Catulus und seine Freunde über eine neue Sensation. Als der Tag heraufdämmerte und das Forum, von den Häusern am Rand des Cermalus aus gesehen, wie das sanft wogende, weinrote Meer des Homer aussah, entdeckten diejenigen, die sich die besten Plätze sichern wollten und deshalb besonders früh gekommen waren, daß das Forum Romanum noch etwas anderes als ein Zeltdach bekommen hatte. Während der Nacht hatte Caesar sämtliche Standbilder des Gaius Marius vom Scheitel bis zum Sockel restaurieren lassen, und die Kriegstrophäen des Gaius Marius hatte er in die Tempel des Honos und der Virtus auf dem Kapitol bringen lassen. Aber was konnten die erzkonservativen Senatoren dagegen unternehmen? Die Antwort lautete: überhaupt nichts. Rom hatte den großartigen Gaius Marius weder vergessen, noch hatte es aufgehört, ihn zu lieben. Von allem, was Caesar während seines Jahres als kurulischer Ädil tat, wurde ihm nichts so hoch angerechnet wie diese Ehrenrettung des Gaius Marius.

Natürlich ließ sich Caesar die Gelegenheit nicht entgehen, alle Wähler daran zu erinnern, wer er war und woher er kam. In jeder kleinen Arena, in der ein paar seiner Zirkussoldaten kämpften, am Fuße des Komitiums, auf dem Platz zwischen den Tribunalen, neben dem Tempel der Vesta, vor dem Porticus Margaritaria, auf der Velia: Überall ließ er verkünden, daß der Stammbaum seines Vaters bis zu Venus und Romulus zurückreichte.

Zwei Tage danach richteten Caesar und Bibulus die ludi Romani aus, die diesmal zwölf Tage dauerten. Die Parade vom Kapitol über das Forum Romanum zum Circus Maximus dauerte drei Stunden. Die wichtigsten Magistrate und die Senatoren führten sie an, begleitet von schmucken, blutjungen Reitern. Dann folgten alle Wagen, die an den Rennen teilnehmen sollten, die Athleten, Hunderte von Tänzern und Mimen und Musikern, als Faune und Satyre verkleidete Zwerge, sämtliche Prostituierten Roms in ihren flammenfarbenen Togen, Hunderte von Sklaven, die goldene oder silberne Urnen und herrliche Vasen trugen, als Soldaten verkleidete Männer in scharlachroten, von Messinggürteln gerafften Tuniken — prächtige, mit Federbüschen geschmückte Helme auf dem Kopf — schwangen Speere und Schwerter. Dann kamen die Opfertiere und schließlich, den Ehrenplatz am Schluß des Zuges einnehmend, die zwölf Hauptgötter und viele andere Götter und Helden — lebensecht angemalt und in herrliche Kleider gehüllt, standen sie in offenen, mit Gold und Purpur geschmückten Sänften.

Caesar hatte den ganzen Circus Maximus dekorieren lassen, und im Vergleich zu seinen bisherigen Veranstaltungen hatte er sich noch eine Steigerung einfallen lassen: Er ließ Millionen frischer Blumen verwenden. Die Römer verehrten Blumen, das große Publikum war hingerissen, versank im Duft von Rosen, Veilchen, Levkojen und Goldlack. Er ließ kostenlose Getränke servieren und hatte an allerlei Überraschungen gedacht, von Seiltänzern und Feuerschluckern bis hin zu spärlich bekleideten Tänzerinnen, die Knochen aus Gummi zu haben schienen.

An jedem Tag der Spiele konnte man etwas Neues und Ausgefallenes bewundern, und die Wagenrennen waren ein voller Erfolg.

Bibulus erwiderte jedem, der noch bereit war, sich seinen Kommentar anzuhören: »Er hat zu mir gesagt, ich wäre der Pollux und er der Castor. Wie recht er hatte! Da hätte ich meine dreihundert Talente ebensogut sparen können — sie haben gerade einmal ausgereicht, Futter und Wein in hunderttausend gierige Kehlen zu schütten. Für alles andere hat er den Ruhm eingeheimst.«

Cicero sagte zu Caesar: »Eigentlich mag ich keine Spiele, aber ich in gestehen, deine waren erstklassig. Es ist lobenswert, daß du die großzügigsten Spiele aller Zeiten veranstaltet hast, aber noch besser hat es mir gefallen, daß sie nicht geschmacklos waren.«

Der plutokratische Ritter Titus Pomponius Atticus sagte zum plutokratischen Senator Marcus Licinius Crassus: »Eine mit viel Weitsicht inszenierte Veranstaltung. Er hat allen Arbeit gegeben. Was für ein Jahr für die Gärtner und Blumengroßhändler! Deren Stimmen sind ihm bis ans Ende seiner politischen Laufbahn sicher. Von den Bäckern und Müllern gar nicht zu reden. Klug, wirklich ausgesprochen klug!«

Und der junge Caepio Brutus sagte zu Julia: »Onkel Cato ist schrecklich empört. Gewiß, er ist ein guter Freund von Bibulus, aber ich frage mich auch, warum dein Vater immer so ein Getöse machen muß?«

Cato verabscheute Caesar.

Als er schließlich nach Rom zurückgekehrt war — gerade zu der Zeit, als Caesar sein Amt als kurulischer Ädil antrat —, führte er den letzten Willen seines Bruders Caepio aus. Dazu mußte er auch Servilia und Brutus einen Besuch abstatten. Brutus war inzwischen achtzehn Jahre alt und auf dem besten Weg zu einer Karriere auf dem Forum, auch wenn er bis jetzt noch keinen einzigen Fall vor Gericht gebracht hatte.

»Mir gefällt nicht, daß du jetzt ein Patrizier bist, Quintus Servilius«, sagte Cato, peinlich genau auf die korrekte Anrede bedacht, »aber da ich unbedingt ein Porcius Cato bleiben wollte, werde ich es wohl akzeptieren müssen.« Er beugte sich abrupt vor. »Was hast du auf dem Forum zu suchen? Du solltest mit einer Armee in die Schlacht ziehen wie dein Freund Gaius Cassius.«

»Brutus«, sagte Servilia steif und legte die Betonung auf den Namen, »ist vom Dienst befreit worden.«

»Niemand, der kein Krüppel ist, sollte vom Dienst befreit werden.«

»Er ist schwach auf der Brust«, erwiderte Servilia.

»Er wäre bald stärker auf der Brust, wenn er draußen in einer der Legionen seine Pflicht täte. Und seine Haut würde auch besser.«

»Brutus wird hinausziehen, wenn ich ihn für kräftig genug befinde.«

»Hat er sich die Zunge abgebissen?« fragte Cato, zwar längst nicht mehr so grimmig wie vor seiner Reise in den Osten, aber immer noch angriffslustig. »Kann er nicht für sich selber reden? Du unterdrückst diesen Jungen, Servilia, und das ist unrömisch.«

Sprachlos lauschte Brutus der Unterhaltung. Er steckte in einem ernsten Dilemma. Einerseits hätte er es seiner Mutter gegönnt, wenn sie bei dieser — wie auch bei jeder anderen — Auseinandersetzung den kürzeren gezogen hätte, andererseits fürchtete er sich vor dem Militärdienst. Cassius war frohen Herzens hinausgezogen, während Brutus einen Husten gekriegt hatte, der immer schlimmer wurde. Es tat weh, in den Augen seines Onkels Cato so erniedrigt zu werden, und Onkel Cato duldete nun einmal keinerlei Schwäche oder Unpäßlichkeiten; er, der oft für Tapferkeit im Felde ausgezeichnet worden war, hatte wenig Sinn für Männer, die nicht danach lechzten, ein Schwert in der Hand zu halten. Also fing er wieder an zu husten, ein schweres, belegtes Keuchen, das sich tief unten im Brustkorb bildete und bis hinauf in die Kehle rollte. Natürlich förderte er reichlich Schleim zutage, was ihm erlaubte, nach einem ängstlichen Blick auf seine Mutter und Cato aufzustehen, eine Entschuldigung zu murmeln und hinauszugehen.

