Ganz Rom erwartete den Amtsantritt von Publius Clodius am zehnten Tag des Dezember mit angehaltenem Atem. Das galt auch für den harten Kern des Clodius-Clubs, allen voran Decimus Brutus, den Heerführer der Kreuzwegetruppen. Das Komitium war zu klein, um die ungeheure Menschenmenge aufzunehmen, die sich an diesem ersten Tag im Forum versammelte. Ein jeder wollte Zeuge sein, wenn Clodius seine Pläne bekanntgab. Deshalb verlegte Clodius den Standort auf Castors Rednertribüne, wo er verkündete, er werde ein Gesetz erlassen, das jedem männlichen Bürger Roms monatlich fünf modii freien Weizen zugestehe. Nur der Teil der Menge — ein verschwindend kleiner Teil —, der zu den Kreuswegevereinen gehörte, war informiert; für die Mehrheit der Zuhörer kam diese Neuigkeit aus heiterem Himmel.
Das tosende Gejohle, das bis zur Porta Collina und zur Porta Capena zu vernehmen war, betäubte jene Senatoren, die auf den Stufen der Curia Hostilia standen und staunend sahen, wie Tausende von Gegenständen in die Luft geschleudert wurden — Mützen der Freigelassenen, Schuhe, Gürtel, Essensreste, kurz all jene Dinge, die eine aufgeregte Menge in der Kürze auftreiben kann. Die Beifallsrufe wollten schier kein Ende nehmen; und plötzlich hielten alle Blumen in den Händen, um Clodius und seine neun benommenen Tribunatskollegen auf der Rednertribüne darunter zu begraben. Clodius stand strahlend da und winkte mit gekreuzten Händen über seinem Kopf. Dann beugte er sich nieder und begann, wild lachend, seinerseits, die Blumen auf die Menge unter ihm zu werfen.
Cato, der noch immer Spuren der brutalen Schläge trug, weinte. »Das ist der Anfang vom Ende«, rief er unter Tränen. »Wir können es uns nicht leisten, all den Weizen zu bezahlen! Rom wird bankrott gehen.«
»Bibulus beobachtet nach wie vor den Himmel«, sagte Ahenobarbus. »Clodius’ neues Getreidegesetz wird daher genausowenig Gültigkeit besitzen wie alle anderen Gesetze dieses Jahres.«
»So komm doch zur Vernunft!« mischte sich Caesar ein, der das Gespräch mitangehört hatte. »Clodius ist nicht halb so dumm wie du, Lucius Domitius. Kein einziges seiner Gesetze wird vor dem Neujahrstag verabschiedet werden. Zudem bezweifle ich noch immer, daß Bibulus’ Taktiken für die Plebejische Versammlung Gültigkeit besitzen. Die Auspizien sind für ihre Treffen ohne Bedeutung.«
»Ich werde sein Gesetz bekämpfen«, sagte Cato und wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Wenn du das wagst, bist du sehr schnell ein toter Mann«, wandte Gabinius ein. »Rom hat in Clodius, vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte, einen Volkstribun, der weder jene Skrupel hat, die seinerzeit den Untergang der Brüder Gracchi bewirkten, noch unter der Einsamkeit leidet, die bei Sulpicius zum Tode führte. Ich glaube nicht, daß irgendwer oder irgend etwas Clodius einschüchtern kann.«
»Was wird er sich als nächstes einfallen lassen?« fragte Lucius Caesar mit bleichem Gesicht.
Als nächstes überraschte Clodius mit einem Gesetzentwurf, der die Legalität der Kollegien, der Vereine und der karitativen und anderen Bruderschaften wiederherstellen sollte. Wenngleich er auch nicht ganz so großen Anklang bei der Menge fand wie der freie Weizen, wurde er doch so begeistert aufgenommen, daß Clodius nach der Versammlung von den Mitgliedern der Kreuzwegevereine, die sich beinahe heiser schrien, auf den Schultern hinausgetragen wurde.
