Und wie nicht anders zu erwarten, trat Pompeius für Vatinius’ Gesetzentwurf ein.
»Es ist mir nicht entgangen«, wandte Pompeius Magnus sich an die Senatoren, »daß man der Provinz Gallia Transalpina seit dem Tode unseres geschätzten Konsularen Quintus Metellus Celer noch keinen neuen Statthalter zugeteilt hat. Gaius Pomptinus bekleidet nach wie vor das Amt im Namen dieses Hauses, und wie es scheint, seid ihr mit ihm zufrieden; doch meinen Beifall und den Gaius Caesars oder irgendeines anderen bewährten Befehlshabers hat er nicht. Entgegen unseren Protesten habt ihr sein Wirken gebilligt, doch glaubt mir, Pomptinus ist nicht fähig dazu, Gallia Transalpina zu regieren. Gaius Caesar hingegen ist ein Mann von großer Energie und Tüchtigkeit, wie seine Zeit als Statthalter in Hispania Ulterior bewiesen hat. Eine Aufgabe, die die meisten Männer gar nicht bewältigen könnten, fordert ihn, wie übrigens auch mich, erst recht heraus. Und so stelle ich den Antrag, daß man Gaius Caesar das Amt des Statthalters in den Provinzen Gallia Cisalpina und Gallia Transalpina — einschließlich der dazugehörigen Legionen — gewähren möge. Das hätte eine Menge Vorteile. Als Statthalter beider Provinzen wird er in der Lage sein, seine Truppen dort einzusetzen, wo man sie gerade braucht, egal, um welche der Provinzen es sich handeln mag. Seit drei Jahren schon befindet sich Gallia Transalpina im Unruhezustand. Seine rebellischen Stämme mit einer einzigen Legion in Schach halten zu wollen, wäre nachgerade lächerlich. Doch die Provinzen unter einem Statthalter zu vereinen, bedeutet, daß sich Rom die Kosten für weitere Legionen ersparen kann.«
Catos Hand wedelte in der Luft, und Caesar erteilte ihm mit breitem Lächeln das Wort: »Marcus Porcius Cato, du kannst reden.«
»Dein Selbstvertrauen muß beachtlich sein«, donnerte Cato, »daß du dir einbildest, du könntest mir ungestraft das Wort erteilen, Caesar. Nun, mag ja sein, daß dem so ist, doch wird zumindest mein Protest gegen eine solche Art der Aufteilung des Reiches in die Annalen eingehen. Wie loyal sich der frischgebackene Schwiegersohn für seinen neuen Schwiegervater einsetzt! Ist es soweit mit Rom gekommen, daß man hier Töchter kauft und wieder verschachert? Hängt unsere politische Orientierung von dem Kauf oder Verkauf einer Tochter ab? Der Schwiegervater dieser schändlichen Verbindung hat bereits seinen Gesetzeshüter mit der Geschwulst am Kopf dazu benutzt, sich sein Prokonsulat zu sichern, was ich und alle wahren Patrioten Roms mit aller Macht zu verhindern suchten. Nun will auch noch der Schwiegersohn, daß tata eine weitere Provinz gewährt wird! Ein Mann — eine Provinz! So spricht das mos maiorum. Versammelte Väter, seht ihr nicht die Gefahr, die dieser Anspruch in sich birgt? Versteht ihr nicht, daß ihr euch den Tyrannen ins eigene Nest setzt, wenn ihr Pompeius’ Forderung erfüllt? Ich sage: Tut es nicht!«
Pompeius sah gelangweilt aus, Caesar, wie so oft, belustigt.
»Was du denkst, ist mir einerlei«, sagte Pompeius darauf. »Meine Motive sind die besten. Wenn der Senat von Rom sein Recht von alters her bewahren und unsere Provinzen auch weiterhin verteilen will, so sollte er von diesem Recht Gebrauch machen. Ihr könnt mich ignorieren, Senatoren, doch dann wird Publius Vatinius den Antrag vor die Plebejische Versammlung bringen, und sie wird Gaius Caesar Gallia Transalpina zuerkennen. Ich rate euch daher: Nehmt die Sache selbst in die Hand, bevor die Plebs es tut. Wenn ihr Gaius Caesar Gallia Transalpina zugesteht, dann obliegt euch die Kontrolle. Ihr könnt das Amt dann jedes Jahr am Neujahrstag verlängern oder auch nicht, ganz nach Belieben. Doch wenn der Antrag vor die Plebejische Versammlung geht, wird Gaius Caesar den Oberbefehl in Gallia Transalpina für ganze fünf Jahre erhalten. Wollt ihr das wirklich? Denn jedesmal, wenn die Versammlungen des Volkes ein Gesetz erlassen, für das einst der Senat zuständig war, geht diesem ein Stückchen Macht verloren. Mir ist es einerlei! Ihr müßt entscheiden! Die Entscheidung liegt in eurer Hand!«
In solchen Reden — schlicht, klar und unmißverständlich — lag Pompeius’ Stärke. Die Senatoren dachten über seine Worte nach und stimmten für die Zuteilung der Provinz Gallia Transalpina an den Ersten Konsul: für ein Jahr zunächst, beginnend mit dem nächsten Neujahrstag und nach Gutdünken des Senats verlängerbar.
»Ihr Toren!« rief Cato nach der Abstimmung, außer sich vor Wut. »Ihr unverbesserlichen Toren! Vor wenigen Minuten noch hatte er drei Legionen, jetzt habt ihr ihm auch die vierte zugestanden! Vier Legionen, und drei davon sind kampferprobt! Und was hat Caesar, dieser Schurke, wohl mit ihnen vor? Wird er sie benutzen, um seine zahlreichen Provinzen zu befrieden? Nein! Er wird sie benutzen, um gegen Italien, gegen Rom anzurücken, um sich zum König von Rom zu erheben!«
Die Rede kam nicht unerwartet, auch war sie nicht besonders kränkend; und keiner, nicht einmal die boni, schenkte Catos Worten wirklich Glauben.
Doch Caesar fuhr aus der Haut, ein Zeichen für die kolossale Spannung, die seit Monaten schon auf ihm lastete, und die jetzt, wo er hatte, was er wollte, von ihm abfiel. Er sprang auf, mit steinerner Miene und blitzenden Augen. »Du kannst so lange zetern wie du willst, Cato!« donnerte er. »Von mir aus kannst du zetern, bis der Himmel einstürzt und Rom unter seinen Wassern begräbt! Ja, ihr könnt alle lautstark protestieren, zetern, jammern, kritisieren! Mir ist es einerlei! Ich habe, was ich wollte, und habe es auch gegen euren Widerstand bekommen! Bleibt gefälligst sitzen und schweigt still, ihr jämmerlichen Kümmerlinge! Ich habe, was ich wollte. Und wenn man mir die Macht verleiht, so werde ich die Macht benutzen, um eure Köpfe zu zerquetschen!«
Keiner rührte sich, alle schwiegen, bebend vor Wut.
Was immer auch der Grund sein mochte — Caesars Protest gegen ein von ihm als ungerecht empfundenes Verhalten oder aber die allzu zahlreich aufgetretenen Beleidigungen, von denen die Heirat nur eine war —, von diesem Tage an begann die Popularität des Ersten Konsuls und seiner Verbündeten zu schwinden. Die öffentliche Meinung, schon mehr als ungehalten über Caesars zwei Provinzen, schlug plötzlich um zugunsten Cato und Bibulus, die diese Wendung rasch zu nutzen wußten. Es gelang ihnen, den jungen Curio zu kaufen, der ohnehin darauf erpicht war, Caesar das Leben schwer zu machen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, fand er sich auf der Rostra oder Castors Rednertribüne ein, wo er dann Caesars fragwürdige Vergangenheit mitleidslos verspottete — auf eine unbestritten amüsante Weise. Auch Bibulus betrat die Kampfarena, indem er witzige Anekdoten, Epigramme, Nachrichten und Erlasse an Caesars Mitteilungstafel im unteren Forum anbrachte.
Dessenungeachtet wurden Caesars Gesetze verabschiedet: das zweite Gesetz zur Landreform, die unterschiedlichen Gesetze, die unter den leges Vatiniae zusammengefaßt waren und Caesar zu seinen Provinzen verhalfen, und zahlreiche weitere, eher unauffällige, doch zweckmäßige Verfügungen, die Caesar schon seit Jahren unbedingt erlassen wollte. König Ptolemaios der Elfte, Theos Philopator Philadelphus, genannt Auletes, wurde Freund und Verbündeter des römischen Volkes und sein Anspruch auf den ägyptischen Thron bestätigt.
Viertausend Talente lagen noch in Balbus’ Bank in Gades, nachdem Pompeius und Crassus ausbezahlt worden waren. Balbus machte sich gemeinsam mit Titus Labienus eiligst in Richtung Norden auf, um in Gallia Cisalpina seine Arbeit zu beginnen. Balbus würde die Waffen und die Ausrüstung besorgen (wenn möglich von Lucius Piso und Marcus Crassus), während Labienus beginnen sollte, die dritte Legion für die Provinz auszuheben.
Caesar hatte einen Krieg im Nordosten des Landes und im Stromgebiet des Danubius geplant, und Gallia Transalpina war ihm daher eine Last. Bislang hatte er Pomptinus noch nicht abberufen, obgleich er ihm ein Dorn im Auge war, denn mit den Schwierigkeiten an den Rhodanus-Ufern beabsichtigte er, diplomatisch umzugehen. Ariovistus, König der germanischen Sueben, war eine neue Macht in Gallia Transalpina; er herrschte jetzt über das Gebiet zwischen dem Lemannus-See und den Ufern des Rhenus, das Gallia Transalpina von Germanien trennte. Ursprünglich hatten die Sequaner Ariovistus gestattet, in ihr Land einzuwandern, und hatten ihm dafür ein Drittel ihres Landes versprochen. Doch die Sueben strömten so unaufhaltsam und so zahlreich über den großen Fluß, daß Ariovistus schon sehr bald zwei Drittel des Sequaner-Landes verlangte. Die Unruhen übertrugen sich auf die Haeduer, die schon seit vielen Jahren als Freunde und Verbündete des römischen Volkes galten. Und dann begannen auch noch die Helvetier, ein Stamm des großen Volkes der Tiguriner, aus ihren Bergfestungen herauszuströmen, um in Gallia Transalpina nach besseren Lebensbedingungen zu suchen.
Ein Krieg stand drohend vor der Tür, so daß Pomptinus ein ständiges Lager nicht weit vom Lemannus-See errichtete und sich mit einer Legion dort niederließ, um die Ereignisse zu beobachten.
Caesar erkannte scharfsinnig, daß Ariovistus der Schlüssel zur Lösung des Problems war. Im Namen des Senats begann er daher, mit den Vertretern des Germanenkönigs zu verhandeln; sein Ziel war ein Vertrag, der Roms Eigentum sichern, Ariovistus in Schach halten und die riesigen gallischen Stämme, aufgebracht durch den Einfall der Germanen, beruhigen sollte. Daß er dabei Verträge brach, die Rom längst mit den Haeduern geschlossen hatte, kümmerte ihn nicht im geringsten. Entscheidend war jetzt, einen Status quo zu etablieren, der jegliche Gefahr für Rom ausschloß.