»Siehst du, das kommt davon«, sagte Servilia und bleckte die Zähne.

»Was ihm fehlt, sind Bewegung und ein Leben unter freiem Himmel. Wahrscheinlich dokterst du auch an seiner Haut herum.

Sie sieht entsetzlich aus.«

»Du bist nicht für Brutus verantwortlich.«

»Nach Caepios Testament bin ich das sehr wohl.«

»Onkel Mamercus hat schon alles mit ihm durchgesprochen, er braucht dich nicht. Niemand braucht dich, Cato. Warum gehst du nicht und springst in den Tiber?«

»Ich werde überall gebraucht, soviel ist gewiß. Als ich in den Osten aufgebrochen bin, ist dein Junge auf das Marsfeld gegangen und man konnte annehmen, daß doch noch ein Mann aus ihm würde. Jetzt ist er Mamas Schoßhündchen! Und überhaupt, wie konntest du ihn mit einem Mädchen verloben, das keinerlei Mitgift in die Ehe bringt, mit einer von diesen elenden Patrizierinnen? Was für läppische Kinder mögen dieser Beziehung wohl entspringen?«

»Ich hoffe sehr«, entgegnete Servilia eisig, »daß Söhne wie Julias Vater und Töchter wie ich dabei herauskommen. Du kannst über die Patrizier und den alten Adel sagen, was du willst, Cato, Julias Vater verkörpert jedenfalls all das, was einen Römer ausmachen sollte, als Soldat, als Redner und als Politiker. Außerdem wollte Brutus die Verbindung. Es war nicht meine Idee, leider nicht. Ihr Stammbaum ist so gut wie sein eigener, und das ist tausendmal wichtiger als jede Mitgift! Nur zu deiner Information: Ihr Vater hat uns eine Mitgift von hundert Talenten garantiert. Dabei braucht Brutus überhaupt keine Mitgift, jetzt, wo er Caepios Erbe ist.«

»Wenn er schon Jahre auf seine Braut warten muß, dann hätte er auch noch ein bißchen länger warten und Porcia heiraten können«, sagte Cato. »Das wäre eine Verbindung, der ich von ganzem Herzen zugestimmt hätte! Das Geld meines geliebten Caepio wäre an Kinder beider Seiten seiner Familie gegangen!«

»Aha, ich verstehe!« höhnte Servilia. »Jetzt rückst du mit der Wahrheit heraus, Cato. Deinen Namen wolltest du nicht ändern, aber jetzt möchtest du durchs Hintertürchen an das Geld! Mein Sohn soll den Abkömmling einer Sklavin heiraten? Nur über meine Leiche!«

»Es könnte trotzdem noch so kommen«, erwiderte Cato selbstgefällig.

»Wenn es so kommt, dann bekommt das Mädchen glühende Kohlen zum Abendbrot!« Servilia war nervös; sie spürte, daß sie gegen Cato keine so gute Figur wie gewöhnlich machte — er war gelassener und nicht mehr so verwundbar. Sie zog ihren giftigsten Pfeil aus dem Köcher. »Abgesehen davon, daß du, der Abkömmling eines Sklaven, Porcias Vater bist — wir wollen doch die Mutter nicht vergessen. Niemals würde ich meinen Sohn die Tochter einer Frau heiraten lassen, die nicht einmal abwarten kann, bis ihr Ehemann wieder zu Hause ist!«

Früher wäre er mit Worten auf sie losgegangen, hätte gebrüllt und sie mit Fragen gelöchert. Jetzt erstarrte er und sagte eine Weile lang gar nichts.

»Ich fürchte, diese Behauptung mußt du mir erläutern«, forderte er schließlich.

»Mit Vergnügen. Atilia ist ein sehr ungezogenes Mädchen gewesen.«

»Ach, Servilia, Rom bräuchte ein Gesetz gegen vorlautes Geschwätz, und du wärst einer der besten Gründe dafür!«

Servilia lächelte süffisant. »Frag doch deine Freunde, wenn du mir nicht glaubst. Bibulus und Ahenobarbus waren hier und haben mitangesehen, wie sie sich aufgeführt hat. Alle wissen davon.«

Seine Lippen wurden schmal. »Wer?« fragte er.

»Nun, wer schon? Natürlich der römischste unter den Römern: Caesar. Und jetzt frag bloß nicht, welcher Caesar. Du weißt, welcher Caesar diesen Ruf hat. Der zukünftige Schwiegervater meines geliebten Brutus.«

Cato erhob sich, ohne noch ein Wort zu sagen. Er ging unverzüglich zu seinem prunklosen Haus in der bescheidenen Straße mitten auf dem Palatin, in dessen einzigem Gästezimmer er gleich bei seiner Rückkehr — noch bevor er daran gedacht hatte, Weib und Kinder zu begrüßen — seinen besten Freund untergebracht hatte, den Philosophen Athenodorus Cordylion.

Kurzes Nachdenken bestätigte Servilias boshafte Bemerkungen. Atilia war wirklich verändert. Zum einen lächelte sie gelegentlich und erlaubte sich sogar, zu reden, ohne gefragt worden zu sein, zum anderen waren ihre Brüste voller geworden, und das hatte ihn seltsamerweise abgestoßen. Obwohl seit seiner Ankunft in Rom bereits drei Tage vergangen waren, war er noch nicht in ihrer Schlafkammer gewesen (er schlief lieber allein im großen Schlafzimmer), um einem Bedürfnis nachzugeben, von dem sogar sein verehrter Urgroßvater Cato der Zensor gesagt hatte, es sei zwischen Mann und Frau (oder Herr und Sklavin) nicht nur ein statthafter, sondern ein ganz und gar lobenswerter Trieb.

Oh, welcher freundliche, wohlwollende Gott hatte ihn davor bewahrt? Sich mit seinem legalen Eigentum zu vereinigen, ohne zu wissen, daß sie inzwischen das illegale Eigentum eines anderen geworden war! Cato erschauerte bei dem Gedanken. Caesar. Gaius Julius Caesar, der Verruchteste in diesem verrotteten und degenerierten Haufen. Was in aller Welt hatte er in Atilia gesehen, die Cato nur deshalb ausgesucht hatte, weil die das genaue Gegenteil der üppigen, dunklen, bezaubernden Aemilia Lepida war? Cato wußte, daß es mit seiner geistigen Beweglichkeit nicht besonders weit her war, denn das hatte man ihm von Kindesbeinen an eingebleut, aber nach Caesars Motiv mußte er nicht lange suchen. Obwohl Patrizier, würde dieser Mann ein Demagoge werden, ein neuer Gaius Marius. Wie viele Frauen von entschlossenen Traditionalisten mochte er verführt haben? Es gab Gerüchte. Und hier stand er, Marcus Porcius Cato, noch nicht alt genug für einen Sitz im Senat — aber bereits mit besten Aussichten auf einen äußerst prominenten Feind fürs Leben. Und das war gut so! Es bedeutete, daß er, Marcus Porcius Cato, die Kraft haben würde, auf dem Forum und im Senat eine große Rolle zu spielen. Caesar hatte ihm Hörner aufgesetzt! Nicht für einen Augenblick kam es ihm in den Sinn, daß Servilia dahinter stehen könnte, denn er hatte keine Ahnung, wie vertraut Servilia mit Caesar war.

