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HildCo-BattleMechwerke, Tian-tan, St. Ives Herzogtum St. Ives, St. Ives-Pakt19. September 3062
Am Nordostrand Tian-tans stürmten HiritsuBattleMechs und Daidachi-Panzer aus der Deckung des Waldes, der die Hügel bedeckte, hinter denen sie sich versteckt gehalten hatten. Der Maschendrahtzaun, der HildCo Interplanetars größte Produktionsanlage auf St. Ives' umgab, fiel unter dem Ansturm wie Weizen unter der Sense. Funken stoben um die Mechfüße des Spuk, als Aris Sung den Zaun als erster erreichte - doch unter der Gewalt der nachstürmenden Kampfkolosse brach die Stromversorgung des Elektrozauns schnell zusammen. Mechkompanien und Panzertruppen griffen die wirklichen Befestigungen an, eine zehn Meter hohe Mauer aus verstärktem Stahlbeton mit Raketenlafetten und mit PPKs und Lasern bestückten Geschütztürmen mit überlappenden Schußfeldern.
»Man schenkt... Aufmerksamkeit, Lien Sung.« Die Stimme Shiao-zhang Ty Wu Nons drang leise, von Entfernung und Störungen unterbrochen, an Aris' Ohr. Non führte die nicht an dieser Aktion beteiligte Hiritsu-Kompanie in einer von Haus Daidachi geleiteten großen Feldschlacht westlich Tian-tans an. »Drei Kompanien... Lanciers... Novakatzen-Sterne ziehen sich zurück... Tian-tan.«
Man hatte also bemerkt, daß der scheinbare Großangriff auf die Hauptstadt nur ein Ablenkungsmanöver für einen Überfall auf eine der größten Mechfabriken St. Ives' war. Aris' Plan, für den er Ty Wu Nons Zustimmung hatte gewinnen können, sah vor, eine der wichtigsten Nachschubquellen Tian-tans auszuschalten und es für die Verteidiger der Pakthauptstadt um so schwieriger zu machen, sich der Belagerung zu widersetzen. Aris hatte ihn überzeugt, daß dies mit minimalen Verlusten beider Seiten möglich war, ohne in den Straßen Tian-tans kämpfen zu müssen. Und so lange der größere Angriff auf das Stadtgebiet genug Abwehrkräfte andernorts band, hatte Aris auch geringe Verluste seiner eigenen Truppen prophezeit.
Damit hatte er wohl recht gehabt. Der Angriff kam so überraschend, daß die schnelleren Mechs bereits die halbe Strecke hinter sich gebracht hatten, bevor einer der Geschütztürme das Feuer eröffnete.
Jetzt ist es für sie zu spät, dachte Aris, strich mit dem Finger über den Hauptfeuerknopf des Spuk und überschüttete eine der Raketenlafetten mit rubinroten Energiebolzen aus dem schweren Laser. Ein Donner nahebei steuerte donnerndes Autokanonenfeuer zu dem Angriff bei, und gemeinsam schälten sie den größten Teil der Panzerung von der Vorderseite des Geschützstands. Ein mit voller Geschwindigkeit parallel an der Mauer entlangrennender Rabe feuerte zwei mittelschwere Laser und eine Raketensalve ab, als er vorbeikam. Zwei der Raketen brachen durch, detonierten im Innern des Turms und brachten die Munitionsvonäte der Lafette zur Explosion. Aris konnte die Druckwelle, mit der die Raketenbatterie ins Jenseits geblasen wurde, in der Kanzel seines Mechs spüren, und der Feuerball der Explosion nahm einen beachtlichen Brocken der Befestigungsmauer mit.
