Die Hochzeit zwischen Pompeius dem Großen und Caesars Tochter fand am nächsten Tag im Tempelatrium des Domus Publica statt. Da die Zeit für Hochzeiten nicht günstig war, brachte Caesar an all den Orten für seine Tochter Opfer dar, an denen er sich Hilfe erhoffte; seine Mutter machte die Runde bei den weiblichen Gottheiten, um ihnen ebenfalls zu opfern. Obgleich es, selbst unter Patriziern, seit langer Zeit schon nicht mehr Tradition war, eine confarreatio, die älteste und strengste Form der Ehe, einzugehen, stimmte Pompeius eifrig zu, als Caesar ihm den Vorschlag unterbreitete.
»Ich möchte nicht darauf bestehen, Magnus, doch es würde mich sehr freuen.«
»Oh, mich auch! Es ist das letztemal für mich, Caesar.«
»Das hoffe ich. Scheidung einer confarreatio ist so gut wie unmöglich.«
»Es wird mit Sicherheit keine Scheidung geben«, sagte Pompeius zuversichtlich.
Julia trug das Hochzeitsgewand ihrer Großmutter, das diese sechsundvierzig Jahre zuvor für ihre eigene Hochzeit gewebt hatte; sie fand seinen Stoff duftiger und weicher als alle Wirkwaren, die in der Straße der Weber zu kaufen waren. Ihr Haar, dicht, aber fein, glatt und so lang, daß es ihr bis zu den Lenden reichte, war in sechs Strähnen unterteilt, die hochgesteckt und unter einem Diadem festgesteckt waren. Ihr Gewand war safrangelb, die Schuhe und der zarte Schleier waren feuerrot.
Braut und Bräutigam hatten die Auflage, je zehn Trauzeugen vorzuweisen, was, angesichts der Heimlichkeit der Zeremonie, nicht ganz einfach war. Pompeius löste das Problem, indem er zehn picentische Klienten, die zufällig in der Stadt weilten, auf seine Liste setzte, und Caesar zog Cardixa, Burgundus, Eutychus (alle seit vielen Jahren römische Bürger) und die sechs vestalischen Jungfrauen hinzu. Das confarreatio-Zeremoniell erforderte die Anfertigung eines speziellen Sitzes, wobei zwei Einzelstühle miteinander verbunden und mit einem Schaffell bedeckt wurden; sowohl der Hamen Dialis als auch der Pontifex Maximus mußten der Zeremonie beiwohnen, was keine Schwierigkeit darstellte, da Caesar ja ohnehin das Amt des Pontifex Maximus bekleidete und davor flamen Dialis gewesen war (den nächsten würde es erst nach Caesars Tode geben). Aurelia, Caesars zehnte Zeugin, fungierte als pronuba, als verheiratete Brautführerin.
Als Pompeius — angetan mit seiner goldbestickten, purpurfarbenen Triumphtoga, darunter die palmenbestickte Triumphtunika — eintraf, ging ein gerührter Seufzer durch die kleine Gruppe; er wurde zu dem Schaffellsitz geleitet, wo Julia ihn, verhüllt durch ihren Schleier, schon erwartete. Als er sich neben ihr niedergelassen hatte, breitete Caesar und Aurelia einen riesigen feuerroten Schleier über beider Köpfe aus. Aurelia nahm Julias und Pompeius’ rechte Hand und band die beiden zum Zeichen der Vereinigung mit einem feuerroten Lederband zusammen. Von diesem Augenblick an waren sie verheiratet. Anschließend mußte einer der heiligen Spelzkuchen geteilt und je eine Hälfte von Braut und Bräutigam gegessen werden, während die Anwesenden feierlich bezeugten, daß alles seine Richtigkeit hatte und sie nun Mann und Frau waren.
Dann opferte Caesar ein Schwein auf dem Altar und weihte seine nahrhaften Teile Jupiter Farreus, jener Seite des Gottes Jupiter, die für das reiche Wachstum des Emmers, der ältesten Weizenart, Verantwortung trug; und da der Spelzkuchen aus Emmer gebacken worden war, galt dieses Opfer auch der anderen Seite Jupiters, die für die Fruchtbarkeit der Ehe sorgte. Die Opferung des Tieres würde den Gott besänftigen und das Unglück bannen, das auf einer Heirat, die im Mai geschlossen wurde, lastete. Niemals zuvor hatte ein Priester sich so bemüht wie Caesar, um die bösen Omen einer Mai-Hochzeit zu vertreiben.
Das Fest war heiter und die kleine Gästegruppe glücklich, weil auch das Glück von Braut und Bräutigam so offensichtlich war; Pompeius strahlte und ließ die Hand seiner Julia nicht mehr los. Dann gingen sie vom Domus Publica zu Pompeius’ großem wunderschönen Haus auf dem Carinae. Pompeius eilte voraus, um letzte Vorbereitungen zu treffen, während drei kleine Knaben Julia und die Hochzeitsgäste begleiteten. Dann stand Pompeius wartend auf der Schwelle, um seine neue Frau hinüberzutragen. Er führte sie zu der Feuer- und der Wasserpfanne und sah zu, wie sie die rechte Hand erst durch die Flamme, dann durch das Wasser gleiten ließ, ohne sich zu verbrennen. Sie war nun Herrin dieses Hauses, Herrin des Feuers und des Wassers. Aurelia und Cardixa, die beide nur einmal verheiratet gewesen waren, brachten sie in das Schlafgemach und halfen ihr beim Entkleiden.
Nachdem die beiden alten Frauen sie verlassen hatten, herrschte völlige Ruhe im Raum; Julia saß mit umschlungenen Knien aufrecht im Bett, das Gesicht halb verdeckt von ihren Haaren. Das war gar kein Schlafraum! Das war ein Saal, größer als das Speisezimmer im Domus Publica. Und so imposant! Kaum eine Oberfläche ohne Vergoldungen, dazu eine Reihe von getäfelten Wandmalereien, die zahlreiche Götter und Heroen beim Liebesspiel darstellten. Da war Herkules (der stark sein mußte, um das Gewicht seines erigierten Penis überhaupt tragen zu können) mit Königin Omphale; Theseus mit der Amazonenkönigin Hippolyta; Peleus mit der Meeresgöttin Thetis (er drang gerade in ein weibliches Hinterteil ein, das zur Hälfte von einem Tintenfisch verdeckt war); Zeus, der eine Kuh vergewaltigte; Venus und Mars, die wie zwei Kriegsschiffe zusammenstießen; Apollo, der einen Baum mit einem Knoten penetrierte, der an weibliche Geschlechtsteile erinnerte.
Aurelia war zu streng, um derlei Darstellungen in ihrem Hause zu gestatten; doch Julia, einer jungen, römischen Frau, war ein solch erotisches Dekor nicht fremd, und er stieß sie auch nicht ab. In manchen Häusern, in denen sie verkehrte, waren Erotika mitnichten auf die Schlafräume beschränkt. Als Kind hatte sie immer darüber kichern müssen, dann, später, schien es ihr unmöglich, eine Verbindung zu Brutus und sich selbst herzustellen; als unberührte junge Frau war sie interessiert, ja fasziniert von solcher Kunst, doch fehlte es ihr an dem realen Bezug.
Pompeius betrat den Raum mit bloßen Füßen, in einer tunica palmata.
»Wie geht es dir?« fragte er besorgt und näherte sich dem Bett so behutsam wie ein Hund der Katze.
»Sehr gut«, sagte Julia ernst.
»Hm — ist alles in Ordnung?«
»Oh ja. Ich habe gerade diese Bilder hier bewundert.«
Er wurde rot und fuchtelte hilflos mit den Händen. »Ich hatte keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern. Tut mir leid«, murmelte er.
»Sie stören mich ganz und gar nicht.«
»Mucia haben sie gefallen.« Er setzte sich auf seine Bettseite.
»Mußt du jedesmal dein Schlafzimmer neu dekorieren, wenn du deine Frauen wechselst?« fragte sie lächelnd.
