Der Januar war schon fast vorbei, als es endlich Neuigkeiten aus dem Norden gab. Seit Anfang Dezember hatte sich Catalina immer weiter in den Appenin zurückgezogen, aber dann mußte er erfahren, daß Metellus Celer und Marcius Rex zwischen ihm und der adriatischen Küste lagen. Da ihm kein Fluchtweg aus Italien offenstand, blieben ihm nur zwei Möglichkeiten — sich dem Kampf zu stellen oder sich zu ergeben. Eine Kapitulation kam nicht in Frage, und so setzte er alles auf eine einzige Entscheidungsschlacht in einem engen Tal nahe der Stadt Pistoria. Doch nicht Gaius Antonius Hybrida stellte sich ihm zum Kampf, diese Ehre war dem altgedienten Soldaten Marcus Petreius vorbehalten. Ach, dieser Schmerz im rechten Zeh! Hybrida mochte sein Kommandantenzelt gar nicht mehr verlassen. Catilinas Soldaten kämpften aufopferungsvoll, mehr als dreitausend von ihnen zogen es vor, die Stellungen zu halten und zu sterben. Auch Catilina. Er hielt den silbernen Adler in der Hand, den schon Gaius Marius bei seinem Tode gehalten hatte. Man erzählte sich, er habe — als man ihn zwischen den Toten fand — das gleiche ironische Lächeln auf den Lippen gehabt, mit dem er allen, von Catulus bis Cicero, begegnet war.

Nun gab es keine Ausreden mehr: Das Senatus Consultum Ultimum wurde schließlich aufgehoben. Nicht einmal Cicero brachte noch den Mut auf, dafür zu plädieren, es so lange in Kraft zu lassen, bis man auch dem letzten Verschwörer das Handwerk gelegt hatte. Ein paar Prätoren wurden losgeschickt, um die restlichen Widerstandsnester auszuheben, unter anderem entsandte man Bibulus ins Gebiet der Paeligni im bergigen Samnium und Quintus Cicero in das nicht weniger unzugängliche Bruttium.

Im Februar begannen die Prozesse. Diesmal würde es keine Hinrichtungen geben, und niemand sollte kurzerhand ins Exil geschickt werden. Der Senat beschloß, einen Sondergerichtshof einzurichten.

Ein Ex-Ädil, Lucius Novius Niger, wurde zu seinem Vorsitzenden ernannt, nachdem sich außer ihm niemand bereit erklärt hatte, die Aufgabe zu übernehmen. Die in Rom verbliebenen Prätoren, von Philippus bis hin zu Caesar, hatten riesige Berge von Arbeit an ihren eigenen Tribunalen vorgeschützt. Es lag einerseits an den Umständen, andererseits in der Natur des Mannes, daß dieser Novius Niger sich zur Verfügung gestellt hatte, denn er gehörte zu den bedauerlichen Kreaturen, deren Ehrgeiz ihre Fähigkeiten bei weitem übersteigt; und er glaubte sich mit dieser Ernennung auf dem sichersten Weg zu einem Konsulat. Es waren höchst eigenwillige Erlasse, die er herausgab: Niemand würde von einer Untersuchung verschont bleiben, niemand würde mit Samthandschuhen angefaßt, niemand sollte sich seine Freiheit mit Bestechung erkaufen dürfen, die Bänke der Geschworenen würden süßer duften als ein Feld von Veilchen in der Campania. Sein letzter Erlaß fand keinen großen Anklang: Er setzte für jede Information, die zu einer Verurteilung führte, eine Belohnung von zwei Talenten aus — natürlich wollte er diese Belohnung mit den Geldstrafen und konfiszierten Vermögen finanzieren. Bloß keine unnötigen Unkosten für das Schatzamt! Die meisten Menschen erinnerte das auf fatale Weise an Sullas Proskriptionen. Und so kam es, daß die berufsmäßigen Forumsgänger bereits eine geringe Meinung vom Präsidenten des Sondergerichts hatten, als er sein Tribunal eröffnete.

Zuerst wurden fünf Männer vor Gericht gestellt, und alle würden mit Sicherheit verurteilt werden: Die Brüder Sulla, Marcus Porcius Laeca sowie Gaius Cornelius und Lucius Vargunteius, die beiden Männer, die Cicero hatten ermorden wollen. Um den Gerichtshof zu unterstützen, beschäftigte der Senat sich mit Ciceros Informanten Quintus Curius; das Kreuzverhör fand zu der Zeit statt, als Novus Niger seine Anhörungen begann. Natürlich zog er eine weit größere Zuhörerschaft an, denn er veranstaltete sein Tribunal auf dem größten freien Platz des gesamten Forums.

Ein gewisser Lucius Vettius war der erste Denuziant, und er sollte auch der letzte sein. Dieser unbedeutende Ritter vom Status eines Zahlmeisters ging zu Novius Niger und verkündete, er habe mehr als genug Informationen, um sich das hübsche Sümmchen von fünfzigtausend Sesterzen zu verdienen, das als Belohnung ausgesetzt war. Bei seiner Zeugenaussage vor Gericht gestand er, in einer frühen Phase der Verschwörung mit dem Gedanken gespielt zu haben, sich an ihr zu beteiligen. »Aber ich wußte, wem ich Loyalität schuldig war«, seufzte er. »Ich bin Römer, ich könnte Rom kein Leid zufügen. Rom bedeutet mir alles.«

Eine Weile ging das so weiter, dann diktierte er eine Liste von Männern und versicherte, die seien alle »ohne den geringsten Zweifel« an der Verschwörung beteiligt gewesen. Nun seufzte auch Novius Niger. »Lucius Vettius, nicht ein einziger dieser Namen ist besonders aufregend! Dieses Gericht dürfte kaum die Möglichkeit haben, ausreichende Beweise für eine Anklage gegen all diese Männer zu sammeln. Ist denn keiner dabei, gegen den du konkrete Beweise vorbringen kannst? Einen Brief oder einen unanfechtbaren Zeugen?«

»Nun...«, sagte Vettius langsam; er schien unschlüssig, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. »Nein, niemanden!« sagte er mit lauter Stimme.

»Komm schon, du genießt den vollen Schutz meines Gerichtshofs.« Novius Niger roch die Beute. »Dir kann nichts passieren, Lucius Vettius, ich gebe dir mein Wort!«

»Es ist aber ein sehr großes Tier«, murmelte Lucius Vettius.

