Ende Februar rief Piso Frugi die Volksversammlung zusammen und stellte seinen Gesetzentwurf zur Strafverfolgung des Publius Clodius der Abstimmung anheim. Mit verheerenden Folgen. Der junge Curio erhob im Komitium so wirkungsvoll seine Stimme, daß die ganze Versammlung ihm zujubelte. Kaum hatte man die Durchgänge und Brücken für den Hammelsprung errichtet, da wurden sie auch schon von ein paar leidenschaftlichen Anhängern des Clodius-Clubs gestürmt, allen voran Marcus Antonius. Sie nahmen sie in Besitz und wehrten sich so aufopferungsvoll gegen die Liktoren und offiziellen Abstimmungshelfer, daß eine regelrechte Schlägerei drohte. Schließlich nahm Cato die Angelegenheit in die Hand, kletterte auf die Rostra und beschuldigte Piso Frugi, eine desorganisierte Sitzung abzuhalten. Hortensius unterstützte Cato, daraufhin löste der Erste Konsul die Versammlung auf und rief statt dessen den Senat zusammen.

In der vollbesetzten Curia Hostilia — wegen der Abstimmung waren alle Senatoren anwesend — schlug Hortensius einen Kompromiß vor.

»Von den Zensoren bis hin zum Zweiten Konsul scheint mir eine nicht unbedeutende Anzahl von Senatsmitgliedern entschlossen zu sein, Publius Clodius vor einem Gericht wegen der Bona- Dea-Geschichte zur Verantwortung zu ziehen«, sagte Hortensius im mildesten Tonfall, zu dem er fähig war. »Die versammelten Väter, die gegen einen Prozeß sind, sollten noch einmal darüber nachdenken. Nun sind schon fast zwei Monate vergangen, in denen wir keine normalen Staatsgeschäfte führen konnten. Das ist der sicherste Weg, um eine Regierung zu Fall zu bringen. Und das alles wegen eines kleinen Quästors und seiner Bande von jugendlichen Raufbolden! Damit muß es ein Ende haben! Es gibt keine Passage im Gesetzentwurf unseres gelehrten Ersten Konsuls, die nicht so abgeändert werden könnte, daß alle einverstanden sind. Wenn dieses Haus es mir erlaubt, werde ich die nächsten Tage damit verbringen, den Entwurf zu ändern — in Zusammenarbeit mit den beiden erbittertsten Gegnern des gegenwärtigen Entwurfs, unserem Zweiten Konsul Marcus Valerius Messala Niger und dem Volkstribun Quintus Fufius Calenus. Der nächste Tag, an dem Komitien stattfinden, wäre der vierte Tag vor den Nonen des März. Ich schlage vor, daß Quintus Fufius der Volksversammlung den neuen Entwurf unter dem Namen lex Fufia vorlegt. Und daß dieses Haus den Akt mit dem nachdrücklichen Appell an das Volk begleitet, ihn zur Abstimmung zu bringen — ohne weiteres Aufheben.«

»Ich bin dagegen!« schrie Piso Frugi, ganz weiß vor Zorn.

»Oh, oh, oh, ich auch!« ertönte ein klagender Schrei aus den hintersten Reihen. Clodius kam heruntergestolpert und sank mitten in der Curia Hostilia händeringend und jammernd auf die Knie. Sein Auftritt war so eindrucksvoll, daß der gesamte Senat ihm fassungslos zusah. Meinte er es ernst? Oder führte er hier ein Schelmenstück auf? Waren es Tränen des Schmerzes oder der Heiterkeit? Niemand wußte es.

Messala Niger, der im Februar die Amtsgeschäfte führte, rief seine Liktoren. »Schafft diesen Kerl hinaus!« befahl er.

Sie trugen den strampelnden Publius Clodius nach draußen und setzten ihn im Portikus ab; was danach mit ihm geschah, blieb ein Geheimnis, denn die Liktoren schlugen ihm die Tür vor dem tränenüberströmten Gesicht zu.

»Quintus Hortensius«, sagte Messala Niger, »ich möchte deinem Vorschlag etwas hinzufügen: Wenn sich das Volk am vierten Tag vor den Nonen des März wieder versammelt, soll das unter dem Schutz der Miliz geschehen. Und nun laßt uns darüber abstimmen.«

Es befanden sich vierhundertfünfzehn Senatoren in der Kammer. Vierhundert stimmten für Hortensius’ Antrag; zu den fünfzehn, die dagegen stimmten, zählten Piso Frugi und Caesar.

Die Volksversammlung verstand den Hinweis und verabschiedete die lex Fufia in einer Sitzung, die sich durch einen ausgesprochen ruhigen Verlauf auszeichnete — und durch die große Zahl von Milizionären, die sich über das untere Forum verteilt hatten.

»Nun«, sagte Gaius Piso, nachdem die Versammlung sich aufgelöst hatte, »mit Hortensius, Fufius Calenus und Messala Niger dürfte es Publius Clodius nicht schwerfallen freizukommen.«

»Dem ursprünglichen Gesetzentwurf wurde die Spitze genommen«, sagte Catulus nicht ohne eine gewisse Befriedigung.

»Habt ihr bemerkt, wie sorgenvoll Caesar aussieht?« fragte Bibulus.

»Seine Gläubiger mahnen ihn gnadenlos«, stellte Cato schadenfroh fest. »Von einem Makler in der Basilica Porcia habe ich gehört, daß die Eintreiber täglich an die Tür des Domus Publica klopfen. Unser Pontifex Maximus kann kaum noch einen Schritt unbehelligt tun. Jetzt haben wir ihn!«

»Bis jetzt ist er noch ein freier Mann«, sagte Gaius Piso etwas weniger optimistisch.