Das schien ihn zu beruhigen, denn er lächelte zurück. »Man tut gut daran. Frauen geben den Dingen gern ihre eigene Note.«
»Auch ich werde das tun.« Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Sei doch nicht so nervös, Gnaeus — soll ich dich Gnaeus nennen?«
Er umklammete fest ihre Hand. »Mir ist Magnus lieber.«
Sie schob ihre Finger zwischen seine. »Mir auch.« Sie beugte sich ein wenig vor. »Warum bist du nervös?«
»Weil alle anderen nur Frauen waren«, sagte er und fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar. »Du bist eine Göttin.«
Sie sagte nichts darauf, so überwältigt war sie von dem ihr bis dahin unbekannten Gefühl, Macht über jemanden zu besitzen. Da hatte sie soeben einen bedeutenden und berühmten Römer geheiratet — und er hatte Angst vor ihr. Das war beruhigend, ja sogar schön! Ein köstliches Vorgefühl beschlich sie; sie legte sich zurück in ihre Kissen und sah ihn einfach an.
Ein Zeichen, daß er irgend etwas tun mußte. Der nächste Schritt war so entscheidend! Caesars Tochter, eine direkte Nachkommin der Venus! Wie hatte sich König Anchises nur verhalten, als die personifizierte Liebe ihm erschien und ihm sagte, er gefalle ihr?
Hatte auch er wie Espenlaub gezittert und sich gefragt, ob er dem, was man von ihm erwartete, auch gewachsen sei? Doch dann erinnerte er sich daran, wie seine Diana in den Raum getreten war, und er vergaß Venus. Noch immer zitternd beugte er sich vor und zog erst die Gobelindecke zurück, dann das Leinentuch darunter. Er sah sie an: weiß wie Marmor war sie, ihre Haut von feinen blauen Äderchen durchzogen; die schlanken Glieder und die Hüften, die schmale Taille. Wie schön sie war!
»Ich liebe dich, Magnus«, sagte sie mit ihrer heiseren Stimme, der er nicht widerstehen konnte, »doch ich bin viel zu dünn! Ich werde dich bestimmt enttäuschen.«
»Enttäuschen?« Pompeius sah sie staunend an und seine eigene Angst, sie zu enttäuschen, verflog. So verletzbar. Und so jung! Nun, er würde ihr beweisen, wie sehr sie sich da täuschte!
Die Außenseite einer ihrer Schenkel war ihm am nächsten; er preßte seinen Mund darauf, fühlte, wie ihre Haut bebte, spürte dann ihre Hand in seinem Haar. Er schloß die Augen, legte seine Wange an ihre Seite und schob sich langsam auf das Bett. Eine Göttin, eine Göttin... Jeden winzigen Teil von ihr würde er küssen, von dieser unbefleckten Blume, diesem vollkommenen Juwel! Ehrfürchtig würde er es tun und mit fast qualvollem Entz\1cken. Ihr Haar war überall, verdeckte ihre Brüste. Strähne für Strähne nahm er, drapierte sie um ihren Körper und starrte hingerissen auf die weichen kleinen Brustwarzen, deren rötliche Farbe so blaß war, daß sie mit ihrer Haut verschmolzen.
»Oh, Julia, Julia, ich liebe dich!« rief er. »Meine Gottin, Mondgöttin, Diana, Diana der Nacht!«
Mit der Entjungferung würde er sich Zeit lassen. Heute sollte sie nichts als Lust erfahren. Ja, zuerst Lust, die ganze Lust, die er ihr mit seinen Lippen, seinem Mund und seiner Zunge, seinen Händen, seiner eigenen Haut bereiten konnte. Erfahren sollte sie, was eine Ehe mit Pompeius dem Großen für sie bedeuten würde: Lust, Lust und nochmals Lust.
»Wir sind an einem entscheidenden Punkt angelangt«, sagte Cato zu Bibulus am gleichen Abend; der Zweite Konsul saß in dem Gartenperistyl seines Hauses und starrte in den Himmel. »Nicht nur, daß sie die Campania und Italien wie östliche Potentaten aufgeteilt haben, nun besiegeln sie ihre ruchlosen Bündnisse auch noch mit ihren jungfräulichen Töchtern.«
»Sternschnuppe, linker unterer Quadrant!« bellte Bibulus den Schreiber an, der in einiger Entfernung saß und geduldig darauf wartete, die stellaren Phänomene, die sein Herr erspähte, auf seiner Tafel niederzuschreiben, die von einem winzigen Lämpchen beleuchtet war. Bibulus stand auf, sprach die Gebete, die die Himmelsschau beschlossen, und bat Cato in sein Haus.
»Wieso erstaunt es dich, daß Caesar seine Tochter verkauft?« fragte er, ohne sich zu vergewissern, ob einer der stärksten Trinker Roms Wasser in seinen Wein wünschte oder nicht. »Ich habe mich gefragt, auf welche Weise er Pompeius an sich binden würde, und ich wußte, es würde ihm gelingen. Doch dies ist zweifellos die beste und raffinierteste Art. Man sagt ja, seine Tochter Julia sei ein wundervolles Geschöpf.«
»Du hast sie auch noch nie gesehen?«
»Nein, niemand kennt sie, doch das wird sich ohne Zweifel sehr bald ändern. Pompeius wird sie vorführen wie ein prämiertes Mutterschaf. Wie alt ist sie, sechzehn?«
»Siebzehn.«
»Servilia wird nicht sehr erfreut gewesen sein.«
»Oh, auch mit ihr ist er sehr geschickt verfahren«, sagte Cato und stand auf, um sein Glas nachzufüllen. »Ihr hat er eine Perle im Wert von sechs Millionen Sesterzen geschenkt, Brutus die Mitgift des Mädchens in Höhe von einhundert Talenten gezahlt.«
»Woher weißt du das alles?«
»Von Brutus; er kam heute, um mich zu besuchen. Immerhin hat Caesar den boni einen guten Dienst erwiesen. Von jetzt an haben wir den jungen Brutus fest in unserm Lager. Er hat sogar verkündet, daß er sich in Zukunft nicht mehr Caepio Brutus, sondern schlicht Brutus nennen will.«
»Aus Brutus werden wir nicht halb so viel Nutzen ziehen wie Caesar aus besagtem ehelichen Bündnis«, sagte Bibulus grimmig.
»Derzeit noch nicht. Doch ich setze meine Hoffnungen auf Brutus, jetzt, wo er beginnt, sich von seiner Mutter zu lösen. Ein Jammer nur, daß er nicht ein Wort gegen das Mädchen gelten lassen will. Ich habe ihm meine Porcia angeboten; er kann sie haben, sobald sie sich im heiratsfähigen Alter befindet, doch er hat abgelehnt. Er sagt, er wird niemals heiraten.«
Cato schüttete den Rest des Weins in sich hinein und drehte sich ruckartig um, die Hände fest um seinen Becher geklammert. »Marcus, ich könnte speien! Dies ist das kaltblütigste und widerwärtigste politische Manöver, von dem ich je gehört habe! Seit Brutus heute bei mir war, bemühe ich mich, einen kühlen Kopf zu bewahren und vernünftige Worte zu finden. Das ist der Gipfel! Nichts, was wir je getan haben, kommt diesem Schachzug gleich! Und es wird sich auszahlen für Caesar, das ist das Schlimmste!«
»Setz dich doch, Cato, ich bitte dich! Ich habe dir ja vorhin bereits gesagt, daß es sich für ihn auszahlen wird. Beruhige dich! Indem wir Phrasen dreschen oder gar unseren Abscheu über diese Heirat zum Ausdruck bringen, bezwingen wir ihn nicht. Bewahre bitte einen kühlen Kopf!«
Und Cato setzte sich, doch nicht, ohne sich noch einmal Wein nachgeschenkt zu haben. Bibulus runzelte die Stirn. Warum nur mußte Cato soviel trinken? Nicht, daß es seiner Gesundheit zu schaden schien; vielleicht war es ja auch seine Art, Stärke zu bewahren.
»Erinnerst du dich an Lucius Vettius?« fragte Bibulus.
»Den Ritter, den Caesar mit den Ruten schlagen ließ, um anschließend sein Hab und Gut an den Pöbel zu verteilen?«
»Eben der. Er hat mich gestern aufgesucht.«
»Und?«
»Er haßt Caesar«, sagte Bibulus nachdenklich.