»Für mich und mein Gericht ist kein Tier zu groß.«

»Ich... «

»Spuck es aus, Lucius Vettius!«

»Ich habe einen Brief.«

»Von wem?«

»Von Gaius Caesar.«

Die Geschworenen richteten sich kerzengerade auf, im Publikum kam Unruhe auf.

»Von Gaius Caesar. An wen?«

»Catilina. In Gaius Caesars eigener Handschrift.«

Im Publikum brachen ein paar von Catulus’ Klienten in Jubelrufe aus, die jedoch gleich von den Buhrufen und den Schimpfkanonaden der anderen übertönt wurden. Es dauerte eine Weile, bis die Liktoren für Ruhe gesorgt hatten und Novius Niger seine Anhörung fortsetzen konnte.

»Warum hören wir erst jetzt davon, Lucius Vettius?«

»Weil ich Angst habe, darum!« fauchte der Informant. »Es ist kein angenehmer Gedanke, derjenige zu sein, der ein großes Tier wie Gaius Caesar belastet hat.«

»Vor diesem Gerichtshof, Lucius Vettius, gibt es nur ein großes Tier, und das heißt Novius Niger und nicht Gaius Caesar«, sagte Novius Niger. »Außerdem hast du Gaius Caesar bereits belastet. Du bist nicht in Gefahr. Weiter.«

»Was weiter?« fragte Vettius. »Ich sage doch, ich habe einen Brief.«

»Dann mußt du ihn diesem Gericht vorlegen.«

»Er wird behaupten, daß es eine Fälschung ist.«

»Das kann nur das Gericht beurteilen. Zeig mir den Brief.«

»Nun.. .«

Inzwischen standen alle Besucher des unteren Forums entweder um Nigers Tribunal herum oder beeilten sich, dorthin zu kommen; es hatte sich herumgesprochen, daß Caesar wieder einmal in Schwierigkeiten war.

»Lucius Vettius, ich befehle dir, diesen Brief vorzulegen!« forderte Novius Niger mit Nachdruck. Dann aber fügte er etwas unglaublich Dummes hinzu: »Meinst du etwa, daß Männer wie Gaius Caesar gefeit gegen die Macht dieses Gerichts sind, nur weil sie einen Haufen Klienten haben und ihre Ahnentafel tausend Jahre zurückreicht? Nein, sind sie nicht! Wenn Gaius Caesar von eigener Hand einen Brief an Catilina geschrieben hat, dann werde ich ihn vor diesem Gericht anklagen und verurteilen!«

»Dann gehe ich jetzt nach Hause und hole ihn.« Der Vorsitzende hatte Lucius Vettius überzeugt.

Während Vettius den Brief holen ging, unterbrach Novius Niger die Anhörung. Jeder, der nicht gerade in ein Gespräch vertieft war, eilte davon, um sich etwas zu essen oder zu trinken zu holen. Die Geschworenen blieben gelassen auf ihren Plätzen sitzen und bekamen von Gerichtsdienern etwas serviert. Novius Niger schlenderte hinüber zum Sprecher der Geschworenen; er war ungeheuer zufrieden mit seinem Einfall, für Informationen Belohnungen zu zahlen.

Publius Clodius war da schon zielbewußter. Er eilte über das Forum in die Curia Hostilia, wo der Senat tagte, und verschaffte sich Zutritt zur Sitzung. Kein schwieriges Unterfangen für jemanden, der bereits nächstes Jahr mit voller Berechtigung durch das Portal schreiten würde.

Gleich hinter der Tür blieb er stehen und mußte feststellen, daß Vettius’ Baß vor Gericht in harmonischer Übereinstimmung mit Curius’ Bariton im Senat gesprochen hatte.

»Und ich sage dir, ich habe es aus Catilinas Mund gehört!« sagte Curius eben zu Cato. »Gaius Caesar war eine zentrale Figur bei der Verschwörung, von Anfang bis zum Ende!«

Caesar, der schräg hinter dem amtsführenden Konsul Silanus auf dem kurulischen Podium saß, erhob sich.

»Du lügst, Curius«, sagte er seelenruhig. »Wir wissen alle, welche Männer in dieser ehrenwerten Körperschaft vor nichts zurückschrecken, um dafür zu sorgen, daß ich auf Dauer aus ihr ausgeschlossen werde. Aber, versammelte Väter, ich nehme mir die Freiheit, euch zu versichern, daß ich niemals bei einer derart anrüchigen, stümperhaften Geschichte mitgemacht hätte! Jeder, der dem Märchen dieses jämmerlichen Dummkopfs Glauben schenkt, ist ein noch größerer Dummkopf! Ich, Gaius Julius Caesar, sollte mit einer Bande von heruntergekommenen Säufern und Klatschweibern gemeinsame Sache gemacht haben? Ich, der ich peinlich auf meine Pflichten und meine dignitas achte, sollte mich zu etwas hergeben und mit Leuten wie diesem Curius unter einer Decke gesteckt haben? Ich, der Pontifex Maximus, sollte stillschweigend dulden, wie Rom in die Hände eines Catilina fällt? Ich, ein Julier, ein Abkömmling der Gründer Roms, sollte mich von Würmern wie diesem Curius und Huren wie Fulvia Nobilioris regieren lassen?«

Die Worte knallten wie Peitschenhiebe in den Saal, und niemand wagte es, ihn zu unterbrechen.

»Ich bin politische Schlammschlachten gewöhnt«, fuhr er fort, noch immer mit dieser ruhigen und doch so kalten Stimme, »aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wenn jemand Gestalten wie diesen Curius dafür bezahlt, daß sie meinen Namen mit einer Unternehmung in Verbindung bringen, an der ich mich um nichts in der Welt beteiligt hätte. Denn irgend jemand muß ihn bezahlt haben! Und wenn ich herausgefunden habe, wer das war, Senatoren, dann werden sie mir dafür bezahlen! Ihr hockt hier wie die Hühner auf ihrer Stange und hört euch die schmutzigen Einzelheiten einer vermeintlichen Verschwörung an, und währenddessen brüten ein paar andere Hühner eine noch viel tückischere Verschwörung gegen mich und meinen guten Namen aus! Um meine dignitas zu zerstören!« Er holte Luft. »Ohne meine dignitas bin ich ein Nichts! Deshalb warne ich jeden einzelnen von euch: Treibt damit kein Schindluder! Um meine dignitas zu verteidigen, würde ich diese ehrwürdige Kammer über euren Köpfen niederreißen! Ich würde das Pelion auf den Ossa stapeln und Zeus seine Blitze entreißen, um sie gegen jeden einzelnen von euch zu schleudern! Fordert meine Geduld nicht heraus, versammelte Väter, denn ich sage euch — ich bin kein Catilina! Wenn ich mich gegen euch verschworen hätte, wärt ihr gefallen!«

Er wandte sich an Cicero. »Marcus Tullius Cicero, ich stelle dir die Frage jetzt zum letztenmal: Habe ich dir bei der Aufdeckung dieser Verschwörung geholfen oder nicht?«

Cicero schluckte; im Haus herrschte absolute Stille. Noch nie hatte jemand eine solche Rede gehört, und niemand wollte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nicht einmal Cato.

