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Shen-Pass, Provinz Liaoning, St. Ives Herzogtum St. Ives, St. Ives-Pakt15. August 3062
Mit verschwimmendem Blick und pochendem Schädel versuchte Aris Sung, die Benommenheit abzuschütteln und wurde mit stechenden Schmerzen im Nacken und der linken Schulter belohnt. Sicherheitsgurte schnitten in seine Brust und hielten ihn über der Instrumentenkonsole und dem halb von aufgewühlter Erde begrabenen Kanzeldach fest. Er griff nach den Steuerknüppeln und benutzte Arme und Beine seines Mechs dazu, den Spuk wieder aufzurichten, um den Kampf fortzusetzen.
Haus Hiritsu focht gegen Raymonds Armierte Infanterie und versuchte, den Shen-Pass freizukämpfen, der den Weg nach Tian-tan kontrollierte, in die planetare Hauptstadt St. Ives'. Es war ein ausgewogener Kampf mit zwei Bataillonen auf jeder Seite, bei dem das Kriegerhaus seinem Gegner an purer Mechstärke überlegen war, was Oberst Raymonds Panzertruppen jedoch gegen die Hiritsu-Infanterie wettmachten. Ausgewogen, bis Aris auf einen JägerMech getroffen war, den eine volle Lanze VedettePanzer unterstützten. Sie hatten ihr Autokanonenfeuer auf seinen Kampfkoloß konzentriert und ihn zu Boden gezwungen. Ein kurzer Blick auf das Schadensdiagramm des Spuk zeigte Panzerungsverluste in allen Trefferzonen, aber keine internen Schäden. Noch nicht.
Der JägerMech und die Vedettes standen etwa zweihundert Meter entfernt und kämpften gegen Raven Clearwater, eine von Aris' Lanzenführerinnen, in einem Hurone. An den Positionen hatte sich so gut wie nichts geändert, was Aris bestätigte, daß er nicht ohnmächtig gewesen war. Nur ein kurzer Blick ins Dunkel. Zwei GalleonPanzer jagten von der äußersten linken Flanke heran, nachdem sie eine nahe Ortschaft umfahren hatten. Wahrscheinlich hofften sie, den Spuk erledigen zu können, bevor er wieder aufstand. Sie schwenkten sofort ab, als der fünfundfünfzig-Tonnen-Mech auf die Füße kam und sich in ihre Richtung drehte.
»Sind Sie in Ordnung, Lien-zhang Sung?« flüsterte Ravens Stimme aus dem in seinen Neurohelm eingebauten Kommset.
Aris nickte, mehr zu seiner eigenen Befriedigung, denn sie konnte ihn ja nicht sehen. Ein Stechen in der linken Schulter zeugte von einer Muskelzerrung. »Alle Systeme grün«, antwortete er und feuerte mit einem schweren Impulslaser einem der flüchtenden Galleons hinterher. Die leuchtend rubinroten Lichtpfeile trafen ihn am Heck, zerschmolzen die Hälfte der Panzerung und verliehen dem Rückzug der Panzercrew zusätzlichen Schwung.
Als Aris' Kompanie anrückte, wichen der JägerMech und seine Panzereskorte zurück. »Langsam aber sicher«, rief Aris über die Kompaniefrequenz. »Daß mir jetzt niemand ausflippt.« Jedenfalls kein anderer mehr. Er hatte seinen Spuk zu weit vorbewegt und sich zur Verteidigung zu sehr auf dessen Schnelligkeit verlassen. Aber er wollte sichergehen, daß sie Naquio nicht zu nahe kamen. Er wollte die dicht am Shen-Paß liegende Ortschaft nicht in Mitleidenschaft ziehen. Sobald wir die Armierte Infanterie deutlich hinter die nördliche Ortsgrenze getrieben haben, können wir den Ort ohne Waffengewalt einnehmen, und Oberst Raymond verliert seine Nachschubbasis. Damit gehört der Paß uns.
