Epilog

Melissa hat das Expansionspotenzial nie wirklich erkannt. Konnte oder wollte es nicht kapieren. Das war die einzige Sache, über die wir uns jemals gestritten haben. Ansonsten war sie ziemlich schlau: bereit, mit mir zusammenzuarbeiten und an mich zu glauben, als keiner sonst es tat.

Alles sei gut so, wie es ist, hat sie gesagt. Wir würden viel Geld verdienen. Warum ein Risiko eingehen? Aber ich wusste, dass da noch viel mehr drinsteckte, und es war nervig, dass sie so stur war. Tolle Geschäftsfrau!

Sie sah sich gerne als Mentorin, aber Tatsache ist, dass sie mich dringender brauchte als ich sie. Ohne mich hätte sie ihre Spuren nie so erfolgreich verwischen können.

Melissa war nichts ohne mich.

Katie in einem Katz-und-Maus-Spiel durch London zu jagen war meine Idee.

Die beiden hätten keine Ruhe gegeben, und die Polizei kam immer näher. Eine letzte Nummer noch, sagte ich zu Melissa. Mach das, und du kannst mit deinen 80 Prozent nach Rio verschwinden, wo du nie gefunden wirst. Es war eine gute Partnerschaft, doch jetzt wurde es für uns beide Zeit weiterzuziehen.

Oh ja, 80 Prozent.

Im Verhandeln war Melissa gut. Knallhart. Dabei war ich es, der die Anzeigen geschaltet, sich ins CCTV-System gehackt und die Kunden angesprochen hat – mit ein wenig Hilfe von Neils Adressbuch. Und was habe ich für das alles bekommen? Beschissene 20 Prozent!

Mach das, sagte ich zu Melissa. Zieh dieses Spiel durch und verschwinde. Tu es für mich. Tu es, weil ich dir geholfen habe, und jetzt bist du dran, mir zu helfen.

Und das tat sie.

Ich sah Katies Profil auf dem Bildschirm und wusste, dass das Spiel angefangen hat. Mein Puls ging hoch, und ich fragte mich, ob Melissa aufgeregt war. So etwas hatten wir noch nie gemacht, aber es fühlte sich richtig an. Gut.

Was Katie angeht … Das war nur ein fairer Ausgleich. Nicht nur für ihr dauerndes Hecheln nach Aufmerksamkeit, sondern auch dafür, dass sie immer der Liebling war. Dass sie nie in Schwierigkeiten kam, nie von der Polizei nach Hause gebracht wurde oder von der Schule flog.

Und auch für sie war Zahltag.

Zoe.

Der Lohn dafür, dass sie Dad verlassen hat, obwohl er alles für sie geopfert hatte. Der Ausgleich dafür, dass sie mich von meinen Freunden weggezerrt hat. Der Preis dafür, dass sie einen Mann fickte, den sie gerade erst kennengelernt hatte, noch bevor sie geschieden war, und ihn dann in unser Haus holte, ohne sich darum zu kümmern, was ich dachte.

Ja, es war Zeit für eine Gegenrechnung. Mit freundlichen Grüßen von deinem dich liebenden Sohn.

Jetzt glauben sie alle, dass sie das Spiel gewonnen haben, weil Melissa tot ist. Sie denken, es ist vorbei.

Sie irren sich.

Das ist erst der Anfang.

Ich brauche Melissa nicht, brauche keine Anzeigen in der Gazette und keine Website.

Ich habe ein Konzept, ich habe die technischen Mittel, und ich habe eine Adressliste von Kunden, die alle an der Art von Service interessiert sind, den ich ihnen anbiete.

Und natürlich habe ich dich.

Hunderttausende von dir, die jeden Tag das Gleiche machen.

Ich sehe dich, aber du siehst mich nicht.

Bis ich gesehen werden will.