»Ja, Gaius Julius, du hast mir geholfen«, sagte Cicero.

»Dann verlange ich«, fuhr Caesar mit nicht mehr so eisiger Stimme fort, »daß dieses Haus unverzüglich beschließt, daß Quintus Curius nicht eine einzige Sesterze der Belohnung ausgezahlt wird, die man ihm versprochen hat. Quintus Curius hat gelogen.

Lügner verdienen keine Bezahlung.«

Jeder einzelne der Senatoren fürchtete sich, deshalb faßte das Haus den einstimmigen Beschluß, Quintus Curius keine einzige Sesterze der versprochenen Belohnung auszuzahlen.

Clodius trat vor. »Ehrwürdige Väter«, sagte er mit lauter Stimme, »ich bitte um Verzeihung, daß ich hier einfach eindringe, aber ich muß den ehrwürdigen Gaius Caesar bitten, mich so schnell wie möglich zum Tribunal des Lucius Novius Niger zu begleiten.«

Caesar, der sich gerade setzen wollte, warf statt dessen einen Blick auf den konsternierten Silanus. »Erster Konsul, es scheint, als würde ich woanders gebraucht, in derselben Sache, wie ich vermute. Ich rate euch, vergeßt nicht, was ich gesagt habe. Vergeßt nicht ein Wort davon! Und jetzt entschuldigt mich bitte.«

»Du bist entschuldigt«, flüsterte Silanus, »So, wie ihr alle.«

Caesar verließ zusammen mit Clodius die Curia Hostilia, und der ganze Troß von Senatoren folgte in einigem Abstand nach.

»Das war die beste Strafpredigt, die ich je gehört habe«, sagte Clodius ein bißchen außer Atem. »Die wagten ja vor lauter Angst nicht mehr, sich zu rühren!«

»Rede keinen Unsinn, Clodius, erzähl mir lieber, was vor Nigers Gericht passiert«, erwiderte Caesar ungeduldig.

Nachdem Clodius der Aufforderung nachgekommen war, blieb Caesar stehen.

»Liktor Fabius!« rief er seinem Ersten Liktor zu, der darauf achtete, daß seine fünf Kollegen auch möglichst kampfeslustig vor Caesar hermarschierten.

Die drei Männergespanne blieben stehen und nahmen ihre Befehle entgegen.

Und so fiel Caesar in Novius Nigers Gericht ein, trieb die Zuschauer in alle Richtungen und schritt geradewegs durch die Reihen der Geschworenen auf Lucius Vettius zu, der einen Brief in der Hand hielt.

»Liktoren, verhaftet diesen Mann!«

Samt seinem Brief wurde Licius Vettius in Gewahrsam genommen und zum Tribunal des Stadtprätors gebracht.

Novius Niger sprang so hastig auf, daß sein teurer Elfenbeinstuhl auf die Seite kippte. »Was soll das bedeuten?« kreischte er.

»FÜR WEN HÄLTST DU DICH EIGENTLICH?« donnerte Caesar. Alle wichen zurück; die Geschworenen begannen, unruhig hin und her zu rutschen.

»Für wen hältst du dich?« wiederholte er etwas leiser, aber seine Stimme klang noch immer über das halbe Forum. »Wie kommst du als kleiner Magistrat im Range eine Ädils dazu, vor deinem Gerichtshof Beweise aufzunehmen, die vor das Gericht deines Vorgesetzten in der Hierarchie gehören? Noch dazu Beweise aus dem Munde eines bezahlten Informanten? Was glaubst du, wer du bist? Falls du es nicht selbst weißt, Novius, will ich es dir sagen: Du bist ein juristischer Ignorant, du hast nicht mehr Berechtigung, einem römischen Gerichtshof vorzusitzen, als die verworfenste aller Straßenhuren, die vor dem Tempel der Venus Erucina nach Freiern Ausschau hält! Es steht einem kleinen Magistrat nicht zu, Schritte einzuleiten, die zu einer Anklage gegen seinen Vorgesetzten führen könnten! Du gehörst vor Gericht für das, was du diesem Abschaum von Vettius versprochen hast. Du willst dafür sorgen, daß der Stadtprätor vor deinem Gericht angeklagt wird? Große Worte, Novius, aber leider nicht in die Tat umzusetzen. Wenn du Grund zu der Annahme hast, einer deiner vorgesetzten Magistrate könnte strafrechtlich in Vorgänge verwickelt sein, die vor deinem Gericht verhandelt werden, dann hast du dein Gericht auf der Stelle aufzulösen und die Sache jemandem vorzutragen, der diesem vorgesetzten Magistrat gleichgestellt ist. Und da ich der Stadtprätor bin, mußt du zu dem Konsul gehen, der gerade die Amtsgeschäfte führt — Decimus Junius Silanus.«

Die neugierige Menge hing an Caesars Lippen, während Novius Niger mit aschfahlem Gesicht vor ihm stand und sich seine Hoffnungen auf ein baldiges Konsulat eine um die andere zerschlugen.

»Du trägst die ganze Sache jetzt einem höhergestellten Magistrat vor, Novius. Unterstehe dich, sie weiter vor deinem Gericht zu verhandeln! Unterstehe dich, grinsend hier herumzusitzen und Beweise gegen einen höhergestellten Magistrat zu sammeln! Du hast mich vor dieser Körperschaft von Männern bloßgestellt, als hättest du das Recht dazu. Du hast es nicht! Hast du verstanden?

Du hast es nicht! Was gibst du hier für ein leuchtendes Beispiel ab! Ist es das, was die höheren Magistrate in Zukunft von ihren Untergebenen zu erwarten haben?«

Flehend hob Novius Niger eine Hand, leckte sich über die Lippen wollte etwas sagen.