»Das überrascht mich nicht. Der Vorfall hat ihn seinerzeit zur Zielscheibe des Spotts gemacht.«
»Er hat mir seine Dienste angeboten.«
»Auch das verblüfft mich nicht. Doch wie könnte er dir nützlich sein?«
»Indem er einen Keil zwischen Caesar und seinen neuen Schwiegersohn treibt.«
Cato blickte erstaunt. »Unmöglich.«
»Ich gebe zu, die Heirat vereinfacht diesen Plan nicht gerade, jedoch unmöglich ist es nicht. Pompeius mißtraut jedem, das gilt selbst für Caesar«, meinte Bibulus. »Nur Julia ist davon ausgeschlossen; das Mädchen ist noch viel zu jung, um selbst eine Gefahr zu sein. Doch sie wird den großen Pompeius bis zur Erschöpfung treiben: Er muß ja nicht nur ihren körperlichen Ansprüchen Genüge tun, sondern auch die Anfälle von Launenhaftigkeit ertragen, in die sich unreife Frauen gerne flüchten. Besonders wenn es uns gelingen sollte, Pompeius’ Mißtrauen gegen seinen Schwiegervater zu schüren, wird Julia aufbegehren.«
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, sprach Cato und füllt seinen Becher nach, »wir müssen Pompeius davon überzeugen, daß Caesar heimlich plant, ihn umzubringen.«
Jetzt war es Bibulus, der ihn erstaunt ansah. »Das ist doch nicht dein Ernst! Ich hatte lediglich das Schüren politischer Rivalität im Sinn.«
»Es ist durchaus mein Ernst«, nickte Cato. »Pompeius’ Söhne sind noch nicht alt genug, um seine Stellung einzunehmen, doch Caesar ist es. Besonders jetzt, da Pompeius Caesars Tochter geheiratet hat, würden sich zahlreiche seiner Klienten und Anhänger zu Caesar hingezogen fühlen, wenn Pompeius stürbe.«
»Ja, das ist sicher richtig. Doch wie soll es uns gelingen, Pompeius argwöhnisch zu machen?«
»Mit Vettius’ Hilfe«, sagte Cato, der jetzt nur noch an seinem Weinglas nippte. Der Wein begann, seinen Zweck zu erfüllen: Catos Gedanken wurden klar. »Und mit deiner Unterstützung.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte der Zweite Konsul.
»Bevor Pompeius und seine neue Frau die Stadt verlassen, läßt du ihn zu dir kommen und warnst ihn, daß gegen ihn ein Mordkomplott im Gange ist.«
»Das kann ich tun. Aber warum? Um ihn zu ängstigen?«
»Nein, um den Verdacht von dir abzulenken, wenn das Komplott bekannt wird«, sagte Cato, böse lächelnd. »Mit einer Warnung wirst du Pompeius nicht erschrecken können, doch wird sie ihn für den Verdacht empfänglich machen, es könne wirklich ein Komplott im Gange sein.«
»Erkläre mir das näher, Cato, das gefällt mir«, entgegnete Bibulus.
Ein glückstrahlender Pompeius machte den Vorschlag, mit Julia für den Rest des Monats Mai und einen Teil des Juni nach Antium zu fahren.
»Heute ist sie noch mit den Malern und Tapezierern beschäftigt«, erzählte er Caesar töricht lächelnd. »Während unserer Reise werden sie mein Haus auf dem Carinae auf den Kopf stellen.« Er seufzte tief. »Sie hat einen erlesenen Geschmack, Caesar! Alles soll hell und luftig sein, sagt sie, bloß kein vulgärer tyrischer Purpur und weniger Vergoldungen. Statt dessen Vögel, Blumen und Schmetterlinge. Ich weiß wirklich nicht, warum ich nicht schon längst daraufgekommen bin! Bloß unser Schlafgemach möchte ich wie einen mondhellen Wald dekorieren lassen, darauf bestehe ich.«
Wie sollte man da ernst bleiben? Caesar gelang es, doch nur mit großer Mühe. »Wann brecht ihr auf?« fragte er.
»Schon morgen.«
»Dann müssen wir noch heute eine beratende Versammlung einberufen.«
»Deshalb bin ich ja hier.«
»Unter Teilnahme von Marcus Crassus.«
Pompeius machte ein langes Gesicht. »Muß das wirklich sein?«
»Ja. Komm bitte nach der Mittagsmahlzeit wieder.«
Bis dahin war es Caesar gelungen, Crassus zu überreden, seine Untergebenen mit einer Reihe wichtiger Termine zu betrauen.
Es war ein warmer Tag, und sie saßen draußen in dem Hauptperistyl, einem abgeschiedenen Ort, an dem sie unbehelligt sprechen konnten.
»Das zweite Gesetz zur Landreform wird durchkommen, trotz Catos Taktiken und Bibulus’ Himmelsschau«, verkündete Caesar.
»Mit dir als Patron von Capua, wohlgemerkt«, sagte Pompeius, dessen Jungvermählten-Seligkeit sich verflüchtigt hatte, nun, da es galt, ernsthaft zu diskutieren.
»Nur insofern, als es sich bei dem Gesetzentwurf um eine lex Iulia handelt und ich, als ihr Urheber, Capua das volle römische Bürgerrecht verleihen muß. Du aber, Magnus, wirst derjenige sein, der dort den glücklichen Empfängern die Vertragsurkunde überreichen und die Parade abhalten wird. Capua wird sich als deine, nicht als meine Klientel betrachten.«
»Ich werde mich derweil im östlichen Teil des Ager Campanus aufhalten, wo ich auch als Patron fungiere«, sagte Crassus befriedigt.
»Doch unser Thema heute soll nicht das zweite Gesetz zur Landreform sein«, sagte Caesar. »Wir müssen über meine Provinz für das nächste Jahr diskutieren, da ich nicht beabsichtige, als Prokonsul Landvermessertätigkeiten nachzugehen. Außerdem sollten wir bedenken, wer nächstes Jahr die höheren Magistrate bekleiden könnte. Tun wir es nicht, so wird vermutlich vieles, was durch mich Gesetz geworden ist, im nächsten Jahr außer Kraft gesetzt werden.«
»Aulus Gabinius«, sagte Pompeius augenblicklich.
»Einverstanden. Die Wähler schätzen ihn; sein Volkstribunat hat einige sehr gute Maßnahmen hervorgebracht und nicht zuletzt auch dir die Möglichkeit gegeben, unser Meer von den Piraten zu säubern. Wenn wir drei gemeinsam darauf hinarbeiten, so müßte es uns eigentlich gelingen, ihn als Ersten Konsul durchzusetzen. Doch wie steht es mit dem Zweiten Konsul?«
»Was ist mit deinem Vetter, Lucius Piso, Caesar?« fragte Crassus.
»Ihn müßten wir uns kaufen«, antwortete Pompeius. »Er ist Geschäftsmann.«
»Gute Provinzen für die beiden also«, sagte Caesar, »Syrien und Makedonien.«
»Aber für länger als ein Jahr«, riet Pompeius. »Gabinius wäre damit sehr zufrieden, das weiß ich.«
»Was Lucius Piso angeht, so bin ich mir nicht sicher«, sagte Crassus stirnrunzelnd.
»Warum sind Epikureer nur so kostspielig?« wollte Pompeius wissen.
»Weil sie unbedingt von goldenen Tellern speisen müssen«, erwiderte Crassus.
Caesar grinste. »Und Heirat wäre keine Lösung? Vetter Lucius hat eine Tochter von fast achtzehn, allerdings ist sie nicht sehr begehrt. Sie hat keine Mitgift.«
»Hübsches Mädchen, soweit ich mich erinnere«, sagte Pompeius. »Keine Spur von Pisos Augenbrauen oder Zähnen. Ich verstehe aber nicht, wieso da keine Mitgift sein soll.«
»Piso ist momentan in Nöten«, erzählte Crassus. »Es gibt keine nennenswerten Kriege, und er hat all sein Geld in Waffen angelegt. Er mußte Calpurnias Mitgift antasten, um sich selbst über Wasser zu halten. Jedenfalls weigere ich mich, Caesar, einen meiner Söhne an ihn abzutreten.«
»Und wenn schon Brutus meine Tochter heiraten soll, so kann ich es mir nicht leisten, auch noch einen meiner Knaben zu opfern!« rief Pompeius heftig.
