15
Am Sonntagabend fuhr Robert nach New York. Er hatte sich überlegt, ob er es bis Montag abend aufschieben sollte, da ja der Sonntag eigentlich noch zum Wochenende gehörte, doch der Anruf von Gregs Vermieterin Sonntag mittag um zwölf hatte ihn in Wut versetzt. Als Jenny ihn am Nachmittag um drei anrief, hatte er jedoch Mrs. Van Vleets Anruf nicht erwähnt. Jennyr war ein wenig gekränkt, weil er sie Sonntag nicht hatte sehen wollen. Sie hatte ihn zu einem späten Frühstück eingeladen, und zwar schon am Samstag mittag, als sie sich in Rittersville auf einen Happen in einem kleinen Restaurant neben der Garage trafen, wo Robert seinen Wagen abschmieren ließ. Ihr Zusammensein war recht unbefriedigend verlaufen. Jenny hatte ihn dauernd angesehen, als wäre er meilenweit fort, verloren für sie, was er in gewisser Hinsicht auch war, jedenfalls von ihrem Standpunkt aus. Beiden war nicht viel Gesprächsstoff eingefallen, und Robert hatte nichts anderes im Sinn, als wieder nach Hause zu fahren, wo er ungestört war und jederzeit eine Nachricht, gut oder schlecht, für ihn eintreffen konnte, und wenn es auch nur ein dummer Anruf wie der von Mrs. Van Vleet war. Sie hatte vermutlich angerufen, um ihm gehörig die Meinung zu sagen, und am meisten überraschte ihn, wie zungenfertig sie war, wie selbstsicher, während sie mit jemand sprach, den sie für einen Mörder hielt. Haben die Leute denn keine Angst vor Mördern? Wenn sie wirklich überzeugt war, daß er ein Mörder war, fürchtete sie denn nicht, daß er in Wut geraten und auch ihr auflauern würde? Sie hatte Robert gefragt, ob er noch immer bei Langley Aeronautics arbeitete, und ihm, als er die Frage bejahte, gesagt: »Für mich ist es unverständlich, daß Sie Ihren Job noch haben. Für mich ist es unbegreiflich, wie Sie den Menschen hier im Ort in die Augen sehen können, wirklich … Ein so netter junger Mann wie Greg … Mit seinem Mädchen herumzupoussieren … Ein so nettes junges Mädchen. Und ich habe gehört, Sie wollen sie noch nicht mal heiraten! Na, hoffentlich nicht! Wissen Sie, was Sie sind? Sie sind ein Mörder … Oder jedenfalls so gut wie ein Mörder!« Und Robert hatte dagestanden und nicht mehr sagen können als: »Ja … Nein«, sehr höflich, immer bemüht, den Anruf von der komischen Seite zu nehmen, ohne daß ihm das gelang und ohne daß es ihm gelang, mehr als vier zusammenhängende Worte herauszubringen, da unterbrach sie ihn schon wieder. Hatte es überhaupt einen Sinn? Aber er wußte sehr wohl, daß es nur einer lautstarken Minderheit mit der Einstellung von Mrs. Van Vleet bedurfte, um einen Mann an den Galgen zu bringen, buchstäblich und im übertragenen Sinn.
Robert fuhr in raschem Tempo über den Pulaski Skyway auf den Lincoln-Tunnel zu. Wenigstens die beiden Anrufe der Tessers waren freundlich und trostreich gewesen, erinnerte er sich. Beim zweiten war Dick ein wenig beschwipst gewesen und hatte gesagt: »Ich glaube Ihnen, daß er am Ufer saß, als Sie weggegangen sind, aber wenn er aufgestanden und ins Wasser gefallen ist, hat er es verdient, finden Sie nicht auch?«
Robert hielt vor einem Drugstore in der Neunten Avenue und wählte seine und Nickies alte Nummer. Sie stand immer noch unter ihrem Mädchennamen, Veronica Grace, im Telefonbuch, und in dem vom letzten Jahr, das vor ihm lag, war sie unter ihrer alten, gemeinsamen Nummer aufgeführt. Zu seiner Überraschung kam Nickie beim ersten Klingelzeichen an den Apparat.
»Sieh an! Nun, was führt dich denn her? … Ja, mein Schatz, aber wir sind noch beim Essen. Könntest du es noch ungefähr eine Dreiviertelstunde aufschieben? … Halb zehn, ja, das ist uns recht.«
Langsam ging Robert zum Wagen zurück und überlegte, ob er sich die halbe Stunde damit vertreiben sollte, bei den Campbells oder bei Vic McBain anzurufen. Edna Campbell hatte ihm letzte Woche geschrieben, daß sie sich freuen würden, wenn er nach New York käme, er könne auch bei ihnen wohnen, und sie hoffe, die Unannehmlichkeiten in Langley wären für ihn bald vorüber, und was eigentlich passiert sei? Robert hatte ihren Brief noch nicht beantwortet. Er beschloß, niemand anzumfen, bevor er mit Nickie gesprochen hatte.
