Diese Voraussage bestätigten die Zenturien fünf Tage vor den Iden des Quinctilis: Caesar erhielt das Amt des Ersten Konsuls in einem überwältigenden Wahlsieg: er erhielt praktisch die gesamten Stimmen jeder einzelnen Zenturie. Bibulus mußte viel länger warten, da die Abstimmung für den zweiten Posten nicht öffentlich verlief. Die Prätoren waren eine Enttäuschung für die Triumvirn, wenngleich sie sich nach dem Prozeß des Gaius Rabirius der Unterstützung von Saturninus Neffen sicher sein konnten, und auch kein geringerer als Quintus Fufius Calenus, den seine Schulden allmählich in Bedrängnis brachten, Annäherungsversuche machte. Die Zusammensetzung des neuen Volkstribunenkollegiums erwies sich ebenfalls als problematisch. Metellus Scipio hatte sich zur Kandidatur entschlossen, womit die boni nun vier zuverlässige Verbündete unter den Tribunen hatten — Metellus Scipio, Quintus Ancharius, Gnaeus Domitius Calvinus und Gaius Fannius. Andererseits hatten die Triumvirn Publius Vatinius und Gaius Alfius Flavus, und zwei starke Volkstribunen auf ihrer Seite würden ihnen reichen.

Dann begann das lange und ermüdende Warten auf das neue Jahr, was durch die Tatsache, daß Pompeius die Hände gebunden waren, nicht eben leichter wurde. Cato und Bibulus plusterten sich auf wie Pfauen und prophezeiten jedem der es hören wollte, daß Caesar nichts erreichen würde. Ihre Gegensätzlichkeit war quer durch alle Klassen bekannt geworden, wenn auch nur wenige Bürger der unteren Klassen verstanden, worum es wirklich ging. Man spürte, daß sich in der Ferne ein politisches Unwetter zusammenbraute.

Alles verlief nach Plan: Als designierter Konsul besuchte Caesar den Senat an allen Versammlungstagen, äußerte jedoch nur selten seine Meinung; ansonsten widmete er seine Zeit ausschließlich dem Entwurf eines neuen Gesetzes zur Landverteilung für Pompeius’ Veteranen. Im November schließlich sah er keinen Grund mehr, warum er und Pompeius ihr Geheimnis länger hüten sollten. Sollten die boni sich doch fragen, welche Rolle sie füreinander spielen mochten; es war an der Zeit, ein wenig Druck auszuüben. Und so schickte Caesar Balbus im Dezember zu Cicero, mit der Absicht, dessen Unterstützung für das Landverteilungsgesetz zu gewinnen. Wenn nicht Cicero verbreiten würde, was in der Luft lag, dann niemand.

Onkel Mamercus starb, was Caesar sehr betrübte. Mamercus hinterließ ein freies Amt im Priesterkollegium.

»Das Amt«, meinte Caesar zu Crassus nach dem Begräbnis »könnte für uns von Nutzen sein. Ich hörte, Lentulus Spinther würde zu gerne Oberpriester werden.«

»Und wohl auch eine Chance haben, vorausgesetzt, er benimmt sich gesittet, nicht wahr?«

»Ja. Er hat Einfluß, wird früher oder später Konsul werden, und Hispania Citerior braucht einen Statthalter. Soviel ich weiß, leidet er sehr darunter, nach seiner Zeit als Prätor keine Provinz erhalten zu haben; wir könnten ihm daher vielleicht an Neujahr zu Hispania Citerior verhelfen. Besonders, wenn er bis dahin Oberpriester ist.«

»Wie willst du das zuwege bringen, Caesar? Immerhin ist die Liste der Kandidaten ziemlich lang.«

»Durch Manipulation natürlich. Ich wundere mich, daß du fragst. In einer Situation wie dieser erweist sich das Triumvirat als äußerst praktisch. Cornelia, Fabia, Velina, Clustumina, Teretina — schon fünf Tribus, ohne uns aus unserer Klasse herausbewegt zu haben. Natürlich wird Spinther bis zur Verabschiedung des Gesetzes zur Landverteilung warten müssen, vorher kann er nicht in seine Provinz gehen; doch ich glaube kaum, daß er Einwände haben wird. Der arme Bursche hat bisher immer eine untergeordnete Rolle gespielt, die boni haben verächtlich die Nase über ihn gerümpft. Doch es zahlt sich niemals aus, Männer zu übersehen, die einmal wichtig werden könnten.«

»Ich traf Celer gestern auf dem Forum«, sagte Crassus und blähte sich zufrieden auf, »und ich fand, daß er entsetzlich krank aussah.«

Caesar mußte lachen: »Er hat kein körperliches Leiden, Marcus. Seine Frau öffnet sich — in jeder nur möglichen Hinsicht — Catullus, dem Dichterknaben aus Verona. Der scheint übrigens mit den boni zu liebäugeln. Ich habe überzeugende Beweise dafür, daß er es war, der das Märchen von Publius Servilius’ Weinberg für Bibulus erfunden hat. Das klingt plausibel, denn Bibulus ist durch und durch Stadtmensch. Man muß schon aus der Provinz kommen, um sich so gut mit Vieh und Weinbergen auszukennen.«

»Dann hat sich Clodia also verliebt.«

»Heftig genug, um Celer zu beunruhigen.«

»Er täte gut daran, Pomptinus aus dem Amt zu entlassen und frühzeitig in seine Provinz zu ziehen. Für einen Soldaten hat Pomptinus seine Sache in Gallia Transalpina nicht besonders gut gemacht.«

»Unglücklicherweise liebt Celer seine Frau, Marcus; am liebsten würde er Rom gar nicht verlassen.«

»Nun, Clodia und Celer scheinen sich gegenseitig zu verdienen«, lautete Crassus’ Urteil.

Falls irgendwer es für bedeutsam hielt, daß es Pompeius war, den Caesar sich als Augur für die Neujahrsnachtwache auf dem Kapitol auserwählt hatte, so drang dies nicht an die Öffentlichkeit. Von Mitternacht bis zu dem Zeitpunkt, an dem das erste Licht am östlichen Himmel erstrahlte, standen Caesar und Pompeius in ihren scharlach- und purpurrotgestreiften Togen Rücken an Rücken, die Augen auf die himmlischen Gefilde gerichtet. Welches Glück für Caesar, daß das neue Jahr den Jahreszeiten um vier Monate voraus war; bedeutete dies doch, daß die Sternschnuppen im Sternbild des Perseus ihre Funken über das schwarze Himmelsgewölbe sprühten. Omen und Auspizien gab es viele, darunter auch einen Blitz aus einer Wolke, die von der linken Seite kam. Eigentlich hätten auch Bibulus und sein augurischer Helfer anwesend sein sollen; doch selbst in diesem Fall war Bibulus darauf bedacht gewesen, zu demonstrieren, daß er mit Caesar nicht zusammenarbeiten würde. Statt dessen stellte er die Auspizien in seinem eigenen Haus an, was ungewöhnlich, doch durchaus korrekt war.

Anschließend begaben sich der Erste Konsul und sein Freund in ihre Häuser, um die Gewänder für den Tag anzulegen: Pompeius sein Triumphgewand, das er nun auch zu allen festlichen Gelegenheiten, nicht bloß bei den Spielen, tragen durfte; und Caesar eine frisch gewebte, strahlend weiße toga praetexta, die nicht mit tyrischem, sondern mit dem gleichen, schlichten Purpur verbrämt war wie in den Anfangszeiten der Republik; damals waren die Julier so berühmt gewesen, wie sie es nun, fünfhundert Jahre später, wieder waren. Pompeius trug den goldenen Ring der Senatoren, Caesars Ring war aus Eisen, wie der der Julier in den alten Zeiten. Er trug seinen Kranz aus Eichenblättern und die Scharlach- und purpurrotgestreifte Tunika des Pontifex Maximus.

Es war wahrhaftig kein Vergnügen, mit Bibuius an seiner Seite den Clivus Capitolinus zu erklimmen, denn der wurde nicht müde, ihm keuchend zu versichern, er werde nichts erreichen; und wenn es ihn das Leben koste, er werde dafür sorgen, daß Caesars Konsulat als Meilenstein der Passivität, ja der Trivialität in die Geschichte einginge. Es war auch kein Vergnügen, mit Bibulus an seiner Seite auf dem Elfenbeinstuhl Platz zu nehmen, während die Senatoren und die Ritter, die Familie und die Freunde ihnen zujubelten und sie priesen. Doch Caesar hatte wieder Glück: sein makelloser, weißer Bulle gab sich der Opferung willig hin, wogegen Bibulus’ Bulle schwerfällig niederfiel, wieder hochzukommen suchte und die Toga des Zweiten Konsuls Bibulus mit Blut bespritzte. Ein schlechtes Omen!

Anschließend, im Tempel des Jupiter Optimus Maximus, war es Caesar, der als Erster Konsul eine Sitzung des Senats einberief, Caesar, der als Erster Konsul die feriae Latinae festlegte, Caesar, der als Erster Konsul die Provinzen der Prätoren ausloste. Kein Wunder, daß Lentulus Spinther unter diesen Umständen Hispania Citerior als Provinz erhielt.

»Es wird noch weitere Veränderungen geben«, sagte der Erste Konsul mit seiner gewohnt tiefen Stimme, da die cella, in der die Statue des Jupiter Optimus Maximus stand, akustisch gut genug für jedes Stimmvolumen war. »In diesem Jahr will ich zu einer alten Sitte aus den Anfängen der Republik zurückkehren; meine Liktoren sollen mir während der Monate, in denen ich nicht die Amtsgeschäfte führe, folgen statt vorangehen.«

Ein anerkennendes Raunen ging durch den Saal, das schnell in einen Laut schockierter Mißbilligung überwechselte, als Bibulus wütend zischte: »Mach, was du willst, Caesar, mir ist es einerlei! Erwarte aber nicht von mir, daß ich mich nach dir richte!«

»Das würde ich nie tun, Marcus Calpurnius!« sagte Caesar gelassen und spielte auf Bibulus’ Unhöflichkeit an, indem er ihn bei seinem Vornamen nannte.

»Sonst noch was?« fragte Bibulus und verfluchte seinen kleinen Wuchs.

