Hühner, die Verstecken spielen

Ich schaute Marcel dabei zu, wie er sein Panini-Sammelheft auf dem kahlen Tisch zwischen uns ausbreitete. Die Seiten glänzten künstlich und klebten statisch aneinander, als er das Heft aufblätterte und die Seite 168 glattstrich.

Panini-Sammelbildchen, mit 19 Jahren, dachte ich und überlegte kurz, ob ich ihn nicht fragen sollte, ob wir uns eine Bibi-Blocksberg-Kassette dazu anhören oder das große Playmobil-Piratenschiff aus dem Schrank kramen wollten. Ich entschied mich dagegen und wandte meinen Blick von dem Versuchsaffen vor mir ab, der bei zu viel Aufmerksamkeit bestimmt wieder davon anfangen würde, mir von seinem Komasaufen und dem gemeinsamen Erbrechen mit seinen Freunden zu erzählen.

Da schaute ich doch lieber ein wenig an die holzvertäfelte Decke und zählte die Astlöcher, die mich wie eine Abfolge von Rosetten anlachten.

Plötzlich sprang die Tür auf, Fati Yildim kam herein und hustete zur Begrüßung, als müsste er ein Pfund Estrich hervorwürgen.

»Chef, Chef kommse ma, sik de lan, da isch, ja die Vögel, mit die Vögel, Abuuuuuuu.«

Ich erwartete ja keine druckreifen Sätze von Fati, aber dieser Mischmasch aus Türkisch, Deutsch und Hustgeräuschen war kaum noch als Sprache zu identifizieren. Außerdem musste Fati geradezu zwanghaft nahezu jeden Satz mit »Abuuuuuu« beenden, was wohl eine Äußerung der Verwunderung oder Begeisterung sein sollte. Er verwendete »Abuuuu« so inflationär, dass kaum rauszufinden war, ob im Vorgarten gerade ein Ufo gelandet war oder er einfach einen Maulwurfshügel faszinierend fand. Fati war zehn, hatte bereits einen Schnurrbart wie Schimanski und die Manieren eines mittelalterlichen Folterknechts.

»Was für Vögel denn, Fati?«, fragte ich genervt. Ich war gerade beim achtundvierzigsten Astloch angekommen, jetzt konnte ich noch einmal neu anfangen, schönen Dank auch.

»Ja, Mann ey, Herr Bastian, die Vögel halt, die tun komisch gucken, ey, Abuuuu. Kommse schon, jalla jalla.«

Die einzigen Vögel, die Fati meinen konnte, waren entweder die fünf Hühner oder das Paar Gänse, das ich Margot und Erich getauft hatte, weil sie so abgrundtief böse waren. Die konnte er kaum meinen, erstens schauten die Gänse eh immer komisch, zweitens traute sich kaum ein Kind in die Nähe der biestigen Riesenvögel, besonders Fati nicht, den sie selbst im Sitzen überragten.

»Was heißt denn bitte komisch gucken …?«, wollte ich noch fragen, doch Fati hatte mich schon vor die Tür gezerrt. Hinter mir sah ich Marcel noch sorgfältig sein Panini-Buch zuschlagen, die Bude hätte lichterloh in Flammen stehen können, Hauptsache, Ballack und Klose klebten jetzt auf ihrem angestammten Platz auf Seite 168.

»Da sehen se, Chef Bastian, krass ne, die haben sich voll versteckt die Assis, Abuuuu«, plärrte mir Fati derweil ins Ohr und zeigte auf den Hühnerstall, in dem auf den ersten Blick alles in Ordnung schien.

Futterspender aufgefüllt, Wasser vorhanden, gesäubert, nur die Hühner fehlten … oha … oder Abuuu, wie man will. Da war ein wackliges Zucken auf dem grauschwarzen Schlammboden des Hinterhofgeheges zu erkennen. Ein Hühnerbein schob sich unter einem roten Backstein hervor, der verloren auf dem Boden des Geheges herumlag … das Huhn lag drunter.

»Boa, was für Opfa«, sagte Fati so empathisch wie möglich und trat gegen den Zaun. Irgendwie erinnerte mich das Huhn und Fatis Kategorisierung an meine eigene Schulkarriere.