»Da haben wir unsere Bresche«, rief der Lienzhang über die allgemeine Gefechtsfrequenz. »Jisong, Durchbruch erweitern.«
Die Ji-song-Lanze, ein Cataphract und ein Totschläger aus der Kompanie der frisch beförderten Jene Silvers und die beiden Ti T'sangs aus Aris Kompanie, stürmten die beschädigte Mauer, während der Rest der Angreifer sich damit beschäftigt hielt, dem zunehmenden Geschützfeuer aus den Mauerbefestigungen auszuweichen. Der bläulichweiße Blitzschlag einer PPK krachte in den rechten Arm des Spuk, fetzte einiges an Panzerung ab und verdarb Aris' Schuß auf eine Laserbatterie. Die beiden vorderen Ji-song-Mechs rammten links und rechts der ehemaligen Position der Raketenbatterie die Mauer, brachen durch den stahlverstärkten Beton und rissen eine Bresche auf, weit genug, um zwei Mechs nebeneinander hindurch zu lassen. Die Ti Tsangs folgten ihnen auf dem Fuße.
Alle nicht sprungfähigen Maschinen, einschließlich der Panzerkompanie Haus Daidachis, nahmen augenblicklich Kurs auf die Bresche.
»Über die Mauer«, befahl Aris dem Rest, löste die Sprungdüsen aus und hob den Spuk in einem weiten Sprung in die Höhe, der ihn knapp hinter der Mauer wieder zu Boden brachte, allerdings weit abseits der durch die Bresche strömenden Maschinen. Der Kampf war bereits in vollem Gange. Eine überschwere HildCo-Mechtruppe aus Victors und Brandschatzern im Schatten einer der großen Fabrikhallen verteidigte den Innenhof gegen die Eindringlinge. Das war zu erwarten, nachdem die Fabrik diese beiden Modelle herstellt.
Der als erster durch die Mauer stürmende Totschläger ging unter dem vereinten Beschuß aus sechs Gaussgeschützen zu Boden. Schlechte Zielauswahl, entschied Aris, als er die beiden Ti Tsangs durch die Trümmer brechen und mit dreifachmyomergetriebener Geschwindigkeit auf die überschwere Lanze zustürmen sah. Überhitzt konnten diese Maschinen mit ihren Nahkampfbeilen furchtbare Schäden anrichten. Und genau das taten sie jetzt. Beide schlugen mit den Titanstahlklingen auf einen der Brandschatzer ein, bei weitem das gefährlichere Modell. Einer senkte sein Beil tief in das rechte Bein der überschweren Maschine. Der andere hatte sich in den Rücken des gegnerischen Titanen vorgearbeitet, zertrümmerte die Panzerung, die den Rücken des Brandschatzer schützte und zerstörte offensichtlich die Halterung seines Kreiselstabilisators. Mit einem heftigen Zittern, das ihren gesamten Rumpf durchschüttelte, taumelte die überschwere Kampfmaschine nach vorne und landete hilflos auf dem harten Hofboden.
Immer noch strömten weitere Hiritsu-Mechs durch die Mauer. Eine Lanze RegulatorPanzer drang durch die Bresche und feuerte eine gemeinsame Salve auf den verbliebenen Brandschatzer ab, noch während sich die Ti T'sangs auf die beiden Victors stürzten. Drei der vier von den Panzern abgeschossenen Gausskugeln donnerten in den Rumpf des überschweren Mechs, zerschmetterten dessen Panzerung und schleuderten sie in nutzlosen Bruchstücken davon. Die Victors feuerten auf die Ti T'sangs, aber ihre Unfähigkeit, ihr Feuer zu konzentrieren, machte sie zu leichten Opfern der leichteren, im Nahkampf aber tödlichen Konföderationsmaschinen. Zusätzlich zu einem gnadenlosen Beschuß aus mittelschweren und leichten Lasern verlor ein Victor fast den rechten Arm an einen Beilhieb, und der andere mußte einen vernichtenden Schlag ins linke Bein einstecken. Durch zahlenmäßige Übermacht und moderne Modelle der Angreifer der Initiative beraubt, lösten die Victor-Piloten die Sprungdüsen ihrer Maschinen aus und gingen auf den Plasmazungen ihrer Triebwerke hinter den Gebäuden in Deckung, zu deren Verteidigung sie angetreten waren.