Sie hatte ihm eine Adresse in der Zweiundachtzigsten Straße Ost angegeben. Robert fuhr langsam, so daß er immer vor rotem Licht halten mußte, stellte seinen Wagen in einer Tiefgarage in der Dritten Avenue ab und ging die drei, vier Straßen bis zu Nickies Wohnung zu Fuß. Es war ein fünfstöckiges Haus mit marmorverkleidetem Foyer. Er drückte auf einen Knopf, und die Eingangstür öffnete sich. Er stieg die Treppen hinauf, obwohl es einen kleinen Lift gab. Die Jurgens wohnten im dritten Stock.
»Pünktlich wie die Eieruhr«, sagte sie und öffnete weit die Tür.
Sie trug ein cremefarbenes Abendkleid, das fast bis zum Boden reichte, und plötzlich kam ihm der Gedanke, sie hatte vielleicht Gäste. Doch in der Wohnung war es still. Sie trug seinen Mantel in die kleine Diele. »Du siehst gut aus«, sagte er.
»Das kann man von dir nicht gerade behaupten. Greg hat wohl ein paar hübsche Schwinger landen können, wie? Und dünner bist du auch geworden.«
Ja, und reizbar, und die Haare gehen mir aus, das Grübchen ist noch häßlicher geworden, und so weiter und so weiter, dachte Robert, und beim Lächeln schmerzte seine kaum verheilte Lippe. Er folgte ihr in den Wohnraum, der ganz mit Spannteppichen ausgelegt war. Überall standen Pflanzen mit glänzenden Blättern. Eine teure Wohnung in teurer Lage. Ralph Jurgen verdiente viel Geld. Das einzige, was auf Ralphs Existenz hinwies, war eine Pfeife auf einem Rauchtischchen. Die Möbel, stellte Robert fest, stammten fast alle von Nickie und ihm, und nach einem kurzen Blick sah Robert nicht mehr hin. Über dem Kamin aus schwarzweißern Stein hing ein Bild, eines von Nickies Werken, das er noch nicht kannte. Zinnober auf schwarzem Grund, der rote Klecks erinnerte ihn an eine abgezogene Bananenschale, das Ende nach oben. Und unten in der rechten Ecke in weißer Farbe die ins Auge fallende Signatur: AMAT. Er, sie, es liebt. Amat war Nickies dritter oder vierter Künstlername. Sie wechselte ihre Namen immer, wenn sie zu einem neuen Stil überging, und gefiel sich stets von neuem in dem Gedanken, einen neuen Anfang zu machen. Doch immer kam in all ihren Arbeiten unverkennbar ihr persönlicher Stil durch. Auf einer Kollektivausstellung in der Zehnten Straße, an der Nickie teilnahm, hatte Robert einen Mann sagen hören: »Wenn du solchen Mist produziertest, würdest du deinen richtigen Namen druntersetzen?« Und er erinnerte sich, daß er sich am liebsten umgedreht und den Kerl geohrfeigt hätte, doch er hatte sich nicht einmal umgesehen. An den Kamin waren drei, vier große Tuschzeichnungen gelehnt, die auf dem Kopf standen. Robert bückte sich, um die Signatur zu lesen. Sie lautete: »Augustus John«.
Nickie ließ sich mit Schwung in eine Ecke des weißen Sofas fallen, das fast die gleiche Farbe hatte wie ihr Kleid. Sie hatte kein bißchen abgenommen, im Gegenteil. Dann richtete er den Blick auf ihr Gesicht. Sie lächelte ihn an, die braunen Augen voll Übermut, ja Bosheit. Ihr schwarzes Haar war kürzer und lockerer, ihre vollen Lippen dunkler bemalt als früher.
»Soso, du hast also eine neue Freundin, höre ich. Setz dich doch!«
Er nahm sich einen Stuhl, der in der Nähe stand, und holte seine Zigaretten heraus. »Ich bin nicht hergekommen, um mit dir darüber zu diskutieren.«
»Worüber wolltest du denn mit mir diskutieren?« Und gleich darauf: »Ralph! Ralphie! Willst du dich nicht zu uns setzen? Warum bist du also gekommen? Möchtest du einen Drink?«
»Danke. Kaffee paßt wohl besser, glaube ich.«
»Besser, inwiefern?« sagte sie und beugte sich vor, die unruhigen Hände auf den zusammengepreßten Knien. Sie lächelte ihn spöttisch an. Er roch das vertraute Parfüm. »Ralphie hat sich, glaube ich, ein bißchen aufs Ohr gelegt.«
Sie ist nervös, stellte Robert bei sich fest.
