25

»Bist du sicher, dass du das Richtige getan hast?«, fragte Lexi. Sie hob Fergus aus der Badewanne und wickelte ihn in ein Handtuch, ehe sie ihn Kelly gab. »Pass auf, dass du ihn zwischen den Zehen richtig abtrocknest.« Dann machte sie es mit Alfie genauso.

»Ja«, sagte Kelly bestimmt. »Zoe Walker hatte ein Recht, es zu wissen.« Sie setzte sich ihren Neffen auf den Schoß und rubbelte ihm so kräftig das Haar, dass er lachte.

»Kriegst du keinen Ärger?«

Kelly antwortete nicht. Darüber dachte sie schon nach, seit sie Zoe Walker angerufen hatte. Weil sie es nicht aus ihrem Kopf bekam, war sie zu Lexi gefahren, wo sie sich ablenken wollte. Am Ende erzählte sie ihr die ganze Geschichte. »Da wären wir, blitzsauber und trocken.« Sie neigte den Kopf zu Fergus und atmete den süßlichen Geruch nach warmer Babyhaut und Puder ein. Zoe war dankbar gewesen, auf dem Laufenden gehalten zu werden, und Kelly sagte sich, dass allein das schon ihr Handeln rechtfertigte.

»Willst du über Nacht bleiben? Ich kann dir das Schlafsofa herrichten.«

Kelly hatte Lexis Haus schon immer gemocht. Es war eine schlichte Doppelhaushälfte aus rotem Backstein in einer Wohnsiedlung voller Autos und Mülltonnen in den Vorgärten, aber drinnen war es warm und gemütlich. Ein krasser Kontrast zu dem Zimmer, das in Elephant & Castle auf sie wartete. Daher war Kelly kurz versucht, die Einladung anzunehmen.

»Geht nicht. Ich treffe Zoe Walker morgen um acht in Covent Garden, also muss ich die letzte Bahn nehmen.« Sie hatte gehofft, dass Nick ihr erlaubte, Zoe allein zu treffen. Denn auf diese Weise wäre die Gefahr nicht so groß gewesen, dass der DI von dem Anruf erfuhr. Doch leider hatte Nick darauf bestanden, sie zu begleiten. Also konnte sie nur hoffen, dass Zoe nichts sagte.

»Ist es nicht – ich weiß nicht – ein Verstoß gegen eine Dienstanweisung oder so?«, fragte Lexi, die nicht vom Thema abzubringen war.

»Theoretisch ja, schätze ich.«

»Theoretisch? Kelly!«

Alfie drehte sich um, erschrocken über den scharfen Ton seiner Mutter, und Lexi küsste ihn zur Beruhigung. Dann senkte sie die Stimme und sah Kelly an. »Bist du lebensmüde? Jeder sollte meinen, dass du es auf deine Entlassung anlegst.«

»Ich habe das Richtige getan.«

»Nein, du hast getan, was du für das Richtige hältst. Das ist nicht immer ein und dasselbe.«

Zoe hatte als Treffpunkt ein Café gewählt, das Melissa’s Too hieß und sich in einer Seitenstraße nahe Covent Garden befand. Obwohl es noch früh war, herrschte im Café schon reger Betrieb, und bei dem Duft der Bacon-Sandwiches grummelte Kellys Bauch. Zoe saß an einem Fenstertisch. Sie sah müde aus und musste sich ihr Haar ungewaschen zu einem nachlässigen Zopf gebunden haben, was im Vergleich zu der gepflegten Frisur ihrer Begleiterin besonders schäbig wirkte.

»Sicher wird sich irgendwas ergeben«, sagte die Frau gerade, als Kelly und Nick eintrafen. Sie stand auf, um den Platz frei zu machen. »Mach dir keine allzu großen Sorgen.«

»Wir haben über meinen Lebensgefährten gesprochen«, erklärte Zoe, ohne dass Kelly oder Nick danach gefragt hätten. »Er ist entlassen worden.«

»Tut mir leid«, sagte Kelly. Vielleicht war das der Grund für Zoes offensichtliche Müdigkeit.