»Schweig, Unwürdiger!« herrschte Caesar ihn an. »Lucius Novius Niger, um dich und alle anderen niederen Amtsträger zu lehren, wo sie in der Hierarchie der Magistrate ihren Platz haben, verurteile ich, der Stadtprätor Gaius Julius Caesar, dich zu einer Haftstrafe von acht Tagen in den Zellen der Steinbrüche. Dort hast du Zeit genug, darüber nachzudenken, wo dein Platz ist und wie du den römischen Senat dazu bringen willst, dich auch weiterhin mit dem Amt des iudex an diesem Sondergericht zu betrauen. Du wirst die ganze Zeit in deiner Zelle zubringen. Es ist dir nicht gestattet, Besuch von deiner Familie zu empfangen oder dir Lebensmittel kommen zu lassen. Du erhältst weder etwas zu lesen noch Schreibmaterial. Ich bin mir wohl bewußt, daß die Zellen in den Steinbrüchen keine Türen und schon gar keine Schlösser haben, trotzdem wirst du tun, was man von dir verlangt. Halb Rom wird dir auf die Finger schauen, wenn es die Liktoren einmal nicht tun.« Er nickte den Gerichtsliktoren zu. »Bringt euren Herren in die Steinbrüche und steckt ihn in die unbequemste Zelle, die ihr finden könnt. Dort werdet ihr ihn bewachen, bis ich Liktoren zu eurer Ablösung schicke. Wasser und Brot, sonst nichts, und kein Licht mehr nach Einbruch der Dunkelheit.«

Ohne einen Blick zurück ging er hinüber zum Tribunal des Stadtprätors, wo Lucius Vettius, von zwei Liktoren flankiert, auf der Plattform wartete. Caesar stieg in Begleitung der vier verbliebenen Liktoren die Treppe hinauf. Inzwischen hatten sie das gesamte Gericht des Novius Niger im Schlepptau, von den Geschworenen über die Schreiber bis hin zu den Angeklagten. Oh, was für ein Spaß! Doch was konnte Caesar schon anderes mit Lucius Vettius machen, als ihn in die Zelle neben Novius Nigers zu sperren?

»Liktor«, sagte er zu Fabius, »löse dein Rutenbündel.«

Und zu Vettius, der immer noch den Brief in der Hand hielt: »Lucius Vettius, du hast gegen mich konspiriert. Wessen Klient bist du?«

Die Menge schnatterte und flatterte — verblüfft und ehrfurchtsvoll — zwischen Caesar, der sich Vettius vorgeknöpft hatte, und Fabius dem Liktor hin und her, der auf dem Boden hockte und das Bündel aus Birkenruten aufknüpfte, die mit roten, ledernen Bändern zu einem Zickzackmuster verschnürt waren. Die schlanken, biegsamen Ruten, dreißig an der Zahl, eine für jede Kurie, waren sorgfältig zu einem kreisförmigen Bund verschnürt, nachdem man sie beschnitten und so lange gedrechselt hatte, bis jede einzelne von ihnen rund wie der ganze Zylinder war, den man die fasces nannte.

Vettius stand mit großen Augen da; er schien den Blick nicht von Fabius und seinen Ruten losreißen zu können.

»Wessen Klient bist du, Vettius?« wiederholte Caesar mit scharfer Stimme. »Wie heißt dein Patron?«

Die Todesangst öffnete ihm den Mund: »Gaius Calpurnius Piso.«

»Danke, das wollte ich wissen.« Caesar wandte sich an die Männer, die sich unter ihm versammelt hatten. Die ersten Reihen waren mit Senatoren und Rittern besetzt. »Römer«, sagte er und wählte eine hohe Stimmlage, »der Mann, der hier vor meinem Tribunal steht, hat mich vor einem Richter, der gar nicht berechtigt war, diesen Beweis aufzunehmen, mit einer falschen Zeugenaussage belastet. Vettius ist Zahlmeister, er kennt das Gesetz. Er weiß, er hätte es nicht machen dürfen, aber es gelüstete ihn, die Summe von zwei Talenten einzustreichen — und dazu noch das, was sein Patron Gaius Piso ihm versprochen hat. Gaius Piso ist nicht hier, um uns Rede und Antwort zu stehen, und darüber kann er froh sein. Wenn er hier wäre, würde ich ihn zusammen mit Lucius Novius in die Steinbrüche schicken. Es ist mein Recht als Stadtprätor, den römischen Bürger Lucius Vettius züchtigen zu lassen. Von diesem Recht mache ich hiermit Gebrauch. Er darf nicht mit der Peitsche gezüchtigt werden, aber gegen eine Rute ist nichts einzuwenden. Liktor, bist du bereit?«

»Ja, praetor urbanus«, antwortete Fabius, der in seiner langen Laufbahn als einer der zehn Präfekten des Kollegiums der Liktoren noch nie aufgefordert worden war, sein Rutenbündel zu öffnen.

»Wähle dir eine Rute aus.«

Die Rutenbündel gehörten zu den heiligsten Dingen des römischen Staates, doch so sehr man sie auch pflegte, irgendwann fielen sie gefräßigen Mikroorganismen zum Opfer. Deshalb wurden die fasces regelmäßig in einem feierlichen Akt ausgesondert, verbrannt und durch neue ersetzt. Es fiel Fabius also nicht besonders schwer, die Kuten aus dem Bündel zu lösen, und er suchte auch nicht lange nach der kräftigsten von ihnen. Er nahm die, die seiner zitternden Hand am nächsten lag und erhob sich langsam.

»Haltet ihn fest«, sagte Caesar zu zwei anderen, »und zieht ihm die Toga aus.«

»Wo? Und wie viele!« flüsterte Fabius erregt.