Caesar hielt die Luft an, hätte sich fast an ihr verschluckt. Beim Jupiter, er war bei der Lösung von Julias Verlobung so nervös gewesen, daß er vergessen hatte, Brutus diese Verbindung vorzuschlagen!
»Wird Brutus denn deine Tochter heiraten?« fragte Crassus skeptisch.
»Vermutlich nicht«, warf Caesar kühl dazwischen. »Brutus befand sich nicht in der geeigneten Verfassung für Fragen und für Angebote; ich würde nicht auf ihn zählen, Magnus.«
»Nun gut, wie du meinst. Doch wer könnte Calpurnia heiraten?«
»Warum nicht ich?« fragte Caesar.
Die beiden andern Männer starrten ihn an, und ein erfreutes Lächeln zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab.
»Das«, sagte Crassus, »würde unserm Zweck aufs beste dienen.«
»Vorzüglich, dann ist Lucius Piso unser Zweiter Konsul.« Caesar seufzte. »Mit den Prätoren werden wir uns leider nicht so leicht tun.«
»Wenn wir die beiden Konsuln stellen, brauchen wir uns um die Prätoren keine Sorgen machen«, sagte Pompeius. »Der größte Vorteil, den Lucius Piso und Gabinius zu bieten haben, ist, daß sie beide starke Männer sind. Sie werden sich von den boni nicht einschüchtern — oder gar täuschen lassen.«
»Bleibt das Problem, wie ich an die Provinzen komme, die ich haben will: italisches Gallien und Illyricum«, sagte Caesar nachdenklich.
»Vatinius wird sie für dich in der Plebejischen Versammlung durchsetzen«, sagte Pompeius. »Die boni hätten sich nicht träumen lassen, uns alle drei als Gegner zu bekommen, als sie dir Italiens Viehpfade überantworteten, oder?« Er grinste. »Du hast recht, Caesar. Gemeinsam erhalten wir drei von den Versammlungen alles, was wir wollen!«
»Du solltest nicht vergessen, daß Bibulus den Himmel beobachtet«, brummte Crassus. »Egal, welche Gesetze wir erlassen, sie werden angefochten werden, selbst wenn es erst in ein paar Jahren geschehen sollte. Außerdem ist die Amtszeit deines Mannes, Afrianus, im italischen Gallien verlängert worden, Magnus. Bei deinen Klienten wird es keinen guten Eindruck hinterlassen, wenn du stillschweigend duldest, daß man ihm die Provinz nimmt und an Caesar weitergibt.«
Mit leicht gerötetem Gesicht starrte Pompeius Crassus an. »Hübsch gesagt, Crassus!« versetzte er. »Afranius wird das tun, was ich ihm auftrage, er wird freiwillig für Caesar zurücktreten. Millionen hat es mich gekostet, für ihn das Amt des Zweiten Konsuls zu erstehen, er weiß, daß er mir eine Gegenleistung schuldig ist! Mach du dir lieber um Afranius keine Sorgen, dich könnte noch der Schlag treffen!«
»Das hättest du wohl gerne«, sagte Crassus mit breitem Lächeln.
»Ich hätte gerne sogar noch mehr von dir, Magnus«, mischte sich Caesar ein. »Ich will das italische Gallien von der Sekunde an, in der Vatinius’ Gesetz erlassen wird, und nicht erst ab dem nächsten Neujahrstag. Ich habe dort etwas zu erledigen — je eher also, desto besser.«
Den Löwen fröstelte noch nicht, zu warm war seine Haut von Julias Zärtlichkeiten. Er nickte bloß und lächelte, fragte Caesar nicht einmal, was es denn dort so Wichtiges zu tun gebe. »Du brennst darauf, die Arbeit anzugehen, nicht wahr? Dagegen ist nichts einzuwenden, Caesar.« Er begann, unruhig auf seinem Stuhl herumzurutschen. »Ist das alles? Ich sollte nun wirklich machen, daß ich zu meiner Julia komme, sonst denkt sie noch, ich hätte eine Geliebte!« Er kicherte über den eigenen Witz und war auf und davon.
»Die alten Narren sind die schlimmsten«, sagte Crassus.
»Sei gnädig, Marcus, er ist doch verliebt.«
»Ja, in sich selbst.« Crassus wandte sich Caesar zu. »Was hast du vor, Gaius? Weshalb willst du das italische Gallien sofort?«
»Ich möchte, unter anderem, mehr Legionen rekrutieren.«
»Weiß Magnus, daß du wild entschlossen bist, ihn als Roms größten Eroberer auszustechen?«
»Nein, das habe ich bisher geschickt vor ihm verbergen können.«
»Das Glück ist dir wahrhaftig hold, das muß man sagen. Die Tochter eines anderen Mannes hätte vielleicht das Aussehen und die Art von Terentia, während die deine sich durch innere wie äußere Schönheit auszeichnet. Sie wird Pompeius noch jahrelang in ihrem Bann halten. Und eines Tages wacht er dann auf, um festzustellen, daß du ihn in den Schatten gestellt hast.«
»Das wird er allerdings«, antwortete Caesar in einem Ton, der keinen Zweifel ließ.
»Julia hin oder her, du wirst ihn dann zum Feind haben.«
»Damit befasse ich mich erst, wenn es soweit ist, Marcus.«
Crassus schnaubte vernehmlich. »Das sagst du jetzt! Aber ich kenne dich, Gaius. Es stimmt schon, Hindernisse überwindest du erst, wenn sie sich dir in den Weg stellen. Doch andererseits hat es noch kein einziges politisches Ereignis gegeben, das du nicht Jahre zuvor schon vorausgesehen hättest. Genial bist du, gerissen und geschickt, und du siehst der Gefahr ins Auge.«
»Das hast du aber schön gesagt!« meinte Caesar und zwinkerte verschmitzt.
»Ich kann mir deine Pläne als Prokonsul gut vorstellen«, sagte Crassus. »Du wirst vermutlich alle Länder und Stämme erobern wollen, die nördlich und östlich von Italien liegen, und an denen du auf deinem Weg entlang des Danubius zum Schwarzen Meer vorbeimarschierst. Doch leider hat der Senat die Kontrolle über die öffentlichen Gelder! Vatinius mag ja die Plebejische Versammlung dazu bringen, dir das italische Gallien und Illyricum zu gewähren, doch wenn du Geld benötigst, hast du dich an den Senat zu wenden. Und der wird nicht gewillt sein, es dir zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn die boni einmal nicht entrüstet aufbegehren würden, so weigert sich doch der Senat von alters her, Angriffskriege zu finanzieren. In dieser Hinsicht ist Magnus unanfechtbar gewesen. Seine Kriege hat er stets gegen die offiziellen Feinde Roms geführt — gegen Carbo, Brutus, Sertorius, die Piraten, die beiden Könige. Wohingegen du die Absicht hast, den ersten Schlag zu führen und als Aggressor aufzutreten. Das wird dir der Senat niemals verzeihen, ebensowenig wie viele deiner eigenen Anhänger. Kriege kosten Geld. Der Senat verfügt über dieses Geld. Und dir wird er es nicht geben.«
»Da erzählst du mir nichts Neues, Marcus. Ich habe auch nicht vor, den Senat um Geldmittel zu bitten. Ich werde sie mir selbst beschaffen.«
»Aus deinen Feldzügen. Sehr riskant!«
Caesars Antwort war merkwürdig. »Bist du noch immer so entschlossen, Ägypten zu annektieren?« fragte er. »Das würde mich interessieren.«
Crassus wunderte sich über den plötzlichen Themenwechsel. »Kaum etwas anderes würde mich so reizen, doch leider ist es undurchführbar. Die boni würden lieber samt und sonders sterben, als mich darin zu unterstützen.«
»Gut! Dann habe ich ja meine Gelder«, sagte Caesar lächelnd.
»Du sprichst in Rätseln.«
»Ich werde dich rechtzeitig über meine Pläne aufklären.«
Als Caesar am nächsten Morgen vorsprach, um Brutus zu besuchen, traf er nur Servilia an. Er merkte schnell, daß sie eher deshalb eine finstere Miene aufgesetzt hatte, weil sie es angemessen fand, und weniger, weil ihre Gefühle dauerhaft verletzt gewesen wären. Um ihren Hals trug sie eine schwere, goldene Kette, an der in einer goldenen Umhüllung die große erdbeerfarbene Perle hing. Servilias Gewand war etwas heller, doch von dem gleichen Farbton wie die Perle.