Da sich jetzt der größte Teil des Feuers auf den noch aufrechten Brandschatzer konzentrierte, rannte Aris mit seinem Spuk so schnell wie möglich in die Flanke des am Boden liegenden Mechs dieser Baureihe, der gerade versuchte, wieder hochzukommen. Unter dem Impulslaserbeschuß und der schrotflintenähnlichen Wirkung der Bündelgranaten aus der Autokanone eines Cataphract verlor der Brandschatzer zum zweitenmal das Gleichgewicht und krachte zurück auf den Boden. Die andere überschwere Maschine zog sich erfolgreich hinter eine Ecke des Fabrikgebäudes zurück, aber erst, nachdem sie noch mindestens vier Tonnen Panzerung an eine erneute RegulatorSalve verloren hatte.
So plötzlich, wie der Kampf begonnen hatte, war
er vorbei.
In der Stille, die sich über die HildCo-Anlage legte, betrachtete
Aris die Situation. Der Pilot des vor ihm am Boden liegenden
Brandschatzer hatte aufgegeben und den
Kampfkoloß abgeschaltet, statt sich dem vernichtenden Bombardement
Haus Hiritsus auszusetzen. Männer und Frauen stiegen aus den
Mauerstellungen herab, deren Geschütze nicht darauf eingerichtet
waren, ins Innere der Anlage zu feuern. Zwei Raben und ein Men Shen
waren abgezogen worden, um die Anlage weiter zu erkunden und nach
anderen Gegnern Ausschau zu halten. Der zuvor zu Boden gegangene
Totschläger kam unsicher wieder auf die
Beine. Er hatte zumindest einen Gyroskopschaden, und der
Infrarotanzeige nach zu schließen war auch die Abschirmung seines
Fusionsreaktors in Mitleidenschaft gezogen. Aris hörte Lien-zhang
Jene Silvers dem Piloten befehlen, sich aus Gefechtshandlungen
möglichst herauszuhalten. Dann folgte Silvers in ihrem erbeuteten
Lichtbringer den ScoutMechs und ging
auf die Suche nach neuen Opfern.
»Phase Eins komplett«, gab Aris über die Privatverbindung an Ty Wu
Non durch. Der Shiao-zhang würde es an Haus Daidachi weitergeben,
falls dessen Panzerbesatzungen das noch nicht erledigt hatten.
»Gehen zu Phase Zwo über.«
»Verstanden, Aris Sung.« Die Stimme des HiritsuMeisters klang
lauter als zuvor. »Achtung... Lanciers und Novakatzen sind noch
fünf Minuten von Ihrer Position entfernt. Wir nähern uns in einer
Flankenbewegung... für Ihre Fluchtroute zu liefern.«
Fünf Minuten. Fast hätte Aris gelächelt. Wir
sind hier in drei Minuten fertig und verschwunden. Er hatte
keinen Zweifel daran, daß HildCo irgendwo in der Anlage weitere
Verteidigungseinheiten besaß, die sich zu einem entschlossenen
Widerstand sammelten. Aber sie werden nicht
erwarten, daß wir ins Fabrikinnere vordringen.
Aris schaltete zurück auf eine allgemeine Frequenz. »Sie alle
wissen, für welche Gebäude sie eingeteilt sind. Ji-song-Einheiten
brechen die Hallen auf, alle anderen folgen. Die RegulatorCrews wissen, wo sie ansetzen müssen, um
die Produktion lahmzulegen, ohne die gesamte Anlage zu zerstören.
Die BattleMechs konzentrieren sich auf Ersatzteile und halbfertige
Maschinen. Denken Sie daran: Jeder nimmt ein erstklassiges Stück
Bergegut mit.« Für die Krieger, die noch nicht vom Wert begrenzter
Maßnahmen überzeugt waren, setzte Aris seine Belehrung fort.