»Ja, aber wir haben jetzt Zensoren, die Caesar nicht so freundlich gesonnen sind wie sein Onkel Lucius Cotta«, sagte Bibulus. »Sie wissen genau, was hier vorgeht, aber sie können erst handeln, wenn sie einen gerichtlichen Beweis haben. Und dazu müssen Caesars Gläubiger erst vor dem Tribunal des Stadtprätors erscheinen und eine Rückzahlung verlangen. Lange kann das nicht mehr dauern.«

Das tat es auch nicht. Wenn die prätorischen Provinzen nicht in den nächsten Tagen vergeben würden, stünde Caesar an den Nonen des März vor einem Scherbenhaufen seiner poltischen Karriere. Zu seiner Mutter sagte er kein Wort, und in ihrer Nähe setzte er eine solch furchteinflößende Miene auf, daß die arme Aurelia sich nicht traute, etwas zu sagen, was nicht mit den vestalischen Jungfrauen, Julia oder dem Domus Publica zu tun hatte. Wie mager er geworden war! Die kantigen Wangenkochen standen wie Messerklingen hervor, und am Hals hing die Haut schlaff herunter wie bei einem alten Mann. Jeden Tag stieg Aurelia in das Revier der Bona Dea hinauf, um den schlaflosen Schlangen einige Teller mit Milch hinzustellen, die Kräuterbeete von Unkraut freizuhalten und Eier auf den Stufen zur verschlossenen Tempeltür als Opfer zurückzulassen. »Nicht mein Sohn! Bitte, Gute Göttin, nicht mein Sohn! Ich gehöre dir. Nimm mich. Bona Dea, sei gut zu meinem Sohn! Bitte sei gut zu meinem Sohn!«

Die Lose wurden gezogen.

Publius Clodius zog eine Quästur in Lilybaeum im Westen Siziliens, doch vor seinem Prozeß durfte er Rom nicht verlassen, um das Amt dort anzutreten.

Zunächst schien es so, als sei Caesar doch nicht ganz vom Glück verlassen. Er zog die Provinz Hispania Ulterior, also würde ihm prokonsularische Amtsgewalt übertragen werden, und er war nur den beiden Konsuln des Jahres Rechenschaft schuldig.

Als neuem Statthalter stand ihm ein Stipendium zu, der staatliche Zuschuß zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Provinz; mit dem Geld mußten die Legionen und die öffentlichen Bediensteten bezahlt und die Straßen, Brücken, Aquädukte, Abwasserkanäle, öffentlichen Gebäude und Einrichtungen instand gehalten werden. Die Summe für Hispania Ulterior belief sich auf fünf Millionen Sesterzen und wurde dem Statthalter auf einmal ausgezahlt; mit der Auszahlung ging das Geld in sein persönliches Eigentum über. So mancher zog es vor, es gleich in Rom zu investieren, im Vertrauen darauf, daß er aus der Provinz genug herauspressen würde, um die nötigen Ausgaben dort bestreiten zu können, während das stipendium in Rom bereits ansehnliche Zinsen brachte.

Während der Senatssitzung, bei der auch die Verlosung stattgefunden hatte, wurde Caesar von Piso Frugi — der wieder die Amtsgeschäfte führte — darum gebeten, vor dem versammelten Haus eine Zeugenaussage zu den Ereignissen beim Fest der Bona Dea zu machen.

»Ich würde dir gerne zu Diensten sein, Erster Konsul, wenn ich etwas zu erzählen hätte. Das habe ich aber nicht«, stellte Caesar kategorisch fest.

»Ich bitte dich, Gaius Caesar!« fauchte Messala Niger. »Man hat dich hier höflich um eine Zeugenaussage gebeten, weil du bereits in deiner Provinz sein wirst, wenn man Publius Clodius vor Gericht stellt. Wenn überhaupt ein Mann wissen kann, was dort vorgefallen ist, dann bist du es.«

»Mein lieber Zweiter Konsul, du hast soeben das entscheidende Wort ausgesprochen — ein Mann! Ich bin nicht auf dem Fest der Bona Dea gewesen. Eine Zeugenaussage ist eine ernste Angelegenheit und wird unter Eid gemacht. Und die Wahrheit ist, daß ich gar nichts weiß.«

»Wenn du nichts weißt, warum hast du dich dann von deiner Frau getrennt?«

Diesmal gab das versammelte Haus Messala Niger die Antwort: »Weil Caesars Frau wie alle anderen in seiner Familie über jeden Verdacht erhaben sein muß.«

Am Tag nach der Verlosung kamen die dreißig Liktoren der einzelnen Kurien zu ihrem traditionellen Treffen zusammen, um die leges Curiae zu verabschieden, jene Gesetzestexte, die jeden der neuen Statthalter mit seiner Amtsgewalt ausstatteten.

Noch am selben Tag erschien zur Mittagsstunde eine kleine Gruppe wichtig aussehender Männer vor dem Tribunal des Lucius Calpurnius Piso, gerade noch rechtzeitig, denn eben wollte der Stadtprätor zu seinem längst fälligen Mittagsmahl aufbrechen. In Begleitung der Männer befand sich eine größere Anzahl recht zwielichtiger Individuen, die sogleich ausschwärmten und die herumstehenden Neugierigen höflich aber bestimmt aus der Hörweite des Tribunals vertrieben. Nachdem für Geheimhaltung gesorgt war, verlangte der Sprecher der Gruppe daß die fünf Millionen Sesterzen, die Gaius Julius Caesar als Stipendium gewährt worden waren, zu ihren Gunsten als Teilzahlung seiner Schulden gepfändet würden.