Das Resultat war ein Erlaß des Senates, der König Ariovistus zum Freund und Verbündeten des römischen Volkes ernannte; er war begleitet von großzügigen Geschenken Caesars und erzielte die gewünschte Wirkung. Ariovistus fühlte sich in seiner Position bestätigt und konnte sich mit einem Seufzer der Erleichterung zurücklehnen: Sein gallischer Stützpunkt war nunmehr ein Faktum, das der Senat von Rom gebilligt hatte.
Die Freund-und-Verbündeten-Erlasse zu bewirken hatte sich in keinem Fall als Schwierigkeit erwiesen; denn der Senat, der von Natur aus konservativ und strikt gegen hohe Kriegsausgaben eingestellt war, hatte sehr schnell begriffen, daß die Bestätigung von Ptolemaios Männer wie Crassus daran hindern würde, Ägypten an sich zu reißen; und die Bestätigung von Ariovistus würde einen Krieg in Gallia Transalpina abwenden.
Auf dem Gipfel seiner schwindenden Popularität nahm Caesar Calpurnia, die Tochter des Lucius Calpurnius Piso, zu seiner dritten Frau. Es stellte sich heraus, daß sie mit ihren achtzehn Jahren genau dem Typus Ehefrau entsprach, den er zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere benötigte. Sie war groß und dunkel wie ihr Vater, ein sehr anziehendes Mädchen mit einer ruhigen und würdevollen Ausstrahlung; in dieser Hinsicht erinnerte sie Caesar an seine Mutter, die eine Cousine ersten Grades von Calpurnias Großmutter, einer Rutilia war. Intelligent, belesen, liebenswürdig und niemals fordernd, fügte sie sich in das Domus Publica mit solcher Leichtigkeit ein, als habe sie schon immer dort gelebt. Da sie zudem im gleichen Alter wie Julia war, tröstete sie alle Mitbewohner — und besonders Caesar — über deren Verlust hinweg.
Caesar hatte im Umgang mit ihr seinen ganzen Schatz an Erfahrung aufgeboten. Einer der großen Nachteile arrangierter Heiraten, besonders jener schnell entstandenen, war die Reaktionsweise der neuen Frau. Sie kam zu ihrem Ehemann als völlig Fremde, und wenn sie, wie Calpurnia, ein reserviertes Wesen hatte, errichteten Scheu und Verlegenheit häufig eine Mauer. Da Caesar sie verstehen konnte, bemühte er sich sehr, diese Mauer abzubauen. Er behandelte sie ähnlich wie Julia, nur mit dem Unterschied, daß Calpurnia seine Frau, nicht seine Tochter war. Wenn er sie liebte, war er zärtlich, aufmerksam und heiter, und so verhielt er sich ihr gegenüber auch auf allen anderen Ebenen.
Als sie von ihrem hocherfreuten Vater hörte, daß sie den Ersten Konsul und Pontifex Maximus heiraten würde, hatte sie aller Mut verlassen. Wie sollte sie ihm nur gerecht werden? Und dann erwies er sich als so nett, so liebevoll! Tagtäglich überraschte Caesar sie mit Geschenken, mit einem Schal, hübschen Sandalen oder Ohrringen, die er an einem Marktstand hatte glitzern sehen. Einmal ließ er im Vorbeigehen etwas in ihren Schoß fallen. Das Ding bewegte sich und ließ ein winziges Miau ertönen — es war ein kleiner Kater! Wie konnte er nur wissen, daß sie Katzen über alles liebte und daß sie, da ihre Mutter diese Tiere haßte, nie selbst eine gehabt hatte?
Calpurnias dunkle Augen leuchteten, als sie das orangefarbene Knäuel an ihre Wange drückte; sie strahlte ihren Mann an.
»Jetzt ist er noch ein wenig jung, doch wenn du ihn mir an Neujahr gibst, dann werde ich ihn für dich kastrieren«, sagte Caesar, der selbst erstaunt darüber war, wie sehr ihn der beglückte Ausdruck auf ihrem reizenden Gesicht erfreute.
»Ich werde ihn Felix nennen«, sagte sie, noch immer lächelnd.
Ihr Mann lachte. »Felix der Glückliche. Warum — weil er fruchtbar ist? Im neuen Jahr wird dieser Name widersprüchlich klingen, Calpurnia. Wenn man ihn nicht kastriert, wird er niemals zu Hause bleiben, um dir Gesellschaft zu leisten, und es gibt einen Kater mehr, nach dem ich mitten in der Nacht mit meinem Schuh werfen muß. Nenn ihn Eunuch, das ist viel passender.«
Calpurnia stand mit dem Kätzchen auf, legte einen Arm um Caesars Hals und küßte ihn auf seine Wange. »Nein, er heißt Felix.«
Caesar drehte seinen Kopf, bis ihre Lippen seinen Mund erreichten. »Ich habe solches Glück«, sagte er nach dem Kuß.
»Woher hast du ihn?« fragte sie und imitierte, ohne es zu ahnen, Julia, indem sie die Lachfältchen in seinem Augenwinkel küßte.
Caesar unterdrückte seine Tränen und nahm sie in die Arme. »Ich habe Lust, mit dir zu schlafen; setz Felix ab und komm mit mir. Du machst mein Leben so viel leichter.«
Ein wenig später wiederholte er den letzten Satz auch seiner Mutter gegenüber.
»Sie erleichtert mir das Leben ohne Julia.«
»Ja, das ist wahr. In dieses Haus gehört ein junger Mensch, und ich bin froh, daß du genau wie ich empfindest.«
»Die beiden sind sehr unterschiedlich.«
»Ja, allerdings, und das ist gut so.«
»Das Kätzchen mochte sie viel lieber als die Perlen.«
»Das ist ein gutes Zeichen.« Aurelia runzelte die Stirn. »Es wird für sie nicht einfach werden, Caesar. In sechs Monaten bist du fort, und dann wird sie dich jahrelang nicht sehen.«
»Wird sie denn Caesars Frau auch bleiben?«
»Da sie das Kätzchen lieber mochte als die Perlen, bezweifle ich, daß ihre Treue wanken wird. Am besten wäre es, wenn du sie schwängern würdest, bevor du gehst — mit einem Säugling wäre sie beschäftigt. Doch diese Dinge lassen sich nicht beschwören; ich habe außerdem nicht feststellen können, daß deine Neigung für Servilia nachgelassen hätte. Kein Mann verfügt über unendliche Ressourcen, Caesar, und das gilt selbst für dich. Du solltest mit Calpurnia öfter und mit Servilia seltener schlafen.«
»Mater, du bist wirklich eine harte Frau! Was für ein kluger Rat, doch leider habe ich nicht vor, ihn zu befolgen.«
Aurelia wechselte das Thema. »Ich hörte, daß Pompeius bei Marcus Cicero war, um ihn zu bitten, den jungen Curio von seinen Schmähreden auf dem Forum abzuhalten.«
»Wie dumm von ihm!« rief Caesar ärgerlich. »Ich habe ihm doch prophezeit, daß Cicero sich dann nur wichtig fühlen würde. Der Retter seines Vaterlandes läßt sich seit neuestem von den boni einspannen, und es bereitet ihm unendliches Vergnügen, die Angebote, die wir ihm unterbreiten, abzulehnen. Er wollte weder Komiteemitglied, noch nächstes Jahr Legat in Gallien werden; er hat sogar mein Angebot, auf Staatskosten zu reisen, ausgeschlagen. Und was tut Pompeius? Bietet ihm Geld!«
»Er hat das Geld natürlich abgelehnt«, sagte Aurelia.
»Und das trotz seiner wachsenden Schulden. Ich habe niemals einen Mann gesehen, der so besessen war, Landhäuser zu besitzen!«
»Bedeutet das, du wirst Clodius im nächsten Jahr auf Cicero ansetzen?«
Die Augen, mit denen Caesar seine Mutter ansah, waren kalt. »Das werde ich sogar ganz sicher tun.«
»Was hat nur Cicero zu Pompeius gesagt, daß du auf ihn so wütend bist?«
»So etwas Ähnliches wie während des Prozesses von Hybrida. Doch dummerweise hat sich Pompeius anmerken lassen, daß er gewisse Zweifel an mir hat; und nun glaubt Cicero, es gebe eine Chance, ihn von mir abzubringen.«
»Das wiederum bezweifle ich, Caesar. Es ist einfach nicht logisch. Er lebt doch mit Julia!«
»Ja, vermutlich hast du recht. Magnus spielt mit verdeckten Karten, es würde ihm ganz sicher nicht behagen, wenn Cicero genau wüßte, was er denkt.«
»Ich würde mir an deiner Stelle eher Sorgen wegen Cato machen. Bibulus hat zwar den besseren Überblick von beiden, doch Cato hat den Einfluß«, sagte Aurelia. »Wie angenehm, wenn Clodius nicht nur Cicero, sondern auch Cato von der Bildfläche entfernen könnte.«
»Das würde mir in meiner Abwesenheit sicher den Rücken stärken, Mater! Leider sehe ich keine Möglichkeit dazu.«
»Denke darüber nach. Wenn du Cato unschädlich machen könntest, wärst du auf einen Schlag all die Gefahren los, die dir im Nacken sitzen. Er ist die Quelle allen Übels.«
Die kurulischen Wahlen fanden etwas später im Quinctilis statt als sonst, und die favorisierten Kandidaten waren eindeutig Aulus Gabinius und Lucius Calpurnius Piso. Sie warben eifrig um Stimmen, waren jedoch zu schlau, als daß sie Cato die Gelegenheit gegeben hätten, ihnen Bestechung vorzuwerfen. Die launische öffentliche Meinung schwang wieder einmal um und distanzierte sich von den boni; es sah so aus, als werde es ein gutes Wahlergebnis für die Triumvirn werden.
Genau zu diesem Zeitpunkt, wenige Tage vor den kurulischen Wahlen, kam Lucius Vettius aus seinem Versteck hervorgekrochen. Er machte sich an Curio heran, dessen Forumsreden sich in diesen Tagen überwiegend gegen Pompeius richteten, und erzählte ihm, daß er von einem Mordkomplott gegen Pompeius erfahren habe. Dann fragte er den jungen Curio ohne Umschweife, ob er sich der Verschwörung anschließen wolle. Curio hörte gespannt zu und gab vor, interessiert zu sein. Doch das Gespräch war kaum beendet, da erzählte er das Ganze seinem Vater, denn Curio war nicht vom Schlage eines Verschwörers oder Mörders. Der ältere Curio und sein Sohn lagen sich zwar ständig in den Haaren, doch Gegenstand ihrer Differenzen waren meist Wein, sexuelle Ausschweifungen und Schulden; kaum war Gefahr im Verzug, schlossen sich die Scribonius-Curio-Reihen.