»Wo ist Brutus?« fragte er, nachdem er ihr den Begrüßungskuß gegeben hatte.
»Zu Besuch bei seinem Onkel Cato«, sagte sie. »Da hast du mir keinen guten Dienst erwiesen, Caesar.«
»Laut Julia hat es zwischen den beiden schon immer eine Anziehung gegeben«, sagte er und setzte sich. »Deine Perle sieht übrigens prachtvoll aus.«
»Die Frauen Roms erblassen schon vor Neid. Und wie geht es Julia?« fragte sie süßlich lächelnd.
»Ich habe sie nun schon länger nicht gesehen, doch wenn man Pompeius’ Worten Glauben schenken darf, so ist sie sehr zufrieden mit sich und der Welt. Du kannst dich und Brutus glücklich schätzen, daß er das Rennen nicht gemacht hat, Servilia. Julia hat ihren Platz gefunden, was bedeutet, daß eine Ehe mit Brutus nie von Bestand gewesen wäre.«
»Das gleiche hat Aurelia schon zu mir gesagt. Ich könnte dich zwar umbringen, Caesar, doch Julia ist stets Brutus’ fixe Idee gewesen, nicht die meine. Als wir beide unser Verhältnis begannen, da schien mir die Verlobung ein ideales Mittel, dich zu halten; zugleich erwies sie sich jedoch als unbequem, als unsere Affäre ans Tageslicht kam. Denn Inzest ist nicht gerade das, worauf ich aus bin.« Sie zog eine Grimasse. »So etwas ist würdelos.«
»Du siehst — die Dinge entwickeln sich gewöhnlich zu ihrem Besten.«
»Plattheiten«, sagte sie, »passen nicht zu dir, Caesar.«
»Zu wem passen sie schon?«
»Und was führt dich so bald schon wieder her? Ein kluger Mann hätte sich eine Zeitlang nicht mehr sehen lassen.«
»Ich vergaß, dir eine Botschaft von Pompeius zu übermitteln«, sagte er und seine Augen funkelten boshaft.
»Was denn für eine Botschaft?«
»Pompeius würde sich glücklich preisen, Brutus, so dieser einverstanden ist, seine eigene Tochter als Ersatz für meine anzubieten; er meint es aufrichtig.«
Servilia richtete sich auf wie eine ägyptische Natter. »Aufrichtig!« zischte sie. »Aufrichtig? Du kannst ihm sagen, daß sich Brutus eher die Adern öffnen würde! Mein Sohn soll die Tochter eines Mannes heiraten, der seinen Vater tötete?«
»Ich werde deine Antwort weiterleiten, vielleicht ein wenig taktvoller formuliert; schließlich ist er mein Schwiegersohn.« Er streckte seine Arme nach ihr aus, mit jenem ihr so wohl bekannten Blick in seinen Augen, der ausdrückte, daß er in Liebesstimmung sei.
Servilia stand auf und sagte: »Es ist recht schwül für diese Jahreszeit.«
»Ja, in der Tat. Vielleicht würde es uns Erleichterung verschaffen, wenn wir die Gewänder ablegten.«
»Zumindest haben wir das Haus für uns allein«, meinte Servilia, als sie mit Caesar im jenem Bett lag, das sie mit Silanus nie geteilt hatte.
»Du hast die schönste Scham von allen«, bemerkte er träge.
»Ist das wahr? Ich habe sie nie gesehen«, entgegnete Servilia. »Auch fehlt mir der Vergleich. Obwohl ich mich geschmeichelt fühle. Es gibt in Rom wahrscheinlich kaum eine, die du in deinen jungen Jahren nicht genossen hättest.«
»Meine Sammlung ist in der Tat nicht gerade unbedeutend«, sagte er ernst und begann sie zu liebkosen. »Doch deine Scham ist die schönste und zudem riecht sie wunderbar! Sie ist dunkel, fast wie tyrischer Purpur, der sich bei Lichtwechsel verändert. Und dein schwarzer Pelz ist so weich. Ich kann dich als Mensch nicht leiden, Servilia, doch deine Scham verehre ich.«
Sie spreizte ihre Beine weit auseinander und drückte seinen Kopf nach unten. »Dann huldige ihr, Caesar, huldige ihr!« rief sie. »Bei Castor, du bist phantastisch!«
Ptolemaios der Elfte, Theos Philopator Philadelphia, genannt Auletes, bestieg den ägyptischen Thron während der Diktatur Sullas. Kurz vorher hatten die wutentbrannten Bürger von Alexandria ihren König nach nur neunzehntägiger Herrschaft buchstäblich in Stücke gerissen — als Rache dafür, daß er ihre geliebte Königin nach nur neunzehntägiger Ehe ermordet hatte.
Mit dem Tode dieses Königs, Ptolemaios Alexander der Zweite, war die direkte Linie der Ptolemäer zu Ende gegangen. Hinzu kam noch, daß Sulla Ptolemaios Alexander II. über Jahre hin als Geisel gehalten, nach Rom gebracht und dort gezwungen hatte, ein Testament aufzusetzen; darin wurde verfügt, daß Ägypten an Rom fallen solle, sofern Ptolemaios ohne Nachkommen sterbe. Ein eher ironisches Testament, denn Sulla war sich wohl bewußt, daß der weibische Ptolemaios Alexander der Zweite niemals Kinder zeugen würde. Rom würde Ägypten erben, das reichste Land der Welt.
Doch Sulla wurde Opfer der Entfernung. Als Ptolemaios Alexander der Zweite in der Agora in Alexandria seinen Geist aufgab, da wußte die führende Gruppe im Palast genau, wie lang die Todesnachricht nach Rom und zu Sulla unterwegs sein würde. Sie wußte auch um zwei potentielle Thronfolger, die weit näher an Alexandria lebten als an Rom. Es waren dies die beiden unehelichen Söhne des alten Königs Ptolemaios Lathyrus. Sie waren erst in Syrien aufgewachsen, dann auf die Insel Cos geschickt worden, wo sie dem König Mithridates von Pontus in die Hände fielen. Der ließ sie schnell nach Pontus schaffen, wo er sie mit zweien seiner vielen Töchter verheiratete: Auletes mit Kleopatra Tryphaena, den jüngeren Bruder Ptolemaios mit Mithridatidis Nyssa. Ptolemaios Alexander der Zweite war aus Pontus geflohen und hatte bei Sulla Zuflucht gesucht; aber die unehelichen Ptolemäer waren am Hof von Mithridates geblieben. Als König Tigranes dann Syrien eroberte, schickte Mithridates die beiden jungen Männer mit ihren Frauen zu Onkel Tigranes nach Syrien. Auch setzte er die führende Gruppe im Palast zu Alexandria über den Aufenthaltsort der beiden allerletzten Ptolemäer in Kenntnis.
Unmittelbar nach dem Tod von Ptolemaios Alexander dem Zweiten erfuhr König Tigranes in Antiochia von dieser Neuigkeit, und selbstverständlich schickte er die beiden Ptolemäer samt ihren Frauen umgehend nach Alexandria. Dort machte man den älteren der beiden, Auletes, zum König von Ägypten, den jüngeren (seitdem bekannt als Ptolemaios der Cyprer) zum Regenten der Insel Zypern, einer ägyptischen Besitzung. Da die beiden Königinnen seine eigenen Töchter waren, konnte der alternde König Mithridates von Pontus sich glücklich schätzen: Ägypten würde nun von seinen Nachkommen regiert werden.
