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Auf dem Tisch aus poliertem Kirschholz im Essbereich der Tudor-Suite lag ein großer, durchsichtiger Plastikbeutel, aus dem diverser Abfall ausgeschüttet worden war: zerknittertes Papier, zusammengeknüllte Papiertaschentücher, Zigarrenasche. Pendergast umkreiste mit auf dem Rücken verschränkten Armen den Tisch. Hin und wieder beugte er sich vor, um etwas genauer anzusehen, streckte aber kein einziges Mal die Hand aus, um etwas zu berühren oder zu überprüfen. Constance saß auf einem Sofa in der Nähe; sie trug jetzt wieder eines von den eleganten Kleidern, die sie mit Pendergast an Bord gekauft hatte, und sah ihm zu.

»Und er hat dich zu Boden geworfen, sagst du?«, sagte Pendergast nach hinten über die Schulter.

»Ja.«

»Er ist ein Hund mit schlechten Manieren.« Wieder ging er um den Tisch herum. Dann blieb er stehen und sah sie an. »Das ist alles?«

»Ich konnte nicht oben in der Suite nachsehen. Das Zimmermädchen war da. Entschuldige, Aloysius.«

»Du musst dich nicht entschuldigen. War sowieso nur so ein nachträglicher Gedanke. Wichtig ist, dass wir jetzt Größe und Plazierung des Safes kennen. Außerdem hast du mir eine vorzügliche Zusammenfassung seiner Sammlungen gegeben. Schade, dass sich das Agozyen offenbar nicht darunter befindet.« Er schob eine Hand in die Hosentasche, zog ein Paar Latexhandschuhe hervor, streifte sie über und fing an, den Abfall zu untersuchen. Er nahm eine leere Mineralwasserflasche vom Tisch, inspizierte sie, legte sie beiseite. Danach kamen mehrere Staubtücher dran, ein Zigarrenstummel samt -asche, eine zerknickte Visitenkarte, eine verschmutzte Cocktailserviette, ein Champagnerkorken, eine zerbrochene CD-Hülle, eine zerrissene Broschüre über die Britannia, ein Sektquirl, eine leere Swan-Vesta-Schachtel und ein halbes Dutzend gebrauchte Streichhölzer. Pendergast sah sich alles sehr genau an. Kaum hatte er den letzten Gegenstand beiseitegelegt, umkreiste er abermals den Tisch, Hände auf dem Rücken, und blieb stehen, um diverse Gegenstände mit der Lupe zu untersuchen. Dann seufzte er leise und richtete sich auf.

»Bringen wir das hier irgendwohin, wo die Reinigungskräfte es nicht finden«, sagte er. »Nur für den Fall, dass wir es noch mal untersuchen möchten.« Er zog die Handschuhe aus, ließ sie auf den Tisch fallen.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Constance.

»Wir überlegen, wie wir einen Blick in den Safe werfen können. Vorzugsweise, wenn sich Blackburn absentiert hat.«

»Das könnte schwierig sein. Irgendetwas scheint ihm Angst zu machen – es widerstrebt ihm offenbar, die Suite für einen längeren Zeitraum zu verlassen, und er lässt niemanden hinein.«

»Wenn es sich um jemand anders handelte, würde ich sagen, dass die beiden verschwundenen Personen, von denen du mir erzählt hast, ihm Angst eingejagt haben. Aber nicht Mr Blackburn. Schade, dass wir meine Liste nicht schneller gekürzt haben; gestern hätte ich seine Räumlichkeiten vergleichsweise leicht untersuchen können.« Er sah Constance an. »Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass wir, selbst wenn Blackburn der Hauptverdächtige ist, auch die Räume von Calderón und Strage durchsuchen müssen, wenn auch nur, um die beiden endgültig auszuschließen.«

Er trat zum Sideboard und schenkte sich ein Glas Calvados ein, ging damit zum Sofa und setzte sich. Er schwenkte den bernsteinfarbenen Calvados, führte das Glas an die Nase, nippte daran und seufzte – halb aus Zufriedenheit, halb aus Bedauern. »Nun, vielen Dank, meine Liebe. Es tut mir leid, dass man dich angegriffen hat. Wenn die Zeit gekommen ist, sorge ich dafür, dass Blackburn es bereut.«

»Es tut mir nur leid, dass …« Constance verstummte jäh.