Gut, Atilia mochte Caesar in ihr Bett und zwischen ihre Beine gelassen haben, aber seit diesem Tage war Cato nicht mehr bei ihr gewesen. Was Caepios Tod ausgelöst hatte, wurde durch Atilias Verrat vollendet. Keine Gefühle! Niemals mehr! Gefühle brachten endlose Schmerzen.

Er fragte Atilia erst gar nicht. Er rief einfach den Verwalter in sein Arbeitszimmer und trug dem Mann auf, sie auf der Stelle aus dem Haus zu werfen und zu ihrem Bruder zurückzuschicken. Ein paar Worte auf einen Zettel gekritzelt, und die Sache war erledigt. Sie war geschieden, und von der Mitgift einer Ehebrecherin würde er auch nicht eine einzige Sesterze wieder herausrücken. Er saß in seinem Arbeitszimmer und hörte von weitem ihre Stimme, ein Heulen, ein Schluchzen, ein verzweifeltes Schreien nach den Kindern, aber immer wieder wurde ihre Stimme von der des Verwalters übertönt und von dem Lärm der Sklaven, die sich überschlugen, um den Befehlen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Schließlich öffnete sich die Haustür und fiel wieder zu. Anschließend klopfte der Verwalter bei ihm an.

»Die Dame Atilia ist fort, Herr.«

»Schick mir meine Kinder.«

Ein paar Minuten später kamen sie herein, verstört durch die Aufregung, deren Grund sie noch nicht kannten. Daß sie beide seine Kinder waren, ließ sich nicht bestreiten, auch jetzt nicht, wo der Zweifel zu nagen begann. Porcia zählte sechs Jahre, war groß für ihr Alter, schlank und kantig; sie hatte sein kastanienbraunes Haar in einer dichteren, lockigeren Variante, seine grauen Augen, den langen Hals und die gleiche, wenn auch nicht ganz so große Nase. Cato junior war zwei Jahre jünger, ein magerer kleiner Junge; er erinnerte Cato immer daran, wie er selbst zu der Zeit ausgesehen hatte, als der marsische Emporkömmling Silo ihn ständig aus dem Fenster gehalten und gedroht hatte, ihn auf die spitzen Felsen fallen zu lassen — nur daß Cato junior eher schüchtern als kühn war und schnell zu weinen anfing. Und leider hatte sich inzwischen gezeigt, daß Porcia die Klügere der beiden war, diese kleine Rednerin und Philosophin. Unnütze Talente bei einem kleinen Mädchen.

»Kinder, ich habe eure Mutter wegen Untreue verstoßen«, verkündete Cato mit der üblichen schrillen Stimme und ohne eine Miene zu verziehen. »Sie ist unkeusch gewesen und hat damit ihre Untauglichkeit als Ehefrau und Mutter bewiesen. Ich habe ihr verboten, dieses Haus noch einmal zu betreten, und ich erlaube euch nicht, sie noch einmal zu sehen.«

Der kleine Junge wußte nicht so recht, was anfangen mit all diesen erwachsenen Worten, er hatte nur verstanden, daß gerade etwas Schreckliches passiert war, und daß es sich um Mama drehte. Seine großen grauen Augen füllten sich mit Tränen, die Unterlippe fing an zu zittern. Daß er nicht in lautes Gebrüll ausbrach, war nur seiner Schwester zu verdanken, die blitzschnell seinen Arm packte, das Signal, daß er sich beherrschen mußte. Und sie, die kleine Stoikerin, die lieber gestorben wäre, als ihrem Vater zu mißfallen, stand kerzengerade da und schaute heroisch drein — keine Tränen, keine zitternden Lippen. »Mama ist ins Exil gegangen«, sagte sie. »So kann man es auch ausdrücken.«

»Ist sie noch römische Bürgerin?« fragte Porcia mit einer ganz ähnlichen Stimme wie ihr Vater, einer Stimme ohne Rhythmus und Melodie.

»Ich kann es ihr nicht absprechen, Porcia, und das will ich auch gar nicht. Aber ich habe ihr jegliche Teilnahme an unserem Leben abgesprochen, denn sie ist es nicht wert, daran teilzunehmen. Eure Mutter ist eine schlechte Frau. Eine Schlampe, eine Hure, eine Ehebrecherin. Sie hat mit einem Mann namens Gaius Julius Caesar verkehrt, und dieser Mann ist ein typischer Patrizier — er ist korrupt, unmoralisch, altmodisch.«

»Werden wir Mama wirklich nicht wiedersehen?«

»Nicht, solange ihr unter meinem Dach wohnt.«

Die Bedeutung dieser Worte war schließlich eingedrungen; der vierjährige Cato fing bitterlich an zu weinen. »Ich will zu Mama! Ich will zu Mama!«

»Tränen sind etwas Falsches«, sagte der Vater, »wenn sie für etwas Unwürdiges vergossen werden. Benimm dich wie ein richtiger Stoiker und hör mit diesem unmännlichen Gejammer auf. Du kannst nicht zu deiner Mama, und damit Schluß! Porcia, bring ihn hinaus. Das nächste Mal will ich einen Mann sehen und keinen verheulten Rotzjungen.«

»Ich werd’s ihm beibringen«, versprach sie und blickte ihren Vater mit unverhohlener Bewunderung an. »Solange wir bei dir sind, Pater, ist alles gut. Du bist es, den wir am meisten lieben, nicht Mama.«

Cato erschrak. »Keine Liebe!« rief er. »Ihr dürft niemals jemanden lieben! Ein Stoiker liebt nicht! Ein Stoiker will nicht geliebt werden!«

»Ich dachte, Zeno hätte nicht die Liebe an sich verboten, sondern die falsche Liebe«, sagte die Tochter. »Ist es nicht richtig, alles Gute zu lieben? Du bist gut, Pater. Ich muß dich lieben, Zeno sagt, daß es das richtige Gefühl ist.«

Was sollte er darauf antworten? »Dann halte dir deine Liebe auf Distanz und laß dich niemals von ihr beherrschen«, sagte er. »Nichts, was den Verstand mindert, darf einen beherrschen, und Gefühle mindern den Verstand.«

Als die Kinder gegangen waren, verließ auch Cato den Raum. Nur ein paar Meter den Säulengang hinunter erwarteten ihn Athenodorus Cordylion, ein Krug Wein, ein paar gute Bücher und ein fruchtbareres Gespräch als dieses. Von diesem Tag an mußten Wein und Bücher und Gespräche jede Leere in seinem Leben ausfüllen.

Aber ach, es kam Cato schwer an, sich diesem brillanten und gefeierten kurulischen Ädil entgegenzustellen, der seinen Dienst so erstaunlich gut und mit soviel Gespür versah!

»Er spielt sich wie der König von Rom auf«, sagte Cato zu Bibulus.

»Ich glaube, er hält sich für den König von Rom, der großzügig Brot und Spiele verteilen kann. Immer alles mit großer Geste, vom Umgang mit den gewöhnlichen Leuten bis hin zum arroganten Auftreten im Senat.«

»Er ist mein erklärter Feind.«

»Er ist der Feind eines jeden Mannes, der für den mos maiorum eintritt; keiner darf sich für besser als seinesgleichen halten«, sagte Bibulus. »Ich werde ihn bis zum letzten Atemzug bekämpfen!«

»Er ist in jeder Beziehung ein zweiter Gaius Marius«, stellte Cato fest.