Der ältere Curio setzte sofort Pompeius in Kenntnis, der unverzüglich eine Sitzung des Senates einberief. Der lud umgehend Vettius vor, um ihn als Zeugen aussagen zu lassen. Zunächst stritt der in Ungnade gefallene Ritter alles ab, dann aber brach er zusammen und nannte Namen: den Sohn des zukünftigen Kandidaten für das Konsulamt, Lentulus Spinther, Lucius Aemilius Paullus und Marcus Junius Brutus, bisher bekannt als Caepio Brutus. Die Namen klangen so abwegig, daß niemand sie recht glauben konnte. Der junge Spinther war weder Mitglied des Clodius-Clubs noch bekannt für unbedachte Handlungen. Lepidus’ Sohn hatte zwar eine rebellische Vergangenheit hinter sich, doch seit seiner Rückkehr aus dem Exil hatte er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen; und was den jungen Brutus betraf, so war allein der Gedanke, er könne ein Mörder sein, einfach lächerlich. Daraufhin behauptete Vettius, einer von Bibulus’ Schreibern habe ihm, im Auftrag des ans Haus gebundenen Zweiten Konsuls, einen Dolch überbracht. Später hörte man Cicero sagen, es sei eine Schande, daß Vettius keine andere Quelle für den Dolch eingefallen sei; doch im Senat begriffen alle die Symbolik dieser Geste: Es war ganz einfach Bibulus’ Art zu sagen, daß das geplante Verbrechen seine Unterstützung finden würde.
»Unsinn!« rief Pompeius, sich seiner Sache völlig sicher. »Marcus Bibulus hat mich bereits im Mai vor einem Mordkomplott gegen mich gewarnt. Bibulus kann nichts damit zu tun haben.«
Man rief den jungen Curio herein, der den Senatsmitgliedern in Erinnerung brachte, daß Paullus sich in Makedonien aufhielt; die ganze Angelegenheit sei nichts weiter als ein Lügengespinst. Der Senat war zwar geneigt, dem zuzustimmen, hielt es jedoch für ratsam, Vettius zum Zwecke weiterer Verhöre zu inhaftieren. Es gab zu viele Parallelen mit Catilina, und niemand wollte sich den Vorwurf machen lassen, einen Römer ohne Gerichtsverfahren hingerichtet zu haben, und wenn es sich auch nur um Vettius handelte. Diese Verschwörung durfte nicht eskalieren und dem Senat aus den Händen gleiten. Caesar als Erster Konsul entsprach dem Wunsche des Senats und befahl seinen Liktoren, Lucius Vettius in das Lautumiae-Gefängnis zu bringen und an die Mauer seiner Zelle ketten zu lassen; anders war einer Flucht aus diesem baufälligen Gefängnis nicht vorzubeugen.
Obgleich die Sache, oberflächlich betrachtet, ganz und gar ungereimt zu sein schien, beschlich Caesar ein Gefühl der Unruhe; sein Selbsterhaltungstrieb sagte ihm, daß es sich um eine jener Situationen handelte, in der man keine Mühe scheuen durfte, die Volksversammlung über die Geschehnisse zu informieren. Die Angelegenheit durfte nicht auf das Innere der Senatskammer begrenzt werden. Deshalb rief er die Volksversammlung zusammen, nachdem er die Senatoren entlassen hatte, und setzte sie über den Vorfall in Kenntnis. Einen Tag später ließ er Vettius zur öffentlichen Befragung auf die Rostra bringen.
Diesmal klang Vettius’ Verschwörerliste anders. Nein, Brutus hatte nichts damit zu tun. Richtig, er hatte wohl vergasen, daß Paullus sich in Makedonien aufhielt. Was Spinthers Sohn betraf, da hatte er sich wohl getäuscht, vielleicht war es ja Marcellinus’ Sohn gewesen — schließlich gehörte sowohl Spinther als auch Marcellinus zur Familie der Cornelii Lentuli und beide waren zukünftige Kandidaten für das Konsulat. Und er fuhr fort, noch weitere und neue Namen aufzutischen: Lucullus, Gaius Fannius, Lucius Ahenobarbus und Cicero. Alles waren boni oder boni- Anhänger. Angewidert ließ Caesar Vettius in das Lautumiae-Gefängnis zurückbringen.
Vatinius jedoch fand, daß man mit Vettius strenger umzugehen habe, ließ ihn eiligst auf die Rostra zurückschaffen und setzte ihn einer gnadenlosen Befragung aus. Vettius beharrte auf der Richtigkeit der genannten Namen und fügte noch zwei weitere hinzu: zum einen ausgerechnet Piso Frugi, Ciceros Schwiegersohn, der als besonders respektable Stütze der Gesellschaft galt; zum anderen Senator Juventius, bekannt für seine Unentschlossenheit. Die Versammlung wurde abgebrochen, nachdem Vatinius vorgeschlagen hatte, einen Gesetzentwurf vor die Plebejische Versammlung zu bringen, um eine offizielle Untersuchung der Vettius-Affäre einzuleiten.
An diesem Punkt schien alles undurchschaubar, nur eines lag klar auf der Hand: Die boni hatten mehr als genug von ihrem eigenen Mordkomplott gegen Pompeius. Jedenfalls war selbst der aufmerksamste Beobachter des öffentlichen Lebens nicht mehr in der Lage, die verworrenen Fäden zu entwirren, die Vettius — gewoben? — nein, verknotet hatte.
Pompeius selbst war nun der festen Meinung, daß gegen ihn ein Komplott im Gange war, doch war er nicht zu überzeugen, daß die boni dafür verantwortlich zeichneten. Hatte nicht Bibulus persönlich ihn gewarnt? Doch wenn die boni nicht die Schuldigen waren, wer war es dann? Und schließlich kam er, wie auch Cicero, zu der Überzeugung, die Wahrheit käme schon ans Tageslicht, wenn erst Vatinius’ Untersuchung der Affäre eingeleitet sei.
Es gab noch etwas anderes, das an Caesar nagte. Daß Vettius ihn haßte, war eine Tatsache. In welche Richtung also hatte die Affäre führen sollen? War sie auf Umwegen gegen ihn gerichtet? Wollte man einen Keil zwischen ihn und Pompeius treiben? Caesar beschloß, den Monat bis zum Beginn der offiziellen Untersuchung nicht mehr abzuwarten. Er wollte Vettius für eine weitere Befragung auf die Rostra bringen, und sein Instinkt riet ihm, dies schnell zu tun. Vielleicht war so noch zu verhindern, daß sich der Name Gaius Julius Caesar in die Verhandlung einschlich.
Doch es kam anders. Als Caesars Liktoren aus der Richtung des Lautumiae-Gefängnisses herbeieilten, kamen sie ohne Vettius; schon aus der Ferne konnte man erkennen, wie bleich ihre Gesichter waren. Lucius Vettius war immer noch an seine Zellenwand gekettet, doch er war tot. An seinem Hals zeichneten sich Spuren von großen, starken Händen ab, an seinen Füßen Spuren eines verzweifelten Überlebenskampfes. Da man ihn angekettet hatte, hatte man es nicht für nötig gehalten, eine Wache aufzustellen. Wer immer nachts erschienen sein mochte, um Lucius Vettius zum Schweigen zu bringen, war ungesehen gekommen und verschwunden.
Cato, der in freudiger Erwartung abseits gestanden hatte, spürte, wie ihm das Blut in den Adern stockte; er war nur froh, daß sich die Aufmerksamkeit der Menge vor der Rostra ganz auf den aufgebrachten Caesar konzentrierte. Dieser gab seinen Liktoren in barschem Ton Anweisung, diejenigen, die in der Nähe des Gefängnisses wohnten, auszuhorchen. Und zu dem Zeitpunkt, als die Umstehenden Cato nach seiner Meinung zu dem Vorfall hätten fragen können, war er bereits davongeeilt. So schnell war er gelaufen, daß es Favonius nicht mehr gelang, ihn einzuholen.
Cato stürmte in Bibulus’ Haus, wo jener Ehrenwerte sich gerade in seinem Peristyl befand, ein Auge auf den wolkenlosen Himmel, das andere auf seine Besucher gerichtet: Metellus Scipio, Lucius Ahenobarbus und Gaius Piso.
»Wie konntest du es wagen, Bibulus?« donnerte Cato.
Die vier Männer wandten sich gleichzeitig zu ihm um.
»Wie konnte ich was wagen?« fragte Bibulus baß erstaunt.
»Vettius umzubringen!«
»Was?«
»Caesars Liktoren wollten soeben Vettius aus dem Lautumiae- Gefängnis holen und fanden ihn tot vor. Erwürgt, Bibulus! Warum? Warum hast du das nur getan? Ich hätte niemals meine Zustimmung dazu gegeben, das wußtest du ganz genau! Politischer Verrat ist eine Sache, besonders, wenn er sich gegen einen Hund wie Caesar richtet, doch Mord ist verabscheuungswürdig!«
Bibulus hatte Cato mit einem Ausdruck im Gesicht zugehört, als sei er kurz davor, ohnmächtig zu werden; jetzt stand er schwankend auf und streckte ihm die Hände entgegen.
»Cato, Cato! Kennst du mich denn so wenig? Weshalb sollte ich ausgerechnet einen armen Tropf wie Vettius ermorden? Wenn ich nicht Caesar umgebracht habe, warum dann irgend jemand anderen?«
Der Zorn in den grauen Augen begann zu verblassen; Cato blickte ihn unsicher an, dann hielt auch er ihm seine linke Hand entgegen. »Du warst es also nicht?«
»Ich war es nicht. Ich denke doch genau wie du, das war schon immer so und wird auch stets so bleiben: Mord ist verabscheuungswürdig.«
Die andern drei erholten sich allmählich von dem Schock; Metellus Scipio und Ahenobarbus umringten Bibulus und Cato, Gaius Piso lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloß die Augen.
»Ist Vettius wirklich tot?« fragte Metellus Scipio.
»Caesars Liktoren haben es behauptet, und ich glaube ihnen.«
»Wer?« fragte Ahenobarbus. »Und wieso?«
Cato ging zu einem Tisch, auf dem eine Weinkaraffe und einige Becher standen, und schenkte sich ein. »Ich dachte wirklich, du seist es gewesen, Marcus Calpurnius«, sagte er und schüttete den Wein in sich hinein. »Es tut mir leid. Ich hätte es besser wissen müssen.«
»Wir sind uns sicher, daß es keiner von uns war«, sagte Ahenobarbus, »doch wer war es dann?«
»Es kann nur Caesar gewesen sein«, sagte Bibulus und versorgte sich ebenfalls mit Wein.
»Und welchen Vorteil hätte ihm der Mord gebracht?« fragte Metellus Scipio mit gerunzelter Stirn.
»Nicht einmal ich kann dir das sagen, Scipio«, sagte Bibulus. Da fiel sein Blick auf Gaius Piso, den einzigen von ihnen, der schweigend dasaß. Gräßliche Angst stieg in ihm hoch, er holte hörbar Atem. »Piso!« schrie er plötzlich. »Piso, nein, nicht du!«
Die blutunterlaufenen Augen, die tief in Gaius Pisos fleischigem Gesicht versunken lagen, funkelten verächtlich. »Oh, wann wirst du erwachsen werden, Bibulus!« sagte er müde. »Wie hätte dieser Schwachsinn sonst erfolgreich sein können? Habt ihr ernsthaft daran geglaubt, daß Vettius die Frechheit und den Schneid besitzen würde, eure Intrige durchzuführen? Er haßte Caesar, ja, doch zugleich erfüllte ihn der Mann mit Schrecken. Ihr beide seid doch solche Stümper! Was nützen eure ganze Würde, eure hehren Ideale, wenn ihr für die Intrigen, die ihr euch ausheckt, weder talentiert noch schlau genug sind — manchmal macht ihr mich krank, ihr beiden!«
»Das kann ich nur zurückgeben!« rief Cato mit geballten Fäusten.