»Etwas, das eigentlich nicht dich betrifft, Marcus Calpurnius. Ich habe einen langen Werdegang in diesem Hause hinter mir, sowohl im Senat als auch im Dienst an Jupiter Optimus Maximus, in dessen Tempel wir uns gerade hier versammeln. Als Hamen Dialis habe ich in meinem sechzehnten Lebensjahr begonnen, um dann, nach einer Pause von weniger als zwei Jahren, hierher zurückzukehren, weil man mich mit der Bürgerkrone auszeichnete. Erinnerst du dich an jene Monate vor Mitylene, Marcus Calpurnius? Du warst auch dort, doch dir verlieh man keine Bürgerkrone. Und jetzt, mit vierzig Jahren, bin ich Erster Konsul, das heißt, ich bin seit dreiundzwanzig Jahren Mitglied des römischen Senats.«

Sein Tonfall wurde jetzt energisch und geschäftsmäßig. »Im Laufe dieser dreiundzwanzig Jahre, versammelte Väter, wurde ich Zeuge einiger positiver Veränderungen, die die Verfahrensweisen des Senats betrafen; hervorzuheben ist besonders das regelmäßige wortwörtliche Protokoll unserer Sitzungen. Leider lassen längst nicht alle die Debatten mitschreiben, doch ich und andere ernsthafte Politiker tun es. Wie dem auch sei, die Protokolle verschwinden irgendwann in den Archiven. Ich habe auch erlebt, wie sie das eine oder andere Mal recht wenig Änlichkeit mit dem Gesagten aufwiesen.«

Caesar hielt inne, um in die dicht geschlossene Reihe der Gesichter zu blicken. Niemand legte am Neujahrstag Wert auf Sitztribünen, da die Versammlung für gewöhnlich kurz war und Stellungnahmen ausschließlich dem Ersten Konsul vorbehalten waren.

»Denkt auch an das Volk. Die meisten unserer Versammlungen werden bei weit geöffneten Türen abgehalten; auf diese Weise ermöglichen wir einer kleiner Anzahl interessierter Bürger, uns von draußen zuzuhören. Was dann geschieht, ist unvermeidbar. Derjenige, der ganz vorne steht, gibt das, was er verstanden hat, an jene weiter, die nichts hören können; und wenn die Welle erst beginnt, sich draußen, auf dem Forum fortzubewegen, dann ist es um die Zuverlässigkeit der Information geschehen. Verdrießlich für die Leute, aber auch für uns. Ich schlage daher zwei Verbesserungen bezüglich unserer Sitzungsprotokolle vor. Die erste betrifft sowohl die offenen als auch die geschlossenen Versammlungen. Ich möchte, daß die Schreiber ihre Mitschriften von jetzt an auf Papier übertragen, und daß die Konsuln und Prätoren — sofern sie bei der betreffenden Versammlung anwesend sind — das geschriebene Protokoll sorgfältig lesen und anschließend abzeichnen. Der zweite Vorschlag zur Verbesserung bezieht sich ausschließlich auf offene Sitzungen. Das Sitzungsprotokoll sollte, geschützt vor unfreundlicher Witterung, an einem für öffentliche Bekanntmachungen geeigneten Ort im Forum ausgehängt werden. Diese Vorschläge mache ich in unser aller Interesse, ganz gleich, in welchem politischen Lager wir uns befinden mögen. Diese Verbesserungen sind für Marcus Calpurnius ebenso von Bedeu tung wie für Gaius Julius, für Marcus Porcius ebenso wie für Gnaeus Pompeius.«

»Ich halte deine Empfehlung für eine ausgezeichnete Idee«, sagte kein anderer als Metellus Celer. »Ich glaube kaum, daß deine Gesetze meine Unterstützung finden werden, doch diesen Antrag unterstütze ich. Daher empfehle ich dem Senat, daß er dem Vorschlag des Ersten Konsuls wohlgesonnen gegenüberstehen möge.«

Als abgestimmt wurde, gingen alle Anwesenden — von Bibulus und Cato abgesehen — auf die rechte Seite hinüber. Sicher nichts Weltbewegendes, nein, aber ein Anfang war gemacht.

»Auch das Bankett im Anschluß an die Sitzung war ein Erfolg«, erzählte Caesar seiner Mutter am Ende dieses langen Tages.

Natürlich erfüllte Aurelia ein solcher Sohn mit Stolz. All die Jahre hatten sich gelohnt. Sieben Monate vor seinem einundvierzigsten Geburtstag war er nun Erster Konsul des Senats und des Volkes von Rom geworden. Das Schreckgespenst seiner Schulden hatte sich verflüchtigt, als er aus Hispania Ulterior mit genügend Geldmitteln zurückgekehrt war, um sich mit seinen Gläubigern zu einigen. Der gute kleine Balbus war, beladen mit Papieren, von Büro zu Büro gelaufen und hatte ihn aus seiner Schuldenlast herausgehandelt. Kaum faßbar. Aurelia hatte immer gefürchtet, Caesar werde auch noch den letzten Sesterz seiner über Jahre angehäuften Zinseszinsen zahlen müssen; doch Balbus wußte, wie man handelseinig wurde. Reserven waren zwar am Ende keine übrig, so daß Caesar sich keinen Rückfall in seine lasterhafte Verschwendungssucht leisten konnte. Fürs erste aber war er schuldenfrei. Ferner bezog er jetzt ein staatliches Einkommen und war Besitzer eines wunderbaren Hauses.

Aurelia dachte nur noch selten an ihren Mann, der nun schon fünfundzwanzig Jahre tot war. Prätor war er gewesen, doch niemals Konsul. Den Lorbeerkranz hatten sein älterer Bruder und ein anderer Zweig der Familie errungen. Wer hätte je geahnt, daß es Gefahr bedeuten kann, wenn man sich bückt, um seinen Schuh zuzubinden? Wer konnte sich das Grauen vorstellen, als sie dem Boten öffnete, der ihr die Asche ihres Mannes überreichte? Sie hatte nicht einmal gewußt, daß er schon tot war. Mag sein, er hätte Caesar stark gebremst, wenn er noch lebte; obschon sie selbst wußte, daß ihr Sohn Caesar, seinem Wesen nach, nicht leicht zu bremsen war. Gaius Julius, mein geliebter Mann, unser Sohn ist heute Erster Konsul geworden; er wird ein Zeichen setzen wie kein anderer Julius Caesar vor ihm. Und Sulla, was hätte Sulla wohl gedacht? Er war der andere Mann in ihrem Leben, obwohl sie beide niemals unbedacht gehandelt hatten, von einem einzigen Kusse abgesehen. Wie ich für ihn gelitten habe, den armen gequälten Mann! Beide fehlen sie mir. Dennoch ist das Leben gut zu mir gewesen. Zwei Töchter, zufriedenstellend verheiratet, und dieser — dieser Gott von einem Sohn! Aber wie einsam er doch ist. Früher einmal hatte ich ja gehofft, daß Gaius Matius aus der anderen Erdgeschoßwohnung meines Mietshauses der Freund und Vertraute werden würde, der ihm fehlt. Doch Caesar stürmte ihm davon. Wird das immer so sein? Gibt es denn niemand, der ihm ebenbürtig wäre? Wie sehr wünschte ich, er fände eines Tages einen wahren Freund. Leider wohl nie in einer Frau; uns Frauen mangelt es sowohl an Weitblick als auch an Erfahrungen im öffentlichen Leben, den Qualitäten also, die er in einem wahren Freund suchen würde. Doch die Verleumdungsgeschichte über ihn und König Nicomedes hat zur Folge, daß er niemals mehr einen Mann als Vertrauten akzeptieren wird; der Klatsch der Leute würde ihn nicht kalt lassen. In all den Jahren hat es nie ein weiteres Gerücht gegeben. Man sollte meinen, das sei ein Beweis. Doch auf dem Forum findet sich stets ein Bibulus. Und Sulla ist ihm eine Warnung. Ich wünschte Caesar, daß er anders altern möge als Sulla!

Nun ist mir endlich klar geworden, daß er Servilia niemals heiraten wird, daß die für ihn noch nie in Frage kam. Sie leidet sehr darunter, hat aber Brutus, an dem sie ihre Enttäuschung abreagiert. Armer Brutus, ich wünschte, Julia würde ihn lieben, doch das ist leider nicht der Fall. Ob die Verbindung gutgehen wird? Bei diesem Gedanken geriet ein Kügelchen im Abakus ihres Verstandes in Bewegung.

Doch sie fragte nur: »Hat Bibulus auch am Bankett teilgenommen?«

»O ja, er war da, genau wie Cato, Gaius Piso und die übrigen boni. Doch der Tempel des Jupiter Optimus Maximus ist sehr geräumig, und so ließen sie sich auf Liegen nieder, die so weit wie möglich entfernt von meiner standen. Catos geliebter Freund Marcus Favonius war der Mittelpunkt ihrer Gruppe, nachdem er es zu guter Letzt geschafft hat, Quästor zu werden.« Caesar kicherte. »Cicero hat mir erzählt, daß man Favonius überall im Forum nur Catos >Affen< nennt, zu köstlich! Äfft er doch Cato nach in jeder Hinsicht, trägt wie dieser nichts unter seiner Toga. Auch ähnelt sein Gang dem eines Affen. Wie gefällt die der Spitzname?«

»Er trifft sicher zu. Stammt er von Cicero?«

»Ich glaube schon, wenngleich er heute einen Anfall von Bescheidenheit hatte. Vermutlich mußte er Pompeius schwören, sich mir gegenüber höflich zu verhalten; und das ist ihm nach der Rabirius-Geschichte verhaßt.«

»Du klingst untröstlich«, sagte sie leicht ironisch.

»Cicero hätte ich gern auf meiner Seite, Mater, doch ich bin sicher, daß daraus nichts werden wird. Deshalb bin ich vorbereitet.«

»Worauf?«

»Auf jenen Tag, an dem er sich entschließen wird, mit seinem Splittergrüppchen den boni beizutreten.«

»Soweit würde er gehen? Pompeius Magnus sähe das nicht gern.«

»Ich glaube nicht, daß er bei den boni begeistert aufgenommen werden würde; ihnen mißfällt seine Eitelkeit ebenso wie meine. Aber du kennst ja Cicero. Er ist ein Grashüpfer mit einer losen Zunge, wenn es denn solch ein Tier gibt. Mal hier, mal dort, mal überall und unentwegt dabei, sich um Kopf und Kragen zu schwätzen. Publius Clodius und sein elfter Finger geben Zeugnis davon ab. Wahnsinnig komisch, aber nicht für Clodius oder Fulvia.«

»Wie wirst du Cicero begegnen, wenn er dein Gegner werden sollte?«

»Ich habe es Publius Clodius noch nicht gesagt, aber die Priesterkollegien haben zugesichert, daß Clodius Plebejer werden kann.«

»Hatte Celer keine Einwände dagegen? Er hat sich doch geweigert, Clodius als Volkstribun kandidieren zu lassen.«

»Celer ist ein hervorragender Advokat, doch was Clodius’ Status anbelangt, so ist ihm alles einerlei. Warum auch nicht? Clodius’ einzige Zielscheibe ist augenblicklich Cicero, der weder in den Priesterkollegien noch bei Celer Einfluß hat. Und es wird nicht mißbilligt, wenn ein Patrizier Plebejer werden will. Das Volkstribunat spricht nun mal Männer an, die, wie Clodius, den Hang zum Demagogen haben.«

»Und warum hast du Clodius nicht gesagt, daß du die Genehmigung für ihn erwirkt hast?«

»Ich bin nicht einmal sicher, ob ich es je tun werde. Er ist zu wankelmütig. Doch sollte Cicero mir Ärger machen, dann werde ich Clodius von der Leine lassen.« Caesar gähnte und streckte sich. »Oh, bin ich müde! Ist Julia da?«

»Nein, sie ist zu einem Abendessen für junge Mädchen eingeladen, und da es in Servilias Haus stattfindet, habe ich ihr erlaubt, die Nacht dort zu verbringen. Mädchen in Julias Alter können tagelang damit verbringen, zu schwätzen und zu kichern.«

»Julia wird siebzehn an den Nonen. Oh, Mater, wie die Zeit verfliegt! Ihre Mutter ist nun schon zehn Jahre tot.«

»Doch unvergessen«, sagte Amelia schroff.

