Kiel.

Rechtsanwalt Jürgen Reile stand mit seinem Jaguar XK vor der Justizvollzugsanstalt und sah auf seine Uhr. Er ärgerte sich über sich selbst. Weil er zugesagt hatte, Bender abzuholen. Als wäre er irgendein Chauffeur oder Laufbursche! Seine Zeit war knapp bemessen und verdammt teuer. Wenn sein Klient nicht so außergewöhnlich gute Prämien zum übertariflichen Stundenlohn zahlen würde, wäre er bestimmt nicht hier. Dieses ganze Gesocks schadete seiner Reputation. Am liebsten würde er das Mandat niederlegen, das konnte jedoch seinem Ruf als knallharter Erfolgsanwalt schaden.

Das Tor öffnete sich, Bender kam heraus, in der Hand sein Köfferchen. Der teure Anzug sah etwas ramponiert aus. Bender ebenfalls. Er blickte sich kurz suchend um. Reile machte keinerlei Anstalten, aus dem klimatisierten Wagen zu steigen. Draußen war es ihm zu heiß. Um Bender auf sich aufmerksam zu machen, drückte er auf die Hupe. Bender kam über die Straße und stieg ein.

»Danke, dass Sie mich nach Hause bringen. Wir gehen gleich mittagessen und besprechen die weitere Vorgehensweise.«

Reile fühlte sich ein weiteres Mal von Bender wie ein Untergebener behandelt. Seine Antwort fiel schroffer aus, als er beabsichtigt hatte: »Ich bin schon zum Essen verabredet. Wenn ich Sie chauffiert habe, muss ich gleich wieder zurück nach Hamburg. Wir können uns auf der Fahrt unterhalten, damit ist mein Spezialservice für Sie ausgeschöpft.«

Benders Lippen wurden schmal. »Verstehe. Dann lassen Sie uns gleich zur Sache kommen. Wie stehen meine Chancen, diesen Mist ohne Blessuren zu überstehen?«

»Ganz gut. Sie sind das Opfer einer betrügerischen Nutte. Ich habe vertrauliche Informationen, dass sich die fragliche Person vor ihrem Aufenthalt bei Ihnen in Polen prostituiert hat. Von dort hat sie sicher auch den falschen Pass, mit dem sie Ihr Vertrauen erschlichen hat.«

»Der Richter wird fragen, warum.«

»Das müssen wir nicht erklären. Spekulativ. Wer weiß, vielleicht hatte sie Probleme mit ihrem Zuhälter, ist abgehauen und hat sich bei Ihnen versteckt. Vielleicht wollte sie Sie einwickeln und verführen, um einen reichen, deutschen Ehemann abzugreifen. Und weil Sie nicht auf ihre Avancen eingestiegen sind, rächt sie sich nun. Mal sehen, die endgültige Strategie will ich festlegen, wenn ich weiß, welchen Richter wir bekommen. Wichtig ist vor allen Dingen, wo Sie die Putzfrau her haben.«

»Ein Freund hat gewusst, dass ich eine suche und hat sie empfohlen.«

»Welcher Freund?«

»Weiß ich nicht mehr. Ich habe so viele Freunde, und ein Gespräch über Putzfrauen merke ich mir nicht. Irgendwann war sie da und hat sich vorgestellt. Als Joanna aus Krakau.«

»Ist alles noch ein bisschen dünn. Aber wir werden das abfedern, da mache ich mir keine Sorgen.«

Bender sah Reile von der Seite an: »So richtig positiv gestimmt sehen Sie aber nicht aus. Was genau bereitet Ihnen denn Bauchschmerzen?«

»Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Hoffe ich zumindest. Staatsrat Benedikt ist ermordet worden. Und Andres Puri auch. Offensichtlich vom gleichen Täter.«

»Wie bitte?« Aus Benders Gesicht war jegliche Farbe gewichen. »Wann?«

»Vorgestern. Oder gestern. Ich weiß nicht genau, ich kann ja nicht zur Pressekonferenz, weil ich Sie durch die Gegend kutschiere.«

»Drehen Sie um, ich will zurück.«

»Wie jetzt? Wieder in Untersuchungshaft? Sind Sie verrückt?« Reile fuhr ungerührt weiter.

»Natürlich nicht! Aber ich brauche Polizeischutz!«

Reile lachte spöttisch auf: »Wie wollen Sie das begründen? Aus Angst vor einer angeblich polnischen Putzfrau? Sehr witzig, Herr Bender, wirklich sehr witzig.«