Ein Blick auf die Sichtprojektion bestätigte Aris, daß die anderen Hauskompanien sich, wie von Shiao-zhang Non angeordnet, hinter der von seiner Kompanie definierten Frontlinie hielten. Inoffizielle Unterstützung, die Aris gerne akzeptierte. Die Infanterie rückte weiter aus, denn die fahrzeuggestützten Trupps und Fa ShihKröten hatten weit größere taktische Freiheiten, aber auch sie hielten sich mehr oder weniger an die von Aris' Leuten definierte Front. Er gestattete sich einen gewissen Optimismus.
Aber der hielt nicht lange.
Die Distanz, die Aris als Sicherheitsabstand zwischen den
Hiritsu-Truppen und Naquio gedacht hatte, erwies sich als ein zu
verlockendes Ziel für die Armierte Infanterie. Eine Lanze aus zwei
Clints und zwei neuen Mechs vom Modell
Helios löste sich von den Linien und
versuchte, unterstützt von einer gemischten Panzerlanze, in die
Lücke zu schlüpfen.
Aris erkannte die Gefahr, löste die Sprungdüsen aus und schoß auf
flammenden Plasmazungen in seinem Spuk
in die Höhe. »Nach links rücken«, befahl er. »Zwingt sie zurück in
den Paß.« Die schnelleren Maschinen in Aris' Kompanie sprangen oder
rannten mit ihm los. Die Mechs, die über genügend weit reichende
Waffen verfügten, setzten sie ein. Dabei hatten die Hiritsu-Krieger
keine Probleme mit der Auswahl ihrer Ziele. Sie konzentrierten sich
auf die beiden HeliosMechs mit ihren
gefährlichen Gaussgeschützen.
»Rücken vor«, kam eine neue Stimme aus dem Kommsystem, durch die
Funkübertragung blechern und tonlos, aber trotzdem erkennbar
erregt.
Aris war damit beschäftigt, den Spuk
auf den Beinen zu halten, da er von beiden Clints mit künstlichen Blitzschlägen aus ihren
Partikelprojektorkanonen attackiert wurde, und dachte zunächst, der
Spruch sei von einem seiner Krieger gekommen. Erst als seine
Impulslaser sich tief in die Panzerung eines Helios gruben, wurde ihm klar, daß die auf der
Sichtprojektion aufblinkende Funkfrequenz für Infanterie reserviert
gewesen war. Und dann erkannte er die Stimme.
Die Sichtprojektion offenbarte die schlechte Nachricht, ein Blick
auf den Hilfsmonitor bestätigte sie. Zwei von Lis Trupps,
ausgerüstet mit Fa ShihKrötenPanzem
oder Hilfsfahrzeugen, drangen in die südlichen Ausläufer Naquios
vor.
»Li Wynn, außerhalb des Ortes bleiben«, befahl er, obwohl er
bestenfalls beschränkte Weisungsbefugnis über die Infanteristen
hatte. »Ich wiederhole, Naquio nicht betreten.«
»Zu spät, Lien Sung.« Das war Zhang-si Smith, dessen Donner die äußerste linke Flanke bewachte. »Sie
sind schon drin.«
Aris erstickte einen Fluch. Seine Hände packten die Steuerknüppel
mit einer wütenden Gewalt, die alle Knöchel weiß hervortreten ließ.
Indem er seine Kompanie vorgezogen hatte, um der Bedrohung durch
die Armierte Infanterie zu begegnen, hatte er die stillschweigende
Erlaubnis zu einer Neupositionierung soweit erforderlich gegeben.
Aber ich kenne Li Wynn. Das war kein Zufall.
Er hat auf diese Gelegenheit gewartet. Aris lief mit seinem
Spuk quer durch die Gefechtszone und
schleuderte dem Helios eine weitere
Salve Lichtimpulse entgegen, während er versuchte, den Vorstoß der
Armierten Infanterie vor der Ortsgrenze zu bremsen.
Beinahe hätte die schnelle Reaktion seiner Kompanie die Katastrophe
verhindern können.