Dieser Calpurnius Piso war aus anderem Holz als sein Vetter Gaius Piso. Lucius Calpurnius Piso war der Enkelsohn und Sohn zweier Männer, die mit der Bewaffnung der römischen Legionen ein gigantisches Vermögen erworben hatten — und er war außerdem ein naher Verwandter Caesars. Seine Mutter und seine Ehefrau waren beide Rutilias, und Caesars Großmutter war auch eine Rutilia aus demselben Zweig der Familie gewesen. Lucius Piso und Caesar begegneten sich nicht gerade häufig, aber im Senat stimmten sie oft für dieselben Dinge, und außerdem mochten sie sich.

Und so kam es, daß der gegenwärtige Stadtprätor Lucius Piso die kleine Gruppe von Gläubigern mit finsterem Blick musterte und seine Entscheidung aufschob, um jedes einzelne Blatt des umfangreichen Stapels von Papieren, den man ihm vorlegte, einer genauen Prüfung zu unterziehen. Der finstere Blick eines Lucius Piso verfehlte seine Wirkung nie, denn er war ein sehr dunkelhäutiger Mann mit gewaltigen, borstigen Augenbrauen, ein Hüne von Gestalt. Und wenn er seiner gestrengen Miene noch mit einer seiner Grimassen Nachdruck verlieh und dabei seine Zähne entblößte — ein paar von ihnen waren schwarz, andere von schmutzigem Gelb —, dann wich ein Zeuge erst einmal erschrocken zurück, denn der Stadtprätor wirkte auf nicht wenige seiner Mitmenschen wie ein wildes, menschenfressendes Ungetüm.

Natürlich hatten die Gläubiger mit einer sofortigen Entscheidung gerechnet, aber diejenigen unter ihnen, die bereits protestieren und dem Stadtprätor den guten Rat geben wollten, sich ein bißchen zu beeilen, da sie ja schließlich Männer mit Einfluß seien, zogen es jetzt vor, den Mund zu halten und — wie angeordnet — in zwei Tagen wiederzukommen.

Lucius Piso war nicht auf den Kopf gefallen; also schloß er sein Tribunal nicht gleich nach dem Abgang der verärgerten Kläger, heute würde das Mittagsmahl eben warten müssen. Er führte seine Geschäfte fort, bis die Sonne untergehen wollte und seine wenigen Gehilfen das Gähnen nicht mehr unterdrücken konnten. Um diese Zeit hielten sich kaum noch Leute auf dem unteren Forum auf, nur ein paar ziemlich verdächtige Gestalten drückten sich auf den oberen Rängen des Komitiums herum. Eintreiber von Geldverleihern? Zweifellos.

Lucius Piso beriet sich kurz mit seinen sechs Liktoren, dann begab er sich mit ihnen die Via Sacra hinauf in Richtung Velia. Am Domus Publica ging er vorbei, ohne es eines Blickes zu würdigen. Vor dem Eingang zum Porticus Margaritaria blieb er stehen und bückte sich, um sich an seinem Schuh zu schaffen zu machen. Seine Liktoren versammelten sich um ihn herum, es sah so aus, als wollten sie ihm helfen. Dann richtete er sich wieder auf und setzte seinen Weg fort, immer noch ein ganzes Stück vor den fragwürdigen Individuen, die ebenfalls stehengeblieben waren.

Was sie von da unten nicht sehen konnten: Die hochgewachsene Gestalt in der purpurrot eingefaßten Toga wurde jetzt nur noch von fünf Liktoren begleitet; Lucius Piso hatte in Windeseile mit seinem größten Liktor die Toga getauscht und war im Porticus Margaritaria verschwunden. Dort hatte er einen Durchgang zur Rückseite des Domus Publica entdeckt und trat jetzt hinaus auf einen kleinen Platz, auf den die Ladenbesitzer ihren Abfall warfen. Er zog die schlichte weiße Toga des Liktors aus, wickelte sie zusammen und steckte sie in eine leere Kiste; über die Mauer von Caesars Peristylium kletterte es sich besser ohne Toga.

»Ich will doch hoffen«, sagte er, als er nur mit einer Tunika bekleidet, in Caesars Arbeitszimmer trat, »daß du auch einen trinkbaren Wein in dieser ausnehmend eleganten Flasche hast.«

Nur wenigen Menschen war es vergönnt gewesen, einen fassungslosen Caesar zu Gesicht bekommen zu haben — Lucius Piso gehörte ab sofort zu ihnen.

»Wie bist du hier hereingekommen?« fragte Caesar und schenkte Wein aus.

»Genauso, wie Publius Clodius herausgekommen ist.«

»In deinem Alter noch auf der Flucht vor erbosten Ehemännern? Du solltest dich schämen, Piso!«

»Nein, vor den Geldeintreibern der Wucherer«, sagte Piso und trank einen kräftigen Schluck.