»Ja, für immer.« Für einen Augenblick herrschte harmonisches Schweigen. Wenn Aurelia keine Geldsorgen bedrücken, ist der Umgang mit ihr ein Vergnügen, dachte Caesar.

Plötzlich hüstelte sie und schaute ihn mit einem eigentümlichen Schimmer in den Augen an. »Caesar, vor kurzem mußte ich einmal in Julias Zimmer gehen, um ihre Kleidung durchzusehen. Zum siebzehnten Geburtstag sollte ein Mädchen Kleidung geschenkt bekommen. Du könntest sie mit Schmuck beglücken — mein Vorschlag wären Ohrringe und ein Halsband aus schlichtem Gold. Doch meine Geschenke werden aus Kleidern bestehen. Ich weiß, daß sie die Stoffe eigentlich selber weben und auch nähen müßte — ich habe das in ihrem Alter noch getan —, aber leider ist sie ein Bücherwurm, sie liest viel lieber, als sich mit Handarbeiten zu beschäftigen. Ich habe es schon vor Jahren aufgegeben, sie dazu anzuhalten, es war den Kraftaufwand nicht wert. Was sie zustande brachte, war ein Armutszeugnis.«

»Mater, worauf willst du hinaus? Ich gebe keinen Pfifferling darauf, was Julia tut, wenn es nur einer Julierin würdig ist.«

Aurelia erhob sich, anstatt zu antworten. »Warte hier auf mich«, befahl sie und verließ Caesars Arbeitszimmer.

Er hörte, wie sie die Treppe zum oberen Stockwerk hinaufstieg, dann Stille, dann wieder das Geräusch von Schritten. Sie kam herein, die Hände hinter ihrem Rücken versteckt. Höchst amüsiert, versuchte Caesar, sie mit seinen Blicken aus der Fassung zu bringen, doch erfolglos. Dann stellte sie etwas vor ihn auf den Schreibtisch. Gebannt starrte er auf eine kleine Büste, die niemand anderen als Pompeius darstellte. Die hier war ungleich kunstvoller gemacht als jene, die er auf den Märkten gesehen hatte, obgleich auch sie ein Gipsabdruck war; die Ähnlichkeit war größer, die Farben weit geschickter aufgetragen.

»Ich habe sie inmitten ihrer Kinderkleider in einer Truhe gefunden; sie dachte wohl, daß niemand sie öffnen würde. Ich hätte es auch nicht getan, wenn mir nicht plötzlich eingefallen wäre, daß es zahllose kleine Mädchen in der Subura gibt, die Julias Kinderkleider gut gebrauchen könnten. Wir haben Julia nie verwöhnt, sie mußte oft die alten Kleider auftragen, wogegen andere, wie ihre Freundin Junia, an jedem Tag mit etwas Neuem glänzen. Doch Julia sah nie schäbig aus. Wie dem auch sei, ich hatte also vor, die Truhe leerzuräumen und Cardixa mit den Sachen in die Subura zu schicken. Als ich dann dies hier fand, beschloß ich, erst einmal abzuwarten.«

»Wieviel Geld gibst du Julia, Mater?« fragte Caesar, hob die Pompeiusbüste hoch und drehte sie in seinen Händen. Um seine Mundwinkel zuckte es, wenn er an all die jungen Mädchen dachte, die sich an den Markständen drängten, um angesichts des Konterfeis tief zu seufzen.

»Sehr wenig, so wie wir vereinbart hatten, als sie in das Alter kam, in dem man etwas Geld in seiner Börse haben sollte.«

»Was glaubst du, Mater, wieviel man für so etwas bezahlen muß?«

»Hundert Sesterzen mindestens.«

»Ja, das könnte hinkommen. Dann hat sie folglich all ihr Geld gespart, um diese Büste zu erstehen.«

»So muß es wohl gewesen sein.«

»Was folgerst du daraus?«

»Daß sie in Pompeius verliebt ist wie beinahe jedes Mädchen aus ihrem Kreis. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich in diesem Augenblick ein Dutzend junger Mädchen schmachtend um Pompeius’ Abbild drängt, während Servilia schlafen will und Brutus sich mit seinem neuersten Epitom abplagt.«

»Für jemand, der in seinem ganzen Leben nie unbesonnen gewesen ist, ist deine Kenntnis menschlichen Verhaltens erstaunlich, Mater.«

»Die Tatsache, daß ich selbst stets zu vernünftig war, um Dummheiten zu machen, bedeutet nicht, daß ich nicht in der Lage wäre, sie bei anderen wahrzunehmen. Immerhin bin ich ihre Großmutter! Als ich das da fand«, sie deutete auf den Miniatur-Pompeius, »begann ich über Julia in einer Weise nachzudenken, wie ich es bis dahin nie getan hatte. Wir beide, du und ich, vergessen gern, daß sie schon fast erwachsen ist. Nächstes Jahr um die gleiche Zeit wird Julia achtzehn sein und Brutus heiraten. Doch je älter sie wird und je näher diese Hochzeit rückt, desto mehr Zweifel hege ich.«

»Warum?«

»Sie liebt ihn nicht.«

»Liebe war nie Bestandteil des Vertrages, Mater«, sagte Caesar freundlich.

»Das weiß ich auch, doch bin ich nicht anfällig für Sentimentalitäten. Ich bin auch jetzt nicht sentimental. Du kennst Julia nur oberflächlich, es kann nicht anders sein. Du siehst sie häufig, doch dir zeigt sie ein ganz anderes Gesicht als mir. Sie betet dich an, glaub mir. Wenn du sie bitten würdest, sich einen Dolch in die Brust zu stoßen, sie würde es wahrscheinlich tun.«

Er rutschte unbehaglich hin und her. »Mater, ich bitte dich!«

»Nein, es ist wahr. Würdest du Julia zu etwas Derartigem auffordern, sie würde davon ausgehen, daß es für dein zukünftiges Wohlergehen unabläßlich sein muß. Sie ist wie Iphigenie von Aulis. Könnte ihr Tod die Winde in Bewegung setzen und die Segel deines Lebens damit füllen, so würde sie, ohne an sich zu denken, sterben. Und diese Haltung«, sagte Aurelia vorsichtig, »nimmt sie auch hinsichtlich ihrer Heirat mit Brutus ein, davon bin ich überzeugt. Sie wird ihn heiraten, um es dir recht zu machen, wird ihm fünfzig Jahre lang eine vollkommene Ehefrau sein, falls er so lange leben sollte. Doch dieses Zusammenleben wird sie nie glücklich machen.«

»Nein, das ist unerträglich!« rief er und stellte die Büste zurück auf den Tisch.

»Da stimme ich dir zu.«

»Sie hat mir gegenüber nie etwas verlauten lassen.«

»Das wird sie auch nicht tun. Brutus ist das Oberhaupt einer sehr reichen und alten Familie. Wenn sie ihn heiratet, verbindet sie seine Familie mit unserer, dessen ist sie sich wohl bewußt.«

»Ich werde morgen mit ihr sprechen«, sagte er entschieden.

»Nein, Caesar, tu das nicht. Sie wird dann nur vermuten, daß du um ihren Widerwillen weißt, und wird alles abstreiten.«

»Was soll ich denn sonst tun?«

Ein Ausdruck von verstohlener Genugtuung erschien auf Aurelias Gesicht; sie lächelte und schnurrte dabei vor Behagen wie eine Katze. »Wenn ich du wäre, mein Sohn, so würde ich den armen, einsamen Pompeius Magnus zu einem hübschen kleinen Familienessen laden.«

Das Erstaunen, das sich in Caesars Augen widerspiegelte, ging alsbald in lautes Lachen über.

»Mater, Mater«, sagte er, sobald er wieder Worte finden konnte, »was würde ich nur ohne dich anfangen? Julia und Magnus? Du glaubst, das wäre denkbar? Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich ihn an mich binden könnte, doch diese Lösung wäre mir nie eingefallen. Du hast wohl recht, wir nehmen sie noch nicht für voll. Als ich nach Hause zurückkehrte, war Brutus da — und sie als Paar zu sehen, war eine Selbstverständlichkeit für mich.«

»Es wäre eine Möglichkeit, wenn Liebe mit im Spiel ist, andernfalls nicht«, sagte Aurelia. »Überstürze daher nichts und verrate keinem von den beiden — sei es mit Worten oder Blicken — den Grund dieses Treffens.«

»Nein, nein, natürlich nicht. Wann soll es stattfinden?«

»Du solltest warten, bis das Gesetz zur Landreform beschlossen ist — wie immer es auch ausgehen mag. Und dräng Pompeius nicht, auch nach dem Treffen nicht.«

»Julia ist schön und jung, und sie ist eine Julierin. Magnus wird unmittelbar nach dem Essen um ihre Hand anhalten.«

Aurelia schüttelte den Kopf. »Magnus wird überhaupt nicht fragen.«

»Und warum nicht?«

»Aus einem Grund, den mir Sulla enthüllte. Pompeius scheint sich immer schon davor gescheut zu haben, um die Hand einer Prinzessin anzuhalten. Denn das ist unsere Julia, Caesar — eine Prinzessin. Die höchstgeborene in Rom. Nicht einmal eine ausländische Königin wäre ihr in Pompeius’ Augen ebenbürtig. Und deshalb wird er auch nicht an dich herantreten, er hat zu große Angst, er könnte abgewiesen werden. Das jedenfalls war Sullas Meinung — Pompeius würde lieber Junggeselle bleiben, als die Verletzung seiner dignitas in Kauf zu nehmen. Er wartet wohl darauf, von jemandem, der eine solche Tochter hat, gefragt zu werden. Du wirst ihn fragen müssen, Caesar, nicht umgekehrt. Doch dann soll er sich erst einmal richtig nach Julia sehnen. Er weiß, daß sie mit Brutus verlobt ist. Wir werden sehen, was geschieht, wenn sie sich treffen, doch laß es nicht zu bald geschehen.«

Aurelia stand auf und nahm Pompeius’ Büste von Caesars Schreibtisch. »Ich bringe sie zurück.«

»Nein, stelle sie auf ein Regal neben ihrem Bett, und gib ihre Kleider fort«, sagte Caesar. Er lehnte sich zurück und schloß zufrieden seine Augen.