Caesar ignorierte ihn. »Da dieser Mann ein Bürger Roms ist, will ich ihn nicht so weit erniedrigen, daß ich ihm die Tunika ausziehe und das Hinterteil entblöße. Liktor, sechs Hiebe auf die linke Wade und sechs Hiebe auf die rechte.« Er hatte die Stimme gesenkt, um Fabius’ Flüsterton nachzuäffen. »Und daß du mir fest genug zuschlägst, Fabius, sonst bist du selber der nächste.« Er zog Vettius den Brief aus der Hand, warf einen kurzen Blick auf seinen Inhalt, dann ging er zum Rand des Podiums und hielt ihn Silanus entgegen, der Murena an diesem Tage vertrat (und sich wünschte, er wäre selbst so klug gewesen, unerträgliche Kopfschmerzen vorzuschützen). »Erster Konsul, ich übergebe dir dieses Beweisstück zur sorgfältigen Prüfung. Es ist nicht meine Schrift.« Caesars Miene drückte Verachtung aus. »Und schon gar nicht ist dies mein Stil. Er ist viel zu unbeholfen und erinnert mich an Gaius Piso — der kann auch keine vier Worte sinnvoll aneinandereihen.«

Die Schläge wurden von Vettius’ winselnden Klagelauten begleitet; der Erste Liktor Fabius hatte Caesar bereits in jenen Tagen ins Herz geschlossen, als er ihm als kurulischem Ädil und später als Richter am Mordgericht zu Diensten war. Er hatte geglaubt, Caesar zu kennen. Heute war er eines Besseren belehrt worden, deshalb schlug er jetzt mit aller Härte zu.

Während die Züchtigung ihren Lauf nahm, verließ Caesar das Tribunal und schlenderte in die hintersten Reihen der Zuschauer, wo die Menschen niederer Herkunft standen und begeistert waren. Kam ihm einer mit einer schäbigen, selbstgesponnenen Toga unter die Augen, tippte er ihm einladend auf die Schulter, und als er zwanzig zusammen hatte, führte er die Gruppe zu einem Platz direkt vor der Plattform.

Die Züchtigung war vorüber. Vettius trat schluchzend von einem Bein aufs andere; er litt unter einem doppelten Schmerz: dem Brennen der Waden und der Zerstörung seiner Selbstachtung. Viele der Zeugen dieser Demütigung kannten ihn — und hatten Fabius auch noch angefeuert.

»Soviel ich weiß, ist Lucius Vettius ein Liebhaber schöner Möbel!« sagte Caesar. »Schläge mit einer Rute hinterlassen keine nachhaltige Erinnerung an falsches Verhalten, und Lucius Vettius soll sich noch lange an diesen Tag erinnern können. Ich ordne deshalb an, daß ein Teil seines Besitzes konfisziert wird. Die zwanzig Quirites, denen ich auf die Schulter getippt habe, dürfen Lucius Vettius zu seinem Haus begleiten, und jeder soll sich ein Stück des Mobiliars aussuchen. Sonst darf nichts angerührt werden — weder Sklaven noch Tafelsilber, noch vergoldete Gegenstände oder Plastiken. Liktoren, begleitet diesen Mann zu seinem Haus und sorgt dafür, daß meine Anordnungen befolgt werden.«

Und so hinkte ein jammernder Vettius unter Bewachung davon, gefolgt von einer fröhlichen Schar von Nutznießern, die bereits eifrig damit beschäftigt waren, die Beute untereinander aufzuteilen — wer brauchte ein Bett, wer eine Liege, einen Tisch oder einen Sessel, wer hatte Platz genug für einen Schreibtisch?

Einer der zwanzig drehte sich noch einmal um, als Caesar gerade von seinem Tribunal herunterstieg. »Kriegen wir auch die Matratzen zu den Betten?« rief er.

»Ein Bett ohne Matratze ist zu nichts nutze, niemand weiß das besser als ich, Quiris!« lachte Caesar. »Matratzen gehören zu den Betten dazu und Nackenrollen zu den Liegesofoas. Aber nicht die Tücher zum Zudecken, verstanden?«

Caesar ging nach Hause, um sich ein bißchen frisch zu machen; ein ereignisreicher Tag lag hinter ihm, die Zeit war wie im Fluge vergangen, und er hatte eine Verabredung mit Servilia.

Eine ekstatische Servilia war eine lustvolle Erfahrung. Sie leckte und küßte und lutschte in rasender Verzückung, öffnete sich, versuchte ihn zu öffnen, sog ihn aus und verlangte nach mehr.

Der beste Weg, die Anspannung loszuwerden, die sich in den letzten Tagen angesammelt hat. dachte Caesar, während er, flach auf dem Rücken liegend, in kühlen Schlaf hinüberdämmerte. Da er keine Schamhaare hatte, an denen man ziehen konnte, kniff sie ihn in die lose Haut seines Hodensacks.

»So kriegt man dich wach!«

»Du bist eine Barbarin, Servilia!«

»Ich will mit dir reden.«

»Ich will schlafen.«

»Später.«

Seufzend rollte er sich auf die Seite und warf ein Bein über sie, um sein Rückgrat zu strecken. »Dann sprich.«

»Ich glaube, du hast sie besiegt«, sagte sie und fügte nach einer Pause hinzu: »Für den Augenblick jedenfalls.«

»Richtig, für den Augenblick. Sie werden niemals lockerlassen.«

»Sie würden lockerlassen, wenn du ihnen den Raum für ihre dignitas lassen würdest.«

»Warum sollte ich? Die kennen ja nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes. Wenn sie sich ihre eigene dignitas bewahren wollen, dann sollten sie meine endlich in Ruhe lassen.« Er machte ein Geräusch, das Zorn und Überdruß ausdrückte. »Aber so kommt eines zum anderen, und je älter ich werde, desto anstrengender wird es. Ich gerate zu schnell in Zorn.«

»Das ist wahr. Kannst du das ändern?«

»Ich weiß gar nicht, ob ich es ändern will. Meine Mutter sagt immer, mein Jähzorn und mein Mangel an Geduld seien meine beiden schlimmsten Fehler. Sie ist eine unbarmherzige Kritikerin und ein Ausbund an Disziplin. Damals, als ich in den Osten ging, glaubte ich, beide Fehler überwunden zu haben. Aber damals kannte ich Bibulus und Cato noch nicht, auch wenn ich Bibulus sehr bald kennenlernen sollte. Mit ihm allein bin ich gut zurechtgekommen. Zusammen mit Cato ist er tausendmal schlimmer.«

»Man müßte ihn töten.«

»Und was soll ich ohne meine gefährlichsten Feinde tun? Meine liebe Servilia, ich wünsche weder Cato noch Bibulus den Tod. Je mehr Gegner ein Mann hat, desto besser funktioniert sein Verstand. Ich brauche Widerstand. Nein, was mir wirklich Sorgen macht, ist mein aufbrausendes Temperament.«

»Du hast ein sonderbares Temperament, Caesar«, sagte Servilia und streichelte sein Bein. »Die meisten Männer werden durch Zorn blind, aber du wirst hellsichtiger. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich so liebe. Ich bin nämlich auch so.«