»Aha!« Caesar setzte sich. »Dann greif nur zu, Piso. Du hast dir soeben den ganzen Inhalt meines Weinkellers verdient.«

»Vor vier Stunden sind ein paar von deinen Gläubigern vor meinem Tribunal erschienen. Nicht gerade die ehrenwertesten, wenn du mich fragst. Sie wollten dein Stipendium pfänden lassen, und sie haben ein großes Geheimnis daraus gemacht. Ihre Handlanger haben alle Neugierigen verscheucht. Anscheinend solltest du nichts von ihrem Begehren erfahren, was ich, gelinde gesagt, ziemlich seltsam finde.« Piso stand auf und schenkte sich den Becher noch einmal voll. »Für den Rest des Tages haben sie mich beschattet und wollten mich sogar nach Hause begleiten. Also habe ich mit meinem größten Liktor den Platz getauscht und bin durch die nächstbeste Ladentür geschlüpft. Das Domus Publica steht unter Bewachung. Vom Hügel aus habe ich die Kerle gesehen.«

»Dann muß ich das Haus so verlassen, wie du hereingekommen bist. Heute nacht passiere ich die Stadtgrenze und übernehme mein Amt. Dann kann mir keiner mehr etwas wollen.«

»Wenn du mir eine Vollmacht gibst, hebe ich gleich morgen früh dein Stipendium ab und bringe es dir auf das Marsfeld. Es wäre zwar besser, es hier in Rom zu investieren, aber wer weiß, was die boni sich noch alles ausdenken? Sie wollen dich wirklich vernichten, Caesar.«

»Das ist mir klar.«

»Ich vermute«, sagte Piso, und der finstere Blick war wieder da, »du kannst diesen Schurken nicht einmal einen Vorschuß zahlen.«

»Ich werde heute abend bei Marcus Crassus vorbeischauen.«

»Heißt das«, fragte Lucius Piso ungläubig, »du kannst Marcus Crassus einfach so um Geld bitten? Warum hast du das nicht schon vor Monaten, vor Jahren getan?«

»Er ist mein Freund. Ich konnte ihn nicht darum bitten.«

»Ja, ich verstehe, auch wenn ich selbst nicht so zurückhaltend wäre. Aber ich bin ja auch keiner von euch Juliern. Ihr Julier seid nicht gern jemandem etwas schuldig, nicht wahr?«

»Nein. Aber er hat es mir angeboten, und das macht es leichter.«

»Schreib mir die Vollmacht, Caesar. Ich sterbe vor Hunger und muß nach Hause. Außerdem wird Rutilia sich Sorgen machen.«

»Wenn du hungrig bist, Piso, dann kannst du hier etwas essen«, sagte Caesar, bereits über das Papier gebeugt. »Ich habe absolutes Vertrauen zu meinem Personal.«

»Nein, du hast noch eine Menge zu tun.«

Der Brief war geschrieben, zusammengerollt, mit heißem Wachs verschlossen und mit Caesars Ring versiegelt. »Du mußt nicht über die Mauer klettern, wenn dir an einem würdevolleren Abgang gelegen ist. Die Vestalinnen sind in ihren Wohnquartieren, du kannst ihren Seitenausgang benutzen.«

»Das kann ich nicht. Ich habe die Toga meines Liktors nebenan liegenlassen. Aber du darfst mir über die Mauer helfen.«

»Ich stehe in deiner Schuld, Lucius«, sagte Caesar, als sie hinaus in den Garten traten. »Sei versichert, daß ich es nicht vergessen werde.«

Piso lachte leise. »Ist es nicht beruhigend zu wissen, daß Kerle wie diese Geldverleiher keine Ahnung von der römischen Aristokratie haben? Untereinander bekämpfen wir uns wie die Hähne, aber wehe, es versucht jemand von außen, einen von uns zu rupfen. Dann schließen sich die Reihen. Als würde ich es jemals zulassen, daß so ein schmutziges Gesindel sich an meinem Vetter vergreift!«

Julia war bereits zu Bett gegangen; ein schmerzhafter Abschied blieb Caesar also erspart. Mit seiner Mutter würde es schwer genug werden.

»Wir müssen Lucius Piso dankbar sein«, sagte sie. »Mein Onkel Publius Rutilius hätte ihm Anerkennung gezollt, wenn er das noch erlebt hätte.«

»Zweifellos.«

»Du wirst in Spanien sehr hart arbeiten müssen, um deine Schulden loszuwerden, Caesar.«

»Keine Sorge, Mater, ich weiß schon, wie ich das mache. Und dir kann hier nichts passieren, solange es Kerlen wie Bibulus nicht einfällt, es den Gläubigern per Gesetz zu erlauben, sich bei den Angehörigen schadlos zu halten. Heute abend statte ich Marcus Crassus einen Besuch ab.«

Sie riß die Augen auf. »Ich dachte, das wolltest du nicht.«

»Er hat es mir angeboten.«

Oh, Bona Dea, Bona Dea, ich danke dir! Deine Schlangen sollen das ganze Jahr über Milch und Eier bekommen! Laut sagte sie: »Dann ist er ein richtiger Freund.«

»Mamercus vertritt mich als Pontifex Maximus. Gib ein bißchen auf Fabia acht. Aus unserer kleinen Amsel darf kein Cato werden. Burgundus weiß, was er für mich einpacken muß. Ich bleibe in Pompeius’ gemieteter Villa. Jetzt, wo er untätig herumsitzen muß, wird ihm ein bißchen Gesellschaft ganz recht sein.«

»Das mit Mucia Tertia warst also gar nicht du?«

»Mater! Wie oft war ich denn in Picenum? Nein, du solltest dich besser unter den Picenern umschauen.«

»Titus Labienus? Ihr Götter!«

Er nahm ihren Kopf zwischen die Hände und küßte sie auf den Mund. »Paß auf dich auf, Mater.«

Das Überwinden der Mauer fiel ihm leichter als Lucius Piso oder Publius Clodius; Aurelia starrte ihm noch eine ganze Weile nach dann drehte sie sich um und ging ins Haus. Es war kühl.

Es war kühl, aber Marcus Licinius Crassus saß genau dort, wo Caesar ihn vermutet hatte: in seinen Geschäftsräumen hinter dem Macellum Cuppedinis, wo er bei so spärlichem Licht, wie seine vierundfünfzig Jahre alten Augen es ihm erlaubten, ein Tuch um den Hals gewickelt und einen Schal um die Schultern gelegt, eifrig seiner Arbeit nachging.