Bibulus, der ganz grau im Gesicht geworden war, legte die Hand auf Catos Arm. »Mach es jetzt nicht noch schlimmer, Cato«, sagte er. »Unsere Ehre ist durch die Schuld dieses Unwürdigen mit Vettius dahingegangen.« Er richtete sich auf. »Verlasse dieses Haus und komme niemals wieder, Piso!«
Der Stuhl fiel um; Gaius Piso blickte von einem Mann zum andern, dann spuckte er vor Catos Füße auf die Fliesen. »Vettius war mein Klient«, sagte er, »und ich erschien euch gut genug, um ihn in seine Rolle einzuweisen! Jedoch nicht gut genug, um euch mit meinem Rat zu unterstützen. Von jetzt an tragt eure Kämpfe selber aus! Und daß ihr es nicht wagt, mich zu beschuldigen, hört ihr? Ein Wort, und ich sage gegen jeden einzelnen von euch aus!«
Cato ließ sich auf einen der Steine niederfallen, die den im Sonnenlicht glitzernden Springbrunnen einfaßten; unzählige Wassertröpfchen formierten sich zu kleinen Regenbogen. Er bedeckte das Gesicht mit seinen Händen und wippte weinend auf und nieder.
»Wenn ich ihn das nächste Mal wiedersehe, dann werde ich ihn niedermachen!« sagte Ahenobarbus grimmig. »Der Schweinehund!«
»Wenn du Piso wiedersiehst, Lucius, wirst du sehr höflich zu ihm sein«, antwortete Bibulus und wischte seine Tränen fort. »Oh, unsere Ehre ist davon! Wir können nicht einmal Piso dafür büßen lassen, sonst steht uns das Exil bevor.«
Das Aufsehen, das der Tod von Lucius Vettius erregte, wurde auf Grund der Rätselhaftigkeit des Mordes noch verstärkt. Irgend jemand hatte den Plan gehabt, Pompeius zu ermorden, und da Lucius Vettius wußte, wer der Verschwörer war, hatte man ihn kurzerhand zum Schweigen gebracht. Zutiefst erschreckt, weil Vettius auch seinen Namen genannt hatte (und den seines loyalen, liebenden Schwiegersohns), schob Cicero alle Schuld auf Caesar, und viele unbedeutendere boni taten es ihm gleich. Bibulus und Cato lehnten jede Stellungnahme ab, so daß Pompeius von Verwirrung zu Verwirrung stolperte. Ein logisch denkender Betrachter hätte der Vettius-Affäre Sinn und Verstand abgesprochen; doch keiner, der in sie verwickelt war, vermochte gegenwärtig klar zu denken.
Die öffentliche Meinung wendete sich zum wiederholten Male gegen die Triumvirn, und es sah nicht so aus, als würde sich das ändern. Gerüchte über Caesar breiteten sich aus, sein Prätor Fufius Calenus wurde im Theater bei den ludi Apollinares ausgepfiffen. Klatsch und Tratsch setzten in Umlauf, daß Caesar beabsichtige, über Fufius Calenus das Recht der Achtzehn Ritter auf die reservierte Sitzbank direkt hinter den Senatoren abzuschaffen. Die Gladiatorenspiele, die von Aulus Gabinius finanziert worden waren, wurden zum Schauplatz weiterer Unerfreulichkeiten.
Bibulus, der sich jetzt sicher war, daß er mit seinen religiösen Taktiken am besten fuhr, schlug zu. Er verschob die kurulischen Wahlen und die Wahlen zur Volksversammlung auf den achtzehnten Tag des Oktober und hängte diesen Beschluß auf der Rostra, auf Castors Rednertribüne und auf der Tafel für öffentliche Bekanntmachungen aus. Es sei nämlich nicht nur Gestank auf dem unteren Forum wahrzunehmen, der von dem Körper des Lucius Vettius’ ausgehe, so Bibulus, er habe zudem eine riesige Sternschnuppe an der falschen Himmelshälfte beobachtet.
Pompeius geriet in Panik und beauftragte seinen Volkstribun, die Plebejische Versammlung einzuberufen; dort ließ sich Pompeius Magnus wortreich über Bibulus’ unverantwortliches Verhalten aus, das dieser offenkundiger zu Markte trage als die Sternschnuppe ihren Glanz. Da er selbst Augur sei, könne er der verzagten Menge schwören, daß mit den Omen alles rechtens sei. Bibulus habe dieses Omen nur erfunden, um Rom zu Fall zu bringen.
Anschließend überredete Pompeius Caesar, auch noch die Volksversammlung einzuberufen, um gegen Bibulus zu sprechen. Doch Caesar mangelte es diesmal an dem Enthusiasmus, der seine Reden sonst so feurig machte, und es gelang ihm nicht, die Menge mitzureißen. Die Worte, die beschwörend hätten wirken sollen — er forderte die Anwesenden dazu auf, ihm in Bibulus’ Haus zu folgen und diesen dort zu bitten, den Unfug zu beenden — kamen ohne jede Leidenschaft hervor. Die Mitglieder der Volksversammlung bevorzugten es, in ihre eigenen Häuser zurückzukehren.
»Das beweist nur, wie klar sie denken können«, sagte Caesar zu Pompeius, als sie im Domus Publica beim Essen saßen. »Wir gehen an die Sache falsch heran, Magnus.«
Tief deprimiert lag dieser da, das Kinn auf seine linke Hand gestützt, und zuckte mit den Achseln. »Wir gehen falsch heran?« fragte er düster. »Es gibt gar keinen besseren Weg, das ist die Schwierigkeit.«
»Den gibt es schon, glaub mir.«
Pompeius’ Blick war mehr als zweifelnd. »Dann nenne mir den rechten Weg, Caesar.«
»Es ist jetzt Quinctilis und Wahlzeit, richtig? Die Spiele haben angefangen, und halb Italien ist hier, um sich zu amüsieren. Doch kaum einer der Besucher hält sich normalerweise auf dem Forum auf. Wie können diese Leute wissen, was sich hier zugetragen hat? Sie hören uns von Omen sprechen, von Zweiten Konsuln, die in den Himmel schauen, von Männern, die man in Gefängnissen ermordet, und von sich heftig streitenden Faktionen, die Roms Magistrate bekleiden. Sie sehen dich und mich und sehen die eine Seite. Dann sehen sie Cato, hören von Bibulus und sehen die andere Seite. Das alles muß für sie noch fremder sein als ein pisidisches Ritual.«
»So?« äußerte Pompeius. »Gabinius und Lucius Piso werden verlieren, das ist alles, was ich weiß.«
»Würden die Wahlen jetzt stattfinden, so gäbe ich dir sicher recht«, sagte Caesar, der jetzt wieder voller Energie und Leben war. »Bibulus hat einen Fehler begangen, Magnus. Er hätte den Wahltermin nicht ändern dürfen, hätte die Wahlen gleich abhalten müssen. Dann wären nämlich beide Konsuln einstimmig boni geworden. Indem er sie verschoben hat, hat er uns Zeit gegeben und die Chance, unsere Position erneut zu festigen.«
»Wir können unsere Position nicht wieder festigen.«
»Wenn wir die Plebs gegen seinen neuesten Erlaß aufwiegeln, so stimme ich dir zu. Doch gerade das werden wir nicht länger tun. Wir werden seinen Aufschub als gesetzmäßig anerkennen, als ständen wir mit voller Überzeugung hinter ihm. Anschließend werden wir daran arbeiten, unsern Einfluß bei der Wählerschaft neu aufzubauen. Und bis Oktober haben wir die Gunst der Wähler zurückgewonnen, Magnus, du wirst sehen. Dann wird man unsere Konsuln Gabinius und Lucius Piso wählen.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Da bin ich mir ganz sicher, Magnus. Fahr du zurück in deine albanische Villa und zu Julia — bitte! Hör auf, dir über die römische Politik den Kopf zu zerbrechen. Ich werde mich so lange von der Außenwelt abschließen, bis ich dem Senat mein Gesetz vorlegen kann, das es den Statthaltern der Provinzen untersagt, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen; vermutlich wird sich das zwei Monate hinziehen. In dieser Zeit verhalten wir uns ruhig, tun nichts und schweigen. Dann haben Bibulus und Cato nichts, worüber sie sich das Maul zerreißen können. Und auch dem jungen Curio wird es den Mund verschließen. Das Interesse läßt von selber nach, wenn nichts geschieht.«
Pompeius grinste. »Ich hörte, daß der junge Curio erst kürzlich wieder gegen dich ausgeholt hat.«
»Als er sich auf Ereignisse während des Konsulats von Julius und Caesar statt von Caesar und Bibulus berief?« fragte Caesar lächelnd.
»Während des Konsulats von Julius und Caesar — das ist wirklich brillant.«
»Ja, das war geistreich. Ich mußte lachen, als es mir zu Ohren kam. Uns kann es ja nur nützen, Magnus. Der junge Curio hat über seinen Satz nicht nachgedacht — bedeutet er doch letztlich, daß Bibulus kein Konsul ist und daß ich beide Konsulämter innehabe. Bis Oktober werden auch unsere Wähler davon überzeugt sein.«
»Das bessert meine Laune, Caesar«, sagte Pompeius seufzend. Dann fiel ihm etwas anderes ein. »Übrigens scheint Cato sich mit Gaius Piso ernsthaft entzweit zu haben. Metellus Scipio und Lucius Ahenobarbus sind beide auf Catos Seite. Das hat mir Cicero erzählt.«
»Das mußte ja geschehen«, sagte Caesar ernst, »sobald Cato herausfand, daß Gaius Piso Vettius ermordet hat. Bibulus und Cato sind beides Toren, doch sie sind ehrenwerte Toren, wenn Mord im Spiele ist.«
Pompeius starrte ihn an. »Dann war es also Gaius Piso?«
»Da bin ich sicher. Und er hat gut daran getan. Solange Vettius noch lebte, konnte er uns nicht gefährlich werden. Den toten Vettius aber kann man mir in die Schuhe schieben. Hat Cicero denn nicht versucht, dich davon zu überzeugen, Magnus?«
»Nun... « brummte Pompeius, leicht errötend.
»Genau so war es! Die Vettius-Affäre wurde angezettelt, um bei dir Zweifel gegen mich zu wecken. Und als ich dann begann, Vettius öffentlich zu befragen, und nicht mehr von ihm abließ, erkannte Gaius Piso, daß die Verschwörung scheitern würde. Vettius mußte sterben, um Schlußfolgerungen zuvorzukommen.«
»Ich habe dir mißtraut«, stieß Pompeius schroff hervor.