»Sie wird sich gedemütigt fühlen, wenn sie erfährt, daß ich ihr Geheimnis entdeckt habe.«

»Nicht, wenn du sie dafür tadelst, Geschenke von einem Mädchen wie Junia anzunehmen, das über zuviel Geld verfügt. Auf diese Weise kann sie sich auch weiterhin in Pompeius Magnus’

Anblick verlieren, ohne ihren Stolz einzubüßen.«

»Geh schlafen«, sagte Aurelia an der Tür.

»Das habe ich auch vor. Und dank dir werde ich wie ein vom Singsang der Sirenen betörter Seemann in Tiefschlaf sinken.«

»Ob du es mit den Alliterationen nicht ein wenig übertreibst?«

Am zweiten Tag des Januar legte Caesar dem Senat sein Gesetz zur Landreform vor, um es begutachten zu lassen. Dem gesamten Hause schauderte beim Anblick der fast dreißig großen Buchbehälter. Was als normale Länge eines Gesetzestextes galt, schien jetzt, im Vergleich, lächerlich kurz zu sein; die lex Iulia agraria umfaßte gut hundert Kapitel.

Da es sich bei dem Versammlungsort der Curia Hostilia um einen akustisch ungünstigen Raum handelte, sprach der Erste Konsul in einer hohen Stimmlage; er gab dem Senat von Rom einen bewundernswert knappen und doch umfassenden Abriß dieses gewaltigen Dokuments, das einzig seinen Namen trug. Wie überaus bedauerlich, daß Bibulus sich so unkooperativ verhielt, es hätte sonst eine lex Calpurnia agraria werden können.

»Meine Schreiber haben dreihundert Abschriften des Gesetzentwurfes angefertigt, mehr waren nicht möglich in der kurzen Zeit«, sagte er. »Es ist aber für je zwei Senatoren eine Abschrift vorhanden, zusätzlich stehen fünfzig für das Volk zur Verfügung. Ich werde draußen vor der Basilica Aemilia einen Stand mit einem Rechtsgehilfen und einem Assistenten einrichten lassen, damit diejenigen Bürger, die den Entwurf sorgfältig lesen und Fragen stellen möchten, hierzu die Gelegenheit erhalten. Im Anhang jeder Abschrift befindet sich eine Zusammenfassung mit sachdienlichen Erläuterungen zu den einzelnen Kapiteln, für den Fall, daß manche Leser oder Fragesteller an gewissen Vorschriften stärker interessiert sind als an anderen.«

»Das ist doch nicht dein Ernst!« spöttelte Bibulus. »So etwas würde man ja nicht einmal lesen, wenn es nur halb so lang wäre!«

»Ich hoffe ernsthaft, daß es jeder lesen wird«, sagte Caesar mit erhobenen Brauen. »Ich will Kritik und hilfreiche Verbesserungsvorschläge, ich will wissen, wo die Schwächen liegen.« Er warf einen strengen Blick in die Runde. »Bei einem Witz mag die Würze in der Kürze liegen; kurze Gesetze aber, deren Inhalt ausführlicher Erklärungen bedarf, sind schlechte Gesetze. Jede Eventualität muß überprüft und kommentiert werden. Unanfechtbare Gesetzgebung ist immer umfangreich. Knapp gefaßte Gesetzesvorlagen werdet ihr von mir nur selten zu Gesicht bekommen, versammelte Väter. Doch jeder einzelne Gesetzentwurf, den ich euch vorzulegen beabsichtige, wird von mir höchstpersönlich so entworfen werden, daß er alle vorhersehbaren Möglichkeiten in Betracht zieht.«

Er machte eine Pause, um Kommentare abzuwarten, doch niemand meldete sich zu Wort. »Italien ist Rom, damit wir uns nicht falsch verstehen. Das Gemeinland von Italiens Städten und Freistädten gehört zu Rom, und unseren Kriegen und der Abwanderung zahlreicher Bewohner haben wir es zu verdanken, daß es quer über unsere Halbinsel Landstriche gibt, die ebenso ungenutzt und unterbevölkert sind wie das gesamte moderne Griechenland. Die Stadt Rom hingegen leidet bereits unter Überbevölkerung. Die Getreidezuteilung stellt eine zu große Belastung für das Schatzamt dar, womit ich keinesfalls das Gesetz Marcus Porcius Catos kritisiert haben möchte. Denn meiner Meinung nach hat er damit eine ausgezeichnete Maßnahme getroffen. Ohne dieses Gesetz hätte es Aufruhr und allgemeine Unruhe gegeben. Und dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß wir, statt Gelder in GetreideAlmosen zu investieren, die stetig wachsende Population Roms abbauen müssen; beispielsweise sollten wir es den Armen möglich machen, dem Heer beizutreten.

Zusätzlich sind da etwa fünfzigtausend Veteranen, die durch das Land und auch durch diese Stadt ziehen. Sie stehen in der Mitte ihres Lebens und haben nicht genügend Mittel, um sich niederzulassen und ein friedvolles Leben zu führen. Es handelt sich dabei um durchaus arbeitswillige Bürger, die in der Lage wären, in geordneten familiären Verhältnissen Nachwuchs zu erzeugen; sie könnten Rom mit den Soldaten der Zukunft versorgen anstatt mit vaterlosen Bälgern, die am Rockschoß ihrer mittellosen Mütter hängen. Wenn wir aus unseren Eroberungen auch sonst keine Lehre gezogen haben mögen, so doch die eine: daß es die Römer sind, die am besten kämpfen, die Römer, die dem Feldherrn seine Siege bescheren, die Römer, die mit Gleichmut hinnehmen, daß eine zehnjährige Belagerung vor der Tür steht, die Römer, die es schaffen, nach Verlusten wieder auf die Beine zu kommen und erneut zu kämpfen.

Ich schlage ein Gesetz vor, das jedes iugerum Gemeinland in Italien aufteilt, mit Ausnahme der zweihundert Quadratmeilen des Ager Campanus und der fünfzig Quadratmeilen, die zu der Stadt Capua, dem Hauptübungsplatz für unsere Legionen, gehören. Der Staatsgrund, der zu Orten wie Volaterrae und Arretium gehört, ist daher ebenfalls betroffen. Wenn ich in Kürze meine Grenzsteine entlang der Viehpfade Italiens errichten werde, möchte ich sichergehen, daß sie den Großteil der Staatsländereien einschließen, die auf der Halbinsel außerhalb Campanias zur Verfügung stehen. Warum nicht auch die campanischen Gebiete, höre ich euch fragen. Ganz einfach, weil sie schon seit langer Zeit verpachtet sind und es für ihre Pächter unzumutbar wäre, ohne sie auszukommen. Darunter fällt natürlich auch der zu Schaden gekommene Ritter Publius Servilius, der, wie ich hoffe, seine Weinreben längst wieder angebaut und mit so viel Jauche gedüngt hat, wie diese zarten Pflänzchen es vertragen können.«

Nicht einmal das rief eine Reaktion hervor! Da Bibulus’ kurulischer Stuhl ein wenig hinter Caesars stand, konnte er sein Gesicht nicht sehen, fand es jedoch interessant, daß er schweigsam blieb. Auch Cato hatte offensichtlich nichts zu sagen.

»Auch ohne daß wir jemanden enteignen müßten, der gegenwärtig unseren ager publicus unter Bedingungen einer früheren lex agraria innehat, wird man meiner Schätzung nach von dem öffentlich verfügbaren Land circa dreißigtausend Berechtigten je zehn iugera zuteilen können. Dann bleibt aber noch die Aufgabe, genügend Land für weitere fünfzigtausend Bürger aufzutreiben, Land, das sich momentan in Privatbesitz befindet. Ich gehe davon aus, daß wir fünfzigtausend Veteranen sowie dreißigtausend Arme der Stadt Rom unterzubringen haben. Wenn man die nur geschätzte Zahl von Veteranen, die sich in Rom aufhalten, einmal beiseite läßt, so werden dreißigtausend Arme, die man in ländliche Gebiete verlegt, aufgrund der Getreidezuteilung das Schatzamt um siebenhundertzwanzig Talente pro Jahr erleichtern. Fügt man die etwas über zwanzigtausend Veteranen, die in Rom leben, hinzu, dann nähert sich Roms Entlastung der Summe an, die Marcus Porcius Catos Gesetz dem Schatzamt aufgebürdet hatte.

Doch selbst, wenn man den Erwerb von Privatbesitz in Erwägung zieht, könnte das Schatzamt aufgrund der ungeheuer angewachsenen Einkünfte aus den Ostprovinzen die notwendigen Gelder aufbringen — selbst dann, wenn beispielsweise die Steuerverträge um, sagen wir, ein Drittel reduziert werden müßten. Doch ich erwarte nicht, daß zwanzigtausend Talente Reingewinn, die Gnaeus Pompeius Magnus dem Schatzamt eingebracht hat, ausreichen, um Land zu erwerben, weil Quintus Metellus Nepos Abgaben und Zolltarife gestrichen hat: eine großzügige Geste, mit der er Rom um Einkünfte betrogen hat, die es nun wirklich nicht entbehren kann.«

Kam jetzt eine Reaktion? Nein, wieder nicht. Nepos selbst war fort, um seine Provinz zu regieren, doch Celer saß unter den Konsularen. Höchste Zeit, daß auch er sich fortmachte, um seine Provinz Gallia Transalpina zu regieren.

»Wenn ihr meine lex agraria überprüft, so werdet ihr feststellen, daß sie mitnichten anmaßend ist. Denn weder übt sie Druck auf Grundbesitzer aus, noch sieht sie eine Minderung der Grundstückspreise vor. Der Preis des vom Staat angekauften Grundes orientiert sich an dem Wert, den unsere teuren Zensoren Gaius Scribonius Curio und Gaius Cassius Longinus geschätzt haben. Bestehende Besitzurkunden werden als legal anerkannt, ohne die Möglichkeit, sie später anzufechten. Mit anderen Worten: Hat ein Mann seine Grenzsteine verschoben, ohne daß einer Anstoß daran nahm, dann legen diese Steine die Größe seines Grundbesitzes fest, wenn er verkaufen will. Kein Nutznießer einer staatlichen Landzuweisung wird diese in den nächsten zwanzig Jahren verkaufen oder verlassen können.