Der Name Auletes bedeutete »Flötist« oder »Dudelsackpfeifer«, doch Ptolemaios, genannt Auletes, hatte seinen Spitznamen nicht etwa wegen seiner unleugbaren Musikalität erhalten; er sprach vielmehr in einer hohen Stimmlage, die dem Ton einer Flöte ähnelte. Zum Glück war er trotz dieser Tatsache nicht so weibisch veranlagt wie sein jüngerer Bruder, der Cyprer, dem es niemals gelingen sollte, Nachwuchs zu zeugen. Auletes und Kleopatra Tryphaena dagegen waren voller Hoffnung, Ägypten Nachkommen zu schenken. Doch da Auletes weder ägyptisch noch orthodox erzogen worden war, hatte ihn niemand Ehrfurcht vor den Priestern dieses merkwürdigen Landes gelehrt (besser gesagt, eines Landstreifens, nicht breiter als zwei oder drei Meilen, der sich entlang des Nils vom Delta bis zu den Inseln des ersten Katarakts und weiter bis zur Grenze von Nubien schlängelte). Es genügte nämlich nicht, König von Ägypten zu sein, der ägyptische Herrscher mußte gleichzeitig Pharao sein; das aber war nur möglich mit der Einwilligung der ägyptischen Priester. Da es Auletes sowohl an Einsicht als auch an Verständnis mangelte, hatte er keinerlei Versuch unternommen, die Priester für sich einzunehmen. Wenn sie für das System eine so große Rolle spielten, wieso hatten sie dann ihren Sitz dort unten, wo sich Fluß und Delta kreuzten, und nicht in der Hauptstadt Alexandria? Es war nie zu Auletes vorgedrungen, daß Alexandria für die einheimischen Ägypter ein fremdartiger Ort war, mit dem sie weder Blutsbande noch geschichtliche Entwicklungen verknüpften.
Wie ärgerlich, erfahren zu müssen, daß der gesamte Pharaonenschatz unter der Aufsicht der ägyptischen Priester in Memphis ruhte! Als König hatte Auletes zwar die Kontrolle über das nicht unbeträchtliche, öffentliche Einkommen; doch nur als Pharao konnte er seine Finger durch die riesigen Juwelenkörbe gleiten lassen, konnte Pylone aus Goldbarren errichten und sich am Anblick von Silberbergen ergötzen.
Königin Kleopatra Tryphaena, die Tochter von König Mithridates, war ihrem Ehemann Auletes in intellektueller Hinsicht weit überlegen, da dieser Opfer einer ausufernden Fortpflanzung zwischen Brüdern und Schwestern, Onkeln und Nichten war. Kleopatra wußte, daß sie keine Nachkommen zeugen konnten, ehe König Auletes nicht zumindest zum König von Ägypten gekrönt worden wäre. Sie machte sich deshalb ans Werk, die Priester zu umwerben, und hatte damit Erfolg: Vier Jahre nach ihrer Ankunft in Alexandria wurde Auletes offiziell gekrönt — leider jedoch nur zum König, nicht zum Pharao. Die Zeremonien fanden daher nicht in Memphis, sondern in Alexandria statt. Kurze Zeit später wurde ihr erstes gemeinsames Kind geboren, eine Tochter namens Berenice.
Im gleichen Jahr, in dem die alte Königin Alexandra der Juden starb, schenkte die Königin einer zweiten Tochter das Leben und nannte sie Kleopatra. Das Jahr ihrer Geburt erwies sich als verhängnisvoll. Zum einen zeichnete sich das Ende der königlichen Herrschaft von Mithridates und Tigranes ab, die nach den Feldzügen des Lukullus kampfesmüde waren, zum andern lebte das Interesse Roms an Ägypten wieder auf, das man als Provinz des stetig größer werdenden Römischen Reiches annektieren wollte. Die kleine Kleopatra war vier Jahre alt und Crassus gerade Zensor geworden, als er versuchte, die Annexion Ägyptens im Senat zu erwirken. Ptolemaios Auletes zitterte vor Angst und zahlte große Summen an die römischen Senatoren, um diese Maßnahme zu vereiteln. Seine Bestechungsgelder erwiesen sich als erfolgreich, die Bedrohung durch die Stadt Rom war vorerst abgewehrt.
Doch dann fiel Pompeius der Große im Osten ein, um den Glanzzeiten von Mithridates und Tigranes ein Ende zu bereiten.
Auletes sah seine Verbündeten im Norden schwinden, sein neuer Nachbar zu beiden Seiten war nunmehr Rom, das nun die Oberherrschaft über Cyrenaica und Syrien hatte. Ein Problem löste diese Veränderung im Gleichgewicht der Kräfte allerdings für Auletes: Seit geraumer Zeit schon hatte er den Wunsch gehegt, sich von Kleopatra Tryphaena scheiden zu lassen, da seine eigene Halbschwester, eine Tochter des alten Königs Ptolemaios Lathyrus, nunmehr im heiratsfähigen Alter war. Der Tod von König Mithridates würde diesen Schritt jetzt möglich machen. Es war nicht etwa so, als hätte es Kleopatra Tryphaena an ptolemäischem Blut gemangelt; sie hatte durchaus ein paar Tropfen von ihren Eltern mitbekommen, doch leider nicht genug. Wenn die Zeit käme, wo Isis ihm Söhne schenkte, würden sowohl Ägypter als auch Alexandrier diese weit mehr schätzen, wenn sie von reinem ptolemäischen Blut abstammten, soviel wußte Auletes. Dann könnte er vielleicht auch endlich Pharao werden und seine Hände auf einen Schatz von solchem Ausmaß legen, daß er imstande wäre, sich für alle Zeiten von Rom freizukaufen.
Und so ließ sich Auletes von Kleopatra Tryphaena scheiden und heiratete seine Halbschwester. Ihr Sohn, der zu gegebener Zeit als Ptolemaios der Zwölfte regieren würde, wurde im gleichen Jahr geboren, in dem Metellus Celer und Lucius Afranius Konsuln waren. Seine Halbschwester Berenice war jetzt fünfzehn, Kleopatra acht Jahre alt. Ihre Mutter Kleopatra Tryphaena hatte Auletes nicht etwa ermorden oder in die Verbannung schicken lassen. Sie blieb im Palast von Alexandria mit ihren beiden Töchtern wohnen und war darum bemüht, zur neuen ägyptischen Königin ein gutes Verhältnis zu bewahren. Um eine Tochter des Königs Mithridates zu vernichten, war mehr vonnöten als eine Scheidung; zudem war sie bestrebt, eine Heirat zwischen dem zukünftigen Thronfolger, der noch ein Säugling war, und ihrer jüngeren Tochter Kleopatra anzubahnen. Auf diese Weise würde die Erbfolge des Königs Mithridates in Ägypten erhalten bleiben.
Bedauerlicherweise stellte sich Auletes bei den Verhandlungen mit den ägyptischen Priestern, die auf die Geburt seines Sohnes folgten, äußerst ungeschickt an; so war er zwanzig Jahre nach seiner Ankunft in Alexandria noch genausoweit davon entfernt, Pharao zu werden, wie seinerzeit. Er überzog beide Nilufer mit seinen Tempeln, er brachte jeder Gottheit von Isis über Horus bis zu Serapis Opfer dar, er tat alles — nur nicht das Entscheidende.
Es wurde Zeit, mit Rom zu schachern.
Und so geschah es, daß Anfang Februar — im Jahr, als Caesar Konsul war — eine Delegation von hundert alexandrinischen Bürgern in Rom eintraf, um den Senat zu ersuchen, den Anspruch des Königs von Ägypten auf den Thron zu bestätigen.
Das Gesuch wurde fristgerecht im Monat Februar eingereicht, doch leider ließ die Antwort auf sich warten. Enttäuscht und verzagt machte die Delegation — die Anweisung von Auletes hatte, alle erforderlichen Schritte durchzuführen, und sei es unter größtem Zeitaufwand — sich an die mühevolle Aufgabe, Dutzende von Senatoren um ihre Unterstützung zu bitten. Das einzige, was für die Senatoren von Interesse war, war selbstverständlich Geld. Denn wechselte genug Geld den Besitzer, so würde man genügend Stimmen sichern können.