»Das ist meine Freundin Melissa. Ihr gehört das Café.«

Kelly reichte ihr die Hand. »PC Kelly Swift.«

»DI Rampello.«

Melissa merkte auf. »Rampello? Wo habe ich den Namen neulich schon mal gesehen?«

Nick lächelte höflich. »Weiß ich nicht, aber das Restaurant meiner Eltern in Clerkenwell hat denselben Namen. Vielleicht sind Sie zufällig dort vorbeigekommen.«

»Clerkenwell? Da machst du doch dein neues Café auf, oder?«, fragte Zoe.

»Ja, das muss es sein. Also, was kann ich Ihnen zu trinken bringen?« Melissa zog einen Notizblock aus der Brusttasche ihres dunkelblauen Blazers, nahm ihre Bestellungen auf und bestand darauf, sie alle persönlich zu bedienen – trotz der Schlange, die sich vom Tresen bis zur Tür erstreckte.

»Es ist etwas passiert«, sagte Zoe, nachdem Melissa ihre Kaffees gebracht hatte.

»Was meinen Sie?« Nick nippte an seinem Espresso und zog eine Grimasse, weil er sich die Zunge verbrüht hatte.

»Ich wurde verfolgt. Am Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit. Ich dachte, dass ich mir das einbilden würde, aber dann sah ich den Mann abends wieder. Ich stolperte, und er packte mich, bevor ich vor einen Zug stürzte.« Kelly und Nick wechselten einen Blick. »Ich hielt es für Zufall, aber dann am nächsten Tag – gestern – war er wieder da.«

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte Kelly.

Zoe nickte. »Er wollte mich auf einen Drink einladen. Natürlich habe ich abgelehnt. Ich dachte immer noch, dass es Zufall sein könnte, aber das war keiner, oder? Er wusste genau, wie ich fahre; er hat auf mich gewartet. Die Daten über mich muss er von der Website haben.« Sie blickte zu Kelly und errötete, während Kelly ihr stumm bedeutete, nichts mehr zu sagen. Verstohlen sah sie zu Nick, doch nichts an seiner Haltung verriet, dass er etwas vermutete.

»Hat der Mann Ihnen gesagt, wie er heißt?«, fragte Kelly.

»Luke Friedland. Ich könnte ihn beschreiben, falls das hilft.«

Kelly griff nach ihrer Aktentasche und holte die Papiere heraus, die sie brauchte. »Ich würde gerne eine Aussage aufnehmen, wenn das okay ist. Versuchen Sie, sich an so viele Einzelheiten wie möglich zu erinnern, was den Mann betrifft und die Strecke, die Sie gefahren sind. Uhrzeiten wären auch gut, sofern Sie die noch wissen.«

»Ich besorge Ihnen ein kleines Alarmgerät«, sagte Nick. »Das tragen Sie immer bei sich, und wenn irgendwas passiert, drücken Sie drauf. Unser Kontrollraum überwacht das Gerät rund um die Uhr und kann Sie darüber orten.«

»Glauben Sie, dass ich in Gefahr bin?«

Nick zögerte nicht: »Ich denke, das könnten Sie sein.«

»Sie haben es ihr erzählt.«

Es war keine Frage.

Sie waren unterwegs zur Old Gloucester Road, zu der Adresse, die ihnen die London Gazette gegeben hatte. Angeblich wohnte dort der Mann, der die Kleinanzeigen in Auftrag gegeben hatte. Nick fuhr und wechselte die Spuren mit einer Gewandtheit, die einzig jahrelanger Übung entspringen konnte. Kelly konnte ihn sich in Uniform vorstellen, wie er mit Blaulicht und Sirene die Oxford Street entlangdonnerte.

»Ja.«

Sie zuckte zusammen, als Nick die Hand auf die Hupe knallte, weil ein Radfahrer vor ihm bei Rot über die Ampel fuhr.

»Ich habe ausdrücklich gesagt, dass Sie Zoe Walker nicht über die Entwicklungen in diesem Fall informieren sollen. Welchen Teil der Anweisung haben Sie nicht verstanden?«

»Mir war nicht wohl bei der Entscheidung.«

»Mich interessiert einen feuchten Kehricht, ob Ihnen wohl bei irgendetwas ist, Kelly!« Sie bogen nach rechts in die Shaftesbury Avenue, wo ihnen ein Krankenwagen mit heulendem Martinshorn entgegenkam. »Wir haben es mit einer komplexen Ermittlung zu tun, mit mehreren Tätern, mehreren Opfern und weiß der Himmel wie vielen Zeugen. Es gibt Wichtigeres zu bedenken als Ihre oder Zoe Walkers Gefühlslage.«

»Für Zoe Walker nicht«, sagte Kelly leise.