Und schließlich, versammelte Väter, empfiehlt dieses Gesetz, daß die Entscheidung über Ankauf und Zuteilung von Land bei einer Kommision von zwanzig älteren Rittern und Senatoren liegen sollte. Wenn dieses Haus mir einen Senatsbeschluß übergibt, den ich der Volksversammlung vorlegen kann, dann wird es auch das Vorrecht haben, die zwanzig Ritter und Senatoren zu bestimmen. Erhalte ich den Senatsbeschluß nicht, dann bleibt dies Recht dem Volke vorbehalten. Es wird zudem ein Komitee von fünf Konsularen geben, welches die Arbeit der Kommisionsmitglieder überwacht. Ich selber übernehme weder in der Kommision noch im Komitee eine Funktion. Ich möchte keinerlei Verdacht erwecken, daß Gaius Julius Caesar darauf aus ist, sich zu bereichern oder Patron derjenigen zu werden, welche die lex Iulia agraria umsiedelt.«

Caesar seufzte, lächelte dann und hob die Hände. »Genug für heute, verehrte Mitglieder dieses Hauses. Ich gebe euch zwölf Tage Zeit, um den Entwurf zu lesen und euch auf die Debatte vorzubereiten; das heißt, die nächste Sitzung, in der es um die lex Iulia agraria geht, wird in sechzehn Tagen vor den Kalenden des Februar stattfinden. Das Haus wird jedoch bereits in fünf Tagen wieder zusammenkommen, am siebten Tag vor den Iden des Januar.«

Er lächelte spitzbübisch. »Da ich kaum glauben kann, daß ihr, die ihr hier versammelt seid, an Überlastung leidet, habe ich die Auslieferung von zweihundertfünfzig Abschriften meines Gesetzentwurfes an die Privathäuser der zweihundertfünfzig ältesten Mitglieder des Senats veranlaßt. Denkt bitte auch an die jüngeren Mitglieder! Diejenigen unter euch, die rasch lesen, mögen doch ihre Abschrift weiterleiten, wenn sie fertig sind. Andernfalls sollten sich die Jüngeren unter euch an die Älteren wenden und um die Abschriften bitten.«

Mit diesen Worten löste Caesar die Versammlung auf und ging in der Begleitung von Crassus davon; als er an Pompeius vorbeikam, neigte er nur würdevoll den Kopf zum Gruß.

Cato dagegen, der den Versammlungsort mit Bibulus verließ, hatte jetzt mehr zu sagen als im Verlauf der Sitzung.

»Ich werde jede Zeile von jeder einzelnen dieser zahllosen Schriftrollen lesen, nur um die Haken zu finden«, verkündete er, »und dir, Bibulus, empfehle ich das gleiche, auch wenn es dir zuwider ist, Gesetzestexte zu lesen. Genaugenommen muß ihn jeder von uns lesen.«

»Er hat uns nicht viel Spielraum zur Kritik des Gesetzes gelassen, wenn es wirklich so solide ist, wie er sagt. Es wird keine Haken geben.«

»Du willst doch wohl nicht sagen, du befürwortest es?« donnerte Cato.

»Natürlich nicht!« fuhr Bibulus ihn an. »Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, daß es eher boshaft als konstruktiv wirken wird, wenn wir die Annahme des Gesetzes verhindern.«

Cato sah ihn verdutzt an. »Das macht dir doch nichts aus?«

»Eigentlich nicht; doch hatte ich gehofft, es würde sich um eine bearbeitete Version des Textes von Sulpicius oder Rullus handeln — etwas, was wir bemäkeln könnten. Es hat keinen Sinn, sich beim Volk verhaßter zu machen als notwendig.«

»Er ist zu gut für uns«, sagte Metellus Scipio düster.

»Nein, das ist er nicht!« rief Bibulus wütend. »Er wird nicht gewinnen, niemals!«

Fünf Tage später waren die asiatischen publicani Thema der Senatssitzung. Diesmal war Caesar nicht von Körben mit Papier umgeben, er hielt nur eine einzige Schriftrolle in der Hand.

»Die Angelegenheit ist nun seit gut einem Jahr aufgeschoben worden; in dieser Zeit hat eine Gruppe Steuerpächter unsere vorbildliche römische Regierung in vier Ostprovinzen ruiniert — in Asia, Cilicia, Syrien und in Bithynen-Pontus«, sagte Caesar in scharfem Ton.

»Die Summen, die die Zensoren im Namen des Schatzmeisters akzeptiert hatten, sind nicht eingehalten worden. Jeder Tag, an dem dieser schändlicher Zustand anhält, ist ein Tag mehr, an dem man unsere Freunde, die socii der östlichen Provinzen, unbarmherzig schröpft, ein Tag mehr, an dem unsere Freunde, die socii der östlichen Provinzen, den Namen Roms verfluchen. Die Statthalter dieser Provinzen verbringen auf der einen Seite ihre Zeit damit, Abordnungen der aufgebrachten socii zu besänftigen, doch andererseits sind sie dazu verplichtet, Liktoren sowie Truppen aufzutreiben, die die Steuerpächter bei ihren Gaunereien unterstützen. Wir müssen unsere Verluste abschreiben, versammelte Väter, ganz einfach. Ich habe hier einen Gesetzesentwurf für die Volksversammlung, der eine Senkung der Steuereinkommen aus den Ostprovinzen um ein Drittel fordert. Übergebt mir noch heute ein Consultum. Zwei Drittel von etwas ist unendlich besser als drei Drittel von nichts.«

Doch wie erwartet erhielt Caesar kein Consultum. Cato redete die Debatte tot, indem er sich über die Philosophie Zenos ausließ und über die Gewalt, die ihr die römische Gesellschaft im Zuge ihrer Rezeption angetan hatte.

Am folgenden Tage, kurz nach Morgengrauen, berief Caesar die Volksversammlung ein, besetzte sie mit Crassus’ Rittern und ließ über die Angelegenheit abstimmen. »Denn«, so sein Argument, »wenn siebzehn Monate contiones zu diesem Thema nicht genügen, dann werden es auch siebzehn Jahre nicht vollbringen! Heute wird abgestimmt, und das bedeutet, daß die publicani vielleicht in siebzehn Tagen schon entlassen sein könnten.«

Ein Blick auf die Gesichter, die das Komitee füllten, sagte den boni, daß jegliche Opposition so gefährlich wie vergeblich war; als Cato das Wort ergreifen wollte, wurde er ausgebuht, und Bibulus’ Versuch zu sprechen wurde mit drohend erhobenen Fäusten unterbunden. In einer der aktenkundig schnellsten Abstimmungen einigte man sich darauf, die Einnahmen des Schatzamtes aus den Ostprovinzen um ein Drittel zu kürzen; die Menge jubelte Caesar und Marcus Crassus zu, bis sie heiser war.

»Ein Stein fällt mir vom Herzen!« sagte Crassus strahlend.

»Ich wünsche nur, alles würde stets so reibungslos verlaufen«, antwortete Caesar seufzend. »Wenn ich die lex agraria ebenso schnell abhandeln könnte, dann wäre sie bereits verabschiedet, bevor die boni sich auch nur zusammenrotten können. Deine Vorlage war die einzige, für die ich keine contiones einberufen mußte. Die dummen boni haben nicht durchschaut, daß ich die Sache einfach durchziehen würde.«

»Da ist etwas, was mich erstaunt, Caesar.«

»Und das wäre?«

»Die Volkstribunen bekleiden nun ihr Amt bereits seit einem Monat, und doch hast du Vatimus in keinem einzigen Fall eingesetzt. Statt dessen veröffentlichst du deine eigenen Gesetze. Ich kenne Vatinius. Ein guter Klient, so weit bin ich mir sicher, doch wird er dich für jeden Dienst bezahlen lassen.«

»Er wird uns bezahlen lassen, Marcus«, sagte Caesar ruhig.

»Das ganze Forum ist verwirrt. Ein Monat Volkstribunat, und rein gar nichts ist geschehen.«

»Ich habe jede Menge Arbeit für Vatinius und Alfius, doch jetzt noch nicht. Ich bin Vollblutadvokat, und gesetzgebende Konsuln sind rar. Warum soll Cicero allein den Ruhm davontragen? Nein, ich will warten, bis ich ernsthaft Schwierigkeiten mit der lex agraria bekomme, dann lasse ich Vatinius und Alfius in Aktion treten — um den Fall verworrener zu machen.«

»Muß ich denn wirklich all den Papierkram lesen?« fragte Crassus.

»Gut wäre es, du könntest ja brillante Einfalle dazu haben. Aus deiner Sicht der Dinge allerdings gibt es an dem Entwurf nichts auszusetzen.«

»Mir kannst du nichts erzählen, Gaius. Mit keinem Trick der Welt wird es dir gelingen, achtzigtausend Menschen auf je zehn iugera ansiedeln, ohne den Ager Campanus und das capuanische Land hinzuzuziehen.«

»Ich hatte niemals vor, dir Märchen zu erzählen. Doch möchte ich den Schleier vor dem Raubtierkäfig noch nicht lüften.«

»Dann kann ich froh sein, daß ich nichts mehr mit der Latifundien-Landwirtschaft zu tun habe.«

»Und wie kam es dazu?«

»Zu viele Schwierigkeiten, unzureichende Profite. All diese Morgen Land mit den wenigen Schafen samt ihren Hirten; viel Ärger, um die Trupps zur Arbeit zu bewegen — die Männer leben in den Tag hinein, Gaius. Sieh dir doch Atticus an. So sehr ich den Mann auch verabscheue — er ist zu intelligent, um eine halbe Million iugera Weideland in Italia zu bewirtschaften. Sie hören sich recht gerne sagen: >Wir bewirtschaften eine halbe Million iugera!< — auf mehr läuft es aber nicht hinaus. Das beste Beispiel hierfür ist Lucullus. Mehr Geld als Verstand. Oder Geschmack, wiewohl er das bestreiten würde. Vom Staat gepachtetes Weideland zu bewirtschaften ist eine Freizeitgesaltung für Senatoren, keine Beschäftigung für Ritter. Vielleicht verschafft es einem Senator einen Zensus von einer Million Sesterzen, doch was sind eine Million Sesterzen, Caesar? Lumpige vierzig Talente! Die mache ich an einem Tag, wenn ich —« er grinste, zuckte die Achseln, »doch ich schweige lieber. Sonst plauderst du es noch an die Zensoren aus.«

Caesar nahm den Saum seiner Toga und begann, quer über das untere Forum, in Richtung des Velabrum, zu laufen. »Gaius Curio! Gaius Cassius! So wartet doch! Kommt doch zurück! Ich habe eine Meldung zu machen!«

Unter den gebannten Blicken mehrerer hundert Ritter und Forumsbesucher raffte auch Crassus seine Toga und nahm die Verfolgung auf. »Nein, nicht!« rief er dabei laut.