Irgendein Heini hatte Backsteine auf die Hühner geworfen, und da die Urenkel der Dinosaurier mit eindeutig mehr Körper als Grips gesegnet sind, waren sie wohl einfach stehen geblieben und hatten gehofft, der Steinregen werde bald enden. Jemand hatte unsere gesamte Hühnerfamilie gesteinigt, wenigstens waren die meisten Tiere wohl relativ schnell tot gewesen, deshalb musste ich nicht Marcel und seine Erlösungsschaufel rufen.

»Dümme Vichas, Abuuuu, gibt’s jetzt Hähnchen, Herr Bastian?«, fragte Fati, nicht ohne ein kleines Lächeln über seinen lichten Oberlippenbart huschen zu lassen.

»Willste echt? Wir füttern die Hühner aber auch mit Schweineschinken«, log ich, um die ganze Diskussion schnell abzuwürgen. Die toten Hühner reichten mir für heute.

»Sik de lan, Schwein, ey, dreckiges Tier, das fressen die, bah, Abuuu«, schrie er und verschwand fluchend hinter dem Hühnerkäfig.

»Ich such dem Bastard, der die gekillt hat«, rief er noch. Detective Fati hatte Witterung aufgenommen. Die Auswahl der Verdächtigen war groß, immerhin waren alle Kinder, die unsere Einrichtung besuchten, mehr oder minder verhaltensauffällig. Manche waren sogar so eindeutige Soziopathen, dass Hühner-Steinigung eigentlich kaum ausreichend Erregungspotenzial für sie bot, da hätten schon eine Sense und eine Herde Ziegen rangemusst.

Plötzlich kam Fati wieder um die Ecke gebogen, die Ermittlungen hatten wohl nicht lange gedauert. Reste eines Brötchens hingen in seinem Schnurrbart. Der Junge war zehn Jahre jünger als ich und hatte trotzdem mehr Bartwuchs, dachte ich, als Fati mir die nächste Neuigkeit verkündete.

»Abuuuu, die Schaafsvichas bluten voll, ey, Herr Bastian, Abuuuu!«

Die nächste Katastrophe erwachte bildhaft in meinem Kopf zum Leben, ich sah schon einen kleinen Huf unter einem überdimensionalen Backstein hervorschauen. Als ich den angrenzenden Schafstall betrat, lag Frida, das Leitschaf, in einer Lache aus Blut und schaute mich mit dem gleichen ausdruckslosen Blick an, mit dem sie seit Jahren die Welt um sich herum taxierte. Schafe waren einfach keine sonderlich ausdrucksstarken Tiere, und nur an Fridas röchelndem Atem, der in der kalten Morgenluft zu sehen war, konnte man erahnen, dass es ihr nicht gut ging.

Ich suchte den ganzen Körper nach Verletzungen ab, Backsteine waren keine in Sicht, immerhin. Plötzlich drehte sich Frida und unter dem beachtlichen Gewöll aus Haaren, Blut und Dreck schob sich ein kleiner Kopf hervor, der mich verstört anblickte.

»Määäh«, plärrte mir das kleine Wesen entgegen.

»Abuuuu, ein Lamm, lecker Lamm«, meinte Fati fachmännisch. Im Geiste verdönerte er das Neugeborene wahrscheinlich schon und schraubte ihm eine Zwiebel auf den Kopf.

Ich zog den kleinen Körper unter seiner Mutter hervor, deren Bauch wie ein riesiger Blasebalg auf und ab pumpte. Das kleine Lamm stand bereits auf wackligen Beinen und schaute mich mit wachem Blick an. Warum war keinem aufgefallen, dass das Schaf schwanger war? Wahrscheinlich weil die Tiere einen Großteil der Zeit wie eine Gruppe vollgesogener Tampons auf der Wiese im Regen standen und monoton vor sich hin kauten – dass da ein Geschlechtsleben stattfand, war dezent an uns vorbeigegangen.

»Abuuuu…«

»Jetzt hör mal mit dem Abuuuu auf, Fati, das ist ja nicht zum Aushalten«, stieß ich genervt hervor, deutlich überfordert mit meiner Hebammenaufgabe.