Aber Bibulus lächelte verächtlich. »Marius? Nein, Cato, nein! Gaius Marius wußte, daß er niemals König von Rom sein würde — er war nur ein Landedelmann aus Arpinum, wie sein nicht minder bäuerlicher Vetter Cicero. Caesar ist kein Marius, glaube mir. Caesar ist ein zweiter Sulla, und das ist viel, viel schlimmer.«

Im Juli dieses Jahres wurde Marcus Porcius Cato zu einem der Quästoren gewählt, und das Los bestimmte ihn zum ersten der drei Stadtquästoren; seine beiden Kollegen waren der große plebejische Aristokrat Marcus Claudius Marcellus und ein gewisser Lollius aus jener picentischen Familie, die Pompeius der Große der römischen Übermacht in Senat und Komitien frohgemut vor die Nase gesetzt hatte.

Da ihm bis zur tatsächlichen Amtsübernahme noch ein paar Monate Zeit blieben, verbrachte Cato seine Tage damit, den Handel und das Handelsrecht zu studieren. Er engagierte einen ehemaligen Buchhalter des Schatzamts, damit er ihm beibrachte, wie die tribuni aerarii ihre Bücher führten, und da ihm das alles nicht in den Schoß fiel, mußte er lange büffeln, bis er soviel über die Staatsfinanzen wußte wie Caesar, ohne allerdings zu ahnen, wie schnell sein erklärter Feind begriffen hatte, was er selbst sich so hart erarbeiten mußte.

Quästoren pflegten ihren Dienst auf die leichte Schulter zu nehmen und sich nicht allzusehr mit der Überwachung dessen zu beschäftigen, was im Schatzamt vor sich ging; für den gewöhnlichen Stadtquästor ging es in erster Linie darum, die Zusammenarbeit mit dem Senat zu pflegen, der über die Staatsfinanzen beriet und die Gelder verteilte. Es hatte sich so eingespielt, daß die Quästoren sich hin und wieder von den Beamten des Schatzamts die Bücher vorlegen ließen, die Zahlen nach oberflächlicher Prüfung absegneten und die römischen Finanzen dem Senat überließen. Freunden und Familienangehörigen konnte man als Quästor so manchen Gefallen tun; wenn einer von ihnen dem Staat etwas schuldig war, drückten sie das eine oder andere Auge zu und sorgten dafür, daß die Namen aus den Unterlagen verschwanden. Mit einem Wort: Die in Rom ansässigen Quästoren sorgten dafür, daß die festangestellten Beamten des Schatzamts möglichst ungestört ihrer Arbeit nachgehen konnten. Mit Sicherheit hatten weder diese Beamten noch die beiden anderen städtischen Quästoren im Traum daran gedacht, daß diese Zustände sich plötzlich radikal verändern könnten.

Cato stand der Sinn nicht nach solcher Großzügigkeit. Er wollte im Schatzamt mit gründlicherem Besen kehren als Pompeius der Große auf dem Meer. Am frühen Morgen des fünften Tages im Dezember, dem Datum seines Amtsantritts, klopfte er an die Tür zum Untergeschoß des Saturn-Tempels und mußte zu seinem Mißfallen feststellen, daß die Leute erst zur Arbeit zu kommen pflegten, wenn die Sonne bereits hoch am Himmel stand.

»Der Arbeitstag beginnt bei Sonnenaufgang«, sagte er zu Marcus Vibius, dem Leiter des Schatzamts, als der Würdenträger, von einem aufgeregten Boten aus dem Bett geholt, schwer atmend vor ihm stand.

»Es gibt keine Vorschrift, die das besagt«, erwiderte Marcus Vibius glattzüngig. »Wir halten unsere Arbeitszeit flexibel.«

»Unsinn!« rief Cato erzürnt. »Ich bin der gewählte Aufseher über solche Einrichtungen, und ich werde dafür sorgen, daß der Senat und das Volk von Rom den angemessenen Gegenwert für jede einzelne Sesterze ihrer Steuergelder zurückerhalten. Vergiß nicht, daß du und alle anderen, die hier arbeiten, von diesen Steuergeldern bezahlt werden!«

Kein guter Anfang. Aber von diesem Tag an wurde für Marcus Vibius alles nur noch schlimmer. Ein Besessener schaute ihm auf die Finger. In jenen seltenen Fällen der Vergangenheit, in denen ein widerspenstiger Quästor ihm das Leben schwermachen wollte, hatte er den Kerl in seine Schranken verwiesen, indem er mit den eigenen Fachkenntnissen hinter dem Berg hielt; ein Quästor, der sich im Schatzamt nicht auskannte, konnte nur das tun, was er ihn tun ließ. Leider war Cato mit einer solchen Strategie nicht aufzuhalten, denn es wurde schnell klar, daß er ebensogut über die Funktionsweise des Schatzamts Bescheid wußte wie Marcus Vibius selber. Wahrscheinlich sogar besser.

Cato hatte mehrere Sklaven mitgebracht, die er in den verschiedenen Sparten der Arbeit im Schatzamt hatte ausbilden lassen, und jeden Tag bei Sonnenaufgang war er mit seinem kleinen Gefolge zur Stelle und trieb Marcus Vibius und seine Untergebenen beinahe zum Wahnsinn. Was ist dies? Warum das? Wo war Soundso dann und dann? Wann hat der und der dies getan? Wie konnte jenes passieren? Und so weiter und so fort. Cato war hartnäckig bis zur Impertinenz, mit vorgefertigten Antworten ließ er sich nicht abspeisen, und er war weder durch Ironie, Sarkasmus, Beleidigungen, Schmeicheleien, Ausreden noch durch Ohnmachtsanfäüe zu beeindrucken.

»Ich komme mir vor«, schnaubte Marcus Vibius, als er nach zwei Monaten seinen ganzen Mut zusammengenommen und bei seinem Patron Catulus Trost und Beistand gesucht hatte, »als würde ich von den Furien gehetzt, viel unerbittlicher noch, als sie den Orest gehetzt haben! Es ist mir egal, was du tun mußt, um Cato zum Schweigen zu bringen und ihn in die Wüste zu schicken, Hauptsache du tust es! Seit über zwanzig Jahren bin ich dein treuer und ergebener Klient, ich bin immer ein erstklassiger tribunus aerarius gewesen, und jetzt sind auf einmal meine Position und meine Gesundheit in Gefahr. Sorge dafür, daß dieser Cato verschwindet!«

Der erste Versuch scheiterte kläglich. Catulus schlug dem Senat vor, Cato mit einer Sonderaufgabe zu betrauen, der Überprüfung der Militärausgaben, weil er doch ein so ausgezeichneter Buchprüfer sei. Aber Cato hielt stand, er konnte dem Senat die Namen von vier Männern nennen, die wesentlich besser für diese Aufgabe geeignet seien, die man einem gewählten Quästor nicht zumuten könne. Nein danke, da wolle er doch lieber bei der ihm zugeteilten Pflicht bleiben.

Danach dachte sich Catulus geschicktere Manöver aus, aber keines führte zum Ziel. Währenddessen schien der Besen, der auch noch durch die hintersten Winkel des Schatzamts fegte, sich weder abzunutzen noch zu erlahmen. Im März rollten die ersten Köpfe. Zuerst hatte einer, dann der zweite, dritte, vierte und fünfte Beamte des Schatzamts seinen Schreibtisch räumen müssen. Im April holte Cato dann zum großen Schlag aus — er entließ Marcus Vibius und stellte ihn obendrein noch wegen Betrugs vor Gericht.