»Du verdienst dir jede einzelne Sesterze selber«, sagte Caesar, der sich so leise in den riesigen Raum geschlichen hatte, daß Crassus beim Klang seiner Stimme erschrak.

»Wie bist du hereingekommen?«

»Genau die gleiche Frage habe ich Luicus Piso heute abend gestellt. Er ist über meine Gartenmauer geklettert. Ich habe das Schloß geknackt.«

»Lucius Piso ist über deine Gartenmauer geklettert?«

»Um die Geldeintreiber abzuhängen, die mein Haus belagern. Die Geldverleiher, die mir nicht von dir oder meinem gadetanischen Freund Balbus empfohlen worden sind, wollten vor Pisos Tribunal mein Stipendium pfänden lassen.«

Crassus lehnte sich in seinen Sessel zurück und rieb sich die Augen. »Dein Glück ist wirklich phänomenal, Gaius. Du bekommst die Provinz, die du haben wolltest, und die dubiosen Kreditgeber sind so dämlich, ihre Eingabe bei deinem Vetter zu machen. Wieviel brauchst du?«

»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau.«

»Das mußt du doch wissen!«

»Ich habe vergessen, Piso danach zu fragen.«

»Das sieht dir ähnlich! Wenn du nicht Caesar wärst, würde ich dich als die schlechteste Geldanlage der Welt in den Tiber werfen. Aber irgendwie habe ich es im Gefühl, daß du einmal reicher als Pompeius sein wirst. Du kannst noch so tief fallen, du landest immer wieder auf den Füßen.«

»Es müssen mehr als fünf Millionen sein, denn sie wollten die ganze Summe pfänden lassen.«

»Zwanzig Millionen«, erwiderte Crassus, ohne zu zögern.

»Erklär mir das.«

»Ein Viertel von zwanzig Millionen würde ihnen einen lohnenden Profit bringen, weil du seit mindestens drei Jahren Zinseszinsen zahlst. Wahrscheinlich hast du dir insgesamt drei Millionen geliehen.«

»Du und ich, Marcus, wir haben beide den falschen Beruf!« sagte Caesar und lachte. »Wir marschieren oder segeln um den halben Erdball, halten wilden Barbaren unseren Adler oder das Schwert unter die Nase, nehmen die dortigen Plutokraten aus wie ein Kind seine Stoffpuppe, machen uns gründlich unbeliebt bei Menschen, denen es unter unserem Schutz eigentlich gutgehen sollte, und kaum sind wir wieder zu Hause, müssen wir dem Volk, dem Senat und dem Schatzamt Rechenschaft ablegen. Und während der ganzen Zeit könnten wir uns hier in Rom eine goldene Nase verdienen.«

»Ich verdiene mir hier in Rom eine goldene Nase«, sagte Crassus.

»Aber du verleihst dein Geld nicht gegen Zinsen.«

»Ich bin ein Licinius Crassus!«

»Eben!«

»Du bist für die Reise gekleidet. Heißt das, du gehst fort?«

»Erst einmal bis zum Marsfeld. Sobald ich meine Amtsgewalt habe, können die Geldverleiher nichts mehr machen. Piso kassiert morgen mein Stipendium und bringt es mir.«

»Und für wann hat er die Geldverleiher vor sein Tribunal bestellt?«

»Für übermorgen mittag.«

»Gut. Ich werde dort sein, wenn sie erscheinen. Und du, Caesar, brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sehr wenig von meinem Geld wird in ihre Kassen fließen, vielleicht gar keins. Ich übernehme die Bürgschaft für jede Summe, die Piso mir nennt. Solange ein Crassus dir den Rücken stärkt, werden sie sich gedulden müssen.«

»Dann verlasse ich dich beruhigt und bin dir sehr dankbar.«

»Denk dir nichts dabei. Gut möglich, daß ich dich auch einmal so dringend brauche.« Crassus erhob sich, nahm die Lampe vom Tisch und brachte Caesar an die Haustür. »Wie hast du bei der Finsternis hier heraufgefunden?« fragte er.

»Es gibt überall Licht, selbst im finstersten Treppenhaus.«

»Das macht es nur noch schwieriger.«

»Was?«

»Weißt du, ich hatte mir gedacht«, sagte der stets Unerschütterliche, »daß ich an dem Tag, an dem du zum zweitenmal Konsul wirst, an einem öffentlichen Platz ein Standbild für dich aufstellen lasse. Ich wollte einen Bildhauer damit beauftragen, ein Tier zu entwerfen, das Teile eines Löwen, eines Wolfs, eines Aals, eines Wiesels und eines Phoenix in sich vereinigt. Aber wenn ich sehe, wie du auf den Füßen landest, im Dunkeln siehst und wie ein Kater durch die Straßen Roms schleichst, werde ich dem Ding wohl noch die Streifen einer Katze verpassen müssen.«

Da innerhalb der Servianischen Mauer niemand einen Mietstall unterhielt, mußte Caesar die Stadt auf Schusters Rappen verlassen, auf einem Weg jedoch, auf dem ihm so leicht keiner der Wucherer auflauern würde. Er ging den Vicus Patricii hinunter bis zum Vicus ad Malum Punicum, bog in den Vicus Longus ein und verließ die Stadt durch die Porta Collina. Von dort stieg er auf den Collis Hortulorum, wo die Kinder bei schönem Wetter wilde Tiere im Gehege betrachten konnten, und näherte sich Pompeius’ vorübergehendem Domizil von oben. Unter der hochaufragenden Loggia befanden sich die Ställe, also ließ Caesar den Krieger schlafen und machte sich ein Lager aus frischem Stroh. Als die Sonne aufging, lag er noch immer wach.