»Das ist ja auch verständlich. Doch du darfst nicht vergessen, Magnus, daß du mir lebend von viel größerem Nutzen bist als tot! Es stimmt, daß ich im Falle deines Todes viele deiner Leute erben würde. Doch wenn du lebst, sind sie bis auf den letzten Mann verpflichtet, mich zu unterstützen. Ich bin kein Befürworter von Mord.«
Da die Plebejische Versammlung und die plebejischen Magistrate auf Auspizien nicht angewiesen waren, konnte Bibulus’ Erlaß die Wahl der plebejischen Ädilen oder Volkstribunen nicht verhindern. Sie fand, wie angekündigt, Ende des Quinctilis statt, und Publius Clodius wurde zum Vorsitzenden des neuen Kollegiums der Volkstribunen gewählt. Das kam nicht überraschend: Die Plebs bewunderte nichts mehr als einen Patrizier, dem das Volkstribunat ein solches Anliegen war, daß er seinen Status ändern ließ, um sich dafür einzusetzen. Clodius hatte zudem unzählige Klienten und Anhänger, was teils auf seine Großzügigkeit, teils auf seine Heirat mit Gaius Gracchus’ Enkelin zurückzuführen war. Die Plebejische Versammlung sah einen Mann in ihm, der das Volk gegen den Senat verteidigen würde, denn wäre er auf Seiten des Senats, so hätte er wohl niemals seinen Status als Patrizier ändern lassen.
Wie erwartet, gelang es den boni, daß man drei ihrer Volkstribunen wählte. Cicero war so von Angst erfüllt, daß Clodius ihn für den Mord an römischen Bürgern ohne Gerichtsverfahren belangen würde, daß er sein Geld mit vollen Händen ausgegeben hatte, um die Wahl seines ergebenen Bewunderers, Quintus Terentius Culleo, zu sichern.
»Nicht«, sagte Clodius zu Caesar, atemlos vor Aufregung, »daß ich mich sonderlich vor ihnen fürchten würde. Ich werde sie samt und sonders in den Tiber kehren!« »Da bin ich sicher, Clodius.«
Die dunklen, leicht entrückten Augen blitzten auf. »Glaubst du, daß du mich besitzt, Caesar?« fragte Clodius abrupt.
Caesar mußte lachen. »Nein, Publius Clodius, nein! Nicht einmal träumen würde ich davon, geschweige denn, daß ich es denken würde. Ein Claudier — selbst ein plebejischer! — gehört niemandem, nur sich selbst.«
»Auf dem Forum sagt man, daß ich dir gehöre.«
»Es interessiert dich also, was sie auf dem Forum sagen?«
»Kaum, vorausgesetzt, man fügt mir keinen Schaden zu.« Clodius sprang unvermittelt auf. »Nun gut, ich wollte nur ganz sicher gehen, daß du nicht denkst, ich würde dir gehören; jetzt muß ich gehen.«
»Willst du mir nicht noch ein wenig Gesellschaft leisten?« fragte Caesar freundlich. »Setz dich noch einmal hin, ich bitte dich.«
»Wozu?«
»Aus zwei Gründen. Ich würde gerne etwas über deine Pläne für dein Amtsjahr wissen; außerdem wollte ich dir sagen, daß du auf meine Unterstützung zählen kannst.«
»Ist das hier ein Komplott?«
»Nein, nur ehrliches Interesse. Ich hoffe, Clodius, du bist so klug, um zu erkennen, daß meine Hilfe dir hinsichtlich der Rechtsgültigkeit deiner Gesetze sehr nützlich sein könnte.«
Clodius dachte kurz über Caesars Worte nach, dann nickte er. »Du hast recht; da ist noch etwas anderes, wobei ich deine Hilfe brauchen könnte.«
»Nur zu.«
»Ich möchte bessere Kontakte zu den echten Römern; ich meine hier die >kleinen Leute<, die Masse. Wie können wir Patrizier wissen, was die >kleinen Leute< wollen, wenn wir sie gar nicht kennen? In dieser Hinsicht unterscheidest du dich von uns anderen, Caesar. Du kennst einfach jeden, quer durch alle Klassen. Wie hast du das nur angestellt? Bring es mir bei«, sagte Clodius.
»Ich kenne alle, weil ich in der Subura geboren und auch aufgewachsen bin. Tagtäglich habe ich mit den >kleinen Leuten<, wie du sie nennst, verkehrt. Doch warum möchtest du sie kennenlernen? Sie bringen dir doch keinen Vorteil, Clodius. Ihre Stimmen zählen nicht.«
»Aber sie sind zahlreich«, sagte Clodius.
Was hatte Clodius im Sinn? Sein brennendes Interesse hinter Höflichkeit verbergend, lehnte sich Caesar zurück und betrachtete Publius Clodius aufmerksam. Saturninus? Nein, nicht derselbe Typ. Aufrührer? Das sicher. Wozu war Clodius in der Lage? Caesar gab zu, daß er sich darüber nicht im klaren war. Clodius war ein Neuerer, ein gänzlich unkonventioneller Mann; es war gut möglich, daß er in eine völlig neue Richtung gehen würde. Doch was konnte er bewirken? Wollte er tausend und abertausend »kleine Leute« auf das Forum locken, um den Senat und die erste Klasse zu Maßnahmen zu zwingen, die die »kleinen Leute« wollten? Das würde nur geschehen, wenn ihre Bäuche leer waren; die Getreidepreise waren zwar momentan sehr hoch, doch dank Catos Gesetz galten sie nicht für die unterste Klasse. Auch Saturninus hatte sich von dem Gedanken an die Macht der Massen dazu verleiten lassen, sie für seine eigenen Zwecke zu benützen, als er Rom regieren wollte. Doch als er sie zusammenrief, damit sie taten, was er wollte, da kam niemand. So starb Saturninus dann. Wenn Clodius versuchen wollte, Saturninus nachzueifern, so würde ihn das gleiche Schicksal treffen. Caesar war mit den »kleinen Leuten« so vertraut wie keiner von den eigenen »großen Leuten« jemals sein würde. Und das galt auch für Publius Clodius, der auf dem Palatin geboren und aufgewachsen war. Nun, vielleicht wollte Clodius ja ein zweiter Saturninus sein, doch war dem so, dann würde er entdecken müssen, daß man die »kleinen Leute« nicht mit Gewalt zusammentreiben konnte. Sie hatten schlichtweg keinerlei politisches Interesse.
»Ich habe kürzlich jemanden auf dem Forum getroffen, den du kennst«, bemerkte Clodius etwas später. »Als du die Menge überreden wolltest, dir in Bibulus’ Haus zu folgen.«
Caesar verzog das Gesicht. »Das war töricht von mir.«
»Der Meinung war auch Lucius Decumius.«
Caesars gleichmütige Miene hellte sich auf. »Lucius Decumius? Da hast du mal ein faszinierendes Exemplar von einem >kleinen Mann«! Wenn du etwas über die >kleinen Leute< erfahren willst, Clodius, dann geh zu ihm.«
»Und was macht er?«
»Er ist ein vilicus, ein Verwalter des Kreuzwegevereins, den meine Mutter bis zu meiner Geburt in ihrem Hause untergebracht hatte. Zur Zeit ist er sehr niedergeschlagen, weil der Verein nicht offiziell anerkannt ist.«
»Im Hause deiner Mutter?« fragte Clodius und runzelte die Stirn.
»In ihrem Mietshaus. Wo der Vicus Patricii die Subura Minor schneidet. Zur Zeit befindet sich dort eine Taverne, aber sie treffen sich noch immer da.«
»Ich werde Lucius Decumius einmal aufsuchen«, sagte Clodius befriedigt.
»Ich wünschte, du würdest mir nun erzählen, was du als Volkstribun zu tun gedenkst«, sagte Caesar.
»Als erstes werde ich die lex Aelia und die lex Fufia verändern, das steht schon fest. Konsuln wie Bibulus zu gestatten, unsere religiösen Gesetze für politische Intrigen zu mißbrauchen, ist absurd. Wenn ich sie überarbeite, werden sie für Bibulus und seinesgleichen an Reiz verlieren.«
»Das findet meinen Beifall! Komm auf mich zu, wenn du für den Entwurf Hilfe benötigst.«
Clodius grinste verschlagen. »Willst wohl, daß es ein rückwirkendes Gesetz wird, wie? Daß Himmelsschau auch rückwirkend gesetzeswidrig ist?«
»Um meine eigene Gesetzgebung zu stützen?« Caesar sah Clodius voll Hochmut an. »Dazu, mein lieber Clodius, benötige ich kein rückwirkendes Gesetz. Was hast du weiter vor?«
»Ich werde Cicero für die Ermordung römischer Bürger ohne Gerichtsverhandlung verurteilen und ihn zeitlebens ins Exil schicken.«
»Ausgezeichnet.«
»Ich möchte ferner die Kreuzwegevereine und andere Bruderschaften, die dein Vetter Lucius Caesar für gesetzeswidrig erklärt hat, wieder ins Leben rufen.«
»Weshalb du Lucius Caesar auch besuchen möchtest. Und weiter?«
»Anpassung der Zensoren untereinander.«
»Das klingt interessant.«
»Ich werde den Beamten des Schatzamtes untersagen, sich im Privathandel zu betätigen.«
»Längst überfällig.«
»Das Volk wird kostenlos Getreide erhalten.«
Caesar pfiff durch die Zähne. »Oho! Bewundernswert, doch damit wirst du bei den boni niemals durchkommen, Clodius.«
»Den boni wird nichts anderes übrigbleiben«, sagte Clodius grimmig.
»Und wie willst du die Getreidezuteilung finanzieren? Die Kosten sind ja unerschwinglich.«
»Mit Hilfe einer gesetzlichen Verfügung, die Insel Zypern zu annektieren. Vergiß nicht, daß, laut König Ptolemaios Alexanders Testament, Ägypten mitsamt seinen Besitzungen — im wesentlichen Zypern — Rom hinterlassen wurde. Du hast das revidiert, indem du den Senat dazu gebracht hast, Ptolemaios Auletes’ Anspruch auf den ägyptischen Thron anzuerkennen; doch dein Erlaß schloß seinen Bruder nicht mit ein, was heißt, daß Zypern nach dem alten Testament noch immer Rom gehört. Wir haben nie Gebrauch davon gemacht, doch das soll sich jetzt ändern. Schließlich hat Syrien keinen König mehr, und ohne Verbündeten kann auch Ägypten keine Kriege führen. In dem Palast zu Paphos müssen Tausende und Abertausende von Talenten liegen; sie warten nur darauf, daß wir sie holen.«
Clodius war ungemein befriedigt darüber, wie aufrichtig seine Worte klangen. Denn Caesar war ein scharfer Bursche, der Doppelzüngigkeit sofort gerochen hätte. Doch Caesar wußte nichts von Clodius’ altem Groll, den dieser gegen Ptolemaios von Zypern hegte. Als Clodius seinerzeit von Piraten gefangen worden war, hatte er Ptolemaios von Zypern um ein Lösegeld von zehn Talenten gebeten. Doch Ptolemaios der Cyprer hatte nur gelacht und sich geweigert, mehr als zwei Talente für die Haut von Admiral Publius Clodius zu zahlen: denn mehr sei er nicht wert. Welch tödliche Beleidigung! Nun, Ptolemaios der Cyprer würde sehr bald beträchtlich mehr als zwei Talente zahlen, um Clodius’ Rachedurst zu stillen. Der Preis würde sein ganzes Hab und Gut betreffen, von der Regentschaft bis zum letzten goldenen Nagel in der Tür.