Catulus als Vorgesetzter saß mit in der Falle, es blieb ihm also nichts anderes übrig, als Vibius vor Gericht persönlich zu vertreten. Nach einem Tag der Beweisaufnahme war ihm klar, daß er nicht gewinnen konnte. Höchste Zeit also, an Catos Sinn für die Angemessenheit der Mittel zu appellieren, und an die altehrwürdigen Grundsätze des Patron-Klienten-Systems zu erinnern.

»Mein lieber Cato, du mußt damit aufhören«, sagte Catulus, nachdem das Gericht sich vertagt hatte. »Vibius war vielleicht nicht so achtsam, wie er hätte sein sollen, aber er ist einer von uns! Wirf meinetwegen sämtliche Buchhalter und Amtsboten hinaus, wenn dir danach ist, aber bitte lasse Vibius seine Stellung! Ich gebe dir mein feierliches Ehrenwort als Konsular und Ex-Zensor, daß Vibius sich von nun an vorbildlich verhalten wird. Laß diese schreckliche Anklage fallen! Du kannst dem Mann doch nicht alles nehmen!«

Er hatte leise gesprochen, aber Cato stand nun einmal nur die volle Lautstärke seines Organs zur Verfügung — er brüllte seine Antwort mit der üblichen Stentorstimme, und alle blieben stehen, jedes Gesicht wandte sich ihnen zu, alle Ohren waren gespitzt.

»Quintus Lutatius, du solltest vor Scham in Grund und Boden versinken! Merkst du denn gar nicht, wie weit es unter deiner Würde ist, mich daran zu erinnern, daß du ein Konsular und ExZensor bist, nur um mich im nächsten Atemzug davon abhalten zu wollen, meine Pflicht zu tun? Nun, dann laß dir gesagt sein, daß ich mich für dich schämen werde, falls du mich dazu zwingen solltest, dich wegen des Versuchs, den Lauf der römischen Gerechtigkeit zu behindern, von den Gerichtsdienern hinauswerfen zu lassen!«

Damit stolzierte er davon und ließ Catulus stehen, der sprachlos und so konsterniert war, daß er zur Fortsetzung der Verhandlung am nächsten Tag gar nicht mehr erschien. Statt dessen versuchte er, sich von seiner Pflicht als Oberhaupt loszukaufen, indem er die Geschworenen dazu überredete, mit ABSOLVO zu stimmen, selbst wenn es Cato gelingen sollte, mehr Schuldbeweise zusammenzutragen als seinerzeit Cicero gegen Verres. Auf Bestechung verzichtete er — Reden war weniger unmoralisch und außerdem billiger. Einer der Geschworenen war Marcus Lollius, Catos Quästorkollege. Auch Lollius ließ sich zu einem Freispruch überreden. Er war jedoch so schwer krank, daß Catulus ihn auf einer Sänfte zum Gericht tragen lassen mußte. Das Urteil lautete ABSOLVO. Lollius’ Stimme hatte zu einem Patt geführt, und ein Patt war gleichbedeutend mit Freispruch.

Gab Cato sich jetzt geschlagen? Mitnichten. Als Vibius im Schatzamt erschien, trat Cato ihm in den Weg. Er lehnte seine Wiedereinstellung ab. Schließlich mußte sogar Catulus aufgeben, der herbeigerufen worden war, um die unerfreuliche Situation vor dem Schatzamt zu schlichten. Vibius hatte seine Stellung verloren, und dabei blieb es. Und dann weigerte sich Cato auch noch, ihm den ausstehenden Lohn auszuzahlen.

»Du mußt!« schrie Catulus.

»Ich muß nicht«, brüllte Cato. »Er hat den Staat betrogen. Er schuldet dem Staat wesentlich mehr als seinen Lohn. Ich will Rom wenigstens ein bißchen entschädigen.«

»Warum? Warum?« fragte Catulus. »Vibius ist freigesprochen worden!«

Cato brüllte: »Glaubst du etwa, daß ich die Stimme eines Kranken mitzähle? Der Mann war nicht bei Besinnung, so hohes Fieber hatte er!«

Das war das letzte Wort. Die im Schatzamt verbliebenen Beamten waren sich des Sieges so sicher gewesen, daß sie größere Feierlichkeiten vorbereitet hatten. Aber als Catulus den weinenden Vibius wegführte, hatten auch sie verstanden. Wie von Zauberhand wurden jede Aufstellung und jedes Haushaltsbuch in Ordnung gebracht; Schuldner wurden veranlaßt, jahrealte Zahlungsrückstände auszugleichen, Kreditgebern wurden seit Jahren ausstehende Summen wie aus heiterem Himmel zurückerstattet. Marcellus, Lollius, Catulus und die restlichen Senatoren wußten jetzt, woran sie waren. Der große Krieg um das Schatzamt war vorbei, und nur ein einziger Mann stand noch auf beiden Beinen: Marcus Porcius Cato. Und ganz Rom war begeistert von ihm, die Leute wunderten sich, daß die Regierung endlich einmal einen unbestechlichen Mann hervorgebracht hatte, einen Mann, der sich von niemandem kaufen ließ. Cato war berühmt geworden.

»Ich verstehe nicht ganz«, sagte der erschütterte Catulus zu seinem heißgeliebten Schwager Hortensius, »was Cato mit seinem Leben vorhat! Glaubt der Kerl wirklich, er könnte mit seiner Unbestechlichkeit Stimmen gewinnen? So etwas funktioniert vielleicht bei den Tribuswahlen, aber wenn er so weitermacht, wie er angefangen hat, wird er in den Zenturien keine einzige Wahl gewinnen. Keiner aus der Ersten Klasse gibt so einem seine Stimme.«

Hortensius wollte sich da nicht festlegen. »Ich weiß, in was für eine undankbare Situation er dich gebracht hat, Quintus, aber ich muß sagen, daß ich ihn bewundere. Du hast recht, er wird niemals eine konsularische Wahl in den Zenturien gewinnen. Stell dir einmal vor, wieviel Eifer dazugehört, um so redlich zu sein wie Cato.«

Als Sieger des Krieges um das Schatzamt machte sich Marcus Porcius Cato sogleich auf die Suche nach neuen Betätigungsfeldern, und er wurde fündig, als er die Finanzunterlagen in Sullas Tabularium einmal genauer in Augenschein nahm. Sie mochten veraltet sein, aber die Unterlagen in einem besonders gut geordneten Archiv brachten ihn auf das Thema seines nächsten Feldzugs. Es waren die Unterlagen, in denen jene Männer verzeichnet waren, denen man während Sullas Diktatur zwei Talente dafür gezahlt hatte, daß sie einen Mitbürger als Verräter denunzierten. Zunächst hatten sie keine größere Aussagekraft, als Zahlenkolonnen nun einmal haben, aber Cato machte sich daran, über jede in der Liste genannte Person, die zwei Talente (und manchmal auch wesentlich mehr als zwei Talente) bekommen hatte, Ermittlungen anzustellen, mit der Absicht, all jene vor Gericht anzuklagen, die sich das Geld mit Gewalt beschafft hatten. Damals war es rechtens gewesen, einen Mann zu töten, wenn er vogelfrei war, aber Sullas Zeiten waren vorbei, und Cato glaubte nicht, daß diese gehaßten und geschmähten Männer vor den gegenwärtigen Gerichten große Chancen haben würden — selbst wenn Sulla der geistige Vater ebendieser Gerichte war.