Mit stillem Lächeln dachte er, daß seine Aufbrüche in die Provinzen immer ein wenig unkonventionell vonstatten zu gehen schienen. Über seiner ersten Abreise nach Hispania Ulterior hatte der Schleier der Trauer um Tante Julia und Cinnilla gelegen, und diesmal war er auf der Flucht. Ein Flüchtling mit prokonsularischer Amtsgewalt. Im Kopf hatte er sich bereits alles zurechtgelegt — Publius Vatinius hatte sich als gewissenhafter Kundschafter erwiesen, und Lucius Cornelius Balbus Major wartete in Gades auf ihn.

Balbus langweilte sich, und das hatte er Caesar geschrieben. Im Gegensatz zu Crassus machte das Geldverdienen allein ihn nicht glücklich; Balbus lechzte nach neuen Herausforderungen, jetzt, da er und sein Neffe die reichsten Männer in ganz Spanien waren. Sollte sich doch Balbus Minor um die Amtsgeschäfte kümmern! Balbus Major wollte gern etwas über militärische Logistik lernen. Und so hatte Caesar ihn zu seinem praefectus fabrum ernannt, eine Wahl, die so manchen im Senat überrascht hatte, nur nicht diejenigen, die Balbus Major kannten. Diese Berufung war zumindest in Caesars Augen wichtiger als die Berufung eines Ersten Legaten (den er gar nicht erst angefordert hatte), denn auf einen praefectus fabrum, der für die Ausrüstung und den Nachschub einer Armee zuständig war, mußte der Heerführer sich unbedingt verlassen können.

Es standen zwei Legionen in der jenseitigen Provinz; beide bestanden aus Veteranen, die es vorgezogen hatten, nicht nach Rom zurückzukehren, nachdem der Krieg gegen Sertorius schließlich ein Ende gefunden hatte. Die Männer mußten inzwischen über dreißig sein und wären einem lohnenden Feldzug sicherlich nicht abgeneigt. Aber zwei Legionen würden nicht reichen; als erstes mußte Caesar nach der Ankunft in seinem neuen Wirkungsbereich Hilfstruppen in Stärke einer vollen Legion anwerben, spanische Soldaten, die für Sertorius gekämpft hatten. Wenn sie sich erst ihr Urteil über ihn gebildet hatten, würden sie für ihn ebenso bereitwillig kämpfen wie für Sertorius. Und dann ging es auf in unbekanntes Territorium! Es war schließlich ein unhaltbarer Zustand, daß Rom Anspruch auf die gesamte Iberische Halbinsel stellte und noch nicht einmal ein Drittel davon unterworfen hatte. Caesar würde das ändern.

Er stieg die Treppe hinauf, die zur Loggia führte, und dort oben saß Pompeius der Große und bewunderte den Blick über den Tiber, den vatikanischen Hügel und das Janiculum.

»Holla!« rief Pompeius aus, sprang auf und ergriff beide Hände des unerwarteten Besuchers. »Zu Pferde?«

»Nein. Ich bin zu Fuß gekommen, so spät, daß ich dich nicht mehr wecken wollte, deshalb habe ich mich mit Stroh begnügt. Möglich, daß ich mir ein oder zwei Pferde von dir borge, wenn ich aufbreche, aber nur, damit sie mich nach Ostia bringen. Kannst du mich für ein paar Tage bei dir aufnehmen, Magnus?«

»Mit Freuden, Caesar.«

»Du scheinst also nicht zu glauben, daß ich Mucia verführt habe?«

»Ich weiß längst, wer der Schuldige war«, erwiderte Pompeius grimmig. »Labienus, der Undankbare! Ein unverbesserlicher Lüstling!« Er bot Caesar einen bequemen Sessel an. »Hast du mich deshalb noch nicht besucht? Und im Circus Flaminius hattest du auch nicht mehr als ein kurzes ave für mich übrig.«

»Magnus, ich bin nur ein kleiner Ex-Prätor! Und du bist der größte Held unseres Zeitalters; es stehen ständig vier Reihen von Konsularen um dich herum.«

»Sicher, aber mit dir kann ich wenigstens reden, Caesar. Du bist ein richtiger Soldat, kein Salonstratege. Und wenn deine Zeit kommt, dann weißt du, wie du zu sterben hast, das Gesicht und die Schenkel bedeckt. Der Tod wird nichts bloßlegen, das nicht schön ist an dir.«

»Homer. Gut gesagt, Magnus!«

»Ich habe viel gelesen im Osten, und ich habe die Bücher liebengelernt. Vergiß nicht, ich hatte Theophanes von Mitylene bei mir.«

»Ein großer Gelehrter.«

»Ja, und das hat mir mehr bedeutet als die Tatsache, daß er reicher als Krösus ist. Ich habe ihn mit nach Lesbos genommen und ihn in der Agora von Mitylene vor seinen Leuten zum Römer gemacht. Das ist bei den Einheimischen gut angekommen.«

»Das will ich glauben. Soviel ich weiß, ist Theophanes ein naher Verwandter von Lucius Balbus aus Gades.«

»Ihre Mütter waren Schwestern. Du kennst Balbus, nicht wahr?«

»Sehr gut sogar. Wir haben uns kennengelernt, als ich Quästor in Hispania Ulterior war.«

»Er war mein Kundschafter beim Feldzug gegen Sertorius. Ich habe ihm die Staatsbürgerschaft zuerkannt und seinem Neffen auch, aber es waren so viele, daß ich sie zwischen meinen Legaten aufgeteilt habe. Der Senat sollte nicht glauben, daß ich allein halb Spanien das Wahlrecht gebe. Balbus Major und Balbus Minor haben einen Cornelius bekommen — Lentulus, glaube ich, aber nicht den, den sie heute Spinther nennen.« Er lachte fröhlich. »Ich liebe kluge Spitznamen. Lustig, wenn einer nach einem Schauspieler genannt wird, der für seine Nebenrollen berühmt ist! Das sagt viel darüber, was die Leute von einem Mann halten, findest du nicht?«

»Das stimmt. Ich habe Balbus Major zu meinem praefectus fabrum gemacht.«

Er blinzelte mit den blauen Augen. »Gar nicht dumm!«

Caesar musterte Pompeius unverhohlen von oben bis unten.