»Niemand hält sich unnötig draußen auf. Wenn die überschweren Mechs
ihre Kumpel gefunden haben und zurückkehren, haben Sie hier draußen
keine Unterstützung. Drei Minuten, dann treffen wir uns am Südrand
der Anlage. Und die Arbeiter in den Hallen bekommen nach dem
Aufbrechen der Wände volle zwanzig Sekunden Zeit, sich zu
entfernen. Bewegung!«
Wie auf ein Zeichen wählten der Cataphract und beide Ti
T'sangs ein Fabrikgebäude und brachen durch die
Stahlbetonwände, um den anderen Maschinen den Weg zu ebnen. Als
erstes folgten ihnen die Daidachi-Panzer, eine RegulatorLanze pro Vorausmech, dann kamen die
Hiritsu-Kampfmaschinen. In drei Minuten wurde HildCo Interplanetar
bis auf weiteres stillgelegt sein. Aris gestattete sich einen
Augenblick des Stolzes über seine Leistung, der schnell von der
Erinnerung daran verdrängt wurde, was sie bereits gekostet hatte.
Li Wynn war nicht der einzige HausKrieger geblieben, der in einem
letzten glorreichen Sturmangriff seine Flucht gesucht hatte, seit
der Shiao-zhang Aris' neue - oder genauer gesagt alte - Politik
unterstützte.
»Feindkontakt«, rief eine Stimme aus dem Kommset. Es war Jene
Silvers, und ihre Stimme schien von Vorfreude erfüllt. »Die
überschweren Mechs bewachen die Evakuierung der Arbeiter. Der
Men Shen hat eine weitere Lanze
entdeckt, die von Süden anrückt, um zu ihnen zu stoßen.« Pause.
»Sie wird nicht viel vorfinden, zu dem es sich vorzustoßen
lohnt.«
»Negativ«, befahl Aris sofort. »Nicht angreifen.« Es war unnötig.
Sie haben verloren, und das wird ihnen schnell
genug klarwerden.
Jene Silvers ließ sich so leicht nicht abspeisen. »Lien Sung, diese
Mechs sind schwer beschädigt. Mehr als ein paar Salven halten sie
nicht aus.«
Shiao-zhang Nons Intervention ersparte Aris die Diskussion. »Was
immer noch ein paar Salven mehr wären, als... Arbeiter aushalten.
HildCo ist außer Betrieb. Es... keine Notwendigkeit für weiteres
Blutvergießen unter der Zivilbevölkerung.«
Angespannt wartete Aris auf Silvers' Bestätigung. Würde sie den
Befehl akzeptieren oder ihrem Vorgänger ins nächste Leben folgen?
Ihr Überlebensinstinkt setzte sich durch, oder vielleicht war es
auch die Loyalität zum Hausoberhaupt. »Ziehen uns zurück. Brechen
durch zu Gebäude Sieben.«
Aris atmete auf. Dann lenkte er den Spuk durch das klaffende Loch in der Außenwand
einer der Fabrikhallen. Ty Wu Non hatte recht. HildCo war
zweifellos außer Betrieb, und seine Stillegung war der Vorbote des
Falls für St. Ives. Ein von Kriegern
errungener Sieg, ehrenhaft und mit gebotener Sorge für die - sowie
gebotenem Respekt vor denen -, gegen
die wir kämpfen. Ein Sieg, den wir errungen haben, ohne die
Grundsätze Kriegerhaus Hiritsus zu verletzen.
Soweit es Aris Sung betraf, war das der einzige Sieg, den es sich
zu erringen lohnte.