Anschließend verkündete Clodius, daß er es fortan für Männer wie Marcus Calpurnius Bibulus unmöglich machen werde, Regierungen zu sprengen. Die lex Aelia und die lex Fufia sollten dahingehend ergänzt werden, daß Versammlungen des Volkes, Plebejische Versammlungen und die Verabschiedung von Gesetzen möglich sein müßten, auch wenn ein Konsul sich zurückzog, um den Himmel zu beobachten; um Gesetze für rechtsungültig zu erklären, müsse der betreffende Konsul das Auftreten eines ungünstigen Omens an dem Tag unter Beweis stellen, an dem die Versammlung stattfinde. Die Amtsgeschäfte sollten, aufgrund verschobener Wahlen, nicht mehr einfach aufgehoben werden können. Keine der Neuerungen sei rückwirkend gültig, keine schütze den Senat und dessen Beschlüsse, keine betreffe die Gerichte.
»Er stärkt die Macht der Versammlungen ausschließlich auf Kosten des Senats«, sagte Cato trübselig.
»Das stimmt, doch Caesar hat er damit nicht geholfen«, sagte Ahenobarbus.
»Ich wette, das ist eine ziemliche Enttäuschung für die Triumvirn!«
»Eine Enttäuschung? Nichts dergleichen!« fuhr Hortensius ihn an. »Erkennt ihr denn nicht Caesars Stempel auf Clodius’ Gesetzgebung? Sie geht genausoweit, wie Tradition und Sitte es erlauben. Er ist soviel gerissener als Sulla, dieser Caesar. Für einen Konsul, der den Himmel beobachten will, gibt es keine Hindernisse, sondern nur Erschwernisse. Und was schert sich Caesar schon um die Vorherrschaft des Senats? Caesars Macht liegt nicht beim Senat, das war nie so und wird auch nie so sein!«
»Wo ist denn eigentlich Cicero?« wollte Metellus Scipio plötzlich wissen. »Ich habe ihn seit Clodius’ Amtsantritt nicht mehr auf dem Forum gesehen.«
»Das wirst du wohl so bald auch nicht«, antwortete Lucius Caesar. »Er ist der festen Überzeugung, daß Anklage gegen ihn erhoben wird.«
»Was durchaus möglich ist«, sagte Pompeius.
»Und unterstützt du seine Anklage, Pompeius?« fragte der junge Curio.
»Ganz sicher werde ich mein Schutzschild nicht erheben, um sie zu verhindern.«
»Und warum bist du nicht dort unten und jubelst mit den anderen, Curio?« fragte Appius Claudius. »Ich dachte, du seist ein treuer Freund meines kleinen Bruders.«
Curio seufzte. »Weil ich langsam erwachsen werde«, sagte er.
»Du wirst sehr bald wie eine Bohne sprießen«, sagte Appius Claudius mit bitterem Lächeln.
Curio verstand den Sinn dieser Bemerkung erst, als Clodius bei seiner nächsten Versammlung bekanntgab, daß er die Bestimmungen für Roms Zensoren ändern würde — denn Curios Vater war einer der Zensoren.
Kein Zensor, kündigte Clodius an, werde künftig ein Senatsmitglied oder einen Angehörigen der Ersten Klasse ohne ordentliche Verhandlung und schriftliche Einwilligung beider Zensoren aus dem Verzeichnis streichen können. Das Beispiel, daß Clodius zur Veranschaulichung anführte, ließ Cicero nichts Gutes ahnen. Denn Clodius behauptete, daß der Zensor Lentulus Clodianus den Stiefvater von Marcus Antonius, Lentulus Sura (der illegal, wie Clodius besonders unterstrich, doch mit Zustimmung des Senats von Marcus Tullius Cicero hingerichtet worden war), aus ganz persönlichen Rachegründen aus dem Senatorenverzeichnis gestrichen habe. Fortan werde es keine Säuberungsaktionen gegen Senatoren oder Ritter geben! rief Clodius.
Bei diesen vier Gesetzen, die im Dezember diskutiert wurden, beließ es Clodius einstweilen — und Cicero ließ er, voll Angst und Schrecken, im ungewissen. Würde er Cicero nun anklagen oder nicht? Niemand wußte das genau zu sagen, und Clodius schwieg.
Seit April hatte Rom nun seinen Zweiten Konsul, Marcus Calpurnius Bibulus, nicht mehr zu Gesicht bekommen. Am letzten Tag des Dezember aber, als die Sonne ihren Tiefstand erreichte, verließ er sein Haus, um sein Amt niederzulegen, das er kaum je bekleidet hatte.