Die Helios-Mechs waren zu langsam und
schafften es nicht, Naquio zu erreichen, bevor sie von Haus Hiritsu
zurückgedrängt wurden. Der Verlust ihrer ArtillerieMechs hätte
genügen können, auch die Clints
umdrehen zu lassen, wäre einer von ihnen nicht vom östlichen
Ortsrand mit einer Salve Langstreckenraketen beschossen worden.
Beide mittelschweren BattleMechs drehten auf der Stelle um und
stürmten auf die Ortschaft zu, gefolgt von einer Vedette und einem Blizzard-Schwebepanzer. Raven Clearwaters
Hurone schaltete einen Clint mit einem Langstrecken-Gausstreffer aus,
dessen Kugel ihn voll im Rücken erwischte und fast auf der
Vorderseite wieder ausgetreten wäre, aber vorher noch den
Kreiselstabilisator durch die Abschirmung in den Fusionsreaktor
trieb. Ein gleißender Feuerball verzehrte die vierzig Tonnen
schwere Kampfmaschine, doch der andere Mech und die beiden Panzer
schafften es in die Deckung der Straßenzüge Naquios.
»Verfolgung einstellen«, befahl Aris, als Zhang-si Sainz in seinem
neuen Ti T'sang Kurs auf die Ortschaft
nahm. Der Mech blieb stehen und drehte ab, gerade als Li Wynns
erste Anforderung von Unterstützung eintraf.
»Trupps Epsilon und Theta erbitten sofortige Unterstützung«, gab Li
mit ruhiger Stimme durch. »Befinden uns im schweren Gefecht mit
vier, ich wiederhole, vier
Panzerfahrzeugen und einem Clint-
BattleMech.«
Das hat Li provoziert. Aris hatte
keinerlei Zweifel. Seine Infanterie ist im
Straßenkampf geübt, und er hat es mir übelgenommen, daß ich das
Haus um Naquio herum gesteuert habe. Eine Explosion in der
Nähe der Ortsgrenze verkündete das Ende eines der Gegner.
»Befinden uns im Gefecht gegen BattleMech und drei Panzerfahrzeuge. Verluste nehmen zu.« Noch
immer keine Panik, aber Aris hörte einen Anflug von Besorgnis durch
Risse in Li Wynns gelassener Fassade. »Erbitten Unterstützungsfeuer
durch einzelnen Mech.«
Eine Rauchsäule stieg träge in den klaren Himmel von St. Ives.
Das Feuer wird sich ausbreiten. Li Wynn
war die Bevölkerung St. Ives' gleichgültig. Er respektierte das
Haus, er verehrte es sogar, aber Ty Wu Non hatte richtig erkannt,
daß er dessen grundlegendste Lehren nie verstehen würde.
Er erkennt nicht einmal das Problem, deshalb
kann er meine Versuche auch nicht verstehen, es zu lösen.
Aris bedauerte Li Wynn, und zum ersten Mal wünschte er sich, er
hätte den jungen Mann nie von Kaifeng mitgenommen.
Der Ti T'sang hielt seine Position,
schwankte zwischen der Rückkehr in die Reihen der Haustruppen, die
Raymonds Armierte Infanterie zurück in die Berge drängten, und dem
Warten auf den Befehl, Lis überforderter Infanterie zu Hilfe zu
kommen. Es ist meine Flanke und meine
Entscheidung. »Ursprüngliche Mission fortsetzen«, ordnete
Aris über die allgemeine Frequenz an, damit Li Wynn zumindest
wußte, daß er auf sich allein gestellt war. »Wir rücken vor. Auf
Wiederauftauchen gegnerischer Kräfte achten.«
Wir alle haben unseren Weg, Li Wynn.
Aris bremste den Spuk auf
Gehgeschwindigkeit ab, schwenkte hinter Clearwaters Lanze ein und
kehrte zu seiner eigenen zurück. Es tut mir
leid, daß unsere sich getrennt haben.