Dann schwieg sie. Nach und nach hörte Nick auf, das Lenkrad zu umklammern, als könnte es jeden Moment wegfliegen, und das Pochen in Kellys Schläfen ebbte ab. Sie fragte sich, ob sie Nick tatsächlich dazu gebracht hatte, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken, oder ob er lediglich überlegte, wie er sie am besten aus dem Team kicken und zur BTP zurückschicken könnte.

Stattdessen wechselte er das Thema.

»Wie kommt es, dass Sie zur BTP und nicht zur Met gegangen sind?«, fragte er, als sie auf der A40 waren.

»Bei der Met wurde niemand eingestellt, und ich wollte in London bleiben. Ich habe hier Familie.«

»Eine Schwester, nicht wahr?«

»Ja. Meine Zwillingsschwester.«

»Es gibt zwei von Ihnen? Der Himmel sei uns gnädig!« Nick sah hinüber, und Kelly grinste, wenn auch weniger über den Scherz an sich. Es war eindeutig ein Friedensangebot.

»Was ist mit Ihnen? Sind Sie Londoner?«

»Waschechter. Allerdings bin ich auch Italiener in zweiter Generation. Meine Eltern sind Sizilianer. Sie kamen her, als Mum mit meinem großen Bruder schwanger war, und machten ein Restaurant in Clerkenwell auf.«

»Rampello’s«, sagte Kelly, die sich an das Gespräch mit Melissa erinnerte.

»De preciso.«

»Sprechen Sie fließend Italienisch?«

»Fließend kann man das nicht nennen – sehr zum Leidwesen meiner Mutter.« Da er an einer grünen Ampel von dem Fahrer vor ihnen aufgehalten wurde, der sich nicht entscheiden konnte, wohin er abbiegen wollte, hupte Nick zweimal kurz. »Meine Brüder und ich haben an den Wochenenden und nach der Schule im Restaurant gearbeitet, und sie schrie uns immer alle Anweisungen auf Italienisch zu. Ich weigerte mich zu antworten.«

»Warum?«

»Aus Trotz, schätze ich. Außerdem wusste ich damals schon, dass einer von uns das Restaurant übernehmen muss, wenn Mum und Dad in den Ruhestand gehen, und da wollte ich mich gleich aus dem Rennen nehmen. Ich habe mir immer gewünscht, zur Polizei zu gehen.«

»Ihre Eltern waren nicht begeistert?«

»Sie haben bei meiner Abschlussparade geweint. Und nicht vor Glück.«

Sie bogen in die Old Gloucester Road, und Kelly rief Google Maps auf ihrem Telefon auf, um nachzusehen, an welchem Ende Nummer 27 war. »Hier gibt es kaum Wohnhäuser – es muss wohl ein Loft oder so sein.«

»Oder es ist eine falsche Fährte«, sagte Nick grimmig, als er vor einem Chinarestaurant hielt. Nummer 27 war eingepfercht zwischen einem Waschsalon und einem mit Brettern vernagelten Wettbüro. »Ich denke, unsere Chancen stehen schlecht, hier Mr. James Stanford zu finden.«

Er holte das Fahrtenbuch aus dem Handschuhfach und legte es aufs Armaturenbrett. Das Polizeiwappen auf dem Einband genügte normalerweise, um die Politessen abzuschrecken.

Die Tür zu Nummer 27 war von einem Schmierfilm aus Straßenschmutz bedeckt. Hinter der Tür befand sich eine leere Eingangshalle mit rissigem, schmutzigem Fliesenboden. Es gab keinen Empfang, keine Türen oder Aufzüge, nur Reihen von Briefkästen, die alle drei Wände bedeckten.

»Sind Sie sicher, dass wir die richtige Adresse haben?«, fragte Kelly.

»Oh ja, die haben wir«, sagte Nick. »Wir werden hier nur nicht James Stanford finden.« Er zeigte auf ein Plakat an der Tür, dessen Ränder sich vom brüchigen Lack aufbogen.

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»Es ist eine Postannahme. Eine Postfachadresse, sonst nichts.« Er holte sein Telefon hervor, machte ein Foto von dem Plakat und sah sich die Briefkastenreihen an, die nach keinem erkennbaren Muster geordnet waren.