»Für einen alten Mann bist du recht gut in Form, Magnus«, stellte er grinsend fest.

»Vierundvierzig«, sagte Pompeius und schlug sich selbstzufrieden auf den flachen Bauch.

Er schien wirklich gut in Form zu sein. Die Sonne im Osten hatte seine Sommersprossen beinahe verschwinden lassen und das goldene Haar, das noch so dicht war wie eh und je, wie Caesar wehmütig feststellen mußte, noch heller gebleicht.

»Du mußt mir ausführlich berichten, was während meiner Abwesenheit in Rom alles passiert ist.«

»Und ich dachte, du hättest längst taube Ohren von dem Getöse, das sie hier veranstaltet haben.«

»Wie, von Ciceros eingebildetem Gequake? Pah!«

»Wart ihr nicht mal gute Freunde?«

»In der Politik hat ein Mann keine wirklichen Freunde«, stellte Pompeius fest. »Man kultiviert das Zweckmäßige.«

»Absolut richtig«, sagte Caesar lachend. »Du hast sicher gehört, wie ich Cicero mit dem alten Rabirius zugesetzt habe.«

»Ich bin froh, daß du ihm das Messer an die Kehle gesetzt hast. Der würde heute noch verkünden, daß seine Catilina-Geschichte wichtiger war als die Eroberung des Ostens! Cicero hat zweifellos seine Meriten. Aber er scheint immer noch zu glauben, daß wir alle die Zeit haben, so wie er tausend Seiten lange Briefe zu schreiben. Er hat mir letztes Jahr geschrieben, und ich habe ihm mit ein paar sehr persönlichen Zeilen geantwortet. Und was tut er? Regt sich darüber auf und behauptet, ich würde ihm die kalte Schulter zeigen! Der müßte mal in die Welt hinausgehen und eine Provinz regieren, dann würde er vielleicht lernen, was es für einen Mann alles zu tun gibt. Statt dessen lümmelt er hier in Rom auf seinem Sofa herum und gibt uns Militärs kluge Ratschläge, wie wir unsere Arbeit zu machen haben. Was hat er denn schon Großes geleistet, Caesar? Ein paar Reden im Senat und auf dem Forum gehalten und Marcus Petreius losgeschickt, damit er Catilina bezwingt.«

»Du sagst es, Magnus.«

»Na ja, und jetzt, wo sie entschieden haben, was mit Clodius passiert, müßte ich das Datum für meinen Triumphzug doch eigentlich gesagt bekommen. Diesmal war ich wenigstens so klug, meine Soldaten in Brundisium zu entlassen. Jetzt kann niemand behaupten, ich würde wie ein Erpresser auf dem Marsfeld sitzen.«

»Rechne nicht zu sehr mit einem baldigen Termin.«

Pompeius richtete sich auf. »Wie soll ich das verstehen?«

»Die boni arbeiten gegen dich, seit sie von deiner Rückkehr gehört haben. Sie wollen dir alles verweigern — die Ratifizierung deiner Abkommen im Osten, die Anerkennung für deine Veteranen. Ich vermute, sie werden versuchen, dich so lange wie möglich außerhalb des pomeriums festzuhalten. Wenn du erst einmal deinen Sitz im Senat eingenommen hast, dann kannst du auch wirkungsvoller gegen ihre Schachzüge vorgehen. Mit Fufius Calenus haben sie einen ausgezeichneten Volkstribun. Der ist fest entschlossen, gegen jeden Antrag, der zu deinen Gunsten gestellt wird, sein Veto einzulegen.«

»Ihr Götter, das können sie nicht machen! Caesar, was ist in die gefahren? Ich habe Roms Einkommen aus den östlichen Provinzen vermehrt, ich habe aus zwei Provinzen vier gemacht, aus jährlich achttausend Talenten vierzehntausend Talente! Und weißt du eigentlich, was das Schatzamt an Kriegsbeute kassiert hat? Zwanzigtausend Talente! Mein Triumphzug wird zwei Tage dauern, soviel Beute habe ich dabei, so viele Schlachten müssen auf Festwagen dargestellt werden! Asien ist der dritte Kontinent, auf dem ich triumphiert habe! Das hat vor mir noch keiner geschafft. Dutzende von Städten sind nach mir oder nach meinen Siegen benannt worden. Städte, die ich gegründet habe! Könige gehören zu meinen Klienten!«

Tränen standen Pompeius in den Augen, er beugte sich nach vorn, damit sie zu Boden fallen konnten; es fiel ihm schwer zu glauben, daß sie nicht anerkennen wollten, was er erreicht hatte. »Ich verlange ja nicht, daß man mich zum König von Rom macht!« sagte er und wischte sich ungeduldig die Tränen ab. »Was ich verlange, ist ein Klacks gegen das, was ich ihnen gegeben habe!«

»Ja, das stimmt«, sagte Caesar. »Sie wissen genau, daß sie so etwas nicht selber leisten könnten, aber sie wollen niemandem Anerkennung dafür zollen.«

»Und obendrein bin ich ein Picener.«

»Das kommt noch dazu.«

»Und was wollen sie?«

»Dir das Rückgral, brechen, Magnus, das wollen sie«, antwortete Caesar leise.