Li Wynn öffnete die Versiegelung seines Fa ShihPanzers, hebelte den Helm vom Kopf und zwängte sich aus der beschädigten Rüstung. Er spürte einen schweren Druck auf seinem unteren Brustkorb lasten, und bei jeder Bewegung schossen Schmerzen durch seine linke Seite. Er untersuchte die Verbrennungen, die durch das Loch in seinem Maschenanzug sichtbar waren, Spuren des Lasertreffers, der den Krötenpanzer ausgeschaltet hatte.
Ich werde es
überleben, entschied er, aber dann spuckte er Blut.
Kein gutes Zeichen.
Der feindliche Clint stampfte davon, an
mehreren zertrümmerten Häusern vorbei. Entweder sah der Pilot den
einzelnen Krieger nicht, den er zurückließ, oder er hielt Li
einfach keiner weiteren Beachtung für wert. Er
wird in Naquios Straßen bleiben, bis er den Nordostrand des Ortes
erreicht, und dann im Rücken Haus Hiritsus auftauchen. Genau
das hätte Li getan, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre. Mit
etwas Glück konnte der Mech sich wieder seinem Regiment
anschließen, oder seine Haut zumindest teuer verkaufen.
So teuer, wie meine Krieger sich hier verkauft
haben, dachte er, als er die Verwüstung
betrachtete.
Der Maultier-Transporter war
schrottreif. Sein Kühler steckte halb im Straßenbelag. Der Motor
brannte und schickte schwarze Rauchwolken zum Himmel empor, wo sie
sich mit denen von drei Panzern und einem nahen Bürogebäude
vereinigten, das bei den Kämpfen Feuer gefangen hatte. Der
Blizzard hing am Eingang einer Gasse
auf seinem Luftkissen, wo sein Krötentrupp ihn aufgerissen hatte,
um an die Besatzung zu kommen. Li versuchte, die über der Straße
verteilten zerfetzten Leichen nicht zu beachten. Statt dessen
machte er sich auf die Suche nach Überlebenden.
Er hatte gewußt, daß Aris nicht kommen würde, schon als er die
Bitte um Unterstützung durchgegeben hatte. Vom Dach eines nahen
Gebäudes, des Gebäudes, das jetzt in Flammen stand, hatte er mit
der Teleskopoptik seines Krötenpanzers gesehen, wie der
Ti T'sang vor der Ortsgrenze Naquios
anhielt. Er hatte auch den Spuk
gesehen, dessen stahlblaue Lackierung vor dem Horizont fast schwarz
wirkte, der stumm dagestanden hatte, während Aris seine
Möglichkeiten abwog. In diesem Augenblick hatte Li Wynn gewußt, daß
Aris Sung die Infanterieeinheit ihrem Schicksal überlassen
würde.
So wie ich ihn im Stich gelassen
habe.
Dort, mitten im Kampf, hatte er etwas verstanden, was Aris ihm
beizubringen versucht hatte. Aris Sung war
niemals mir verantwortlich, sondern
verantwortlich für mich. Mein
Sifu. Li Wynn hatte sich geweigert, zuzuhören und zu lernen.
Er hatte sich geweigert, seinem Mentor zu vertrauen und gegen das
rebelliert, was er, mit seiner kurzen Zeit bei Haus Hiritsu, für
unangebracht hielt. Aber er war es gewesen, der Fehler gemacht
hatte. Selbst in der heutigen Schlacht hatte Li auf eine Chance
gewartet und Ausschau gehalten, Naquio zu betreten. Nicht, weil die
Bevölkerung von St. Ives Krieg in den Straßen ihrer Heimatstädte
verdient hatte oder weil sein Zug auf Straßenkampf spezialisiert
war, obwohl er beides als gegeben ansah. Nein, er hatte es getan,
weil Aris Sung den Ort verschonen wollte. Nichts anderes hatte ihn
wirklich interessiert. Nicht die Bewohner Naquios. Nicht er
selbst.
Nicht seine Leute.
Li drehte die Leichen um, suchte nach Lebenszeichen, fand keine.