»Aber Chef, Herr Bastian, da guckt was aus dem Viech raus, Abuuuu«, erwiderte Fati, nicht ohne auf und ab zu springen.

Das stimmte. Aus dem Schaf ragte ein kleiner Huf hervor, der ungleichmäßig zuckte.

»Krass, die hat eines gefressen«, stellte Fati im Modus eines erfahrenen Veterinärmediziners fest.

Ich verdrehte die Augen und überlegte kurz, ob ich Fati jetzt etwas über das Wunder der Geburt erzählen sollte, da ereignete sich ein solches direkt vor uns. Frida bekam noch ein zweites Lamm.

»Igiiiiit, is das eklig, Abuuuu«, kommentierte Fati den Vorgang. Auch wenn ich es nicht sagte, ich war seiner Meinung. Frida schoss uns ihr Neugeborenes mit einer Wucht entgegen, dass man den Eindruck bekam, jemand wäre gerade mit einem Schaufelbagger über sie gefahren. Zwischen Litern aus Schleim, undefinierbarem Gekröse und Blut schälte sich ein kleiner Kopf hervor, der noch nicht die Kraft hatte, sich zu heben. Ich nahm den Schleimbrocken und legte ihn Frida hin, die begeistert an dem Siff leckte, woraufhin sich langsam die Konturen eines Körpers herausbildeten.

»Boa, wir müssen Namen geben, Herr Bastian, isch hab Idee: Einen sagen Sie, einen sag ich«, schlug Fati vor. Die Idee mit dem Dönerspieß war wohl anhand des wirklich süßen Etwas, das da vor uns lag, aus seinem Kopf verschwunden. Ich fand den Vorschlag demokratisch, auch wenn mir klar war, dass mir Fatis Namenswahl nicht gefallen würde. Ich war schon froh, wenn das Lamm nachher nicht »Mighty Morphin Power Ranger« oder »Pikachu« hieß.

»Gut, dann gibst du dem ersten einen Namen, Fati, und ich dem zweiten«, vermittelte ich – zugegeben etwas abwesend, da meine Arme über und über mit dem Inneren von Frida zugekleistert waren. Trotzdem herrschte eine eigenartig selige Stimmung, die Geburt, so eklig die Sache auch war, hatte mich und Fati verzaubert.

»Isch nenn meines … mmmh … Bushido! Ja, Bushiiiiiidoo, das ist sein Name«, proklamierte Fati das Recht, das ich ihm zuvor unglücklicherweise verliehen hatte.

»Ach Fati, nein, doch nicht so was, das Lamm ist doch kein Gangsterrapper, das ist ein Tier«, schaltete ich in einen pädagogischen Gestus, der mich selbst überraschte. Ich klang wie meine Mutter, als ich meinem Meerschweinchen mit fünf Jahren damals den Namen »Knacki« geben wollte. Ein paar Idioten aus der Nachbarschaft rufen mir den Namen jetzt, zwanzig Jahre später, immer noch hinterher.

»Dann nenne ich ihn Tyrannosaurus Rex, der ist ein Tier, Herr Bastian«, sagte Fati empört. Auch wenn er biologisch im Recht war, konnte ich seinen Vorschlag gerade noch entkräften.

»Aber Fati, das ist doch ein Mädchen, du kannst doch kein Mädchen Tyrannosaurus Rex nennen«, schlug ich ihm mit einer eigenartig didaktischen Stimme vor – anscheinend hatten meine Eltern mir doch etwas vererbt. Es stimmte, die Schafe waren beide weiblich, was die Namenswahl für Fati erheblich einschränkte, sein kindlicher Kosmos bestand fast nur aus männlichen Actionhelden, Rappern und Dinosauriern, die für ihn ebenso alle männlich waren. Zum Glück kam er mir jetzt nicht mit »Bitches« oder »Chicas«. Am Ende einigten wir uns darauf, dass das erstgeborene Lämmchen den Namen von Fatis jüngster Schwester tragen solle, ein Schaf mit türkischem Namen war zwar sehr unorthodox, aber irgendwie passte Funda ganz gut zu dem kleinen Knäuel.