Der Führer der Delegation war ein gewisser Aristarchus, der nicht nur des Königs Kanzler, sondern auch der Kopf der führenden Gruppe im Palast war. Ägypten war von seinen uralten bürokratischen Strukturen völlig entkräftet. Daran hatte auch die neue makedonische Aristokratie, die seinerzeit von dem ersten König Ptolemaios eingeführt worden war, nichts ändern können. Statt dessen entwickelten sich neue gesellschaftliche Schichten. Die makedonischen Volksangehörigen bildeten nun die Oberschicht, die Bürger, die makedonisches und ägyptisches Blut besaßen, die Mittelschicht, die einheimischen Ägypter aber (mit Ausnahme der Priester) die Unterschicht in dieser Hierarchie. Daß die Armee sich ausschließlich aus Juden zusammensetzte, machte das System noch komplizierter. Aristarchus, ein listiger und scharfsinniger Mann, war ein direkter Nachfahre eines der bekanntesten Bibliothekare am Museum in Alexandria; er war zu lange höherer Beamter dieses Staates gewesen, als daß er dessen Mechanismen nicht durchschaut hätte. Da auch die ägyptischen Priester kein Interesse daran hatten, ihr Land an Rom fallen zu sehen, gelang es Aristarchus, sie zu überreden, den Anteil von Auletes Mitteln aufzustocken, der ihm nach der Bestechung Roms geblieben war. Auf diese Weise konnte Aristarchus nun über ein beträchtliches Kapital verfügen, über dessen wirkliche Höhe er Auletes nicht unterrichtet hatte.
Nachdem er einen Monat lang in Rom verbracht hatte, war ihm klar, daß Stimmenfang bei den Hinterbänklern und bei jenen Senatoren, die nie über das Amt des Prätors hinauskommen würden, nicht das geeignete Mittel war, um die Verfügung für Auletes zu bewirken. Er brauchte Konsulare — aber nicht die boni. Er brauchte Marcus Crassus, Pompeius den Großen und Gaius Caesar. Da er jedoch den Entschluß zu einem Zeitpunkt faßte, an dem die Existenz des Triumvirats nicht öffentlich bekannt war, entschied er sich für den falschen Mann. Er ging als erstes zu Pompeius; doch er war so vermögend, daß er die paar tausend Talente in ägyptischem Gold gar nicht brauchte. Pompeius hörte sich Aristarchus’ Anliegen mit unbewegter Miene an und setzte dem Gespräch mit vagen Versprechungen rasch ein Ende. Auf Crassus zuzugehen, war nicht empfehlenswert, auch wenn sein Hang zum Gold in aller Munde war. War er es doch gewesen, der Ägypten annektieren wollte, und daran hatte sich, das wußte Aristarchus, nichts geändert. Blieb schließlich Gaius Caesar übrig; ihn sprach der Alexandrier während des Tumultes um das zweite Gesetz zur Landreform und kurz vor Julias Hochzeit mit Pompeius an.
Caesar wußte nur zu gut, daß ein vatinisches Gesetz, das in der Plebejischen Versammlung verabschiedet worden war, ihn zwar mit einer Provinz ausstatten, ihm jedoch keine Mittel zur Deckung seiner Unkosten gewähren konnte. Der Senat würde ihm ein spärliches stipendium zugestehen, als Rache dafür, daß sich Caesar an die Plebs gewandt hatte; auch würde er dafür sorgen, daß dieses Geld so lang wie möglich im Schatzamt zurückgehalten wurde. Nicht eben das, was Caesar sich erträumte. Das italische Gallien besaß eine Garnison mit zwei Legionen, und zwei Legionen waren nicht genug für Caesars Pläne. Zumindest vier Legionen brauchte er, jede davon in voller Stärke und angemessen ausgerüstet. Doch das kostete Geld — Geld, das er niemals vom Senat erhalten würde, besonders da er keinen Verteidigungskrieg als Grund anführen konnte. Caesar würde — entgegen aller Senatspolitik — der Angreifer sein. Es war durchaus erfreulich, wenn sich das Reich neue Provinzen einverleiben konnte; doch die Voraussetzung war stets, daß sie aus einem Verteidigungskrieg hervorgegangen waren, wie jenem, den Pompeius gegen die Könige des Ostens geführt hatte.
Sobald die alexandrinische Delegation in Rom eintraf, wußte Caesar, bei wem das Geld, das er zur Ausrüstung seiner Legionen brauchte, zu holen war; doch wollte er den rechten Augenblick abpassen. So schmiedete er vorerst Pläne, in die er seinen Vertrauten Balbus, den Bankier aus Gades, einweihte.
Als Aristarchus Caesar zu Beginn des Monats Mai aufsuchte, empfing er ihn mit großer Liebenswürdigkeit im Domus Publica. Er führte ihn durch die offiziellen Teile des Gebäudes, bevor sie sich in seinem Arbeitszimmer niederließen. Natürlich gab Aristarchus höflich seiner Bewunderung Ausdruck, doch es war unschwer zu erkennen, daß Caesars Haus den Kanzler von Ägypten nicht sonderlich beeindruckte: klein, düster und zu nüchtern! Trotz seiner Zuvorkommenheit war ihm sein Urteil deutlich anzumerken. Und genau das erhöhte Caesars Interesse an diesem Mann.
»Wir können zwar wie die Katzen um den heißen Brei herumschleichen«, sagte er zu Aristarchus, »doch könnte ich mir vorstellen, daß du nach drei erfolglosen Monaten in Rom die direkte Methode vorziehen würdest.«
»Zugegeben, ich würde sehr gern so schnell wie möglich nach Alexandria zurückkehren, Gaius Caesar«, entgegnete Aristarchus, der offensichtlich reinrassiger Makedonier war, denn er war blond und hatte blaue Augen. »Aber ich kann Rom erst dann verlassen, wenn ich dem König gute Neuigkeiten bringe.«
»Das wird geschehen, sofern du dich auf meine Konditionen einläßt«, antwortete Caesar knapp. »Würde es dich zufriedenstellen, wenn der Senat den Anspruch deines Königs auf den Thron bestätigte und zusätzlich einen Erlaß verfügte, der Auletes zum Freund und Verbündeten des römischen Volkes machte?«
»Ich hatte meine Hoffnung nur auf ersteres gesetzt«, sagte Aristarchus und richtete sich zu voller Größe auf. »König Ptolemaios Philopator Philadelphus als Freund und Verbündeter der Stadt Rom betrachten zu dürfen lag jenseits meiner kühnsten Träume.«
»Dann lasse deinen Träumen Spielraum, Aristarchus, denn es ist durchaus möglich!«
»Um einen hohen Preis.«
»Das versteht sich.«
»Wie hoch ist der Preis, Gaius Caesar?«
»Für die Bestätigung des Anspruchs auf den Thron sechstausend Talente in Gold, zwei Drittel davon zahlbar, bevor der Erlaß verfügt ist, ein Drittel heute in einem Jahr. Für den Freund-und- Verbündeten-Erlaß weitere zweitausend Talente in Gold, im voraus als Pauschale zahlbar«, sagte Caesar mit durchdringendem Blick. »Das Angebot steht fest. Du kannst es akzeptieren oder nicht.«
»Anscheinend strebst du an, der reichste Mann in Rom zu werden«, sagte Aristarchus enttäuscht; für einen Blutsauger hatte er Caesar nicht gehalten.