Tot, alle tot. Seine Krieger, ein paar
von Raymonds Armierter Infanterie, Zivilisten, die auf der Straße
von der Schlacht überrascht worden waren. Ich
habe ihnen das gebracht. Ihnen allen. Und in der Trauer für
seine eigenen Krieger, seine Familie, die Mitglieder seines Hauses,
spürte er auch eine leise Schuld für die anderen capellanischen
Leben, die er auf dem Gewissen hatte. Das war nicht der Ruhm, nach
dem er gesucht hatte. Das war ein Massaker.
Seine Brust schien in Flammen zu stehen, und wieder mußte Li
husten. Sein ganzer Körper schmerzte, seine Gedanken waren
umnebelt. Er schmeckte das salzige Blut in seinem Mund kaum. Ein
Stöhnen hallte in seinen Ohren, und Li Wynn brauchte mehrere
Plusschläge, bis ihm klar wurde, daß es nicht sein eigenes Stöhnen
gewesen war.
In der Nähe des Maultier-Wracks zuckte
ein Körper, und das Stöhnen erklang erneut. Li stolperte an die
Seite des Kriegers. Michail Chess. Durch den Uniformärmel ragten
Knochenfragmente eines komplizierten Bruchs, doch er lebte. Bei Lis
Berührung flackerten Chess' Lider, seine Augen öffneten sich. »Der
Clint?« fragte er. Seine erste Frage
drehte sich weder um ihn selbst noch um Li, sondern um eine
mögliche Gefahr für das Haus.
Li schüttelte den Kopf. Hustete. »Ist entkommen«, antwortete
er.
Weil er es nicht ertragen konnte, Michail in die Augen zu sehen,
suchte Li ringsum nach einer anderen Möglichkeit, seine
Aufmerksamkeit zu fesseln. Er sah das Maultier, den Kühler in einem Hügel aus Dreck und
Asphalt begraben, den es selbst aufgeworfen hatte. Er sah den
Blizzard, noch immer einsatzbereit, auf
eine lenkende Hand an den Kontrollen wartend.
»Hör mir zu«, sagte Li, spuckte Blut zur Seite und lehnte sich dann
über Michail. »Du wirst durchkommen. Das Haus ist bald zurück. Wenn
du Aris Sung siehst, richte ihm etwas von mir aus. Sag
ihm...«
Sag ihm was? Es tut mir leid
erklärt gar nichts. »Sag ihm, ich
verstehe nicht. Wörtlich.« Li stand
auf. Er schwankte, hielt sich aber durch schiere Willenskraft
aufrecht. Ich verstehe nicht. Die Erklärung
des Ansatzes zur Weisheit, soweit er sich an die Lehren
Lao-tzus erinnerte. Li wußte sicher nicht, ob er seinen Mentor
verstand oder nicht, und vermutlich hatte er auch nicht mehr die
Zeit dazu, es herauszufinden. Aber möglicherweise beruhigte es Aris
zu erfahren, daß sein Schützling das zumindest zugegeben
hatte.
»Wohin?« fragte Zhang-si Chess, und sein Gesicht verzerrte sich
unter einer Schmerzattacke. »Wohin gehst du, Li?«
Li sah sich nicht um. Sein Blick war fest auf den Blizzard gerichtet. »Zu einem letzten glorreichen Sturmangriff«, erwiderte er, und der
Sarkasmus in seinen Worten raubte ihm bereits die Kraft. »Ein
letzter Dienst an unserem Haus«, flüsterte er.
Aris bemerkte die Rückkehr des Clint zunächst am Aufblinken und Verschwinden eines Symbols auf der Sichtprojektion, dem kaum eine Sekunde später Zhang-si Smiths Funkspruch folgte: »Wir haben Pai McDaniels verloren.«
Aris hatte Pai-zhang Jill McDaniels und Zhang-si Smith aus seiner Gefechtsaufstellung gestrichen, weil ihre Mechs schwer beschädigt und besser dafür geeignet waren, den Nordosten Naquios zu bewachen, für den Fall, daß der Clint oder ein Panzer versuchte, Haus Hiritsu zu überraschen. Der Clint war aufgetaucht, aber in ihrer Flanke, nachdem er sich langsam an den Nordrand der Ortschaft vorgearbeitet hatte, bevor er in vollem Galopp aus der Deckung gebrochen war und McDaniels Totschläger aus weiter Entfernung unter Beschuß genommen hatte. Mehr durch einen unglücklichen Zufall als Absicht hatte die PPK des Paktmechs den KSR-Vorrat zur Detonation gebracht, und die Munitionsexplosion hatte den mittelschweren Kampfkoloß zerrissen.