»Unsinn!« sagte er lachend. »Du bist kaltblütig, Servilia, aber du bist zu starken Gefühlen fähig. Du bildest dir ein, klaren Kopf zu behalten, wenn man dich reizt, aber deine Gefühle machen dir einen Strich durch die Rechnung. Eines Tages wirst du einen Plan entwerfen, um dein Ziel zu erreichen, und wenn du es erreicht hast, dann wirst du plötzlich feststellen, daß die Konsequenzen katastrophal sind. Man muß so weit wie möglich gehen, aber keinen Millimeter weiter. Das ist die Kunst. Wenn die ganze Welt vor dir zittert, dann zeige dich großzügig und gerecht. Damit machst du es deinen Feinden schwer.«

»Ich wollte, du wärst Brutus’ Vater.«

»Er wäre nicht Brutus, wenn ich sein Vater wäre.«

»Das meine ich ja.«

»Laß ihn in Ruhe, Servilia. Du mußt ihn etwas mehr loslassen. Er zittert wie ein Kaninchen, wenn du in der Nähe bist. Dabei ist er gar kein Schwächling. Gut, es schlummert nicht gerade ein Löwe in ihm, aber vielleicht ein Wolf oder ein Fuchs. Warum sollte man ihn als Kaninchen sehen, nur weil er in deiner Gegenwart eines ist?«

»Julia ist jetzt vierzehn«, sagte sie, um das Thema zu wechseln.

»Stimmt. Ich muß Brutus einen Brief schreiben, um mich für das Geschenk zu bedanken. Es hat ihr so gut gefallen.«

Servilia reckte verblüfft den Hals. »Ein Manuskript von Plato?«

»Du hältst das wohl für ein unpassendes Geschenk, was?« Er grinste und kniff sie so fest, wie sie ihn gekniffen hatte. »Ich habe ihr Perlen geschenkt, und die haben ihr gut gefallen, aber nicht halb so gut wie Brutus’ Plato.«

»Bist du eifersüchtig?«

Jetzt mußte er laut lachen. »Eifersucht«, sagte er und wurde wieder ernst, »ist ein Fluch. Sie frißt an dir und zerstört dich. Nein, Servilia, man kann mir sicher vieles nachsagen, aber eifersüchtig bin ich nicht. Ich habe mich mit ihr gefreut, und ich bin ihm sehr dankbar. Nächstes Jahr schenke ich ihr auch ein philosophisches Werk.« Er musterte sie belustigt. »Ist außerdem billiger als Perlen.«

»Brutus hegt und pflegt sein Vermögen.«

»Ein ausgezeichneter Zug für den reichsten Jüngling Roms.«

Kurz nach diesem denkwürdigen Tag war Marcus Crassus von einer langen Geschäftsreise nach Rom zurückgekehrt. Er betrachtete Caesar mit neuem Respekt.

»Ich kann nicht sagen, daß ich es bedaure, fortgegangen zu sein, nachdem Tarquinius mich im Senat beschuldigt hatte«, sagte er. »Es war sicherlich ein interessantes Zwischenspiel, aber ich gehe nach einer ganz anderen Taktik vor, Caesar. Du fährst ihnen an die Gurgel, ich dagegen ziehe langsam meine Furchen, wie der Ochse, dem ich angeblich so ähnlich sehen soll.«

»Du hast das Heu auch schon in der Scheune.«

»Richtig.«

»Ja, das ist sicher eine gute Taktik. Nur ein Narr könnte versuchen, dich zu stürzen, Marcus.«

»Es gibt Narren, die dich stürzen wollen, Gaius.« Crassus hustete. »Wie hoch sind deine Schulden?«

Caesar runzelte die Stirn. »Außer meiner Mutter weißt nur du es. Aber wenn du die Zahl noch einmal hören möchtest: Ungefähr zweitausend Talente. Das sind fünfzig Millionen Sesterzen.«

»Ich weiß, daß du weißt, daß ich weiß, wie viele Sesterzen in zweitausend Talenten stecken«, erwiderte Crassus grinsend.

»Worauf willst du hinaus, Marcus?«

»Daß du nächstes Jahr eine lukrative Provinz brauchen wirst. Darauf will ich hinaus. Man wird dir nicht die Gelegenheit geben, die Lose zu manipulieren. Dazu bist du viel zu umstritten. Besonders Cato wird über dir lauern wie der Geier über einem Kadaver.« Crassus hob die Augenbraue. »Ganz ehrlich, Gaius, mir ist nicht ganz klar, wie du es schaffen kannst, selbst wenn du Losglück haben solltest. Alles ist befriedet! Magnus hat den Osten unterworfen, Africa ist seit Jugurthas Zeiten keine Bedrohung mehr. Beide Spanien kranken noch immer an Sertorius. Und die beiden Gallien haben auch nicht viel zu bieten.«

»Und Sizilien, Sardinien oder Korsika sind gar nicht der Rede wert«, sagte Caesar.

»So ist es.«

»Hast du gehört, daß ich per Gesetz gemahnt werden soll?«

»Nein, aber ich habe gehört, daß es Catulus bessergehen soll. Über kurz oder lang wird er wieder im Senat und in der Volksversammlung aufkreuzen, um dir Ärger zu machen. Er will erreichen, daß alle diesjährigen Statthalter ein Jahr länger im Amt bleiben, das heißt, die diesjährigen Prätoren sollen nächstes Jahr keine Provinzen erhalten.«

»Ah, ich verstehe!« Caesar wirkte nachdenklich. »Ja, mit einer solchen Initiative hätte ich rechnen müssen.«

»Er könnte damit durchkommen.«

»Möglich, aber ich bezweifle es. Es gibt da einige unter meinen Kollegen Prätoren, die sich nicht so einfach ihre Provinz wegnehmen lassen würden. Philippus mag ein arbeitsscheuer Epikuräer sein, aber er weiß durchaus, was er wert ist. Von meiner Wenigkeit ganz zu schweigen.«

»Sei gewarnt, das ist alles.«

»Bin ich, vielen Dank.«

»Aber das ändert nichts an deinen Schwierigkeiten, Caesar. Wie willst du mit einer einzigen Provinz deine Schulden zurückzahlen?«

»Mein Glück wird mir helfen, Marcus«, sagte Caesar ruhig.