Auf die Selbstlosigkeit und Gerechtigkeit von Catos Motiven fiel leider ein kleiner Schatten, denn mit diesem Plan bot sich — ganz nebenbei — die Möglichkeit, Gaius Julius Caesar das Leben sehr schwer zu machen. Nachdem Caesar sein Jahr als kurulischer Ädil absolviert hatte, gab man ihm eine neue Aufgabe: Er wurde Richter am Mordgericht.

Es wäre Cato niemals in den Sinn gekommen, daß Caesar bereit sein könnte, mit einem Angehörigen der boni zusammenzuarbeiten und gegen diejenigen zu verhandeln, die sich ihre zwei Talente mit einem Mord erkauft hatten. Er hatte mit den üblichen Verzögerungstaktiken gerechnet, zu denen alle Gerichtsvorsitzenden griffen, wenn sie nicht gegen Leute verhandeln wollten, die ihrer Meinung nach nicht vor Gericht gehörten; aber Cato mußte zu seinem Leidwesen feststellen, daß Caesar nicht nur guten Willens war, sondern sogar seine Unterstützung anbot.

»Du schickst sie mir, ich urteile sie ab«, sagte Caesar gut gelaunt zu Cato.

In Rom hatte es gesummt wie in einem Bienenkorb, als Cato Atilia ohne Mitgift aus dem Haus gejagt und Caesar als ihren Liebhaber genannt hatte, aber es lag nun einmal nicht in Caesars Natur, sich im alltäglichen Umgang mit Cato durch Schuldgefühle behindern zu lassen, und auch wegen Atilias Schicksal plagten ihn weder Mitleid noch Gewissensbisse; sie war das Risiko eingegangen, niemand hatte sie dazu gezwungen. Und so arbeiteten der Vorsitzende des Mordgerichts und der unbestechliche Quästor gut zusammen.

Cato hielt sich nicht mit den kleinen Fischen auf, mit den Sklaven, den Freigelassenen und den Zenturios, die mit der Belohnung von zwei Talenten ihre bescheidenen Vermögen gegründet hatten. Er zog es vor, Catilina wegen des Mordes an Marcus Marius Gratidianus anzuklagen. Er war geschehen, nachdem Sulla die Schlacht am Kollinischen Tor Roms gewonnen hatte. Marius Gratidianus war damals Sullas Schwager gewesen. Catilina hatte später seinen Besitz geerbt.

»Er taugt nichts, aber ich werde ihn mir holen«, sagte Cato zu Caesar. »Sonst wird der Kerl womöglich noch Konsul nächstes Jahr.«

»Und was befürchtest du, falls er Konsul wird?« fragte Caesar neugierig. »Ich finde auch, daß er nichts taugt, aber... «

»Wenn er Konsul wird, dann macht er sich zum neuen Sulla.«

»Zum Diktator? Das kann er nicht.«

In jenen Wochen hatte Cato oft traurige Augen, aber sie blickten Caesar fest in die kalten, blassen Pupillen. »Er ist ein Sergius; in ihm fließt das älteste Blut Roms, Caesar, es ist älter als deines. Ohne seine Herkunft hätte Sulla niemals Erfolg gehabt. Deshalb traue ich keinem von euch alten Aristokraten über den Weg. Ihr stammt von Königen ab, und ihr wollt Könige sein. Alle.«

»Du irrst dich, Cato. Zumindest, was mich betrifft. Und was Catilina angeht — gewiß, sein Verhalten unter Sulla verdient Abscheu, also warum sollten wir ihn nicht anklagen? Ich fürchte nur, daß du keinen Erfolg haben wirst.«

»O doch, ich werde Erfolg haben!« rief Cato. »Ich habe Dutzende von Zeugen, die gesehen haben, wie Catilina Gratidianus den Kopf abgeschlagen hat.«

»Du solltest das Verfahren lieber bis kurz vor den Wahlen aufschieben«, sagte Caesar mit fester Stimme. »Mein Gericht ist schnell, ich verschwende keine Zeit. Wenn du ihn jetzt vor Gericht bringst, ist das Verfahren vorbei, bevor die Bewerbungen für die kurulischen Wahlen abgeschlossen sind. Im Falle eines Freispruchs könnte Catilina sich also aufstellen lassen. Dagegen würde mein Vetter Lucius Caesar als Wahlleiter niemals einen Kandidaten akzeptieren, dem ein Mord vorgeworfen wird.«

»Das«, erwiderte Cato starrköpfig, »würde seinen Unglückstag nur verschieben. Ich will, daß Catilina aus Rom verstoßen wird und sein Traum vom Konsulat endgültig ausgeträumt ist.«

»Also gut, auf deine Verantwortung!« sagte Caesar.

In Wahrheit waren Cato seine bisherigen Siege zu Kopf gestiegen. Beträge von zwei Talenten purzelten jetzt zuhauf in die Kassen des Schatzamts, denn Cato bestand darauf, einem Gesetz Geltung zu verschaffen, das der Konsul und Zensor Lentulus Clodianus einige Jahre zuvor erlassen hatte und das die Rückzahlung eines jeden solchen Betrages verlangte, egal auf welch friedliche Weise sein Besitzer ihn sich verdient hatte. Cato sah keine Hindernisse im Fall des Lucius Sergius Catilina. Als Quästor vertrat er die Anklage nicht persönlich, aber er hatte lange über den geeigneten Ankläger nachgedacht und entschied sich für Lucius Lucceius, einen engen Freund von Pompeius und einen ausgezeichneten Redner. Cato wußte wohl, daß es ein kluger Schachzug war; er tat damit kund, daß die Anklage gegen Catilina nicht etwa eine Marotte der boni war, sondern eine Angelegenheit, die jeder Römer ernst nehmen mußte, denn schließlich arbeitete ein Freund des Pompeius mit den boni zusammen, ebenso wie Caesar.

Als Catilina zu Ohren kam, was sich gegen ihn zusammenbraute, knirschte er vor Wut mit den Zähnen und fluchte. Schon bei den beiden letzten konsularischen Wahlen hatte er nicht kandidieren dürfen, weil er sich vor Gericht verantworten mußte. Und jetzt drohte schon wieder eine Anklage. Höchste Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen und solchen seltsamen Beschuldigungen von Parvenüs wie diesem Cato, einem Abkömmling der Sklaven, der es auf die Patrizier abgesehen hatte, einen Riegel vorzuschieben. Viele Generationen lang hatte man die Sergii wegen ihrer Armut von allen höhen Ämtern ausgeschlossen, ein Schicksal, das auch den Julii Caesares widerfahren war, bis Gaius Marius ihnen gestattet hatte, wieder nach oben zu kommen. Gut, und dann hatte Sulla es den Sergii ermöglicht, sich wieder zu fangen, und Lucius Sergius Catilina würde seine Familie zurück auf den elfenbeinernen Stuhl des Konsuls bringen, auch wenn er dafür ganz Rom auf den Kopf stellen müßte! In der wunderschönen Aurelia Orestilla besaß er eine äußerst ehrgeizige Ehefrau; er liebte sie abgöttisch und wollte ihr um jeden Preis gefallen. Er mußte also Konsul werden.

Erst als ihm klargeworden war, daß der Prozeß lange vor den Konsulatswahlen stattfinden würde, entwarf er seinen Schlachtplan. Diesmal würde er rechtzeitig vor seiner Kandidatur freigesprochen werden — falls er diesen Freispruch gewährleisten konnte. Also suchte er Marcus Crassus auf und schloß mit dem plutokratischen Senator ein Abkommen: Als Gegenleistung für Crassus’ Unterstützung bei dem Prozeß verpflichtete er sich, im Falle seiner Wahl zum Konsul die beiden Lieblingsprojekte des Marcus Crassus im Senat und in der Volksversammlung durchzubringen. Die Gallier jenseits des Flusses Padus würden das römische Bürgerrecht erhalten, und Ägypten würde als Crassus’ privater Machtbereich dem römischen Imperium einverleibt werden.