Aufmarschgelände der Heimatmiliz, Hazlet,
Nashuar
St. Ives-/Konföderations-Treuhandgebiet
Das in Oberst Nevarrs Büro anberaumte Treffen sprengte fast die Möglichkeiten des kleinen Raums. Nevarr saß hinter seinem Schreibtisch, auf beiden Seiten von Danielle Singh und Maurice Fitzgerald flankiert, deren Stühle fast schon in den Zimmerekken standen. Colonel Torri Hughes, ranghöchste noch verbliebene Offizierin der 7. VerComRegimentskampfgruppe, saß Nevarr gegenüber, und neben ihr hatte Präzentor Darryl Burns von der 403. ComGuards-Division Platz genommen. Ebenfalls anwesend waren Vertreter der auf Nashuar stehenden Söldnerverbände in Gestalt von Major George Relant der Gruppe W und Anya Trowitsch, der Kommandeurin der Arcadians. Die Stühle für die Söldner hatte man aus angrenzenden Büros holen müssen.
Fitzgerald ließ seinen Blick vom Halbprofil Nevarrs über die Gesichter der übrigen verbündeten Kommandeure wandern und fragte sich, wer von ihnen als erster das Schweigen brechen würde. Er setzte auf Colonel Hughes von der 7.RKG. Es war eine Wette, die er gewonnen hätte.
»Sie sind sich darüber im klaren, daß die Nachtreiter Ihren ›Waffenstillstand‹ in den vergangenen Wochen dazu ausgenutzt haben, sich auf ihrer Seite der Linien einzugraben.« Es war unüberhörbar, daß es Hughes einige Willensanstrengung kostete, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Unsere Berichte sind unvollständig, aber wir schätzen, daß sie ein Bataillon der Armored Cavalry und andere Einheiten im Wert eines weiteren Regiments in Marsch gesetzt haben, um die Invasion St. Ives' zu unterstützen.«
Nevarr ließ die kaum versteckte Anschuldigung kurz im Raum stehen. »Oberst Gahn-Skeeng hat uns vor drei Tagen eine komplette Aufstellung zukommen lassen«, erwiderte er mit ruhiger Stimme und eisigem Blick. »Höflichkeitshalber. Die Gesamtzahl der abgeflogenen Einheiten liegt um ein Bataillon unter zwei kompletten Regimentern.«
Präzentor Burns legte Hughes' beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Ist das kein Bruch Ihrer Neutralitätserklärung? Verwendung dieses Planeten als Aufmarschgebiet?«
Nevarr neigte den Kopf leicht in Fitz' Richtung und ließ ihn die Frage beantworten. »Ich habe deswegen Kontakt zu Sang-shao Gahn-Skeeng aufgenommen«, stellte er fest und benutzte die korrekte Rangbezeichnung der Capellanerin. »Diese Einheiten wurden von hier aus zurück nach Brighton verlegt, allerdings sind sie dort mit Sicherheit weiter nach St. Ives geschickt worden. Damit bleiben die Bedingungen des Waffenstillstands unverletzt.«
»Und wir sollen glauben, daß Herzogin Liao sich zur Situation hier mit keinem Wort offiziell geäußert hat?« höhnte Colonel Hughes. »Keine Unterstützung für Ihre Entscheidung, Oberst Nevarr? Keine Verurteilung?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht Teil der St. Ives-Paktstreitkräfte. Sollte ich herausfinden, daß Sie Befehle unserer rechtmäßigen Befehlshaberin...«
Wieder war es der ComGuards-Offizier, der sich bemühte, Hughes zu beruhigen. »Ihre rechtmäßige Befehlshaberin sitzt auf New Avalon«, erinnerte er sie. »Aber in Anbetracht Ihrer Besorgnis kann ich Ihnen versichern, daß über ComStar-Kanäle keine Nachricht von Katrina Steiner-Davion oder Candace Liao eingetroffen ist.«
»Wir sind also auf uns selbst gestellt«, bemerkte der Gruppe-W-Major mit einem Schulterzucken. »Hört sich für mich danach an, daß Sie mit Ihrem neutralen Putsch durchkommen. Also, fliegen wir jetzt auch nach St. Ives ab? Natürlich über Armaxa.«
Fitzgerald wußte den gelassenen Tonfall des Söldners zu schätzen. Andererseits, für ihn ist das hier natürlich nur ein Job. Gruppe W steht bei der Lyranischen Allianz unter Vertrag und ist nur leihweise im Pakt. Wenn es hier nichts zu kämpfen gibt, ziehen sie in ein anderes System weiter, wo sie benötigt werden. Fitz gefiel dieser Lebensstil nicht, aber er war sich darüber im klaren, daß er sich besser Gedanken in dieser Richtung machen sollte. Wer weiß, wie meine Aussichten in den Paktstreitkräften aussehen, wenn sich der Staub erst gelegt hat. Der junge Soldat hatte sicher nicht die Absicht, seine Karriere als MechKrieger aufzugeben.