»Ich möchte gern nach Hispania Ulterior, weil ich dort einmal Quästor war. Dort kenne ich mich aus. Dazu brauche ich nur die Lusitani und die Callaici! Decimus Brutus Callaicus hat das nordwestliche Iberien noch kaum betreten. Und aus dem Nordwesten Iberiens kommt das meiste Gold, das wirst du doch selbst wissen, schließlich warst du auch einmal in Spanien. Salamantica ist längst geplündert, aber Orte wie Brigantium haben noch keinen Römer zu sehen bekommen. Nun, das wird sich ändern, das verspreche ich dir!«

»Du willst also dein ganzes Glück auf das Los setzen.« Crassus schüttelte den Kopf. »Du bist ein seltsamer Kerl, Caesar! Ich glaube nicht an das Glück. Mein Lebtag habe ich der Göttin Fortuna noch kein Opfer gebracht. Ein Mann muß sich sein Glück selber schmieden.«

»Da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Und trotzdem glaube ich, daß die Göttin Fortuna unter den Römern ihre Lieblingskinder hat. Sie hat Sulla geliebt. Und mich liebt sie auch. Es gibt Männer, Marcus, die vereinen das Glück der Göttin mit dem Glück, das sie sich selber schmieden. Und niemand hat soviel Glück wie Caesar.«

»Und bei Servilia hast du auch Glück?«

»Das hat dich überrascht, stimmt’s?«

»Du hattest es schon einmal angedeutet. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.«

»Ach, Crassus, sie ist wunderbar im Bett!«

»Pah!« knurrte Crassus. Er legte die Füße auf einen Hocker und blickte Caesar finster an. »Was soll man anderes erwarten von einem Mann, der sich in aller Öffentlichkeit mit seinem >Rammbock< unterhält? Immerhin wirst du in den nächsten Monaten mehr Muße haben, deinen Rammbock auszuprobieren. Ich denke, Bibulus, Cato, Gaius Piso und Catulus werden eine Weile brauchen, um ihre Wunden zu lecken.«

»Das sagt Servilia auch«, erwiderte Caesar und zwinkerte ihm zu.

Publius Vatinius war ein Marser aus Alba Fucentia. Sein Großvater, ein einfacher Mann, hatte einst einen sehr weisen Entschluß gefaßt und war lange vor Ausbruch des Italischen Krieges aus dem Land der Marser emigriert. Und deshalb wurde sein Sohn, der damals noch ein junger Mann war, nicht gegen Rom zu den Waffen gerufen und konnte nach Beendigung der Feindseligkeiten beim praetor peregrinus um die römische Staatsbürgerschaft nachsuchen. Der Großvater starb, und sein Sohn zog sich zurück nach Alba Fucentia, im Besitz einer Staatsbürgerschaft, die das Papier nicht wert war, auf dem man sie beglaubigt hatte. Als Sulla Diktator wurde, verteilte er alle neuen Staatsbürger auf die fünfunddreißig Tribus. Vatinius Senior kam zum Tribus Sergia, einem der ältesten. Das Familienvermögen wuchs. Aus einem kleinen Handelsunternehmen wurde ein großes, denn das Land der Marser um den Fucinesee herum war ertragreich, und Rom war nah genug, um die Früchte, das Gemüse und die fetten Lämmer, die auf Vatinius’ Besitzungen gezüchtet wurden, auf den dortigen Märkten zu verkaufen. Später baute Vatinius Senior auch noch Wein an, und er war so klug, viel Geld in teure Weinstöcke zu investieren, die einen köstlichen Weißwein hervorbrachten. Als Publius Vatinius zwanzig war, hatten die Ländereien seines Vaters einen Wert von vielen Millionen Sesterzen und erzeugten nichts anderes mehr als den berühmtem fucentischen Rebensaft.

Publius Vatinius war das einzige Kind und vom Glück nicht begünstigt. Als junger Bursche bekam er ein Leiden, das man die Sommerkrankheit nannte; die Krankheit schwächte die Wadenmuskulatur in beiden Beinen so sehr, daß er die Oberschenkel zusammenpressen und die Unterschenkel seitlich hinausstrecken mußte, um überhaupt gehen zu können. Dabei kam ein Gang heraus, der stark an das Watscheln einer Ente erinnerte. Dann bekam er plötzlich Schwellungen am Hals, die sich manchmal entzündeten, aufbrachen und schreckliche Narben hinterließen. Der Mann war kein schöner Anblick. Doch was seiner physischen Erscheinung verweigert worden war, das hatten seine Seele und sein Verstand im Übermaß bekommen. Er war ein angenehmer Mensch, denn er war humorvoll, hatte stets gute Laune und geriet nicht leicht aus der Fassung. Und sein Verstand war so wach, ihn früh genug erkennen zu lassen, daß seine beste Verteidigung darin bestand, die Aufmerksamkeit auf seine unschönen Gebrechen zu lenken. Und so machte er sich stets über sich selbst lustig und gestattete es auch den anderen.

Da Vatinius Senior der relativ junge Vater eines erwachsenen Sohnes war, wurde Publius Vatinius zu Hause eigentlich nicht recht benötigt, und auf den Rundgängen über die Besitzungen konnte er seinen Vater ohnehin nicht begleiten. Vatinius Senior konzentrierte sich darauf, entferntere Verwandte zu seinen Nachfolgern heranzuziehen, und schickte seinen Sohn nach Rom, damit er dort einen feinen Herrn aus sich mache.

Die gewaltigen Umwälzungen und Turbulenzen, die der Italische Krieg mit sich brachte, hatten eine Situation geschaffen, in der diese neureichen Familien — und es gab viele von ihnen — ohne Schutzherren waren. Jeder geschäftstüchtige Senator, jeder Ritter der Achtzehn war auf der Suche nach Klienten, und doch waren viele potentielle Klienten unbemerkt geblieben. So auch die Familie Vatinius. Aber nur so lange, bis Publius Vatinius, der mit fünfundzwanzig Jahren schon ein bißchen alt war, schließlich in Rom eintraf. Nachdem er sich eingewöhnt und eine Wohnung auf dem Palatin bezogen hatte, sah er sich nach einem Schutzherrn um. Daß er sich für Caesar entschied, sagte viel über seine Neigungen und seine Intelligenz. Lucius Caesar war eigentlich der Älteste des Zweiges, aber Vatinius ging gleich zu Gaius, denn sein Gespür sagte ihm, daß Gaius einmal der Mann mit wirklichem Einfluß sein würde.