Caesar hielt an, ließ sich von Crassus einholen und beide brachen in brüllendes Gelächter aus, bevor sie ihren Weg zum Domus Publica fortsetzten. Zwei der berühmtesten Männer Roms liefen so ausgelassen durch die Straßen? Der Mond war doch noch nicht am Zunehmen, geschweige denn voll!

Während des gesamten Monats Februar hielt der Kampf zwischen Caesar und den boni wegen des Gesetzes zur Landreform unvermindert an. In jeder einzelnen Senatssitzung, in der es Thema war, betrieb Cato Obstruktion. Da Caesar wissen wollte, ob diese Taktik noch erfolgsversprechend war, ließ er Cato von seinen Liktoren ins Lautumiae-Gefängnis schaffen; Cato ging hocherhobenen Kopfes und mit dem Blick des Märtyrers auf seinem Pferdegesicht, gefolgt von seinen boni-Freunden, die ihm laut Beifall spendeten. Nein, es bewährte sich nicht mehr; Caesar gab seinen Liktoren Befehl, worauf Cato zu seinem Platz im Senat zurückkehrte und weiter Obstruktion betrieb.

So blieb Caesar nichts anderes übrig, als die Angelegenheit nicht dem Senat, sondern der Volksversammlung vorzulegen. Er würde den Entwurf jetzt in der contio den ganzen Februar hindurch zur Diskussion stellen müssen, gerade in dem Monat, in dem Bibulus die Amtsgeschäfte führte und sich dem Konsul auf legale Weise widersetzen konnte. So wußte niemand, ob die Abstimmung im Februar oder erst im März stattfinden würde.

»Wenn du so sehr gegen dieses Gesetz bist, Marcus Bibulus«, rief Caesar bei der ersten contio in der Volksversammlung, »dann nenne mir den Grund dafür! Es genügt nicht, einfach dazustehen und darüber zu zetern. Du mußt dieser rechtsgültigen Versammlung römischer Bürger mitteilen, welche Mängel du dem Gesetz unterstellst. Da biete ich den Chancenlosen unter uns eine Chance an und tue das, ohne den Staat zu ruinieren oder Landeseigentümer zu betrügen und unter Druck zu setzen. Doch alles, was dir dazu einfällt, ist, daß du dagegen bist. Sag uns, warum!«

»Ich bin dagegen, weil du es veröffentlichst, Caesar, aus keinem anderen Grunde! Was immer du auch tust, es ist verflucht, unheilig, böse.«

»Du sprichst in Rätseln, Marcus Bibulus! Sei präzise, nicht emotional, und sage uns, warum du dieses dringend notwendige Gesetz nicht unterstützen kannst! Laß uns an deiner Kritik Anteil haben!«

»Ich habe keine Kritik vorzubringen, und doch bin ich dagegen!«

Wenn man bedachte, daß sich mehrere tausend Männer in den Komitien drängten, so war der Geräuschpegel, der von der Masse ausging, erstaunlich niedrig. An diesem Tag befanden sich auch neue Gesichter in der Menge, nicht nur Ritter, junge Männer, die zu Clodius gehörten, oder Besucher, die geschäftlich auf dem Forum zu tun hatten. Pompeius brachte jetzt seine Veteranen mit nach Rom, als vorbereitende Maßnahme für eine Abstimmung oder für einen Kampf, das wußte niemand so genau. Die Männer waren mit Sorgfalt aus den einunddreißig ländlichen Tribus ausgesucht, daher als Wähler ungeheuer wertvoll — doch natürlich auch als Kämpfer.

Caesar wandte sich Bibulus zu und hob flehend seine Hände.

»Marcus Bibulus, warum blockierst du ein so gutes und so sehr benötigtes Gesetz? Ist es dir kein Bedürfnis, dem Volk zu helfen anstatt ihm Steine in den Weg zu legen? Liest du denn nicht in den Gesichtern all der Anwesenden hier, daß dies kein Gesetz ist, das das Volk ablehnen wird? Ganz Rom will dies Gesetz! Willst du denn wirklich Rom dafür bestrafen, daß du mich haßt, mich, Gaius Julius Caesar, einen Mann unter vielen? Ist das nicht unter der Würde eines Konsuls? Ist das nicht unter der Würde eines Calpurnius Bibulus?«

»Nein, das ist es nicht!« rief Bibulus von der Rostra herab. »Ich bin Augur, und daher erkenne ich das Schlechte, wenn es sich mir zeigt! Du bist schlecht, folglich ist alles was du tust, ebenfalls schlecht! Wie soll aus einem Gesetz, das du verabschiedest, etwas Gutes erwachsen? Daher erkläre ich hiermit alle Versammlungstage in diesem Jahr zu Feiertagen; somit wird es für den Rest des Jahres keine Volksversammlungen mehr geben!« Mit geballten Fäusten stellte sich Bibulus auf die Spitze seiner Zehen und brüllte: »Ich bin mir sicher, daß ich richtig handle, wenn ich zu religiösen Verboten Zuflucht nehme! Denn hiermit schwöre ich dir, Gaius Julius Caesar, daß es mir einerlei ist, ob jede einzelne, unbedarfte Seele in Italien dieses Gesetz will! In meinem Jahr als Konsul wird es nicht durchkommen!«

Der Haß, der aus Bibulus’ Worten sprach, war so augenscheinlich, daß diejenigen, die keine politische Verbindungen zu den beiden Konsuln hatten, erschauerten und heimlich ihren Daumen unter Mittel- und Ringfinger klemmten, um Zeige- und kleinen Finger wie zwei Hörner auszustrecken — dies war das Zeichen zur Abwehr des Bösen Blicks.

»Schleicht nur um ihn herum wie unterwürfige Tiere!« schrie Bibulus der Menge zu. »Küßt ihn, hofiert ihn, bietet euch ihm an! Wenn euch das neue Gesetz so viel wert ist, dann nur zu, zögert nicht! Doch in meinem Jahr als Konsul werdet ihr es nicht bekommen! Nie, nie, nie!«

Buhrufe setzten ein, Hohngelächter, Zwischenrufe, Flüche, Pfiffe, eine ansteigende Woge stimmlicher Gewalt, die so ungeheuerlich und angsteinflößend war, daß Bibulus so viel von seiner Toga raffte, wie er konnte, kehrtmachte und die Rostra verließ. Doch er entfernte sich nur so weit, bis er sich sicher fühlte; dann blieben er und seine Liktoren auf den Stufen der Curia Hostilia stehen, um zu lauschen.

Und plötzlich, wie durch einen Zauber, gingen die Beschimpfungen in Beifallsrufe über, die sogar noch bis zum Forum Holitorium zu hören waren; Caesar hatte Pompeius den Großen aus der Menge geholt und führte ihn nun zur Stirnseite der Rostra.

Pompeius war zornentbrannt, und dieser Zorn flößte ihm Worte und auch die Kraft ein, sie auszuprechen. Was er zu sagen hatte, behagte weder Bibulus noch Cato, der jetzt neben diesem stand.

»Gnaeus Pompeius Magnus, wirst du mich gegen alle Gegner des Gesetzes unterstützen?« rief Caesar.

»Wenn auch nur ein Mann es wagen sollte, sein Schwert zu ziehen gegen dein Gesetz, so werde ich zu meinem Schutzschild greifen, Gaius Julius Caesar!« brüllte Pompeius.

Dann, plötzlich, war auch Crassus oben auf der Rostra. »Ich, Marcus Licinius Crassus, erkläre, daß dies das beste Ackergesetz ist, das Rom jemals gesehen hat!« sprach er in die Menge. »Denjenigen unter euch hier Versammelten, die sich um ihr Eigentum sorgen, gebe ich mein Wort, daß niemandes Besitz in Gefahr ist, und daß Profit auf alle wartet, die daran Interesse haben!«

Erschüttert wandte Cato sich an Bibulus. »Beim Jupiter, Marcus Bibulus, siehst du, was ich sehe?« keuchte er.

»Die drei zusammen!«

»Es ist nicht Caesar, Pompeius ist es! Wir haben den falschen Mann ins Visier genommen!«

»Nein, Cato, das gerade nicht. Caesar ist die Verkörperung des Bösen. Doch ich sehe, was du siehst. Pompeius ist die treibende Kraft, natürlich ist er das! Was braucht Caesar schon außer Geld? Er arbeitet für Pompeius, hat die ganze Zeit für ihn gearbeitet. Und Crassus ist ihr dritter Mann. Die drei, mit Pompeius als Triebfeder. Es sind ja schließlich seine Veteranen, die einen Vorteil daraus ziehen, das war uns ja bekannt. Doch Caesar hat uns mit seinen mittellosen Städtern Sand in die Augen gestreut — man fühlte sich an die Gracchen und Sulpicius erinnert!«

Die Jubelrufe waren ohrenbetäubend; Bibulus zog Cato mit sich fort, stieg die Stufen der Curia Hostilia hinab und betrat das Argiletum.

»Wir werden unsere Taktiken ein wenig ändern müssen, Cato«, sagte er, als sie weit genug entfernt waren, um sich verständigen zu können. »Von jetzt an werden wir unser Augenmerk vornehmlich auf Pompeius lenken.«

»Es ist leichter, ihn in die Knie zu zwingen als Caesar«, sagte Cato zähneknirschend.

»Jeder ist leichter zu bezwingen als Caesar. Doch mach dir keine Sorgen, Cato. Zerbrechen wir Pompeius, zerbrechen wir das Bündnis. Und muß Caesar erst alleine kämpfen, dann haben wir auch ihn.«

»Es war schlau von dir, alle Versammlungstage für den Rest des Jahres als Feiertage zu deklarieren, Marcus Bibulus.«

»Die List hab’ ich bei Sulla abgeschaut. Ich habe jedoch vor, weiter zu gehen als er, das kann ich dir versichern. Wenn ich sie schon nicht hindern kann, Gesetze zu erlassen, so werde ich diese zumindestens für illegal erklären«, sagte Bibulus.