Ich gab meinem Lamm den altdeutschen Namen Paula, weil er irgendwie ländlich und bodenständig klang, weitere Attribute außer »doof« und »kotend« wollten mir zu Schafen nämlich nicht einfallen.

Ich versah Fati mit der ehrenvollen Aufgabe, die Lämmer zu bewachen, und ging zum Büro meines Chefs. Herr Gertelein war ein wahnsinnig liebenswerter Mensch, dessen heiteres Wesen über die Jahre als städtisch beschäftigter Sozialpädagoge jedoch massiv unter ständigen Budgetkürzungen und einem Wust an absurden Vorschriften gelitten hatte. Sein berufsinhärenter Idealismus war über die Jahre immer mehr verblasst, und aus dem Feuer, das in ihm irgendwann mal für den Erhalt der Kindertagesstätten gebrannt haben musste, war ein schwaches Glimmen geworden, das bei jedem meiner seltenen Besuche kurz vorm Erlöschen schien. Er trug immer sehr farbenfrohe Hemden von der Stange und einen Zopf, der im Bürokratiedschungel langsam ergraut war.

»Chef, wir haben zwei Lämmer bekommen«, berichtete ich.

»Woher?«, fragte Gertelein geistesabwesend, er füllte gerade irgendeinen sinnlosen Antrag für öffentliche Subventionen aus. Gelsenkirchen war so pleite, dass man schon in der Dritten Welt für uns Spenden sammelte, da blieb sicher nichts für sozialtätige Einrichtungen übrig.

»Wie, woher?«, fragte ich verdutzt. »Aus Frida«, sagte ich dann, als wäre Frida ein Dorfkreis in Ostpommern.

»Aha«, murmelte er völlig abwesend. Irgendwo in dem kleinen stickigen Büro zwischen den Buchenfurnierschränken und den Stapeln erfolgloser Subventionsanträge musste doch mein Chef verborgen liegen?

»Chef, was machen wir jetzt mit den Lämmern?«, fragte ich verunsichert.

»Ich komm gleich …«, murrte er mich knorrig an, drängte mich aus dem Zimmer und schlug die Tür vor meiner Nase zu.

Als ich wieder in den Stall kam, hätten eigentlich nur noch die Heiligen Drei Könige und ein Kamel gefehlt: Fati saß wie der niedergekommene Heiland zwischen den Schafen und grinste selig. Der Kleine war zwar ein Vorzeigebeispiel fürs gescheiterte Bildungspaket und sozialisiert wie eine Hyäne, die tapsigen Wollknäuel schienen ihn aber tatsächlich zu rühren.

»Na, wie geht es unseren Lämmchen?«

»Ach Chef, voll gut, Funda läuft schon, sehense, Abuuu.«

Das stimmte, das Erstgeborene taperte bereits etwas orientierungslos und benommen durch den Stall. Mein Lamm Paula dagegen war wohl auch in puncto Aktivität mein Gegenstück, es lag noch immer träge auf dem Stallboden und pflügte mit seinen schmalen Beinchen das Stroh um.

Schaf kann nix, dass passt ja wohl, dachte ich und hob Paula mit der Handfläche hoch. Doch ihre Beine knickten einfach schlaff weg, und sie plumpste unsanft auf den Stallboden.

»Was hat die Schaf?«, fragte Fati.

»Das Schaf, Neutrum, Fati, Neutrum«, schnodderte ich unwirsch, der didaktische Auftrag durfte schließlich nicht verloren gehen.

»Was hat die Schaf Neutrum?«, fragte er erneut.

»Hüftdysplasie«, röhrte Gertelein in den Stall. Er stand wohl schon ein paar Augenblicke hinter uns und besah sich das Treiben mit ausdrucksloser Miene.

»Das muss weg«, war sein nüchternes Fazit und das frühe Todesurteil für Klein Paula.

»Wie weg?«, fragte ich, fast hätte ich meinen Satz um ein »Abuuu« ergänzt.