»Hier ist es.« Kelly hatte auf der anderen Seite angefangen. »James Stanford.« Sie zog hoffnungsvoll an dem kleinen Griff. »Abgeschlossen.«

Die Kreditkarte, mit der die Anzeigen bezahlt wurden, ist auch auf diese Adresse gemeldet«, sagte Nick. »Besorgen Sie uns eine Datenfreigabe, sowie wir wieder zurück sind, und finden Sie heraus, wer den Nachsendeauftrag gestellt hat. Wir werden an der Nase herumgeführt, und das gefällt mir nicht.«

Die Firma, die hinter der Postadresse in der Old Gloucester Road steckte, erwies sich als erstaunlich hilfsbereit. Sie wollten jeden Verschleierungsvorwurf vermeiden und waren sich bewusst, wie Kelly vermutete, dass sie bei ihren Überprüfungen mehr als schlampig gewesen waren. Daher gaben sie ihr alles, was sie über James Stanford hatten, ohne auf eine offizielle Anordnung zu warten.

Stanford hatte Kopien einer Kreditkartenabrechnung und einer Nebenkostenabrechnung vorgelegt. Zudem einen Führerschein, laut dem James Stanford ein Weißer war, geboren 1959. Alle drei Dokumente gaben Amersham als Wohnort an, eine Stadt in Buckinghamshire, am Ende der Metropolitan Line.

»Ich wette, die Hauspreise hier sind saftig«, bemerkte Nick, als sie an einer Reihe riesiger Einzelhäuser vorbeifuhren, die jeweils hinter wuchtigen Eisentoren standen.

»Soll ich das hiesige CID informieren?«, fragte Kelly und nahm schon ihr Telefon auf, um die Nummer zu suchen.

Nick schüttelte den Kopf. »Wir sind schon wieder weg, ehe die eintreffen. Sehen wir uns das Haus an. Falls niemand da ist, erkundigen wir uns diskret bei den Nachbarn.«

Das »Tudor House« in der Candlin Street war kein bisschen Tudor, woran auch die schwarzgestrichenen Möchtegern-Fachwerkbalken nichts änderten. Es war ein großer, moderner Bau und stand auf einem Grundstück, das Kelly auf rund viertausend Quadratmeter schätzte. Nick hielt vor dem Tor und suchte nach einer Klingel, aber das Tor schwang automatisch auf.

»Was nützt so ein Ding dann überhaupt?«, fragte Kelly.

»Reine Show, würde ich sagen. Mehr Geld als Verstand.«

Der Kies in der Einfahrt knirschte unter den Autoreifen, und Kelly sah nach irgendwelchen Anzeichen, dass jemand zu Hause war.

Sie parkten neben einem schimmernden grauen Range Rover, und Nick stieß einen Pfiff aus. »Sehr hübsch.«

Die Klingel hatte einen altmodischen Zugmechanismus, was nicht zum Haus passte, aber wohl zur Verstärkung des Antik-Looks diente, dem auch die falsche Tudor-Fassade geschuldet war. Alles, nur nicht billig wirken, dachte Kelly. Lange bevor das Bimmeln der Klingel drinnen verstummt war, hörten sie Schritte näher kommen. Nick und Kelly traten gleichzeitig ein Stück zurück, um Distanz zwischen sich und der Person zu schaffen, die ihnen öffnen würde. Es zahlte sich nie aus, sich auf Mutmaßungen zu verlassen, was die Reaktion anderer betraf. Auch nicht bei einem Haus wie diesem.

Die Tür ging auf, und eine gutaussehende Frau in den frühen Fünfzigern lächelte sie erwartungsvoll an. Sie trug einen schwarzen Samtjogginganzug und Hausschuhe. Kelly hielt ihr ihren Dienstausweis hin, und das Lächeln erstarb.

»Ist etwas passiert?« Unwillkürlich griff die Frau mit beiden Händen an ihren Hals. Diese Reaktion hatte Kelly schon Hunderte Male gesehen. Manche Leute bekamen beim Anblick einer Uniform sofort Angst, verhaftet zu werden. Diese Frau war keine von ihnen. Für sie bedeutete die Polizei, dass es einen Unfall oder Schlimmeres gab.