»Allmählich glaube ich, daß Bibulus nicht ganz bei Trost ist«, sagte Caesar zu Servilia, später am selben Tag. »Sein plötzliches Gefasel über Gut und Böse ist haarsträubend. Haß ist eine Sache, doch das hier geht entschieden zu weit. Es ist keine Vernunft dahinter, keine Logik.« Die hellen Augen sahen müde aus. »Das Volk spürte es auch, es war nicht auf seiner Seite. Politische Verunglimpfung kommt immer wieder vor, Servilia, wir alle müssen uns mit ihr herumschlagen. Doch was uns Bibulus heute zugemutet hat, hat alle Differenzen zwischen ihm und mir auf eine Ebene befördert, die nicht mehr menschlich ist. Als seien wir zwei Gewalten: ich die Verkörperung des Bösen, er des Guten. Ein Rätsel ist es mir, wie es zu dieser Gegenüberstellung kommen konnte; doch vielleicht erscheint völliger Mangel an Vernunft und Logik dem Betrachter als die Manifestation des Guten. Die Menschen gehen davon aus, daß das Böse stets mit Vernunft, mit Logik Hand in Hand geht. Daher hat Bibulus, ohne zu wissen, was er tat, mir Schaden zugefügt. Denn der Fanatiker scheint offenbar das Gute durchzusetzen, der überlegte, objektive Mann dagegen schlecht zu sein. Klingt all dies nicht ganz widersinnig?«

»Nein«, sagte Servilia. Sie stand über Caesar gebeugt, der auf dem Bett lag, und strich mit ihren Händen fest und rhytmisch über seinen Rücken. »Ich verstehe, was du meinst, Caesar. Die Emotion ist voller Kraft und entbehrt jeder Logik. Als stehe sie auf einer gänzlich anderen Ebene als die Vernunft. Bibulus wollte sich nicht unterwerfen, obwohl alle Regeln der Vernunft dafürsprechen. Er war nicht in der Lage, irgend jemandem zu sagen, warum er gegen dein Gesetz ist, doch er bestand auf seiner Ablehnung. Ich habe das Gefühl, es wird nicht gerade leicht für dich werden, Caesar.«

»Ich danke vielmals«, sagte er, wandte sich nach ihr um und lächelte sie an.

»Ich kann dir keine falschen Tatsachen vorgaukeln, Caesar.« Sie ließ ab von ihm und setzte sich auf den Rand des Bettes, bis er zur Seite rückte und sie sich neben ihm ausstrecken konnte. Dann sagte sie: »Caesar, mir ist klar, daß du mit deinem Gesetz zur Landreform auch unserem teuren Pompeius entgegenkommst — das sieht sogar ein Blinder. Doch als ihr drei heute Seite an Seite dastandet, hatte man plötzlich den Eindruck, es gehe um viel mehr als um den selbstlosen Versuch, eines der drängendsten Probleme Roms — den Verbleib der entlassenen Veteranentruppen — zu lösen.«

Er hob erstaunt den Kopf. »Du warst da?« fragte er.

»Ja. Ich habe ein sehr hübsches Versteck zwischen der Curia Hostilia und der Basilica Porcia gefunden; ich will ja nicht mit Fulvia wetteifern.«

»Und was ist deiner Meinung nach geschehen, zwischen uns dreien, meine ich?«

Ihr Kinn fühlte sich eine Spur behaart an; sie mußte dringend damit anfangen, es zu zupfen. Servilia schob diesen Gedanken beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Caesars Frage.

»Daß du Pompeius auf die Rostra holtest, konnte ich noch als klugen Schachzug durchgehen lassen. Doch als ich Crassus sah, erstarrte ich. Ich fühlte mich an Crassus’ und Pompeius’ gemeinsame Zeit als Konsuln erinnert, nur mit dem Unterschied, daß sie sich diesmal rechts und links von dir aufgebaut hatten — und zwar ohne eine Spur von Unbehagen. Ihr drei zusammen wirktet wie ein Berg, der aus drei Teilen besteht. Äußerst beeindruckend! Ich gebe zu, ich war verblüfft. Caesar, du hast doch keinen Pakt mit Pompeius Magnus geschlossen, oder?«

»Ganz sicher nicht«, antwortete er nachdrücklich. »Ich habe einen Pakt mit Crassus und einer Reihe von Bankiers geschlossen. Doch Magnus ist kein Narr, selbst du mußt das einräumen. Er braucht mich, um an Land für seine Veteranen zu kommen und um seine Siedlungen im Osten zu genehmigen. Mein Hauptanliegen ist es andererseits, in das finanzielle Chaos, das er mit der Eroberung des Ostens angerichtet hat, Ordnung zu bringen. In vieler Hinsicht hat er Rom belastet, nicht bereichert. Es wird zuviel verschwendet, man macht zu viele Zugeständnisse an die Wähler. Meine Strategie in diesem Jahre wird darin bestehen, soviel arme Leute wie möglich aus der Stadt Rom herauszutreiben, um das Schatzamt von der Bürde der Getreidezuteilungen zu entlasten und die unerledigten Steuerverträge unter Dach und Fach bringen. Außerdem will ich noch weiter gehen als Sulla, indem ich jenen Statthaltern Beschränkungen auferlege, die ihre Provinzen so regieren, als handele es sich um private Ländereien. Du wirst sehen, ich werde zum Held der Ritter avancieren.«

Sie war besänftigt, denn seine Antwort klang vernünftig. Doch auf dem Heimweg spürte sie noch einen Rest von Unbehagen. Caesar war schlau und skrupellos. Wenn er es für diplomatisch hielt, so würde er sie anlügen. Er war wahrscheinlich der herausragendste Mann, den Rom je hervorgebracht hatte. Sie hatte ihn monatelang beobachtet, während er seine lex agraria entworfen hatte; seine geistige Schärfe war überwältigend. Er hatte hundert Schreiber im Domus Publica untergebracht, die unermüdlich damit beschäftigt waren, Abschriften von dem anzufertigen, was er, ohne zu stocken, einer Schar weiterer Schreiber auf ihre Wachstafeln diktierte. Und herausgekommen war ein Gesetz, das bahnbrechend sein würde.

Ja, sie liebte ihn. Nicht einmal die tiefe Kränkung, die er ihr durch seine Zurückweisung zugefügt hatte, hatte sie von ihm fernhalten können. Gab es denn überhaupt etwas, das dies vermochte? Und war dies nicht der Grund, weshalb sie ihn für brillanter, begabter, fähiger halten mußte als jeden anderen Römer? Die Vorstellung allein war Balsam für ihren verletzten Stolz. Sie, eine Servilia Caepionis, sollte zu einem Mann zurückgekrochen kommen, der nicht der beste war, den Rom je hervorgebracht hatte? Unausdenkbar! Nein, ein Mann wie Caesar würde sich nie und nimmer mit einem Emporkömmling wie Pompeius aus Picenum verbünden! Besonders, da Caesars Tochter mit dem Sohn eines Mannes verlobt war, den Pompeius ermordet hatte.

Brutus wartete schon auf sie.

Früher hatte sie ihren Sohn schroff abgewiesen, wenn ihr nicht danach war, sich mit ihm abzugeben. Zur Zeit ertrug sie ihn mit mehr Geduld, und nicht etwa, weil Caesar meinte, sie sei zu streng mit ihm; nein, vielmehr hatte Caesars Zurückweisung die Situation auf subtile Weise verändert. Ein einziges Mal war ihr Verstand nicht in der Lage gewesen, ihre Gefühle zu beherrschen; als sie von jenem furchtbaren Gespräch nach Hause zurückgekehrt war, hatte sie ihren ganzen Kummer, die Wut und den Schmerz hemmungslos herausgeschrien. Das ganze Haus hatte gebebt, erschüttert, die Sklaven waren geflohen, und Brutus hatte sich in seinen Räumen versteckt. Doch dann war sie ins Arbeitszimmer ihres Sohnes gestürmt und hatte ihm gesagt, was sie von Julius Caesar dachte, der sie nicht heiraten würde, weil sie ihren Mann betrogen hatte.

»Betrogen!« brüllte sie, riß sich die Haare büschelsweise aus und zerkratzte sich Gesicht und Brust mit ihren spitzen Nägeln. »Mit wem denn betrogen! Mit ihm, doch nur mit ihm! Ich bin nicht gut genug für einen Julius Caesar, denn seine Frau muß über jeglichen Verdacht erhaben sein! Kannst du das glauben? Ich bin gut genug!«

Ihr Ausbruch war ein Fehler gewesen, das hatte sie schon kurz darauf erkannt. Zum einen stand Brutus’ Verlobung mit Julia nun auf einem solideren Fundament; denn die Gefahr, daß die Gesellschaft die Verbindung der Eltern eines verlobten Paares mißbilligen könnte, war jetzt gebannt — ohnehin kein wirklicher Inzest, da es ja keine gemeinsamen Blutsbande gab. Roms Gesetze enthielten nur vage Bestimmungen über den erlaubten Grad der Blutsverwandtschaft eines verheirateten Paares, und es war — wie so oft — eher eine Angelegenheit, die das mos maiorum regelte als ein spezifisches Gesetz auf einer Tafel. Aus diesem Grunde durfte zwar eine Schwester niemals ihren Bruder heiraten, doch wenn ein Kind Tante oder Onkel heiraten sollte, konnten dies nur Sitte, Tradition und soziale Mißbilligung verhindern. So war es durchaus Brauch, daß Vettern und Basen ersten Grades heirateten. Und niemand hätte aus rechtlichen oder religiösen Gründen die Heirat zwischen Caesar und Servilia einerseits und Brutus und Julia andererseits verurteilen können. Doch zweifelsohne hätte man sie mißbilligt! Und Brutus war der Sohn seiner Mutter. Ihm war daran gelegen, daß die Gesellschaft sein Handeln guthieß. Eine inoffizielle Verbindung zwischen seiner Mutter und Julias Vater war nicht annähernd so anrüchig; Römer dachten pragmatisch in derlei Dingen — sie geschahen nun einmal.

Seit ihrem Ausbruch sah Brutus seine Mutter in einem neuem Licht. Er nahm sie als ganz normale Frau, nicht mehr als Verkörperung von Macht wahr: Auch empfand er ein wenig Verachtung für sie. Nicht daß er ganz von seiner Furcht vor ihr befreit gewesen wäre, doch er ertrug sie nun mit weit größerer Gelassenheit.

Jetzt lächelte sie ihn an, setzte sich und war bereit für ein Schwätzchen. Oh, wenn nur seine Haut sich klären wollte! Die Narben unter diesen unansehnlichen Stoppeln mußten schrecklich aussehen, und sie würden bleiben, selbst wenn die Pusteln eines Tages verschwinden würden.

»Was gibt es, Brutus?« fragte sie freundlich.