Caesar sah Bibulus und seine boni-Garde mit den zwölf Liktoren näher kommen, die jetzt zum ersten Mal seit langer Zeit die Rutenbündel trugen. Wie sehr er sich verändert hatte! Er war schon immer winzig klein gewesen, doch jetzt schien er noch mehr geschrumpft zu sein; er wirkte griesgrämig und ging, als ob etwas an seinen Knochen nage. Sein bleiches, scharf geschnittenes Gesicht war regungslos, von einem momentanen Ausdruck der Verachtung abgesehen, als seine Augen auf dem Ersten Konsul ruhten, um sich dann weit zu öffnen: Mehr als acht Monate war es jetzt her, seit Bibulus und Caesar sich begegnet waren, doch was er sah, schien ihn ganz augenscheinlich zu bestürzen. Er war geschrumpft, und Caesar war gewachsen.
»Hiermit erkläre ich all das, was Gaius Julius Caesar dieses Jahr getan hat, für null und nichtig!« rief er der Menge im Komitium entgegen und spürte, wie ihn die Männer mit eiserner Ablehnung betrachteten. Ihn schauderte, und er schwieg still.
Nach den Gebeten und den Opferungen trat Caesar vor und schwor den Eid, daß er seine Pflichten als Erster Konsul nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt habe. Dann sprach er seine Abschiedsworte, die er schon tagelang in seinem Kopf mit sich herumgetragen hatte, ohne genau zu wissen, was er sagen sollte. Am besten war es, sich kurz zu fassen und das unerfreuliche Konsulat, das jetzt gottlob beendet war, erst gar nicht zu erwähnen.
»Ich bin ein römischer Patrizier aus dem Geschlechte der Julier, und meine Ahnen haben seit der Zeit des Königs Numa Pompilius im Dienste Roms gestanden. Und auch ich habe Rom gedient: als Hamen Dialis, als Soldat, als Pontifex, als Militärtribun, als Quästor, als kurulischer Ädil, als Richter, als Pontifex Maximus, als Stadtprätor, als Prokonsul in Hispania Ulterior und als Erster Konsul. Ich habe über vierundzwanzig Jahre im Senat von Rom gesessen und dessen Macht so unausweichlich schwinden sehen, wie es die Lebenskraft in einem alten Mann tut. Denn der Senat ist ein uralter Mann.
Die Ernte kommt und geht: reich in dem einen Jahr, Hungersnöte in dem nächsten. Die römischen Getreidekammern habe ich voll, doch auch leer gesehen. Ich habe Roms erste, wahrhafte Diktatur erlebt. Ich habe tatenlosen Volkstribunen zugesehen und solchen, die keine Grenzen kannten. Das Forum Romanum hat sich mir bleich und schweigsam wie ein Grab gezeigt, von einem stillen kalten Mond beschienen. Doch auch von seiner blutigen Seite lernte ich es kennen, als ich die Rostra voller abgeschlagener Köpfe sah. Den Tempel des Jupiter Optimus Maximus habe ich in Schutt und Asche und später dann in neuem Glanz gesehen. Und schließlich habe ich beobachtet, wie eine neue Macht entstand, die Macht der heimatlosen, unentlohnten und verarmten Truppen, die, wenn sie aus dem Heer ausscheiden, ihr Land um Ruhegeld anflehen; nur allzuoft vergönnt man ihnen dieses Geld nicht einmal.
Ich habe folgenschwere Zeiten miterlebt, denn seit meiner Geburt vor einundvierzig Jahren hat Rom einschneidende Umwälzungen gesehen. Die Provinzen von Cilicia, Cyrenaica, Bithynien- Pontus und von Syrien hat man seinem Reich einverleibt, und die Provinzen, die sich schon seit langem in Roms Besitz befinden, sind nicht mehr wiederzuerkennen. Zu meinen Lebzeiten wurde das Mittelmeer zu unserem Meer, von einem Ende bis zum andern.
Und nicht nur einmal, ganze siebenmal haben Bürgerkriege Italien heimgesucht. Zu meinen Lebzeiten hat ein Römer seine Truppen zum erstenmale gegen Rom, sein Vaterland, geführt, wenngleich auch Lucius Cornelius Sulla nicht der letzte Mann war, der dies wagte. Doch seit ich lebe, hat kein fremder Widersacher seinen Fuß auf italischen Boden gesetzt. Ein mächtiger König, der Rom vierundzwanzig Jahre lang bekämpfte, wurde besiegt und ging zugrunde. Er kostete Rom das Leben von hunderttausend Bürgern — und doch fielen nicht so viele wie in Roms Bürgerkriegen.