»Dann gib mir in Gottes Namen einen Drink«, sagte Robert. »Das geht schneller als Kaffee, nicht wahr?«
»Aber Liebling, für dich tu ich doch alles, das weißt du doch. Aber du hast dir ja nie viel aus Kaffee gemacht, nicht?« Sie stand auf und ging hinüber zu dem kleinen Bauwagen, auf dem zwischen einem Dutzend Flaschen ein silberner Eisbehälter stand. »Ich werd auch ein bißchen mithalten«, sagte sie. Mit lautem Klicken fiel das Eis in die Highballgläser. »Und nun erzähl mir mal von deiner neuen Freundin. Ich höre, sie kommt gerade erst vom College. Oder war’s die Mittelschule? Hat sie noch mehr Schwergewichtler auf Lager, die du zusammenschlagen kannst? Du solltest mehr trainieren. Ach, ich weiß nicht, eigentlich will ich doch lieber nichts von ihr hören. Ich kenne deinen Geschmack — gräßlich! Mich ausgenommen!«
Robert zog an seiner Zigarette. »Ich bin nicht hierhergekommen, um über sie oder über dich zu sprechen. Ich bin hier, um dich zu fragen, ob du vielleicht weißt, wo Greg ist.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und musterte ihn dann halb belustigt, halb ernst. Sie versuchte zu erraten, wieviel er wußte, merkte Robert. Aber vielleicht täuschte er sich auch. Es war ebensogut möglich, daß sie vorgab, mehr zu wissen, als sie wirklich wußte. »Woher soll ich denn wissen, wo er ist?«
»Ich dachte, du hättest vielleicht von ihm gehört. Ich hab erfahren, daß er dich ziemlich oft angerufen hat.«
»Hat er auch. Bis du ihn ins Wasser geworfen hast.« Sie reichte ihm ein Glas.
Eine Tür ging auf, und Ralph kam herein, in Hausmantel und Hosen. Er sah verschlafen aus, strubbelig und rosig wie ein Marzipanferkel, vielleicht auch vom Trinken. Sein Haar war dünn und blond, seine Augen blau. Er setzte ein verkniffenes Lächeln auf und schüttelte Robert herzlich die Hand. Robert war aufgestanden.
»Hallo, Bob. Wie geht’s?«
»Nun, danke. Und Ihnen?«
»Liebling, kannst du kein Hemd anziehen? Oder dir wenigstens ein zusammengerolltes Handtuch um den Hals legen wie die Boxer? Du weißt doch, ich hasse es, wenn man die vielen Haare auf deiner Brust sieht.« Nickie wies mit graziöser Handbewegung auf Ralphs Hals. Über dem Rand des Unterhemdes war kein einziges Haar zu sehen. Ralph lief dunkelrot an. »Verzeih«, murmelte er. Er schien zu zögern, ins Schlafzimmer zurückzugeben, aber schließlich wandte er sich doch um und ging wieder auf die Tür zu, durch die er gekommen war.
»Das Eheleben scheint dich anzustrengen«, rief Nickie hinter ihm her.
Als Ralph die Tür geschlossen hatte, sagte Robert: »Ich glaube, du bist mir noch eine Antwort schuldig.«
Sie wandte sich ihm zu. »Wieso? Wegen Greg?« — »Ja.«
Ralph kam zurück, ein zusammengerolltes Frottiertuch um den Hals. Er stopfte die Enden oben in seinen schwarz-grau-seidenen Hausmantel. Er trat an den Barwagen.
»Ja, wegen Greg«, wiederholte Robert und bemerkte, daß Ralph interessiert den Kopf hob.
»Ich hab Greg nie im Leben gesehen«, sagte Nickie.
»Das muß nicht heißen, daß du keine Ahnung hast, wo er steckt«, entgegnete Robert.
»Hab ich aber nicht, nicht die leiseste.« Nickie wandte sich mit herausforderndem Lächeln an Ralph, und im selben Augenblick wußte Robert, daß sie log. Sie sah Robert an. »Mein Gott, laß doch die Finger von dem Mädchen, Bobbie. Gönn sie dem Besseren. Vorausgesetzt, er lebt noch.«
»Es geht nicht um das Mädchen. Ich bin daran interessiert, Greg zu finden.«
»Oho, um das Mädchen geht es also nicht«, spottete Nickie.