Und selbst wenn Caesar von dieser Vorgeschichte gewußt hätte, es hätte ihn nicht interessiert; er war zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Rachepläne auszuhecken. »Welch glänzende Idee!« sagte er freundlich. »Mir fällt da jemand ein, den man mit einer heiklen Aufgabe wie dieser betrauen könnte. Denn einen Halunken kannst du nicht nach Zypern schicken, sonst bleibt für Rom nicht mal die Hälfte dessen übrig, was zu holen ist. Du selbst kannst auch nicht gehen, sondern wirst vielmehr einen Sonderauftrag per Gesetz erteilen müssen, wenn du Zypern annektieren willst: Aber ich weiß schon genau den richtigen Mann für diese Aufgabe.«
»Tatsächlich?« fragte Clodius, verblüfft über so viel offensichtliche Boshaftigkeit.
»Beauftrage Cato.«
»Cato?«
»Ja, unbedingt. Es kann nur Cato sein! Er wird auch noch die letzte Drachme aufstöbern, wird makellose Geschäftsbücher führen, wird jeden Edelstein, jede goldene Tasse, jede Statue und jedes Gemälde abzählen — und wird es samt und sonders dem Schatzamt übergeben«, sagte Caesar und lächelte zufrieden wie ein Kater, der gleich der Maus den Garaus machen wird. »Du mußt ihn einfach nehmen, Clodius! Rom braucht einen Cato für diese Aufgabe! Du brauchst einen Cato! Erteile Cato diesen Auftrag und du erhältst das Geld, das deine Pläne möglich macht.«
Clodius begab sich jubelnd auf den Weg; Caesar hingegen wußte, daß er soeben den besten Schachzug seit Jahren gemacht hatte. Denn Clodius würde Cato, den Gegner aller Sonderaufträge, in die Enge treiben und ihn aus allen Richtungen mit dem Speer bedrohen. Was für ein ausgekochtes Früchtchen, wie Cicero ihn gern zu nennen pflegte! Ja, Clodius war klug. Er hatte die Feinheiten, die mit einer Beauftragung Catos verbunden waren, gleich durchschaut. Ein anderer Mann würde Cato vielleicht ein Hintertürchen offenlassen, nicht aber Clodius. Cato würde nichts anderes übrigbleiben, als sich der Plebs zu fügen und mindestens zwei Jahre von der Bildfläche verschwinden. Das mußte ausgerechnet Cato widerfahren, der Rom gar nicht mehr verlassen wollte, aus Furcht, seine Feinde könnten einen Vorteil daraus ziehen. Die Götter allein wußten, welche Katastrophen Clodius für das kommende Jahr anzetteln mochte, doch wenn er ihm keinen anderen Gefallen tun würde, als Cicero und Cato aus dem Weg zu räumen, dann würde er sich nicht beklagen.
»Ich werde Cato zwingen, Zypern zu annektieren!« sagte Clodius zu Fulvia, als er nach Hause kam. Sein Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich, wurde finster. »Ich hätte selber daraufkommen sollen, doch es war Caesars Einfall.«
Inzwischen wußte Fulvia genau, wie sie mit den merkurialischen Stimmungsschwankungen ihres Mannes umzugehen hatte. »Oh, Clodius, wie bist du doch genial!« säuselte sie und himmelte ihn mit den Augen an. »Caesar ist es gewöhnt, die anderen zu benützen, doch jetzt benützt du ihn! Das solltest du auch weiter tun!«
Fulvias Sicht der Dinge kam Clodius gut zupaß; er strahlte und gratulierte sich selbst. »Genau das habe ich auch vor, Fulvia. Caesar kann mir ein paar Gesetze entwerfen.«
»Auf jeden Fall die religiösen.«
»Meinst du, daß ich mich revanchieren sollte?«
»Nein«, sagte Fulvia kalt. »So dumm ist Caesar nicht, daß er von einem anderen Patrizier eine Gegenleistung fordern würde — und von Geburt her bist du ein Patrizier, es steckt dir in den Knochen.«
Sie stand ein wenig unbeholfen auf, um ihre Beine auszustrecken. Die neue Schwangerschaft begann gerade hinderlich zu werden, was sie als Ägernis empfand; gerade dann, wenn Clodius sich auf dem Gipfel seines Tribunats befände, würde sie wie eine Ente watscheln. Nicht, daß die Schwangerschaft sie daran hinderte, auf dem Forum zu erscheinen. Im Gegenteil, der Gedanke, sich im achten oder neunten Monat öffentlich zu zeigen, egal, ob es ein neuerlicher Skandal für Rom war, amüsierte sie. Und auch die Qualen der Geburt würden sie nicht länger als ein, zwei Tage fernhalten können. Fulvia gehörte zu den Glücklichen, die keine Schwierigkeiten damit hatten, Kinder auszutragen und zu gebären. Jetzt streckte sie die schmerzenden Beine gerade rechtzeitig neben Clodius aus, um Decimus Brutus, der soeben eintrat, mit einem Lächeln zu begrüßen; der sah aufgrund von Clodius’ Wahlsieg überglücklich aus.
»Ich habe jemanden gefunden — Lucius Decumius«, sagte Clodius.
»Als Informanten über die >kleinen Leute<, meinst du?« fragte Decimus Brutus und machte es sich auf der Liege gegenüber Clodius bequem.
»Genau das meine ich.«
»Wer ist er?« Decimus Brutus begann, sich über eine Speisenplatte herzumachen.
»Der Verwalter eines Kreuzwegevereins in der Subura. Ein enger Freund von Caesar, laut Lucius Decumius; er schwört, er habe Caesars Windeln schon gewechselt und sei in manchen Unfug mit hineingezogen worden, als Caesar noch ein Knabe war.«
»Und?« fragte Decimus Brutus skeptisch.
»Ich habe Lucius Decumius getroffen; wir waren uns beide sehr sympathisch. Und«, sagte Clodius und wechselte in einen verschwörerischen Flüsterton über, »ich habe endlich Zugang zu den niedrigen Klassen — zumindest zu dem Teil, der für uns nützlich sein könnte.«
Die beiden andern lehnten sich nach vorne; das Essen war jetzt nicht mehr von Belang.
»Wenn Bibulus in diesem Jahr auch sonst nichts zu beweisen hatte«, fuhr Clodius fort, »so hat er uns zumindest demonstriert, welch Hohn Verfassungstreue sein kann. Ganz Rom ist sich bewußt, daß er sich einer religiösen List bedient hat, um Caesars Gesetze zu gefährden. Nun, bald schon werde ich solche Ränkespiele rechtswidrig machen! Dann wird es auch kein Hindernis mehr für meine eigenen Gesetze geben.«
»Mit Ausnahme der Plebejischen Versammlung, die du erst überreden mußt, sie zu verabschieden«, spöttelte Decimus Brutus. »Ich könnte dir ein Dutzend Volkstribunen nennen, deren Gesetze durch diesen Sachverhalt vereitelt worden sind! Und von dem Recht, das Veto einzulegen, will ich erst gar nicht sprechen. In deinem Kollegium gibt es wenigstens vier Männer, die nichts lieber täten, als dir ihre Zustimmung zu verweigern.«
»Da wird uns Lucius Decumius gelegen kommen«, rief Clodius, ganz offensichtlich sehr erregt. »Wir werden ein Gefolge aus den >kleinen Leuten< rekrutieren, das unseren Gegnern in Senat und Forum allen Mut nimmt, das Veto einzulegen! Und jedes Gesetz, das ich veröffentlichen möchte, wird verabschiedet werden!«
»Auch Saturninus hatte das im Sinn und ist gescheitert«, sagte Decimus Brutus.
»Er hat die >kleinen Leute< stets als Masse angesehen, er kannte ihre Namen nicht, trank nie mit ihnen«, erklärte Clodius geduldig. »Ihm fehlte jene Qualität, die jeder gute Demagoge haben muß — die Zielgerichtetheit. Ich brauche keine Riesenmengen >kleiner Leute<. Mir reichen ein paar Grüppchen mit richtigen Halunken. Ein Blick auf Lucius Decumius genügte, und ich wußte, ich hatte einen richtigen Halunken vor mir. Wir gingen gemeinsam in eine Taverne auf der Via Nova, um uns zu unterhalten. Vorwiegend über seinen Groll, daß man ihm das Recht, ein religiöses Kollegium zu führen, entzogen hat. Er behauptet, in seinen jungen Jahren ein politischer Attentäter gewesen zu sein, und ich habe ihm geglaubt. Doch weit wichtiger für mich war, daß er sich verriet und mir erzählte, daß sein Kollegium und viele andere schon seit — oh, seit Jahrhunderten — eine Art Schutzgeld eingeführt hätten!«
»Ein Schutzgeld?« fragte Fulvia verständnislos.
»Sie verkaufen an Ladenbesitzer und Handwerker Schutz vor Raubüberfällen und Mordanschlägen.«
»Schutz vor wem?«
»Vor dem Kollegium selbst, versteht sich!« sagte Clodius lachend. »Wenn du nicht zahlst, so schlagen sie dich nieder, stehlen dir deine Waren, zerstören deine Maschinen. Es ist ein ausgeklügeltes System.«
»Wie faszinierend«, sagte Decimus Brutus gedehnt.
»Es ist ganz einfach, Decimus. Die Kreuzwegebrüder werden unsere Truppen bilden. Ich sehe keinerlei Veranlassung, das Forum mit Menschenmassen anzufüllen. Zu gegebener Zeit brauchen wir genügend Leute, doch niemals mehr als höchstens zwei, dreihundert. Wir müssen nur überlegen, wie, wo und wann man sie versammeln könnte. Der nächste Schritt wird sein, sie wie ein kleines Heer zu formieren — mit Namenslisten und dergleichen.«
»Und wie willst du sie bezahlen?« fragte Decimus Brutus.
Er war ein schlauer und sehr tüchtiger junger Mann, obgleich er aussah, als habe er nur Unfug im Kopf. Der Gedanke, etwas tun zu können, was den boni und all den anderen konservativen Langweilern das Leben schwerer machen würde, reizte ihn ungemein.
»Wir werden ihre Zeche aus unserer Tasche finanzieren. Das eine habe ich gelernt, daß ungebildete Männer alles für dich tun, solange du den Wein spendierst.«
»Das reicht nicht«, sagte Decimus Brutus ganz entschieden.
»Das ist mir auch bewußt«, antwortete Clodius. »Zwei neue Gesetze werden zusätzlicher Lohn sein. Gesetz Nummer eins betrifft die neuerliche Legalisierung aller römischen Kollegien, karitativen und anderen Bruderschaften und Vereine. Und Nummer zwei die freie Getreidezuteilung.« Er küßte Fulvia und stand auf. »Wir werden uns jetzt in die Subura wagen, Decimus, und den alten Lucius Decumius aufsuchen; wir müssen unseren Plan für meinen Amtsantritt am zehnten Dezember ausarbeiten.«
Caesar veröffentlichte sein Gesetz, das die Provinzstatthalter an Erpressungen in ihren Provinzen hindern sollte, während des Monats Sextilis; der Abstand zu den Ereignissen des Vormonats war so groß, daß sich die Gemüter, einschließlich Caesars, in der Zwischenzeit beruhigt hatten.
