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Auf der Brücke verklang LeSeurs Stimme, wurde ersetzt durch das Heulen des Windes und das Prasseln des Regens an den Fenstern, das Geklingel und Geplinke der ECDIS-Elektronik und des Radars, die ihre Programmzyklen durchliefen.

Niemand sprach. Panik stieg in LeSeur auf. Er hatte sich zu weit vorgewagt, als er, gemeinsam mit Mason, seinen Hut in den Ring warf. Soeben hatte er einen Schritt vollzogen, der seine berufliche Karriere mit Sicherheit beenden würde.

Schließlich trat der diensthabende Offizier vor, ein unwirscher Seemann von der alten Schule. So, wie er dastand, den Blick gesenkt, die Hände vor der Uniform verschränkt, bot er das Bild hartnäckiger Tapferkeit. Er räusperte sich und sagte: »Die größte Verantwortung eines Kapitäns gilt dem Leben der Menschen an Bord – den Besatzungsmitgliedern und Passagieren.«

Cutter starrte ihn an, seine Brust hob und senkte sich.

»Ich mache mit, Captain Mason. Wir müssen das Schiff in den nächsten Hafen steuern.«

Endlich hob der Seemann den Blick und sah Cutter an. Worauf dieser ihn derart wütend musterte, dass es schien, als wollte er den Mann im nächsten Moment körperlich angreifen. Wieder senkte der diensthabende Offizier den Blick, wich aber keinen Schritt zurück.

Jetzt trat der Zweite Offizier vor, gefolgt von zwei niederrangigen Offizieren. Wortlos trat Halsey, der Leitende Ingenieur, vor. Sie standen in einer engen Gruppe auf der zentralen Brücke, nervös, unsicher, vermieden den vernichtenden Blick des Commodore. Kemper, der Sicherheitschef, blieb wie angewurzelt stehen.

Captain Mason wandte sich ihm zu und sagte in kühlem, sachlichem Ton: »Es handelt sich hier um eine rechtmäßige Handlung unter Artikel V. Ihre Zustimmung ist erforderlich, Mr Kemper. Sie müssen eine Entscheidung treffen – jetzt. Wenn Sie sich uns nicht anschließen, heißt das, dass Sie sich auf die Seite des Commodore schlagen. In diesem Fall werden wir nach New York weiterfahren – und Sie die schwere Verantwortung tragen für alles, was sich daraus ergibt.«

»Ich …«, krächzte Kemper.

»Das ist Meuterei.« Cutters rauhe Stimme klang leise und drohend. »Meuterei, schlicht und ergreifend. Wenn Sie da mitmachen, Kemper, machen Sie sich einer Meuterei auf hoher See schuldig, und das ist eine Straftat. Ich werde dafür sorgen, dass Sie unter die höchstmögliche Anklage gestellt werden. Niemals wieder werden Sie einen Fuß an Bord eines Schiffes setzen. Das gilt auch für den Rest von Ihnen.«

Mason trat einen Schritt auf Kemper zu; ihr Ton war nur eine Spur leiser: »Sie stecken zwischen Baum und Borke, auch wenn Sie nichts dafür können. Einerseits droht Ihnen die Anklage wegen Meuterei. Andererseits die Anklage wegen Nichtverhinderung eines Mordes. Das Leben ist schwer, Mr Kemper. Entscheiden Sie sich.«

Der Sicherheitschef atmete dermaßen schnell, dass er fast hyperventilierte. Sein Blick huschte von Mason zu Cutter und zurück, als suchte er einen Ausweg. Es gab keinen. Hastig und schnell antwortete er: »Wir müssen so schnell wie möglich den nächsten Hafen anlaufen.«

»Das ist eine Meinung, keine Erklärung«, sagte Mason kühl.

»Ich … schließe mich Ihnen an.«

Mason warf dem Commodore einen scharfen Blick zu.

»Sie sind eine Schande für Ihren Berufsstand und tausend Jahre maritimer Tradition!«, schrie Cutter. »Damit kommen Sie nicht durch!«

»Commodore Cutter«, sagte Mason, »Sie sind hiermit nach Artikel V des Internationalen Seefahrtsrechts Ihres Kommandos enthoben. Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, sich mit Würde von der Brücke zu entfernen. Wenn nicht, gebe ich Befehl, Sie entfernen zu lassen.«

»Sie … Sie Giftnudel! Sie sind der lebende Beweis, dass Frauen auf der Brücke eines Schiffes nichts zu suchen haben!« Und damit stürzte sich Cutter mit einem inartikulierten Schrei auf sie und packte die Revers ihrer Uniform, bis zwei Sicherheitskräfte ihn überwältigten. Er fluchte, schlug um sich und brüllte wie ein Löwe, während sie ihn zu Boden rangen, ihn dort festhielten und ihm Handschellen anlegten.

»Braunhaariges Miststück! In der Hölle sollst du schmoren!«

Weitere Sicherheitskräfte wurden herbeigerufen, und der Commodore wurde mit großer Mühe überwältigt. Schließlich führte man ihn ab. Noch lange hörte man ihn mit donnernder Stimme wüste Beschimpfungen ausstoßen, dann wurde es still.

LeSeur blickte zu Mason und sah zu seiner Verwunderung einen Ausdruck kaum verhohlenen Triumphes in ihrem Gesicht. Sie sah auf die Uhr. »Ich halte hiermit fürs Logbuch fest, dass um 22:50, GMT, das Kommando der Britannia von Commodore Cutter auf den Stellvertretenden Kapitän Mason übertragen wurde.« Sie drehte sich zu Kemper um. »Mr Kemper, ich werde sämtliche Schlüssel, Passwörter und Autorisierungscodes für das Schiff und alle elektronischen sowie Sicherheitssysteme benötigen.«

»Ja, Sir.«

Sie wandte sich zum Navigator um. »Und jetzt reduzieren Sie bitte die Geschwindigkeit auf vierundzwanzig Knoten und setzen Kurs auf St. John’s, Neufundland.«