Ich habe tapfere Männer sterben sehen, ich sah sie zitternd, niedergemetzelt, ja gekreuzigt sterben. Und immer rührte mich am meisten das Schicksal der herausragenden Männer.
Was Rom war, ist und sein wird, hängt von uns Römern selbst ab. Geliebt von unseren Göttern, sind wir das einzige Volk in der Geschichte, das weiß, daß die Macht sich stets zwei Wege sucht — vorwärts und rückwärts, auf und nieder, rechts und links. Und so genießen wir als Römer ein Privileg, das sonst kein anderes Volk besitzt: Wir stehen mit unseren Göttern auf gleicher Stufe. Denn jedem anderen Volke fehlt die Einsicht. Wir sollten deshalb danach trachten, uns selber zu verstehen. Um zu verstehen, was unsere Stellung in der Welt uns abverlangt. Um zu verstehen, daß Bürgerkriege und der verstockte Blick in die Vergangenheit uns scheitern lassen werden.
In dieser Stunde wende ich mich nun von dem Gipfel meines Lebens, dem Jahr meines Konsulats, neuen Gefilden zu und neuen Höhepunkten, denn nichts bleibt unverändert. Ich bin ein Römer, und meine Wurzeln reichen bis zu den Anfängen der Stadt Rom zurück, und ehe ich mein Werk beschließe, wird die ganze Welt diesen Römer kennen. Ich bete zu Rom, für Rom, ich bin Römer.«
Er zog den Rand seiner purpurgesäumten Toga über seinen Kopf. »Oh, allmächtiger Jupiter Optimus Maximus — wenn du denn diesen Namen wünschst, da ich dich sonst mit jedem andern Namen begrüßen würde, der dir beliebt — du, der du des Geschlechts bist, das dir gefällt, du, der du Roms Odem bist, ich bete, daß du Rom und alle Römer auch weiterhin mit deiner Lebenskraft erfüllen mögest, ich bete, daß du selbst und Rom an Herrlichkeit gewinnen mögen, ich bete, daß wir stets unsere Verträge mit dir respektieren mögen und daß auch du dich an sie hältst. Lang lebe Rom!«
Niemand rührte sich. Niemand sprach. Die Gesichter waren unbewegt.
Caesar trat zurück und nickte Bibulus huldvoll zu.
»Ich schwöre bei Jupiter Optimus Maximus, Jupiter Peretrius, Sol Indiges, Tellus und Janus Clusivius, daß ich, Marcus Calpurnius Bibulus, meine Pflicht als Zweiter Konsul Roms erfüllt habe; dies tat ich, indem ich mich, auf Weisung der heiligen Bücher, in mein Haus zurückzog und dort den Himmel beobachtete. Ich schwöre aber auch, daß mein Mitkonsul, Gaius Julius Caesar, ruchlos ist, weil er es wagte, gegen meinen Erlaß zu verstoßen...«, begann Bibulus.
»Veto! Veto!« schrie Clodius. »So lautet der Eid nicht!«
»Dann werde ich mein Anliegen ohne Eid vortragen!« rief Bibulus zurück.
»Ich erhebe Einspruch gegen deine Rede, Marcus Calpurnius Bibulus!« brüllte Clodius. »Hiermit enthebe ich dich deines Amtes, ohne dir Gelegenheit zu geben, dich für ein ganzes Jahr der Untätigkeit zu rechtfertigen! Geh nur nach Hause, Marcus Calpurnius Bibulus, und schaue dir den Himmel an! Die Sonne sinkt gerade über einem der schlechtesten Konsuln in der Geschichte dieser Republik! Und danke deinen Sternen, daß ich kein Gesetz erlassen werde, um deinen Namen aus dem Verzeichnis der höchsten Magistrate zu streichen und durch das Konsulat des Julius und des Caesar zu ersetzen!«
Wie niederträchtig, trostlos und gemein dies alles ist, dachte Caesar angewidert und wandte sich zum Gehen, ohne auf irgend jemanden zu warten. Draußen, vor dem Domus Publica, entlohnte er seine Liktoren mit äußerster Großzügigkeit und dankte ihnen für ihre treuen Dienste im vergangenen Jahr; dann wollte er von Fabius wissen, ob er und die übrigen ihn während seines Prokonsulats in das italische Gallien begleiten wollten. Und Fabius sagte zu, im Namen aller. Der Zufall wollte es, daß Crassus und Pompeius nicht weit entfernt von Caesar aufeinanderstießen und seine hohe Gestalt in der düsteren Stimmung einer diesigen Abenddämmerung entschwinden sahen.