Auch wenn er, was Eloquenz und Esprit betraf, nicht gerade zu den berühmtesten Advokaten Roms gezählt wurde, hatte Marcus Crassus einen ausgezeichneten Ruf als zäher Kämpfer, der auch den bescheidensten seiner Klienten bis aufs Messer verteidigte. Zudem genoß er ein hohes Ansehen bei den Rittern, denn große Teile seines Kapitals steckten in den verschiedensten geschäftlichen Unternehmungen. Und die Geschworenenbänke waren drittelparitätisch besetzt — die Geschworenen setzten sich zu je einem Drittel aus Senatoren, aus Rittern der achtzehn Reiterzenturien und aus Rittern der weniger bedeutenden Zenturien der Zahlmeister zusammen. Man konnte also annehmen, daß Crassus auf mindestens zwei Drittel eines jeden Geschworenenkollegiums einen immensen Einfluß ausübte, und daß sich dieser Einfluß ferner auf jene Senatoren erstreckte, die ihm Geld schuldig waren. Deshalb hatte Crassus es nicht nötig, die Geschworenen zu bestechen, um das Urteil in seinem Sinne zu manipulieren; die Geschworenen waren ohnehin geneigt, ein Urteil zu fällen, von dem sie glaubten, daß es ihm genehm war.

Catilinas Verteidigung war einfach. Ja, er hatte seinem Schwager Marcus Marius Gratidianus den Kopf von den Schultern geschlagen; er bestritt die Tat nicht, weil er sie nicht bestreiten konnte. Aber damals war er einer von Sullas Legaten gewesen, und er hatte auf dessen Befehl hin gehandelt. Es war Sullas Wunsch gewesen, den Kopf des Marius Gratidianus nach Praeneste hineinzuschleudern. Er hatte dem jungen Marius damit klarmachen wollen, daß es keinen Sinn hatte, sich Sulla noch länger zu widersetzen.

Das Gericht unter Caesars Vorsitz hörte sich den Bericht des Anklägers Lucius Lucceius und seiner Mannschaft von Ratgebern geduldig an, und Caesar hatte schnell begriffen, daß dieses Gericht keinesfalls die Absicht hegte, Catilina zu verurteilen. Und das tat es auch nicht. Die eindeutige Mehrheit der Geschworenen urteilte mit ABSOLVO, und nicht einmal Cato konnte anschließend überzeugende Indizien dafür finden, daß Crassus bestochen hatte.

»Ich hatte dich gewarnt«, sagte Caesar zu Cato.

»Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen!« bellte Cato und stolzierte davon.

Als die Nominierung abgeschlossen war, hatten sich sieben Kandidaten um das Konsulat beworben. Es war ein interessantes Teilnehmerteld. Da Catilina freigesprochen worden war, hatte er sich beworben, und man mußte ihn als sicheren Anwärter auf einen der beiden Posten betrachten. Wie Cato gesagt hatte: Catilina besaß den richtigen Stammbaum. Außerdem war er noch derselbe charmante Mann, der damals die vestalische Jungfrau Fabia umworben hatte, und entsprechend groß war seine Gefolgschaft. Auch wenn sie aus zu vielen Männern bestand, die gefährlich nah am Ruin entlangschlitterten — seiner Autorität tat das keinen Abbruch. Zudem war inzwischen allgemein bekannt geworden, daß Marcus Crassus ihn unterstützte, und Marcus beeinflußte viele Wähler der ersten Klasse.

Servilias Ehemann Silanus zählte ebenfalls zu den Kandidaten, obwohl er bei schlechter Gesundheit war; wäre er gesund und bei Kräften gewesen, hätte er ohne Probleme die nötigen Stimmen für seine Wahl zusammenbekommen. Aber das Schicksal des Quintus Marcius Rex, der aufgrund des Todes seines Kollegen und des Mangels an geeigneten Nachrückern dazu verurteilt gewesen war, als alleiniger Konsul zu regieren, war den Leuten noch immer in Erinnerung. Silanus sah nicht so aus, als würde er das Jahr überstehen, und niemand hielt es für geraten, Catilina — trotz Crassus — die Regentschaft Roms allein zu überlassen.

Ein anderer Kandidat war der abstoßende Gaius Antonius Hybrida, den Caesar erfolglos angeklagt hatte, weil er während Sullas Griechischem Krieg viele griechische Bürger foltern, verstümmeln und ermorden ließ. Hybrida hatte sich der Justiz entzogen, aber die öffentliche Meinung in Rom zwang ihn dazu, auf die Insel Cephallenia ins freiwillige Exil zu gehen. Die Entdeckung von ein paar Grabhügeln hatte ihm einen phantastischen Reichtum beschert, und als er nach seiner Rückkehr feststellen mußte, daß man ihn aus dem Senat ausgeschlossen hatte, fing Hybrida einfach von vorne an. Zuerst verschaffte er sich wieder einen Platz im Senat, indem er sich zum Volkstribunen wählen ließ; im folgenden Jahr erkaufte er sich mit Schmiergeldern eine Prätur, leidenschaftlich unterstützt vom ehrgeizigen und talentierten homo novus Cicero, der guten Grund hatte, ihm dankbar zu sein. Der arme Cicero war nämlich in schwere Geldnöte geraten. Schuld daran war seine Leidenschaft für griechische Statuen, die er sammelte und in seinen diversen Landsitzen aufstellen ließ. Hybrida hatte ihm das Geld geliehen, mit dem er den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte. Seitdem ergriff Cicero für ihn das Wort, und gerade jetzt mit so lauter Stimme, daß man daraus schließen konnte, daß er und Hybrida den Plan hegten, sich als Mannschaft um das Konsulat zu bewerben. — Cicero stellte der Kandidatur sein Ansehen zur Verfügung, Hybrida das nötige Geld.

Zweifellos hätte Marcus Tullius Cicero die härteste Konkurrenz für Catilina werden können, aber Cicero fehlte es an den entsprechenden Vorfahren; er war ein homo novus, ein neuer Mann. Allein sein juristisches Geschick und seine Redegewandtheit hatten ihn auf dem cursus honorum vorangebracht, aber für viele aus der ersten Klasse der Zenturien war er ein großmäuliger Bauerntölpel, und die boni dachten ebenso. Konsuln mußten Männer von nachgewiesener römischer Herkunft sein und aus illustren Familien stammen. Jeder kannte Cicero als aufrechten Mann von großen Fähigkeiten (und alle wußten, was für eine dubiose Gestalt Catilina war), trotzdem waren die Römer allgemein der Ansicht, daß Catilina das Konsulat eher verdient habe als Cicero.

Nachdem man Catilina freigesprochen hatte, beriet Cato sich mit Bibulus und Ahenobarbus, der zwei Jahre zuvor Quästor gewesen war; alle drei saßen jetzt im Senat, was nichts anderes bedeutete, als daß sie in seinem konservativen Flügel, den boni, fest verwurzelt waren.