»Ich handle nicht aus altruistischer Gesinnung«, sagte er vor halbgefülltem Haus, »noch habe ich Bedenken gegen einen tüchtigen Statthalter, der sich auf akzeptable Art und Weise selbst bereichert. Diese lex Iulia soll verhindern, daß die Statthalter das Schatzamt betrügen, soll ferner die Bevölkerung der Provinzen vor ihrer Habgier schützen. Seit über hundert Jahren sind die Provinzregierungen eine Schande. Man handelt nicht nur mit Bürgerrechten, sondern auch mit der Befreiung von Steuern, Zehnten oder Zöllen. Der Statthalter hat Hunderte von Parasiten in seinem Gefolge, so daß die Ressourcen der Provinz noch weiter ausgeplündert werden. Kriege führt man nur aus dem einen Grund, daß der Statthalter sich bei seiner Rückkehr nach Rom seines Triumphes sicher sein kann. Wenn sich die nichtrömischen Bürger weigern, eine Tochter oder ein Getreidefeld herauszugeben, so setzt man sie der Prügelstrafe aus, bisweilen köpft man sie sogar. Zahlungen für Vorräte und Kriegsgerät werden nicht geleistet. Die Preise setzt man ausschließlich zum Vorteil des Statthalters, seiner Bankiers und seiner Günstlinge fest. Zur Ausübung erpresserischen Geldverleihs wird sogar ermutigt. Muß ich noch weitergehen?«
Caesar zuckte mit den Achseln. »Marcus Cato ist der Meinung, meine Gesetze seien aufgrund der Himmelsschau meines Konsularkollegen Marcus Bibulus nicht rechtsgültig. Ich habe es bislang nicht zugelassen, daß Marcus Bibulus mir Zügel anlegt, ich werde es auch bei diesem Gesetz nicht tun. Wenn der Senat sich jedoch weigern sollte, ihm das consultum zu gewähren, so werde ich das Gesetz nicht etwa der Volksversammlung vorlegen. Wie ihr an der Vielzahl der Buchbehälter zu meinen Füßen unschwer erkennt, handelt es sich um eine gewaltige Gesetzessammlung. Nur der Senat besitzt die Ausdauer und Kraft, sich durch ein solches Werk hindurchzuackern, nur der Senat weiß Roms mißliche Lage hinsichtlich seiner Statthalter einzuschätzen. Dies ist ein Senatsgesetz, es muß auch vom Senat gebilligt werden.« Er lächelte in Catos Richtung. »Man könnte sogar sagen, ich mache dem Senat ein Geschenk damit — lehnt ihr es ab, wird es sofort verschwinden.«
Vielleicht war ja der Quinctilis einer Katharsis förderlich oder das Ausmaß der Erbitterung und Wut so groß gewesen, daß diese Intensität der Gefühle nicht länger aufrechterhalten werden konnte; was immer auch die Gründe sein mochten, Caesars Erpressungsgesetz fand den uneingeschränkten Beifall des Senats.
»Es ist hervorragend«, sagte Cicero.
»Ich habe nicht an dem kleinsten Paragraphen etwas auszusetzen«, meinte Cato.
»Du kannst dich selbst beglückwünschen«, fand auch Hortensius.
»Es ist so umfassend abgehandelt, daß es für immer Gültigkeit bewahren wird«, sagte Vatia Isauricus.
Und so ging die lex Iulia repetundarum zusammen mit einem senatus consultum vor die Volksversammlung, wo es Mitte September als Gesetz verabschiedet wurde.
»Ich bin sehr zufrieden«, sagte Caesar zu Crassus inmitten des Getümmels auf dem Macellum Cuppedinis, hervorgerufen durch die Landbesucher, die wegen der ludi Romani nach Rom gekommen waren.
»Das darfst du auch, Gaius. Wenn nicht einmal die boni etwas auszusetzen haben, solltest du eine neue Art von Triumph einfordern, der ausschließlich für perfekte Gesetze verliehen wird.«
»Die boni hatten auch gegen mein Gesetz zur Landreform nichts einzuwenden, was sie nicht daran hinderte, dagegen vorzugehen«, sagte Caesar.
»Ackergesetze sind etwas anderes, zu viele Mieten und Pachtgelder stehen auf dem Spiel. Die Erpressungen der Provinzstatthalter hingegen vermindern die Einkünfte des Schatzamtes. Da fällt mir übrigens ein, daß du dein Erpressungsgesetz nicht auf die Senatorenklasse hättest beschränken sollen. In den Provinzen erpressen auch die Ritter«, sagte Crassus.
»Doch nur mit Zustimmung des Prokonsuls. Ich habe aber vor, während meines zweiten Konsulats ein weiteres Erpressungsgesetz vorzulegen, das sich gegen die Ritter richtet. Der Entwurf von Erpressungsgesetzen ist ein sehr langwieriger Prozeß; man kann pro Konsulat nur eins davon erarbeiten.«
»So ist es also deine Absicht, dich erneut zum Konsul wählen zu lassen?«
»Auf jeden Fall. Die deine nicht?«
»Ich hätte nichts dagegen einzuwenden«, sagte Crassus nachdenklich. »Es wäre nach wie vor mein Wunsch, gegen die Parther Krieg zu führen, um mir endlich meinen Triumph zu verdienen; und dazu muß ich wieder Konsul sein.«
»Das wirst du auch.«
Crassus wechselte das Thema. »Hast du denn schon die Liste der Legaten und Tribunen für Gallien festgesetzt?« fragte er.
»Mehr oder weniger, aber nicht endgültig.«
»Würdest du meinen Publius mitnehmen? Ich hätte gern, daß er die Kriegskunst unter dir erlernt.«
»Es würde mich sehr freuen, seinen Namen aufzunehmen.«
»Daß deine Wahl auf Titus Labienus als Legaten mit Magistratsstatus gefallen ist, hat mich verblüfft. Er hat noch nie etwas geleistet.«
»Außer, daß er mein Volkstribun gewesen ist, willst du wohl sagen«, meinte Caesar augenzwinkernd. »Doch glaube nicht, daß ich so dumm bin, mein lieber Marcus! Labienus kenne ich aus Cilicia, als Vatia Isauricus dort Statthalter war. Er mag Pferde, was ungewöhnlich ist für einen Römer. Ich brauche einen wirklich fähigen Kavallerieführer, da viele der Stämme, denen wir begegnen werden, beritten sind. Und Labienus wird ein sehr guter Kavallerieführer sein.«
»Hast du noch immer vor, den Danubius bis zum Schwarzen Meer hinunterzumarschieren?«
»Ist mein Werk erst vollbracht, so werden Roms Provinzen und Ägypten eins sein. Und sollte es dir gelingen, den Sieg gegen die Parther davonzutragen, wird Rom die Welt vom Atlantischen Ozean bis zum Indus besitzen.« Er seufzte. »Vermutlich heißt das aber, daß ich auch Gallia Transalpina unterwegs noch unterwerfen muß.«
Crassus sah Caesar an, als sei er vom Donner gerührt. »Gaius, worüber du da sprichst, würde zehn und nicht fünf Jahre dauern.«
»Ich weiß.«
»Der Senat und das Volk würden dich kreuzigen! Zehn Jahre lang einen Angriffskrieg führen? Das hat noch nie jemand gewagt!«
Während sie sich so unterhielten, zog eine bunte Menschenmenge an ihnen vorbei. Viele der Leute grüßten Caesar munter; er reagierte stets mit einem Lächeln und stellte auch die eine oder andere Frage nach Familie, Arbeit oder Ehe. Crassus hatte es schon immer fasziniert, wie viele Menschen Caesar in Rom kannte. Darunter befanden sich beileibe nicht nur Römer, nein, sondern auch Freigelassene mit ihren Mützen, Juden mit Käppchen, Phrygier mit Turbanen, langhaarige Gallier und geschorene Syrer. Wenn sie das Wahlrecht hätten, so würde Caesar nie die Macht verlieren. Doch Caesar bediente sich ausschließlich althergebrachter Methoden. Wußten die boni, welch großer Teil der römischen Bevölkerung in Caesars Hand lag? Sie hatten nicht die leiseste Ahnung. Sonst hätte eine Himmelsschau nie stattgefunden, der Dolch, den Bibulus an Vettius gesandt hatte, wäre benutzt worden und Caesar wäre tot. Pompeius Magnus? Niemals!
»Ich bin Roms überdrüssig!« seufzte Caesar. »Seit fast zehn Jahren bin ich hier schon eingekerkert — und kann es kaum erwarten, bis ich es wieder verlassen werde! Zehn Jahre Kampf im Felde? Oh, Marcus, was für eine wundervolle Aussicht! Etwas tun zu können, was mir mehr liegt als alles andere, für Rom Lorbeeren zu ernten, meine dignitas zu erhöhen, dem Gekrittel und den Nörgeleien der boni zu entkommen! Im Felde habe ich das Sagen, meine Autorität ist unanfechtbar. Wie wundervoll!«
Crassus kicherte. »Was für ein Autokrat du bist.«
»Das bist du auch.«
»Ja, doch der Unterschied besteht darin, daß ich nicht die ganze Welt beherrschen möchte, sondern nur ihre Finanzen. Zahlen sind so konkret und genau, daß Menschen, die kein Talent für sie besitzen, davor zurückschrecken müssen. Im Gegensatz dazu sind Politik und Kriege viel verschwommener. Hier meint doch jeder, er könne mit ein wenig Glück der Beste sein. Mit meiner Art von Autokratie stelle ich weder das mos maiorum noch zwei Drittel des Senats auf den Kopf.«
Pompeius und Julia kehrten gerade rechtzeitig nach Rom zurück, um Aulus Gabinius und Lucius Calpurnius Piso bei ihrer Wahlkampagne für die kurulischen Wahlen am achtzehnten Tag des Oktober zu unterstützen. Caesar, der seine Tochter seit der Hochzeit nicht gesehen hatte, war von ihrem Anblick zunächst seltsam berührt: Vor ihm stand eine selbstbewußte, lebhafte und geistreiche junge Matrone, nicht mehr das süße junge Mädchen seiner Erinnerung. Ihr Verhältnis zu Pompeius war bemerkenswert, obgleich Caesar schwerlich hätte sagen können, wer von beiden dafür verantwortlich war. Der alte Pompeius war nicht wiederzuerkennen; der neue Pompeius war belesen, literaturbegeistert, er sprach bewandert über diesen Maler, jenen Bildhauer, und zeigte an nichts weniger Interesse, als Caesar über seine militärischen Ambitionen in den nächsten fünf Jahren zu befragen. Und obendrein war Julia auch noch Herr im Hause! Ganz augenscheinlich hatte Pompeius sich weiblicher Vorherrschaft willig gebeugt. Keine Gefangenschaft in bedrohlichen picentischen Bastionen für Julia! Wo sich Pompeius aufhielt, war auch Julia. Das Bild von Fulvia und Clodius lag nahe!