»Nur die 7. RKG«, stellte Nevarr knapp wie immer fest. »Sie wird nach Zwischenstation in einem anderen Paktsystem nach St. Ives umgeleitet. Sofern es dann noch nicht zu spät ist.« Er nickte den Söldnerkommandeuren zu. »Die Arcadians bleiben hier und stellen die Paktseite der Treuhandgarnison. Alle Einheiten der Gruppe W nehmen Kurs auf Tantara, wo sie sich in voller Stärke an der Teng-Front sammeln.«
Präzentor Burns nickte. »Und ich habe meine Befehle von Präzentor Martialum Steiner-Davion.« Er stand auf. »Viel Glück in Ihrem Krieg, Oberst. Ich fürchte, Sie werden es brauchen.«
Nevarr nickte. »Gleichfalls«, erwiderte er.
»Nicht nötig«, stellte Burns fest. »Ich nehme Kurs auf den
Kurita-Raum, über die Freie Republik Rasalhaag.« Er stockte und
schaute Nevarr an. »Und nachdem ich den St.-Ives-Konflikt aus der
Nähe erlebt habe, bin ich froh über diesen Auftrag.« Der Präzentor
verließ das Büro, nachdem er sich von allen Anwesenden mit
Kopfnicken verabschiedet hatte.
Das schien das Zeichen für das Ende der Besprechung gewesen zu
sein. Die Befehle waren erteilt. Colonel Hughes folgte Burns auf
dem Fuße hinaus auf den Gang. Fitzgerald stand auf und reckte
sich.
»Ein Punkt interessiert mich noch«, begann Major Relant, nachdem er
ebenfalls aufgestanden war. »Machen Sie sich gar keine Sorgen über
die Antwort auf Colonel Hughes' Frage? Über Candace Liaos Reaktion?
Irgendwann wird sie reagieren müssen.«
Fitzgerald blickte von Nevarr zu Danielle. Nevarr beantwortete
Relants fragenden Blick mit eisigem Schweigen. Danielle Singh
erwiderte Fitz' Blick mit unsicherer Miene. »Was mich betrifft«,
stellte Fitz zögernd fest, mit dem Gefühl, daß ihm nichts anderes
übrig blieb, als für alle zu antworten, »mache ich mir keine
Sorgen. Ich bin dem Vorschlag des Obersten aus freien Stücken
gefolgt, weil ich das für die beste Lösung der Probleme hier auf
Nashuar hielt. Wir schulden den Menschen, zu deren Schutz wir hier
sind, ebenso Verantwortung wie der Regierung des Pakts. Und es
kommt der Punkt«, sagte er mit leisem Achselzucken, »an dem
ersteres schwerer wiegt als letzteres.«
Der Söldner nahm diese Erklärung entweder an oder schrieb die Frage
als sinnlose Bemühung ab. So oder so grüßte er Oberst Nevarr
beiläufig und verließ den Raum zusammen mit der Kommandeurin der
Arcadians. Fitzgerald konnte die Situation nicht so leicht nehmen.
Er war sich der Gefahren nur zu bewußt, die aus ihrer Entscheidung
noch erwachsen konnten. Doch die Würfel waren nun einmal gefallen,
und er hielt es des Risikos für wert.
Und so viel Sorgen er sich auch um Herzogin Liaos Reaktion machte,
seit Frieden auf Nashuar eingekehrt war, schlief Maurice Fitzgerald
erheblich besser.