»Kein Grund zur Sorge«, sagte Kelly. »Wir haben nur einige Fragen, und wir sind auf der Suche nach einem Mr. James Stanford.«

»Das ist mein Mann. Er ist bei der Arbeit. Gibt es ein Problem?«

»Dürfen wir vielleicht reinkommen?«, fragte Kelly. Die Frau zögerte, ehe sie beiseitetrat und sie in eine große, geräumige Diele bat. Auf einem schmalen Dielentisch lag ein Stapel Post, und Kelly blickte zu dem Umschlag obenauf, als Mrs. Stanford voraus in die Küche ging.

Mr. J.T. Stanford.

Nick wirkte vollkommen gelassen und zeigte nichts von der Aufregung, die ihr selbst garantiert ins Gesicht geschrieben stand. Betrieb Stanford die Website von diesem Haus aus?

»James ist Unternehmensberater bei Kettering Kline«, sagte Mrs. Stanford. »Er trifft sich heute mit einem neuen Klienten in London und kommt leider erst spät nach Hause. Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Worum geht es denn?«

»Wir untersuchen eine Verbrechensserie«, sagte Nick. Kelly beobachtete die Frau aufmerksam. Wenn James Stanford ihr Mann war, wusste sie von irgendwas? Hatte sie eine Ahnung von den Anzeigen oder der Website?

Auf der Kommode standen einige gerahmte Fotos, die alle denselben Mann zeigten – als Kind, als Teenager, als junger Erwachsener. »Unser Sohn«, sagte Mrs. Stanford, die Kellys Blick bemerkte. »Was für Verbrechen? Sie denken doch sicher nicht, dass James etwas damit zu tun hat.«

»Nein, aber wir müssen ihn ausschließen können. Es wäre eine große Hilfe, wenn Sie uns einige Fragen beantworten.«

Mrs. Stanford schien unsicher, was sie tun sollte. Schließlich siegten ihre guten Manieren. »Setzen Sie sich lieber. Möchten Sie eine Tasse Tee?«

»Nein danke. Es dauert nicht lange.«

Sie setzten sich an einen großen Eichentisch. »Mrs. Stanford«, begann Nick, »Sie sagten, dass Ihr Mann Unternehmensberater ist. Geht er noch anderen Tätigkeiten nach?«

»Er leitet ein paar Spendenkomitees, aber geschäftlich nicht, nein.«

»Hatte er jemals mit Dating-Agenturen zu tun?«

Mrs. Stanford sah verwirrt aus. »Was meinen Sie?«

»Teure Service-Nummern«, erklärte Kelly. »Solche Sachen.« Sie schob Mrs. Stanford eine Kopie einer einzelnen Anzeige aus der London Gazette hin.

Wieder wanderte ihre Hand zu ihrem Hals. »Nein! Ich meine … o Gott, nein. Warum sollte er? Ich meine, wie kommen Sie darauf, dass er …« Sie sah entsetzt zwischen Kelly und Nick hin und her. Entweder war sie eine hervorragende Schauspielerin, oder sie wusste wirklich nichts von dem, was ihr Ehemann trieb. Hatte Stanford deshalb den anderen Briefkasten benutzt? Nicht, um sich vor der Polizei zu verstecken, sondern vor seiner Frau?

Kelly gab Mrs. Stanford den Rest der Akte. »Diese Dokumente wurden vor drei Monaten benutzt, um einen Briefkasten in der Old Gloucester Road zu mieten, bezahlt mit der Kreditkarte Ihres Mannes. Dieselben Dokumente wurden vorgelegt und die Kreditkarte belastet, um eine Reihe von Anzeigen in einer Londoner Zeitung zu schalten.«

»Anzeigen«, übernahm Nick, wobei er Mrs. Stanford direkt ansah, »von denen wir glauben, dass sie im Zusammenhang mit einer Serie von Verbrechen stehen, die gegen Frauen verübt wurden.«

Mrs. Stanford betrachtete die Dokumente sichtlich besorgt und zupfte an ihrer Halskette. Nick beobachtete, wie ihr Blick von links nach rechts wanderte und ihre Verwirrung gleich darauf echter Erleichterung wich.

»Das hat nichts mit meinem Mann zu tun«, sagte sie und lachte, als ihre Anspannung wich.

»James Stanford ist doch Ihr Mann, oder nicht?«, fragte Kelly.

»Oh ja«, antwortete Mrs. Stanford. »Aber das auf diesem Foto«, sie tippte auf die Führerscheinkopie, »ist nicht mein Mann.«