»Nun, Marcus, wir beide haben ein besseres Konsulnpärchen abgegeben als Bibulus und Caesar, so sehr wir uns auch verabscheuten«, sagte Pompeius.
»Caesar hat Pech gehabt, daß er in jedem höheren Magistrat Bibulus als Kollegen erben mußte. Es stimmt, wir waren besser, trotz unserer Differenzen. Zumindest ist es uns gelungen, das Konsulat in Frieden zu beschließen, und beide blieben wir die alten. Wogegen Caesar sich in diesem Jahr sehr stark gewandelt hat. Er ist nicht mehr so tolerant, doch dafür skrupelloser, kälter — es fällt mir schwer, es mitanzusehen.«
»Wer könnte ihm das verübeln? Es gab zu viele, die ihn scheitern sehen wollten.« Pompeius schwieg für eine Weile, dann fragte er: »Hast du seine Rede verstanden, Crassus?«
»Ich denke, schon, in Ansätzen jedenfalls, zwischen den Zeilen, wer kann das wissen? Caesars Reden enthalten stets zahlreiche Bedeutungsebenen.«
»Ich gebe zu, daß ich sie nicht verstanden habe. Sie klang so — düster. Als ob er uns vor etwas warnen wolle. Und was war es doch gleich, das er der Welt beweisen wollte?«
Crassus wandte ihm den Kopf zu und zeigte ein breites Lächeln.
»Ich habe da so ein Gefühl, daß du es irgendwann erfahren wirst.«
An den Iden des März gaben die Damen des Domus Publica eine nachmittägliche Einladung zum Essen. Die sechs vestalischen Jungfrauen, Aurelia, Servilia, Calpurnia und Julia fanden sich im Speisezimmer ein, um einige angenehme Stunden miteinander zu verbringen.
Aurelia als Gastgeberin (Calpurnia hätte nie gewagt, sich dieser Rolle zu bemächtigen) servierte die verschiedensten Köstlichkeiten, mit denen sie ihre Gäste zu erfreuen hoffte; auch Leckereien für die Kinder gab es, honigsüß und mit Nüssen überladen. Nach dem Essen schickte man Quinctilia, Junia und Cornelia Merula zum Spielen nach draußen in das Peristylium, während die Frauen ihre Stühle zusammenrückten und es sich, unbelauscht von neugierigen kleinen Ohren, gemütlich machten.
»Caesar hält sich nun schon seit mehr als zwei Monaten auf dem Marsfeld auf«, sagte Fabia, die müde und besorgt aussah.
»Noch wichtiger, wie findet sich Terentia in ihre neue Lage?« fragte Servilia. »Es ist jetzt ein paar Tage her, seit Cicero geflohen ist.«
»Nun ja, sie zeigt Vernunft, wie immer, obschon ich glaube, daß sie weit mehr leidet, als sie zugibt.«
»Cicero hätte niemals fliehen dürfen«, sagte Julia. »Ich weiß, daß Clodius ein allgemein gehaltenes Gesetz erlassen hat, das die Hinrichtung römischer Bürger ohne Gerichtsverhandlung untersagt, aber mein Lö. . . Magnus ist der Meinung, daß es ein Fehler war, freiwillig ins Exil zu gehen. Er glaubt, daß Clodius, wäre Cicero nur in Rom geblieben, niemals den Mut bewiesen hätte, ein ganz spezifisches Gesetz, das Cicero mit Namen nennt, zu erwirken. Doch in Ciceros Abwesenheit war es für ihn ein Kinderspiel. Und Magnus war nicht in der Lage, es Clodius auszureden.«
Aurelia blickte skeptisch, doch sie schwieg; Julias Meinung über Pompeius unterschied sich zu sehr von der ihren, die einer Prüfung durch eine vernarrte junge Frau niemals würde standhalten können.