Robert sah Ralph an. Nichts als feierliche Leere stand in dessen weichem, alterndem Gesicht. Sein Ausdruck war ein bißchen zu gewollt leer, fand Robert. »Sind Sie im Bild, wovon wir sprechen, Ralph?«
»Versuche ja nicht, Ralph auszufragen!« rief Nickie.
»Wie kann ich das, wenn er nichts weiß?« Robert sah, wie sich ihre Augen fast schlossen. Sie sammelte sich zum Angriff. Robert sagte zu Ralph: »Ich nehme an, Ralph, Sie wissen, daß ich mich in einer scheußlichen Lage befinde. Ich muß herausfinden, wo Greg Wyncoop ist — oder ob er überhaupt noch lebt. Möglicherweise wird man mich des Totschlags beschuldigen. Ich kann meinen Job verlieren …«
Ralphs Gesicht war noch immer ausdruckslos, doch Robert spürte, daß er auf ein Stichwort von Nickie wartete.
»Und warum bist du hierhergekommen?« fragte Nickie. »Du tust ja, als wolltest du die Wohnung durchsuchen. Los, tu deinen Gefühlen keinen Zwang an.« Dann lachte sie plötzlich laut los, mit offensichtlichem Vergnügen, den Kopf weit zurückgeworfen, die dunklen Augen funkelten.
»Ich habe mit Ralph gesprochen, Nickie«, sagte Robert.
»Aber er spricht anscheinend nicht mit dir, oder?«
»Ich nehme an, Sie wissen von der Schlägerei in Pennsylvania, Ralph?« fragte Robert.
»Ja. Ja. Ich weiß davon«, sagte Ralph und rieb sich die Nase. Er wanderte mit seinem Glas in der Hand in die Mitte des Zimmers, umkreiste den großen, runden Cocktailtisch und kippte dann die Hälfte des Drinks hinunter.
»Ralphie, gewiß möchtest du dich aus diesem Unsinn heraushalten«, sagte Nickie. »Das hier kommt mir genau wie die endlosen, idiotischen Gespräche vor, die ich manchmal mit Mr. Forester hatte. Ich sehe schon, dies wird ebenso lange dauern.«
»Ralph hat mir noch keine klare Antwort gegeben. Haben Sie eine Ahnung, wo Greg sein könnte, Ralph?«
»Ach! Dieser Langweiler!« sagte Nickie. Sie drehte sich schwungvoll um die eigene Achse und warf mit dem Fuß den Rock herum. Sie nahm das Tischfeuerzeug, steckte sich eine Zigarette an und knallte das Feuerzeug wieder auf den Tisch.
»Nein«, sagte Ralph.
»Na also«, sagte Nickie. »Zufrieden?«
Robert war ganz und gar nicht zufrieden. Aber Ralph war schon auf dem Rückzug ins Schlafzimmer. Er schloß die Tür.
»Hierherzukommen, um Greg zu suchen! Du bist ein Kriecher, der sich seine Mädchen sucht, indem er um ihre Häuser rumschleicht! Oh, Greg weiß genau, wie du sie kennengelernt hast! Beziehungsweise, er wußte es. Was ist denn übrigens mit ihr los? Die muß ja auch wohl einen kleinen Triller haben. Vielleicht paßt ihr ganz gut zusammen.«
Roberts Kehle war wie zugeschnürt. »Was hat Greg dir sonst noch erzählt?«
Nickie schnaufte verächtlich und warf den Kopf zurück. »Geht dich das was an? Wirklich, Robbie, du verlierst anscheinend den Verstand. Oder hast ihn schon verloren. Und wie du aussiehst! Sieh dich bloß mal an! Blaues Auge, geplatzte Lippe, du bist völlig verkommen!« Als Robert schwieg, fuhr sie fort: »Denk nach, Bobbie, dann fällt’s dir sicher wieder ein. Du hast ihn unter Wasser gedrückt, bis er tot war.« Sie lachte. »Nein? Will die Erinnerung nicht kommen, Liebling?«
Langsam leerte Robert sein Glas und erhob sich. Es war genau wie früher mit Nickie, Beleidigungen und Lügen in einem fort. Es hatte keinen Sinn, länger zu bleiben. Er spürte, daß Greg in New York war, und daß Nickie davon wußte, und er war entschlossen zu tun, was in seinen Kräften stand, das heißt, er würde die Polizei bitten, hier nach ihm zu suchen. Aber würde sie das tun?