»Mit sechstausend Talenten?« lachte Caesar. »Glaub mir, die würden mich wahrhaftig nicht zum reichsten Mann in Rom machen! Nein, ein Teil davon wird meinen Freunden und Verbündeten, Marcus Crassus und Gnaeus Pompeius Magnus, zukommen. Deine Verfügungen kann ich ohne Hilfe nicht erlassen. Und man erwartet nicht von den Römern, daß sie Ausländern zu Gefallen sind, ohne eine stattliche Entschädigung dafür einzufordern. Was ich mit meinem Anteil mache, ist meine Angelegenheit; doch ich kann dir versichern, daß ich nicht den Wunsch verspüre, mich in Rom niederzulassen, um ein Leben wie Lucullus zu führen.«
»Und die Verfügungen werden unanfechtbar sein?«
»Ja. Ich selbst werde sie aufsetzen.«
»Gut, Caesar, so sei es denn. Ich bin mit deinem Preis einverstanden.«
»Das ganze Geld muß direkt auf der Bank von Lucius Cornelius Balbus in Gades eingezahlt werden, und zwar auf seinen Namen«, sagte Caesar. »Er wird es dann auf eine Weise zu verteilen wissen, über die ich keine Auskunft geben möchte. Ich muß mich schützen, das verstehst du sicher; es darf kein Geld auf meinen Namen oder den meiner Kollegen angewiesen werden.«
»Ich verstehe.«
»Nun gut, Aristarchus. Sobald mir Balbus davon Kenntnis gibt, daß die Transaktion erfolgreich durchgeführt wurde, erhältst du deine Erlasse; dann kann König Ptolemaios von Ägypten endlich zu den Akten legen, daß sein Vorgänger einst ein Testament verfaßte, in welchem er Ägypten Rom vermachte.«
»Bei Jupiter!« sagte Crassus, als Caesar ihn einige Tage später von diesen Vorkommnissen in Kenntnis setzte. »Wieviel erhalte ich?«
»Tausend Talente.«
»In Silber oder Gold.«
»In Gold.«
»Und Magnus?«
»Das gleiche.«
»Dann bleiben viertausend für dich sowie weitere zweitausend im nächsten Jahr?«
Doch Caesar warf den Kopf zurück und lachte. »Die Hoffnung auf die letzten zweitausend Talente kannst du begraben, Marcus! Ist Aristarchus erst nach Alexandria zurückgekehrt, wird er sie niemals herausrücken. Auf welche Weise sollten wir das Geld wohl eintreiben, ohne einen Krieg zu beginnen? Nein, ich denke, sechstausend sind ein fairer Preis für die damit erkaufte Sicherheit, und Aristarchus ist sich dessen wohl bewußt.«
»Mit viertausend Goldtalenten kannst du zehn Legionen ausrüsten.«
»Besonders, wenn es Balbus ist, der diese Aufgabe übernimmt. Ich werde ihn auch diesmal wieder zu meinem praefectus fabrum machen. Sobald die Nachricht eintrifft, daß das ägyptische Geld in Gades hinterlegt ist, wird er sich auf den Weg in das italische Gallien machen. Dann werden sowohl Lucius Piso als auch Marcus Crassus — vom armen Brutus ganz zu schweigen — viel Geld an meiner Aufrüstung verdienen.«
»Zehn Legionen, Gaius?«
»Nein, nein, zu Anfang werden es nur zwei Legionen sein. In sie gedenke ich, den größten Teil zu investieren. Das Unternehmen wird sich selbst finanzieren müssen, Marcus. Ich sehe keinen anderen Weg. Wer die Finanzen kontrolliert, hat auch Kontrolle über das ganze Unternehmen. Mein Zeitpunkt ist gekommen. Wer, wenn nicht ich, sollte die Sache in die Hand nehmen? Der Senat vielleicht?«
Caesar sprang auf und streckte seine Arme mit geballten Fäusten zur Decke aus; Crassus nahm plötzlich wahr, wie stark die Muskeln an den täuschend zarten Gliedern waren, und ihn überkam ein leichtes Frösteln. Welch ungeheure Kraft in diesem Manne steckte!
»Der Senat ist ein Nichts! Die boni sind ein Nichts! Pompeius Magnus ist ein Nichts! Ich werde so weit gehen, wie nötig ist, um bis ans Ende meiner Tage der Erste Mann in Rom zu sein! Nach meinem Tode wird man von mir als dem größten Römer sprechen, der je gelebt hat! Nichts und niemand wird mich daran hindern können! Das schwöre ich bei meinen Ahnen und bei der Göttin Venus!«
Dann ließ er plötzlich die Arme sinken, Feuer und Kraft waren erloschen. Er setzte sich müde in seinen Sessel und blickte seinen alten Freund kläglich an. »Oh, Marcus«, sagte er, »wenn ich nur dieses Jahr erst hinter mich gebracht hätte!«
Crassus’ Mund fühlte sich trocken an. Er schluckte. »Du schaffst es«, sagte er.
Publius Vatinius berief die Plebejische Versammlung ein und verkündete der Plebs, er werde ein Gesetz verkünden, welches Gaius Julius Caesar die schmähliche Tätigkeit der Landvermessung erlasse.
»Warum vergeuden wir die Fähigkeiten eines Mannes wie Gaius Caesar an ein Amt, das den Talenten unseres Sternenguckers angemessen sein mag, das aber unter der Würde eines Statthalters und Feldherrn wie Gaius Caesar ist? In Spanien hat er uns bewiesen, was er vermag, doch das ist unbedeutend. Ich will, daß er Gelegenheit erhält, Aufgaben zu bewältigen, die aus dem Holz sind, aus dem Caesar selbst geschnitzt ist! Zum Regieren gehört doch mehr als Krieg zu führen, zum Feldherrn mehr, als im Kommandantenzelt zu sitzen. Gallia Cisalpina hat nun seit mindestens zehn Jahren keinen nennenswerten Statthalter mehr gesehen; die Folge ist, daß die Dalmatier, die Liburner, die Japyder und all die anderen Stämme Illyriens den Ostteil des italischen Galliens zu einem Ort gemacht haben, an dem es sich für Römer sehr gefährlich lebt. Von der Verwaltung der Provinz, die miserabel ist, ganz zu schweigen. Die Kolonien, die unter römischem Recht stehen, sind im Begriff unterzugehen.
Ich fordere euch auf, Gaius Caesar die Provinz Gallia Cisalpina mit Illyrien zu gewähren, und zwar von der Sekunde an, in der dieses Gesetz erlassen sein wird!« rief Vatinius mit so gerötetem Gesicht, daß die Geschwulst auf seiner Stirn gar nicht mehr auffiel. »Ich fordere euch weiter auf, Gaius Caesar als Prokonsul in Gallia Cisalpina und Illyrien für fünf Jahre zu bestätigen! Ferner, dem Senat zu untersagen, Anordnungen zu ändern, die wir in dieser Versammlung beschlossen haben. Denn der Senat hat sich das eigene Recht abgesprochen, die konsularischen Provinzen zu verteilen; er sieht sich augenscheinlich außerstande, für einen Mann wie Gaius Caesar eine sinnvollere Aufgabe zu finden, als Italiens Viehpfade zu vermessen! Laßt doch den Sternengucker die Misthaufen inspizieren, Gaius Caesar aber sei ein besserer Ausblick vergönnt!«
Vatinius’ Gesetz war vor die Plebejische Versammlung gebracht worden, und dort blieb es vorerst und erlebte eine contio nach der anderen; Pompeius trat für das Gesetz ein, dann folgten Crassus, Lucius Cotta — und Lucius Piso.
»Es will mir einfach nicht gelingen, unsere feigen Tribunen dazu zu bewegen, das Veto einzulegen«, sagte Cato zitternd vor Wut zu Bibulus. »Nicht einmal Metellus Scipio, kannst du das glauben? Alles, was sie dazu zu sagen haben, ist, daß sie gern am Leben bleiben möchten! Oh, wäre ich noch Volkstribun, ich würde es ihnen zeigen!« »Und wärst ein toter Mann, Marcus. Das Volk will das Gesetz, frage mich nicht, warum. Es setzt nun mal auf Außenseiter. Pompeius war eine bewährte Größe, Caesar ist ein Risiko. Die Ritter, dieses abergläubische Gesindel, glauben, daß er ihnen Glück bringt.«
»Das Schlimmste ist, daß du die Viehpfade am Hals hast. Vatinius lag sehr daran, zu betonen, daß einer von euch beiden dieses Amt zu übernehmen habe.«
»Das werde ich auch tun«, sagte Bibulus erhobenen Hauptes.
»Wir müssen ihn auf irgendeine Weise aufhalten. Macht Vettius denn Fortschritte?«
Bibulus seufzte. »Nicht so, wie ich gehofft hatte. Ich wünschte, du hättest mehr Talent im Ränkeschmieden, Cato, doch leider ist das nicht der Fall. Die Idee war zwar nicht schlecht, doch Vettius ist nicht gerade der ideale Mann für unsere Ziele.«
»Gleich morgen suche ich ihn auf.«
»Nein, überlaß das mir!« rief Bibulus besorgt.
»Angeblich wird Pompeius im Senat sprechen. Er will sich dafür stark machen, daß der Senat Caesars Forderungen erfüllt. Pah!«
»Die zusätzliche Legion, die er beansprucht, wird er nicht erhalten, soviel ist sicher.«
»Wie komme ich dazu, zu denken, daß man sie ihm gewähren wird?«
Bibulus lächelte säuerlich. »Weil er vom Glück begünstigt ist?« fragte er.
»Ja, obgleich mir diese Haltung nicht behagt. Sie läßt ihn so begnadet erscheinen.«