»Ja?«

»Fast hätte ich’s vergessen. Ich habe noch etwas in der Suite gefunden – ein paar merkwürdige Staubpartikel, die ich vom Boden aufgesaugt habe.«

»Warum merkwürdig?«

»Wenn man bedenkt, dass Blackburn ein eigenes Zimmermädchen hat und er zweifellos ein Haustyrann ist, finde ich es seltsam, dass es im Zimmer so staubig war.«

»Staubig?«

»Ja. Überwiegend an den Wänden unterhalb der Täfelung. Der Staub sieht aus wie Sägemehl.«

Pendergast stand auf. »Wo ist der Staubsaugerbeutel, Constance?«, fragte er leise, aber seine silbrigen Augen funkelten vor Aufregung.

»Dort, neben der Tür …«

Doch Pendergast war schon in den Flur gegangen, hatte den Beutel aufgehoben, aus einem der Küchenschränke einen sauberen Teller geholt und war zum Tisch zurückgekehrt. Nun wurden seine Bewegungen äußerst vorsichtig. Er zog ein Klappmesser aus der Tasche, schlitzte den Staubsaugerbeutel auf und leerte den Inhalt langsam auf den Teller. Nachdem er sich die Juwelierlupe ins Auge gesteckt hatte, trennte er den Abfall mit der Messerklinge, Stückchen für winziges Stückchen.

»Weißt du was, Constance«, murmelte er und beugte sich dicht über den Tisch. »Ich glaube, du hast recht. Das hier ist Sägemehl.«

»Reste von den Bauarbeiten?«

»Nein. Frisches Sägemehl. Und sollte das hier sein, wofür ich es halte –«, er tippte mit einer winzigen Pinzette auf etwas und richtete sich dann auf, »dann müssen wir uns nicht mehr mit Calderón oder Strage befassen.«

Constance sah in Pendergasts blasses, eifriges Gesicht. Ihr war völlig schleierhaft, wie das Sägemehl ins Bild passte.

Während sie aufstand und näher kam, suchte er nach einem Aschenbecher und einem Streichholz. Dann winkte er sie zu sich. Zwischen den kleinen stählernen Greifern der Pinzette, die Pendergast über den Aschenbecher hielt, sah sie so gerade eben einen winzigen bräunlichen Kristall glitzern.

»Pass genau auf«, sagte er leise. »Es wird nicht lange dauern.« Erst riss er das Streichholz an; wartete einen Moment, bis der leichte Schwefelgeruch sich gelegt hatte; dann hielt er die Flamme an das Kristallkörnchen.

Vor ihren Augen flammte das Körnchen in der Pinzette auf und qualmte. Dann, ganz kurz, stieg Constance ein schwacher Duft in die Nase: ein intensiver, moschusartiger, exotischer Hauch von Myrrhe, fremdartig, ein wenig berauschend – und unverkennbar.

»Den Geruch kenne ich.«

Pendergast nickte. »So riecht es im inneren Kloster von Gsalrig Chongg. Ein besonderer Weihrauch, den nur die Mönche dort herstellen, um eine in der Gegend heimische, einzigartig gefräßige Art von Holzwürmern in Schach zu halten.«

»Holzwürmer?«

»Ja.«

Sie drehte sich zu dem kleinen Haufen auf dem Tisch um. »Du meinst, dieses Sägemehl …«

»Genau. Ein paar von diesen Holzwürmern müssen in dem Kasten, der das Agozyen enthält, an Bord gekommen sein. Blackburn hat North Star keinen Gefallen getan, als er sie auf die Britannia einschleppte.« Er drehte sich um und sah Constance an; seine Augen funkelten noch immer vor lauter Erregung. »Wir haben unseren Mann. Jetzt müssen wir ihn nur noch aus seinem Bau locken und an seinen Safe herankommen.«