Natürlich hatte Caesar sogleich eine Zuneigung zu ihm gefaßt und ihn als wertvollen Klienten aufgenommen. Einen besseren Start für eine Karriere auf dem Forum hätte Vatinius sich nicht wünschen können. Als nächstes mußte eine Braut für Publius Vatinius gefunden werden, denn er sagte von sich selbst: »Die Beine wollen nicht so richtig, aber das, was dazwischen hängt, funktioniert tadellos.«

Caesars Wahl fiel auf das älteste Kind seiner Base Julia Antonia, ihre einzige Tochter Antonia Cretica. Sie hatte zwar keine Mitgift, aber ihre Herkunft garantierte ihrem Gatten öffentliches Ansehen und Zugang zu den Kreisen der berühmten Familien. Leider war sie kein sehr anziehendes weibliches Wesen, und übermäßig intelligent war sie auch nicht; die Mutter war ganz von ihren drei Söhnen in Anspruch genommen worden und hatte die einzige Tochter vernachlässigt, und vielleicht war sie auch wegen Antonia Creticas Größe und Gestalt beschämt. Das Mädchen war einsfünfundachtzig groß und hatte fast so breite Schultern wie ihre Brüder; die Natur hatte ihr einen Oberkörper wie ein Faß verliehen, aber leider vergessen, ihr den entsprechenden Busen mitzugeben. Das Kinn und die Nasenspitze strebten nach Vereinigung, und sie hatte einen Nacken wie ein Gladiator.

Konnte das den verkrüppelten und kleingewachsenen Publius Vatinius abschrecken? Keine Spur! Mit großer Freude hatte er Antonia Cretica in dem Jahr geehelicht, in dem Caesar das Amt des Ädils bekleidete, und schon bald hatte er mit ihr einen Sohn und eine Tochter gezeugt. Er liebte sie sehr, seine grobschlächtige, häßliche Braut, und mit unerschütterlichem Gleichmut ertrug er die Witze, die auf dem Forum über dieses bizarre Pärchen gerissen wurden.

»Ihr seid doch bloß neidisch«, pflegte er zu sagen, und dann lachte er. »Wer von euch kann denn schon abends in dem Wissen ins Bett kriechen, daß er in der Nacht den höchsten Berg Italiens erobern darf?«

Im Jahre von Ciceros Konsulat wurde er zum Quästor gewählt und trat in den Senat ein. Von den zwanzig gewählten Kandidaten hatte er die wenigsten Stimmen bekommen, kein Wunder bei seiner niedrigen Herkunft; und dann hatte das Los ihn zum Aufseher über alle italischen Häfen bestimmt, mit Ausnahme von Ostia und Brundisium, die ihre eigenen Quästoren hatten. Er war nach Puteoli geschickt worden, um den illegalen Export von Gold und Silber zu unterbinden, und hatte seine Aufgabe mit einigem Geschick gemeistert. Daraufhin hatte der Ex-Prätor Gaius Cosconius, der in Hispania Ulterior regierte, ihn höchstpersönlich als seinen Legaten angefordert.

Er war noch in Rom und wartete auf Cosconius’ Abreise in seine Provinz, als Antonia Cretica bei einem absurden Unfall auf der Via Valeria getötet wurde. Sie hatte die Kinder mit zu den Großeltern nach Alba Fucentia genommen und war auf dem Rückweg nach Rom, als ihre Kutsche von der Straße abkam. Maultiere und Fahrzeug rollten einen tiefen Abhang hinunter, und alles ging zu Bruch.

»Du mußte versuchen, das Gute darin zu sehen, Vatinius«, sagte Caesar, der einer solchen Trauer gegenüber hilflos war. »Die Kinder saßen in einer anderen Kutsche. Du hast sie nicht verloren.«

»Aber sie ist nicht mehr da!« Vatinius weinte hemmungslos. »Ach, Caesar, wie soll ich weiterleben?«

»Indem du nach Spanien gehst und fleißig bist«, sagte sein Patron. »Das ist Schicksal, Vatinius. Ich bin auch nach Spanien gegangen, nachdem ich meine geliebte Frau verloren hatte, und es war meine Rettung.« Er schenkte dem armen Vatinius den Becher noch einmal voll Wein. »Was machst du mit den Kindern? Bringst du sie nach Alba Fucentia zu den Großeltern, oder sollen sie in Rom bleiben?«

»Ich würde sie lieber in Rom lassen«, sagte Vatinius und wischte sich die Augen trocken, »aber ich habe in Rom keine Verwandten, die sich um sie kümmern könnten.«

»Was ist mit Julia Antonia? Sie ist auch ihre Großmutter. Vielleicht keine besonders gute Mutter, aber für solch junge Schützlinge gut geeignet. Dann hätte sie etwas zu tun.«

»Könntst du das in die Wege leiten?«

»Ich glaube schon — jedenfalls solange du in Hispania Ulterior bist. Wenn du dann nach Hause kommst, solltest du ganz schnell wieder heiraten. Nein, Vatinius, ich respektiere deinen Schmerz. Du sollst keinen Ersatz für diese Frau finden, das geht ohnehin nicht. Aber deine Kinder brauchen eine Mutter, und es wäre besser für dich, ein neues Band mit einer neuen Frau zu schmieden, indem du mit ihr noch ein paar zeugst. Zum Glück kannst du dir eine große Familie leisten.«

»Du hast mit deiner zweiten Frau auch keine Kinder mehr gezeugt.«

»Stimmt. Aber im Gegensatz zu dir nehme ich es mit der Treue nicht so genau. Mir ist aufgefallen, daß du ein häuslicher Mensch bist. Und du hast die erfreuliche Fähigkeit, mit einer Frau auszukommen, die dir geistig unterlegen ist. Die meisten Männer können das. Ich anscheinend nicht.« Caesar klopfte Vatinius auf die Schulter. »Breche so bald wie möglich nach Spanien auf, und bleibe mindestens bis zum nächsten Winter dort. Führe dort gegebenenfalls einen kleinen Krieg — Cosconius hat dazu keine Lust, deshalb nimmt er einen Legaten mit. Insbesondere aber mußt du alles über die Situation im Nordwesten herausfinden.«

»Wie du willst«, sagte Vatinius und erhob sich mühselig. »Du hast natürlich recht, ich muß wieder heiraten. Siehst du dich nach jemandem für mich um?«

»Das ist doch selbstverständlich.«