»Welch Wahnsinn, dieses wunderschöne Haus zu plündern und niederzubrennen!« sagte Arruntia.
»Das geht auf Clodius zurück und seine zweifelhaften Freunde, die sich seit neuestem an seine Fersen heften«, sagte Popilia. »Er ist so — so verrückt!«
Servilia sprach: »Wie ich hörte, will Clodius einen Tempel an der Stelle bauen lassen, an der sich Ciceros Haus befand.«
»Mit Clodius als Hohenpriester, ohne Zweifel! Pah!« fauchte Fabia verächtlich.
»Ciceros Exil kann ja nicht ewig dauern«, sagte Julia bestimmt. »Magnus bemüht sich schon um seine Begnadigung.«
Servilia unterdrückte einen Seufzer, und ihr Blick traf den Aurelias. Sie sahen einander in vollkommenem Einverständnis an, doch keine war so unhöflich, das Lächeln, das sie in sich trugen, nach außen hin zu zeigen.
»Und warum hält sich Caesar noch immer auf dem Marsfeld auf?« fragte Popillia und erleichterte ihre Stirn ein wenig von dem großen wollenen Stirnreif, der ein rotes Mal auf ihrer empfindlichen Haut hinterließ.
»Er wird dort eine Weile bleiben müssen«, erwiderte Aurelia. »Er muß erst sichergehen, daß seine Gesetze nicht plötzlich von den Tafeln verschwinden.«
»Tata behauptet, Ahenobarbus und Memmius sind entmutigt«, fügte Calpurnia hinzu und strich über das orangefarbene Fell von Kater Felix, der in ihrem Schoß ein Schläfchen machte. Sie mußte daran denken, wie gerührt sie gewesen war, als Caesar sie bat, ihn regelmäßig auf dem Marsfeld zu besuchen. Sie war zu gut erzogen und kannte ihren Mann auch zu genau, um Eifersucht zu spüren; und doch gefiel es ihr ganz außerordentlich, daß Caesar noch kein einziges Mal Servilia auf das Marsfeld eingeladen hatte. Alles, was Servilia von ihm besaß, war eine dumme Perle. Wogegen Felix lebte und Liebe schenken konnte.
Servilia, die sah, was in Calpurnia vorging, bemühte sich, ihr eigenes Gesicht geheimnisvoll erscheinen zu lassen. Ich bin viel älter und viel weiser, ich weiß, wie weh es tut, wenn man sich trennt. Ich habe von ihm Abschied genommen und werde ihn jetzt jahrelang nicht sehen. Doch dieses arme kleine Ding wird ihm niemals so viel bedeuten wie ich. Oh, Caesar, und warum? Bedeutet dignitas dir denn soviel?
Plötzlich betrat Cardixa formlos das Speisezimmer. »Er ist weg«, sagte sie unverblümt, und stemmte ihre Riesenfäuste in ihre Riesenhüften.
Der Raum erstarrte schweigend.
»Warum?« fragte Calpurnia erbleichend.
»Bescheid aus Gallia Transalpina. Die Helvetier sind im Aufbruch. Caesar hat sich mit Burgundus auf den Weg nach Genava gemacht, und das in größter Eile.«
»Ich habe nicht Lebwohl gesagt!« rief Julia, und ihre Augen wurden feucht. »Er wird so lange fortbleiben! Was ist, wenn ich ihn niemals wiedersehe? All die Gefahren!«
»Caesar«, sagte Aurelia und stieß mit ihrem krummen Finger dem fetten Felix in die Seite, »ist wie er. Er hat hundert Leben.«
Fabia wandte ihr Gesicht den drei weißgekleideten, kleinen Mädchen zu, die draußen kichernd umeinander herumjagten. »Er hat ihnen versprochen, daß sie kommen dürften, um sich zu verabschieden. Wie werden die drei weinen!«
»Und weshalb sollten sie nicht weinen?« fragte Servilia. »Sie sind, genau wie wir, Caesars Frauen. Verdammt dazu, zurückzubleiben und zu warten, bis unser Herr und Meister wiederkehrt.«
»Ja, das ist der Lauf der Dinge«, sagte Aurelia gefaßt, und sie erhob sich, um den Krug voll süßen Weines zu erheben. »Als älteste der Frauen Caesars schlage ich vor, daß wir uns morgen alle miteinander in Bona Deas Garten nützlich machen.«
FINIS