Der Donner, hauptsächlich mit Kurzstreckenwaffen bestückt, feuerte die wenigen Langstreckenraketen in seinem Arsenal ab, die ohne größere Wirkung auf dem rechten Arm des Clint explodierten. Danach war der schnellere Paktmech außer Reichweite und warf sich auf die hinteren Linien Hiritsus, ganz offensichtlich in der Absicht, zu seinem Regiment durchzubrechen.
Aris mußte sich schnell entscheiden. Zwei Mechs zurückziehen, damit sie den Clint stoppten, und damit die Frontlinie schwächen, oder warten, bis er heran war, und riskieren, daß er die schwächere Rückenpanzerung der Hiritsu-Mechs ausnutzte. Keine der beiden Alternativen gefiel ihm. Ein zweiter Funkspruch Smiths nahm ihm die Wahl beinahe ab.
»Blizzard«, meldete Smith und lenkte Sungs Aufmerksamkeit auf den Schwebetransporter, der weiter südlich mit beeindruckenden einhundertfünfzig Stundenkilometern aus der Ortschaft raste. Bei diesem Tempo konnte er leicht zu dem Clint aufschließen, und dann würden die beiden Maschinen zusammenarbeiten. Fast hätte Aris Raven Clearwater angewiesen, mit einem ihrer Lanzenkameraden zurückzufallen, aber... »Na shen-me?« Smiths ungläubiger Aufschrei stoppte ihn. »Was ist das? Er feuert auf den Clint!«
Li Wynn. Aris zog seinen Spuk aus der Gefechtslinie ab und holte das Duell, das sich hinter ihm entwickelte, auf einem Hilfsmonitor heran. Der Blizzard hatte auf große Distanz mit seinen LSR das Feuer eröffnet und kam dem Clint mit jeder Sekunde näher. Die Frontpartie des Schwebetransporters schien aufgerissen. Wahrscheinlich war sie das auch, von FaShihKrallen.
Der Clint, dessen Pilot wohl erkannt hatte, daß es kein Entkommen für ihn gab, wirbelte plötzlich herum und feuerte die Partikelprojektorkanone ab. Ein blauleuchtender Blitzschlag zuckte aus der Mündung und verbrannte den Boden dicht neben der linken Seite des Blizzard. Der nächste Schuß zog eine unregelmäßige Narbe über die Frontpartie des Luftkissentransporters, und durch die bereits in die Panzerung geschlagene Bresche flutete die mörderische Energie ins Innere der Maschine. Der Schweber rutschte zur Seite, schwenkte aber im letzten Moment zurück, schlug gegen das rechte Bein des BattleMechs und riß es aus dem Hüftgelenk. Beide Kampfmaschinen wurden durch die Kollision weggeschleudert. Der Mech krachte zu Boden, der Blizzard überschlug sich und brach auseinander. Sein Motor ging in Flammen auf, lange bevor das Wrack ausgerollt war.
»Lien-zhang Sung?« Ty Wu Nons Stimme drang kräftig und neugierig über die Ätherwellen. »Haben Sie eine Erklärung für diesen Vorfall?«
Aris war sich nicht sicher, wo er beginnen sollte. Er kehrte mit seinem Spuk in die Formation zurück und öffnete den Kanal. »Nein, Shiao-zhang.«
Er führte seine Kompanie weiter gegen die
Reihen der Armierten Infanterie.
»Nennen wir es den Hoffnungslosen Kampf eines
einzelnen Kriegers«, sagte er. »Und einen sicherlich
glorreichen Tod.«
Denn darum war es Li Wynn ja in Wahrheit gegangen.