»Wenn ein Schaf in der ersten Stunde nicht aufsteht, kann man ihm nicht helfen, dann kommt es weg, oder möchtest du etwa den Tierarzt bezahlen?«, fragte er trocken.

Jeden Augenblick konnte der stumpfe Marcel mit seiner auf Hochglanz polierten Todesschaufel um die Ecke biegen. Um Zeit zu gewinnen, erwiderte ich daher erst einmal gar nichts und blieb wie versteinert sitzen. Frida hatte sich mittlerweile dem gesunden Lamm Funda zugewandt – auch das Tierreich wurde von Pragmatikern regiert, Darwin hätte seine Freude gehabt.

Obwohl das Verhältnis zu meinen Eltern eine dauernde Zerreißprobe war und ich nach dem gerade absolvierten Abi-Überraschungserfolg ernsthaft darüber nachdachte, meine lange gehegten Pläne, auf einem Containerschiff als Hilfsmaat anzuheuern, in die Tat umzusetzen, fielen mir in dieser Sekunde als einzige Support-Group für diesen Schlamassel meine Eltern ein.

So rief ich also meinen Vater an, während sich mein Chef bestimmt schon beim örtlichen Schlachter erkundigte, was man für 100 Gramm neugeborenes Lamm bekam.

Während mir die dumpfe Leere des Glasfasernirwanas entgegenpiepte, bereitete ich mich im Geiste auf die mögliche Antwort meines Vaters vor:

»Bei dir hängt wohl die Blutwurst im Christbaum! Sind wir die Wohlfahrt, oder wie? Ein Lamm? Damit lass ich mir höchstens meine Schuhe auspolstern. Bevor mir so ein ungepflegtes Biest ins Haus kommt, trinke ich lieber WC-Reiniger oder kippe mir Skorpione in die Hose. Ruf hier nie wieder an … NIE WIEDER!«

Da meine Eltern, wie dem geneigten Leser mittlerweile aufgefallen sein dürfte, jedoch dezent bescheuert sind und sich dies zum Glück nicht nur im Negativen, sondern manchmal auch im Guten manifestiert, wich die wirkliche Antwort meines Vaters erheblich von meiner Vorstellung ab.

Vater: (Husten, Hundegebell) »Ja, Bielendorfer?«

Ich: »Hör mal, auf meiner Arbeit gibt es ein neugeborenes Lamm, das nicht aufstehen will, mein Chef will es zum Schlachter geben … hallo, HALLO?«

Das plötzliche Rauschen in der Leitung konnte nur eines bedeuten: einfach aufgelegt.

Zehn Minuten später jedoch tauchte mein Vater mit einem gelben Müllsack bewaffnet vor dem Schafstall auf und schaute hochwichtig, als würde er gleich den Fall der Berliner Mauer bekannt geben.

 

Als dieser bedeutungsvolle Tag endete, die Sonne ein paar letzte Strahlen über das graue Firmament Gelsenkirchens schob, betrat Gertelein den Schafstall, um das Lamm Paula seiner gottgegebenen Bestimmung als Dönerfleisch zuzuführen. Als er das rostige Vorhängeschloss aufsperrte und durch die stickige Luft des Geheges trat, in dem ein paar Schafe ihn dösig ignorierten, fand er im Stall nur einen kleinen Jungen mit Schnurrbart und ein Lamm namens Funda vor, das der Aussage des Jungen nach bereits »Sitz, Platz und Stell dich tot« beherrschte. So stellte ich mir die Szene jedenfalls vor, als mein Vater und ich (zum ersten Mal seit dem WM-Sieg 1990) in größtem Einverständnis den Tatort verließen.

Das zweite Lamm Paula sollte nämlich nicht auf einem Dönerspieß, sondern in unserem Wohnzimmer enden, da es mithilfe eines beherzten Pädagogen und eines postpubertären Zivildienstleistenden der Sichel des Todes entronnen war. Recht unelegant und nicht Walt-Disney-Film-tauglich, stopften wir das Vieh in Vaters gelben Müllsack, hoben es über die Backsteinmauer der Kita Spieledorf und brachten es dann im Kofferraum des Lehrerpassats sicher zu uns nach Hause.

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