»Aber setz dich doch, Bobbie. Wir haben uns ja noch gar nicht richtig unterhalten«, sagte Nickie. »Du denkst doch nicht etwa daran, Jenny zu heiraten, oder? Damit würdest du dem Mädchen aber bestimmt keinen Gefallen tun, selbst wenn sie nicht ganz bei Trost ist.«
»Es geht nicht um das Mädchen«, sagte Robert. »Sag mal, hörst du schlecht heute abend?«
»Ich höre ausgezeichnet.«
Ralph war wieder hereingekommen. Er hatte Hemd und Jackett angezogen und eine Krawatte umgebunden. Er blickte Nickie an, ging an die Garderobe und zog einen Mantel an.
»Gehst du fort?« fragte Nickie.
»Nur auf ein Weilchen. Gute Nacht, Bob. Ich hoffe, ich sehe Sie bald wieder«, sagte er mit der Andeutung eines Lächelns und öffnete die Tür.
Die Tür war noch nicht geschlossen, als Robert aufsprang und ihm nachging. Er trat aus der Wohnung. Hinter ihm fiel mit lautem Knall die Tür ins Schloß.
Ralph drehte sich um. »Was ist los, Bob?«
»Sie wissen, wo er ist, nicht wahr?«
Ralph warf einen Blick auf die geschlossene Wohnungstür. »Bob, ich möchte lieber nicht davon sprechen«, meinte er leise. »Tut mir leid.«
»Sie meinen, Sie wissen etwas und trauen sich nicht, es zu sagen? Ralph, wenn Sie etwas wissen …« Robert hielt inne, denn Ralph starrte auf seine Wange oder auch auf die geplatzte Lippe.
»Also das ist das berühmte Grübchen in Ihrer Backe«, sagte Ralph. »Ist ja gar nicht so groß.«
»Sie sehen mich doch nicht zum erstenmal«, sagte Robert verlegen. »Ralph, wenn Sie …« Er hörte, daß sich hinter ihnen die Wohnungstür öffnete.
Die Tür des Lifts teilte sich, und Ralph betrat die Kabine.
Robert drehte sich zu Nickie um. Sie lehnte an der Tür, eine Hand auf die schön geschwungene Hüfte gestützt. »Ausgesperrt? Also, jetzt sind wir endlich allein.«
»Wie schön.« Robert ging an ihr vorbei in die Wohnung. Sein Mantel lag auf einem der weißen Ledersessel neben dem Schrank.
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. »Warum bleibst du nicht ein bißchen, Bobbie? Weißt du, im Grunde fehlst du mir ja. Und warum auch nicht? Der beste Liebhaber, den ich je hatte und vermutlich je haben werde.«
»Ach, hör doch auf.« Er entzog sich ihren näher kommenden Lippen, und auch sie wich etwas zurück, und einen Augenblick suchten ihre Augen in seinem Gesicht. Er trat zur Seite und ging auf die Tür zu.
»Liebling, komm, gehen wir ins Bett. Ralph kommt frühestens in einer Stunde zurück. Ich kenne ihn. Außerdem, die Tür hat einen Riegel. Und eine Lieferantentreppe gibt es auch«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Mein Gott, Nickie, warum hörst du nicht auf damit!«; Robert griff nach dem Türknauf, doch sie vertrat ihm den Weg und stellte sich mit dem Rücken gegen die Tür.
»Tu du doch nicht so, als würde es dir keinen Spaß machen. Warum spielst du den Moralisten? Mach mir nicht vor, daß das Mädchen in Pennsylvania besser ist im Bett als ich!«
Robert langte um sie herum, nach der Türklinke, und er konnte nicht vermeiden, ihre Hüfte zu berühren, und sie drückte sich in seinen Arm und lachte dabei, gurrend wie eine Taube, die Lippen geschlossen. Wenn sie so lachte, war sie in ihrer gefährlichsten Stimmung — oder in der zärtlichsten. In diesem Augenblick jedoch war ihr Lachen reinster Hohn. Robert riß die Tür so heftig auf, daß sie gegen ihren Kopf stieß. »Verzeihung«, sagte er und drängte sich an ihr vorbei aus der Wohnung.
»Tu doch nicht so, als ob du nicht wolltest!«
»Ich hab keine Lust. Leb wohl, Nickie.«
»Ach du, du hast doch immer Lust, du bist doch ewig dahinterher!« rief sie ihm nach.
Robert stieg die Treppe hinunter.
»Feigling!« kreischte sie. »Feigling!«
Robert sprang die Stufen hinunter, die Hand dicht über dem polierten Geländer, um sich festzuhalten, falls er stolperte.
»Feigling! Du bist ja verrückt!« tönte ihre Stimme hinter ihm her. »Wahnsinnig bist du!«