»Weil sie selbst keines haben.«

»So ist es.«

Er ist kein Cicero, dachte Caesar, während er zusah, wie sein rötliches Gesicht einen harten Zug annahm. Dieser Mann könnte die boni mit einem einzigen Schlag seiner Pranke zerschmettern. Aber er würde es nicht tun. Am nötigen Rückgrat fehlte es ihm nicht. Ein ums andere Mal hatte er den Römern bewiesen, daß er sich fast alles traute. Aber irgendwo im tiefsten Winkel seines Selbst lauerte das uneingestandene Wissen darum, kein richtiger Römer zu sein. Die vielen Bündnisse mit Sullas Verwandten sprachen Bände, wie auch sein offenkundiges Bedürfnis, sich damit zu brüsten. Nein, ein Cicero war er nicht. Aber sie hatten ein paar Gemeinsamkeiten. Und Caesar, der ein richtiger Römer war — wie würde er reagieren, wenn die boni ihn so vor den Kopf stoßen würden, wie sie Pompeius Magnus vor den Kopf stießen? Würde er zu einem Sulla werden? Was würde ihn aufhalten? Könnte ihn überhaupt etwas aufhalten?

An den Iden des März brach Caesar schließlich nach Hispania Ulterior auf. Reduziert auf ein paar Worte und Zahlen auf einem einzigen Blatt Pergament, war ihm sein stipendium von Lucius Piso persönlich überbracht worden, und daran hatte sich ein fröhlicher Besuch bei Pompeius angeschlossen, bei dem Caesar vorsichtig versucht hatte, Pompeius davon zu überzeugen, daß Lucius Piso eine lohnende Bekanntschaft war. Der treue Burgundus, inzwischen ergraut, holte die wenigen Dinge, die Caesar brauchte: ein gutes Schwert, eine gute Rüstung, gute Stiefel, gute Regenkleidung, gute Bekleidung für Schnee, gutes Reitzeug, zwei Söhne seines alten Schlachtrosses Paarzeh (beide mit Paarzehen anstelle ungeteilter Hufe), Wetzsteine, Rasiermesser, Messer, Werkzeug und einen breitkrempigen Hut gegen die südspanische Sonne, wie Sulla ihn getragen hatte. Nein, es war wirklich nicht viel. Das alles hatte, von den Pferden einmal abgesehen, in drei mittelgroßen Kisten Platz. Luxus wartete in den Palästen des Statthalters in Castulo und in Gades zur Genüge auf ihn.

Und so segelte Gaius Julius Caesar von Ostia los, zusammen mit Burgundus, ein paar tüchtigen Dienern und Schreibern, Fabius und seinen elf Liktoren in blutroten Togen, die Axt im Rutenbündel, und — versteckt in einer Sänfte — Prinz Masintha. Er hatte sich ein Segelschiff gemietet, das dem Gepäck, den Maultieren und den Pferden ausreichend Platz bot. Diesmal würden sie keinen Piraten begegnen. Pompeius der Große hatte sie von den Meeren gejagt.

Pompeius der Große... Caesar lehnte an der Heckreling zwischen den beiden riesigen Ruderstöcken und sah zu, wie die Küste Italiens langsam hinter dem Horizont verschwand; er war in Aufbruchstimmung, seine Gedanken entfernten sich immer mehr von der Heimat und den Menschen dort. Pompeius der Große. Caesar hatte eine nützliche, fruchtbare Zeit mit ihm verbracht; kein Zweifel, seine Zuneigung zu diesem Mann war mit den Jahren gewachsen. Oder war etwa Pompeius gewachsen?

Nein, Caesar, nur keinen Groll. Er verdiente keinen Groll, für nichts was er getan hatte. Ganz egal, wie schwer es ihm gefallen war, Pompeius die halbe Welt erobern zu sehen — er hatte nun einmal die halbe Welt erobert. Gib dem Mann, was ihm gebührt. Das Problem beim Wachsen ist: Man läßt alles andere hinter sich — wie die Küste Italiens. Nur wenige Menschen wachsen. Wenn sie einmal Boden unter den Füßen haben, sind sie zufrieden und bleiben, wie sie sind. Aber Caesar vertraute dem Boden nicht, auf dem er stand, und über ihm war die Unendlichkeit. Das lange Warten war vorüber. Er fuhr nach Spanien, um endlich eine richtige Armee zu befehligen; er würde eine lebendige Maschine bekommen, eine Maschine, die, wenn sie erst in den richtigen Händen — in seinen Händen — wäre, niemand aufhalten, zerstören und aufreiben könnte. Nach einem großen militärischen Kommando hatte er sich gesehnt, seit er als kleiner Junge zu Füßen des alten Gaius Marius gekauert und wie gebannt den Geschichten dieses hervorragenden Meisters der Kriegskunst gelauscht hatte. Aber bis zu diesem Moment war ihm nicht bewußt gewesen, wie sehnsüchtig, mit welcher Leidenschaft er diesem Kommando entgegengefiebert hatte.

Er würde ein römisches Heer sammeln und die Welt erobern, denn er glaubte an Rom, er glaubte an seine Götter. Und er glaubte an sich selbst. Er war die Seele einer römischen Streitmacht. Und nichts wäre je imstande, ihn aufzuhalten, zu vernichten oder aufzureiben.