»Wir dürfen es nicht zulassen, daß Catilina zum Konsul gewählt wird«, blökte Cato. »Er hat den habgierigen Marcus Crassus dazu überredet, ihn zu unterstützen.«

»Du hast recht«, stimmte Bibulus ihm ruhig zu. »Die beiden werden dem mos maiorum den Garaus machen. Und dann wimmelt es im Senat von Galliern, und Rom wird sich um eine Provinz mehr Sorgen machen müssen.«

»Was sollen wir tun?« fragte Ahenobarbus, ein junger Mann, der eher für sein aufbrausendes Temperament als für seinen Intellekt bekannt war.

»Wir ersuchen um eine Unterredung mit Catulus und Hortensius«, sagte Bibulus. »Und wir denken darüber nach, wie wir die erste Klasse von der Vorstellung abbringen können, daß Catilina um jeden Preis Konsul werden muß.« Er räusperte sich. »Ich schlage jedenfalls vor, daß wir Cato zum Leiter unserer Abordnung machen.«

»Ich weigere mich, der Leiter von irgend etwas zu sein!« schrie Cato.

»Ja, ich weiß«, erwiderte Bibulus geduldig, »aber das ändert nichts an der Tatsache, daß du seit dem Krieg um das Schatzamt für die meisten Römer zu einem Symbol geworden bist. Obwohl du der Jüngste von uns bist, genießt du das höchste Ansehen. Catulus und Hortensius wissen das genau. Und deshalb wirst du als unser Sprecher auftreten.«

»Du solltest das übernehmen.« Cato war verärgert.

»Die boni sind gegen Männer, die sich für besser als ihresgleichen halten, und ich gehöre den boni an, Marcus. Wer an einem bestimmten Tag der Geeignetste ist, soll unser Sprecher sein. Heute bist du es.«

»Ich verstehe nicht ganz«, gab Ahenobarbus zu bedenken, »warum wir überhaupt um diese Audienz bitten müssen. Catulus ist unser Führer, er müßte uns doch zu sich rufen.«

»Er ist nicht mehr der alte«, erklärte ihm Bibulus. »Nachdem er von Caesar mit dieser Rammbock-Geschichte vor versammeltem Hause bloßgestellt wurde, hat er keinen rechten Mut mehr.« Der kühle, silbrige Blick wanderte zu Cato. »Und es war ja auch nicht gerade taktvoll von dir, Marcus, ihn beim Prozeß gegen Vibius öffentlich zu demütigen.«

»Er hätte nicht sagen dürfen, was er zu mir gesagt hat!«

Bibulus seufzte. »Manchmal bist du eher eine Hypothek als ein Aktivposten!«

Die Note mit der Bitte um eine Audienz trug Catos Siegel und war von Cato geschrieben. Catulus rief seinen Schwager Hortensius zu sich. (Catulus war mit Hortensius’ Schwester Hortensia und Hortensius mit Catulus’ Schwester Lutatia verheiratet.) Er verspürte eine leise Freude; daß Cato um seine Hilfe nachsuchte, war Balsam für seinen verletzten Stolz.

»Ich stimme ihm zu, daß Catilina nicht Konsul werden darf«, sagte er steif. »Jeder weiß über seinen Kuhhandel mit Marcus Crassus Bescheid; der Mann läßt ja keine Gelegenheit aus, sich damit zu brüsten. Er ist von seinem Sieg überzeugt. Ich habe viel über das Problem nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß wir uns Catilinas Prahlerei von seiner Allianz mit Marcus Crassus zunutze machen sollten. Viele Ritter schätzen Crassus, aber nur, solange seine Macht Grenzen hat. Ich könnte mir denken, daß die Ritter sich scharenweise von ihm abwenden werden, sollte sein Einfluß durch einen Zustrom von Klienten von jenseits des Padus und durch das viele ägyptische Geld ins Unermeßliche steigen. Wenn sie darauf hoffen dürften, daß Crassus mit ihnen teilt, wäre das etwas anderes, doch zum Glück weiß jeder, daß Crassus mit niemandem teilt. Formal gesehen würde Ägypten zwar zu Rom gehören, tatsächlich aber wäre es das private Königreich des Marcus Licinius Crassus, das er nach Herzenslust ausräubern dürfte.«

»Leider hat der Rest der Kandidaten äußerst wenig zu bieten«, sagte Quintus Hortensius. »Silanus, ja — wenn er ein gesunder Mann wäre, was er offensichtlich nicht ist. Immerhin hat er es aus gesundheitlichen Gründen nach seiner Amtszeit als Prätor abgelehnt, eine Provinz zu übernehmen, und das macht nicht gerade Eindruck auf die Wähler. Und ein paar Kandidaten — Minucius Thermus zum Beispiel — sind absolut indiskutabel.«

»Dann wäre da noch Hybrida«, sagte Ahenobarbus.

Bibulus spitzte den Mund. »Wenn wir Hybrida nehmen — ein schlechter Mann, aber so phlegmatisch, daß er wenigstens keinen Schaden anrichtet —, dann haben wir auch diesen eingebildeten Schnösel Cicero auf dem Hals.«

Ein Moment brütenden Schweigens folgte, unterbrochen durch Catulus.

»Dann geht es also darum, welcher von zwei mißliebigen Männern das geringere Übel ist«, sagte er langsam. »Wollen wir boni Catilina als Marionette von Marcus Crassus, oder wollen wir lieber, daß ein hergelaufenes Großmaul hier den großen Herrn spielt?«

»Cicero«, sagte Hortensius.

»Cicero«, sagte Bibulus.

»Cicero«, sagte Ahenobarbus.

Und schließlich Cato, sehr widerwillig: »Cicero.«

»Nun gut«, sagte Catulus, »dann eben Cicero. Ihr Götter, nächstes Jahr wird es mir im Senat schwerfallen, mein Frühstück bei mir zu behalten! Ein hergelaufener homo novus als einer von Roms Konsuln. Bah!«

»Dann schlage ich vor«, sagte Hortensius und zog ein Gesicht, »daß wir nächstes Jahr vor den Senatssitzungen sparsam essen.«

Die Gruppe löste sich auf, um sich an die Arbeit zu machen, und einen Monat lang arbeiteten sie wirklich äußerst hart. Sehr zu Catulus’ Leidwesen stellte sich heraus, daß Cato, gerade einmal dreißig Jahre alt, von ihnen allen den größten Einfluß hatte. Der große Krieg um das Schatzamt und die vielen Kopfgelder aus der Zeit der Proskriptionen, die in den Staatssäckel zurückgewandert waren, hatten bei den Männern der ersten Klasse einen großen Eindruck hinterlassen. Sie hatten am meisten unter Sullas Proskriptionen zu leiden gehabt. Für den Orden der Ritter war Cato ein Held, und wenn Cato ihnen riet, für Cicero und Hybrida zu stimmen, dann würde jeder Ritter, der den Rang der Achtzehn nicht erreichte, sich auch daran halten!

Und so wurde Marcus Tullius Cicero zum Ersten Konsul und Gaius Antonius Hybrida zum Zweiten Konsul gewählt. Cicero jubilierte; er begriff nicht, daß er diesen Triumph Umständen verdankte, die weder etwas mit Verdiensten noch mit Integrität oder Einfluß zu tun hatten. Hätte Catilina nicht kandidiert, wäre Cicero nie und nimmer Konsul geworden. Aber da es ihm niemand auf die Nase band, stolzierte er glücklich und mit geschwellter Brust auf dem Forum und im Senat herum. Was für ein Jahr! Erster Konsul in suo anno, endlich stolzer Vater eines Sohnes und die vierzehnjährige Tochter Tullia mit dem reichen und ehrwürdigen Gaius Calpurnius Piso Frugi verlobt. Selbst Terentia war jetzt freundlich zu ihm!