»Hättest du etwas dagegen einzuwenden, wenn ich Caesar fragte, ob Julia und ich im nächsten Monat heiraten können?«

Sie blickte ihn verwundert an. »Wieso denn so plötzlich?«

»Aus keinem besonderen Grund, außer daß wir schon so viele Jahre lang verlobt sind und Julia siebzehn ist. Viele Mädchen heiraten mit siebzehn.«

»Das ist wahr. Cicero ließ Tullia sogar mit sechzehn heiraten — nicht, daß ich mir an ihm ein Beispiel nehmen wollte! Wie dem auch sei, siebzehn ist ein annehmbares Alter für eine Angehörige der Aristokratie. Und beide seid ihr nach wie vor fest entschlossen.« Sie lächelte und warf ihm eine Kußhand zu. »Warum nicht?«

Ihre alte Herrschaft trat wieder zutage. »Willst du ihn lieber fragen, Mama, oder soll ich es tun?«

»Du, unbedingt«, sagte sie. »Wie reizend! Eine Hochzeit, nächsten Monat schon. Und wer weiß? Vielleicht sind Caesar und ich bald Großeltern.«

Und Brutus verließ das Haus, um seine Julia zu besuchen.

»Ich habe meine Mutter gefragt, ob sie etwas dagegen hätte, wenn wir schon nächsten Monat heiraten würden«, sagte er, nachdem er Julia zärtlich geküßt und sie zu einer Liege geführt hatte, auf der sie Seite an Seite sitzen konnten. »Sie findet den Gedanken wunderbar. Dann werde ich also bei der nächsten Gelegenheit deinen Vater fragen.«

Julia schluckte. Wie sehr hatte sie sich auf ein weiteres Jahr in Freiheit gefreut! Doch es sollte wohl nicht sein. Wenn sie es sich recht überlegte, war sein Vorschlag vielleicht sogar der bessere. Je mehr Zeit verstrich, um so verhaßter würde ihr der Gedanke an eine Ehe mit ihm werden. Sie mußte es hinter sich bringen — und Schluß! Und so sagte sie mit sanfter Stimme: »Das klingt wundervoll, Brutus.«

»Meinst du, dein Vater würde uns jetzt gleich empfangen?« fragte er eifrig.

»Nun, es ist schon dunkel, doch er geht gewöhnlich spät schlafen. Das Gesetz zur Landreform ist jetzt beendet, und schon arbeitet er an einer neuen großen Sache. Die hundert Schreiber sind noch immer hier beschäftigt. Ich frage mich, was Pompeia dazu sagen würde, wenn sie wüßte, daß aus ihren alten Räumen Schreibstuben geworden sind.«

»Will denn dein Vater nicht mehr heiraten?«

»Es sieht nicht danach aus. Übrigens glaube ich nicht, daß er Pompeia heiraten wollte. Geliebt hat er nur meine Mutter.«

Brutus’ verunstaltete Stirn legte sich in Falten. »Mir scheint die Ehe ein so glücklicher Zustand zu sein! Dennoch bin ich froh, daß er Mama nicht geheiratet hat. War sie denn so schön, deine Mutter?«

»Ich kann mich noch an sie erinnern, aber nicht mehr genau. Sehr schön war sie nicht, außerdem war tata oft auf Reisen. Ich glaube nicht, daß er sie so sah, wie andere Männer ihre Frauen sehen. Vielleicht würde er niemals eine Ehefrau nur um ihres Status willen lieben. Meine Mama war eher wie eine Schwester für ihn, glaube ich. Sie sind zusammen aufgewachsen, das hat ein festes Band geknüpft.« Sie stand auf. »Komm, laß uns avia suchen. Ich schicke sie immer zuerst zu ihm hinein, denn sie hat keine Angst, ihm entgegenzutreten.«

»Hast du denn Angst?«

»Oh, er wäre niemals unhöflich zu mir oder kurz angebunden. Doch er hat unendlich viel zu tun, und ich liebe ihn so sehr, Brutus! Ich denke immer, meine kleinen Probleme können ihm eigentlich nur lästig sein.«

Genau diese sanfte, kluge Empfindsamkeit gegenüber den Gefühlen anderer war einer der Gründe, weshalb er sie so heftig liebte. Allmählich lernte er, mit seiner Mutter besser umzugehen und seine Beziehung zu ihr würde sich noch weiter entspannen, wenn er erst mit Julia verheiratet war.

Aurelia war erkältet und daher zeitig zu Bett gegangen; Julia klopfte an die Tür von Caesars Arbeitszimmer.

»Tata, hast du einen Moment Zeit für uns?« fragte sie durch die Tür.

Er öffnete selbst, lächelte, küßte sie auf die Wange und gab Brutus zur Begrüßung die Hand. Julia und Brutus betraten blinzelnd den hell erleuchteten Raum, in dem unzählige kleine Flammen brannten. Da Caesar nur bestes Öl und gute Leinendochte verwendete, war der Raum rauchfrei und roch auch nicht nach Werg.

»Welch unerwartete Überraschung«, sagte er. »Ein wenig Wein?«

Brutus schüttelte den Kopf, und Julia lachte.

»Tata«, sagte sie, »ich weiß, wie beschäftigt du bist, deshalb werden wir dich nicht lange aufhalten. Wir möchten gerne nächsten Monat heiraten.«

Wie machte er das nur? Sein Gesichtsausdruck blieb völlig unverändert, und doch war plötzlich etwas anders.

»Aus welchem Grund?« fragte er Brutus.

Brutus fing an zu stammeln. »Nun, Caesar, wir sind seit fast neun Jahren verlobt, und Julia ist jetzt siebzehn. Wir haben unsere Absicht nicht geändert und lieben uns sehr. Viele Mädchen heiraten schon mit siebzehn. Bei Junia und Junilla wird es ebenso sein, sagt meine Mutter. Meine Schwestern sind, genau wie Julia, mit Männern verlobt, nicht mit Knaben.«

»Habt ihr unbedacht gehandelt?« fragte Caesar ruhig.

Selbst in dem rötlichen Schein der Lampe war Julias Scham nicht zu übersehen. »Nein, tata, natürlich nicht!« rief sie.

»Und wollt ihr damit sagen, daß ihr der Versuchung erliegen werdet, wenn man euch nicht heiraten läßt?« bohrte der Advokat weiter.

»Aber nein!« Julia rang die Hände, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Das ist es nicht!«

»Nein, das ist es wirklich nicht«, sagte Brutus leicht verärgert. »Ich bin als Ehrenmann hierhergekommen, Caesar. Warum unterstellst du mir unehrenhaftes Verhalten?«

»Das liegt mir fern«, antwortete Caesar in distanziertem Ton. »Ein Vater muß diese Dinge erfragen, Brutus. Ich selber weiß am besten, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Das ist im übrigen der Grund, warum die meisten Männer ihre Töchter fürsorglich hüten und abschirmen. Verzeih mir, wenn ich dich erregt habe, es lag nicht in meiner Absicht, dich zu beleidigen. Doch nur ein törichter Vater würde nicht fragen.«

»Ja, ich verstehe«, murmelte Brutus.

»Dann können wir also heiraten?« beharrte Julia, bedacht darauf, die Sache abzuschließen und ihr Schicksal zu besiegeln.

»Nein«, sagte Caesar.

Es wurde still, und Julia sah plötzlich aus, als sei ihr eine gewaltige Last von den Schultern genommen worden; Caesar würdigte Brutus keines Blickes, doch seine Tochter beobachtete er ganz genau.

»Und warum nicht?« kam es von Brutus.

»Ich sagte achtzehn, Brutus, und ich meinte achtzehn. Meine arme, kleine erste Ehefrau wurde schon mit sieben Jahren verheiratet. Es ist nicht von Belang, daß sie und ich sehr glücklich waren, als wir heirateten. Ich schwor mir damals, daß meine Tochter, sollte ich je eine haben, den Luxus genießen dürfe, ihre Kindheit als Kind zu erleben. Achtzehn, Brutus. Achtzehn, Julia.«

»Wir haben es versucht«, sagte sie, als sie wieder draußen vor Caesars Tür standen. »Mach dir nicht allzuviel daraus, Brutus, Lieber.«

»Doch, das tue ich«, sagte er unglücklich.

Julia verabschiedete den geknickten Brutus, der auf dem ganzen Heimweg weinte; danach begab sie sich in ihr Schlafzimmer und nahm Pompeius’ Büste vom Regal. Sie schmiegte sie an ihre Wange und tanzte glückselig mit ihr in ihr Wohnzimmer hinüber. Noch gehörte sie ihm.

Als Brutus Decimus Silanus’ Haus auf dem Palatin erreichte, war er schon wieder ruhiger gewrorden.

»Genaugenommen halte ich deine Hochzeit in diesem Jahr für günstiger als im nächsten«, ließ Servilia aus ihrem Wohnzimmer verlauten, als er versuchte, auf Zehenspitzen vorbeizuschleichen.

Brutus blieb stehen. »Warum?« fragte er.

»Nun, wenn ihr erst nächstes Jahr heiratet, so nehmt ihr Junias und Vatia Isauricus’ Hochzeit den Glanz«, sagte sie.

»Dann mache dich auf eine Enttäuschung gefaßt, Mama. Caesar hat nein gesagt. Er besteht darauf, daß Julia achtzehn sein muß.«

Servilia starrte ihn gebannt an. »Was?«

»Caesar sagte nein.«

Sie runzelte die Stirn, schürzte die Lippen. »Wie seltsam! Und warum?«

»Es hat irgend etwas mit seiner ersten Frau zu tun. Sie war bei ihrer Heirat erst sieben, sagte er. Deshalb muß Julia volle achtzehn sein.«

»Was für ein Unsinn!«

»Er ist Julias pater familias, Mama, er kann tun, was er für richtig hält.«

»Das stimmt, doch dieser pater familias handelt niemals aus einer Laune heraus. Was hat er wohl vor?«

»Ich habe ihm geglaubt, was er gesagt hat, Mama. Obgleich er anfangs recht unangenehm war. Er wollte wissen, ob Julia und ich schon... schon... «

»Wirklich?« Die schwarzen Augen funkelten. »Und habt ihr?«

»Nein!«

»Ein Ja hätte mich auch zutiefst erstaunt, das muß ich zugeben. Dazu fehlt dir der Schneid, Brutus. Du hättest ja sagen sollen. Dann hätte er keine andere Wahl gehabt, als euch jetzt heiraten zu lassen.«

»Eine unehrenhafte Hochzeit ist unter unserer Würde!« fuhr Brutus sie an.

Servilia wandte ihm den Rücken zu. »Manchmal erinnerst du mich an Cato, mein Sohn. Geh jetzt!«