»Ich habe vor, für Rom ein Theater aus Stein erbauen zu lassen«, sagte Pompeius der Große, »und zwar auf einem Grund, den ich zwischen der saepta und den Ställen der Triumphwagen erworben habe. Fünf- oder sechsmal pro Jahr hölzerne Theater für große Spiele zu errichten, ist absoluter Wahnsinn, Caesar. Es ist mir einerlei, ob das mos maiorum urteilt, das Theater sei dekadent und unmoralisch. Tatsache ist, daß das Volk seine Spiele leidenschaftlich liebt, je primitiver, desto besser. Julia ist der Ansicht, die Krönung meiner Eroberungen sei, wenn ich Rom ein riesiges Steintheater mit schönem Peristyl und Säulengang und eigenem Saal am anderen Ende hinterlassen würde, groß genug, um den Senat unterzubringen. So glaubt sie, sei das mos maiorum am besten zu umgehen — ein geweihter Teirmel für den Senat, und direkt oberhalb des Auditoriums ein herrlicher kleiner Tempel für Venus Victrix. Es muß natürlich Venus sein, da Julia ja direkt von Venus abstammt, doch sie schlug vor, ihn der siegreichen Venus zu weihen, um meinen Eroberungen Ehre zu verleihen. Ein schlaues Küken!« schloß Pompeius zärtlich und streichelte die modisch arrangierte Haarfülle seiner Frau; die sah, wie Caesar amüsiert bemerkte, schier unerträglich selbstgefällig aus.
»Das klingt vortrefflich«, sagte Caesar und war sich sicher, daß die beiden gar nicht auf ihn hörten.
Was zutraf. »Wir haben eine Vereinbarung getroffen, mein Löwe und ich«, sagte Julia und lächelte Pompeius auf eine Weise an, als teilten sie unzählige Geheimnisse. »Ich werde die Auswahl der Materialien und die Ausschmückung des Theaters übernehmen, mein Löwe wird für das Peristylium, den Säulengang und die neue Kurie verantwortlich sein.«
»Dahinter wollen wir ein bescheidenes kleines Landhaus bauen lassen, neben den vier Tempeln«, fügte Pompeius hinzu, »nur für den Fall, daß ich einmal wieder für neun Monate auf dem Marsfeld stranden sollte. Ich werde nämlich früher oder später erneut für das Amt des Konsuls kandidieren.«
»Große Geister denken ähnlich«, sagte Caesar.
»Wie?«
»Ach, nichts.«
»Oh, tata, du solltest den albanischen Palast meines Löwen sehen!« rief Julia. »Er ist märchenhaft — sieht wie die Sommerresidenz des Partherkönigs aus, behauptet Pompeius immer.« Sie wandte sich an ihre Großmutter. »Avia, wann wirst du kommen und uns dort besuchen? Du solltest Rom einmal verlassen!«
»Ihr Löwe — man stelle sich das vor!« schnaubte Aurelia voller Verachtung, nachdem das glückselige Paar zu seinem frisch renovierten Haus auf dem Carinae aufgebrochen war. »Sie schmeichelt ihm auf schamlose Weise!«
»Ihre Methoden«, sagte Caesar ernsthaft, »sind ganz sicher nicht die deinen, Mater. Ich möchte sehr bezweifeln, daß ich dich meinen Vater jemals anders ansprechen hörte, als mit seinem Namen Gaius Julius. Wahrscheinlich nicht einmal mit Caesar.«
»Koseworte sind lächerlich.«
»Doch ich bin schwer versucht, ihr den Spitznamen >Leo Domitrix< zu geben.«
»Die Löwenbändigerin.« Der Ausdruck entlockte selbst Aurelia ein Lächeln. »Nun, sie schwingt offenbar die Peitsche!«
»Aber nur scheinbar, Mater. Der Caesar steckt in ihr, und ihre Dominanz ist eigentlich subtil. Pompeius ist es, der ihr hörig ist.«
»Gelobt sei jener Tag, an dem wir sie einander vorstellten. Pompeius wird dir zuverlässig deinen Rücken stärken, solange du im Felde bist.«
»Das hoffe ich. Ich hoffe außerdem, er wird die Wähler überzeugen, daß Lucius Piso und Gabinius Konsuln des nächsten Jahres werden müssen.«
Und so geschah es: Aulus Gabinius wählte man zum Ersten Konsul, Lucius Calpurnius Piso zu seinem Mitkonsul. Die boni hatten sich verzweifelt angestrengt, die Katastrophe abzuwenden, doch Caesar hatte recht behalten. So fest die boni während des Qumctilis im Sattel sitzen mochten, die öffentliche Meinung schwenkte wieder zu den Triumvirn. Und keine Gerede über Ehen zwischen jungfräulichen Töchtern und Männern, alt genug, ihr Großvater zu sein, konnte die Wähler jetzt beeinflussen. Nicht mal Bestechungsgelder konnten den Konsulkandidaten des Triumvirats den Rang ablaufen, vermutlich weil sich derzeit keine ländlichen Wähler in Rom aufhielten, die ein gewisses Sümmchen bei den Spielen gut gebrauchen konnten. Trotz Mangels an Beweisen entschied sich Cato, Aulus Gabinius wegen Wahlkorruption vor Gericht zu bringen. Erfolglos diesmal: Obwohl er jeden Prätor ansprach, der seiner Sache wohlgesonnen gegenüberstand, war kein einziger gewillt, Gabinius anzuklagen. Metellus Scipios Vorschlag war, den Fall der Plebejischen Versammlung zu übergeben; er berief eine Versammlung ein, um ein Gesetz durchzubringen, das Gabinius der Bestechung beschuldigte.
»Da kein Gerichtshof oder Prätor sich bereit erklärt, Aulus Gabinius anzuklagen, müssen jetzt die Komitien diese Aufgabe übernehmen«, schrie Metellus Scipio den Menschen zu, die im Komitium standen.
Vielleicht war die Besucherzahl an diesem Tag gering, weil es draußen kühl und regnerisch war; und weder Metellus Scipio noch Cato schwante, daß Publius Clodius die Versammlung als Bewährungsprobe für seine sich nun rasch entwickelnde Organisation der Kreuzwegevereine nutzen würde. Sein Plan war es gewesen, nur jene Mitglieder heranzuziehen, die an diesem Tag nicht arbeiteten, und ihre Anzahl auf nicht ganz zweihundert zu begrenzen..
Als Cato nach vorne trat, um das Wort an die Versammlung zu richten, gähnte Clodius und reckte seine Arme — diejenigen, die diese Geste überhaupt bemerkten, deuteten sie so, daß Clodius es wohl genoß, Mitglied der Plebs zu sein und während einer Sitzung der Plebejischen Versammlung im Komitium stehen zu dürfen.
Und doch hatte die Geste eine gänzlich andere Bedeutung. In dem Moment, in welchem Clodius aufhörte zu gähnen, stürzten fast zweihundert Mann auf die Rostra zu, zogen Cato herab, zerrten ihn ins Komitium und begannen, gnadenlos auf ihn einzuschlagen. Die übrigen siebenhundert Versammlungsmitglieder verstanden diesen Fingerzeig und machten sich schleunigst aus dem Staube; zurück auf der Rostra blieben ein verschreckter Metellus Scipio zusammen mit drei anderen, den boni nahestehenden Volkstribunen. Da keinem Volkstribun Liktoren oder andere offizielle Leibwächter zur Verfügung standen, konnten sie diesem Schauspiel nur entsetzt und hiflos zusehen.
Die Männer hatten Anweisung, Cato zwar zu bestrafen, doch mit heiler Haut davonkommen zu lassen, und sie hielten sich daran. Nachdem sie ihre Aufgabe gründlich erledigt hatten, verschwanden sie im Nieselregen. Cato lag da, bewußtlos, blutend, doch lebendig.
»Ich dachte schon, sie hätten dich erschlagen!« sagte Metellus Scipio, als Cato mit Ancharius’ und seiner Hilfe endlich zu sich kam.
»Was hab ich nur getan?« fragte er sie mit dröhnendem Kopf.
»Du hast Gabinius und die Triumvirn herausgefordert, ohne die Immunität der Volkstribunen zu besitzen. Laß es dir eine Lehre sein, Cato — hör auf, den Triumvirn und ihren Marionetten zuzusetzen«, sagte Ancharius grimmig.
Auch Cicero beeindruckte der Vorfall nachhaltig. Je näher der Zeitpunkt von Clodius’ Amtsantritt heranrückte, um so verschreckter wurde er. Clodius’ fortgesetzte Drohungen, Cicero vor Gericht zu bringen, wurden ihm regelmäßig zugetragen; doch all sein flehentliches Bitten bei Pompeius stieß nur auf ausweichende Beteuerungen, daß Clodius es nicht ernst meine. Und ohne Atticus, der nach Epirus und Griechenland gereist war, hatte Cicero niemanden mehr, der ihm hätte helfen wollen. Als daher Cato im Komitium angegriffen wurde und sich herumsprach, daß Clodius dafür verantwortlich war, verzweifelte der arme Cicero.
»Das Früchtchen ist mir auf den Fersen, und Sampsiceramus schert sich nicht darum!« lag er Terentia in den Ohren; ihre Geduld war so am Ende, daß sie beinahe nach dem nächstbesten schweren Gegenstand gegriffen und ihm damit den Schädel eingeschlagen hätte. »Ich kann Sampsiceramus einfach nicht verstehen! Wenn ich mit ihm unter vier Augen spreche, versichert er mir, wie bedrückt er ist — dann sehe ich ihn das nächstemal auf dem Forum mit dieser Kindfrau am Arm, und er strahlt über das ganze Gesicht!«
»Warum versuchst du es nicht einmal mit Pompeius Magnus statt mit diesem lächerlichen Namen?« meinte Terentia. »Mit dieser Zunge kannst du es dir nur verderben!«
»Was sollte das noch ändern? Ich habe keine Chance mehr, Terentia, keine Chance! Das Früchtchen wird mich ins Exil schicken!«
»Ich bin erstaunt, daß du nicht auf die Knie gefallen bist, um dieser Schlampe Clodia die Füße zu küssen.«
»Das habe ich Atticus überlassen, doch vergeblich. Clodia sagt, sie habe keinen Einfluß auf ihren kleinen Bruder.«
»Der Grund wird sein, daß sie es lieber sieht, wenn du es bist, der ihr die Füße küßt.«
»Terentia, weder hatte ich noch habe ich ein Verhältnis mit der Medea vom Palatin! Du bist doch sonst so schlau — warum versteigst du dich nur so in diese Torheit? Sieh dir doch ihre Liebhaber genauer an! Allesamt jung genug, um ihre Söhne sein zu können — mein lieber Caelius, zum Beispiel! Ein so netter junger Mann! Jetzt schwärmt und schmachtet er nach Clodia ebenso, wie die Hälfte aller Frauen Roms nach Caesar schmachtet! Caesar! Noch so ein undankbarer Patrizier!«
»Er hat wahrscheinlich mehr Einfluß auf Clodius als Pompeius«, wandte sie ein. »Warum bittest du nicht einfach ihn um Hilfe?«
Der Retter seines Vaterlandes richtete sich entrüstet auf. »Lieber würde ich den Rest meines Lebens im Exil verbringen!«