34
PC Swift ruft mich am Montagmorgen an.
»Wir haben den Mann verhaftet, mit dem Sie in Whitechapel gesprochen haben.«
»Luke Friedland?«
»Sein richtiger Name ist Luke Harris.« Sie schweigt lange genug, dass ich mich frage, warum er mich belogen hat. Dann kommt die Antwort auch schon: »Er gibt zu, Sie gestoßen zu haben. Wir haben ihn wegen versuchten Mordes verhaftet.«
Ich bin froh, dass ich bereits sitze, denn mir wird schwindlig. Ich greife nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher stumm. Justin dreht sich zu mir um, doch seine vorwurfsvolle Miene erstarrt, als er mein Gesicht sieht. Er blickt zu Simon und nickt in meine Richtung.
»Versuchter Mord?«, bringe ich mühsam heraus. Justin reißt die Augen weit auf. Simon streckt die Hand aus und berührt die einzige Partie von mir, die er erreichen kann: meine Füße zwischen uns auf dem Sofa. Im Fernsehen wird eine Neunjährige mit einem Oberschenkelbruch schnell einen Korridor hinuntergeschoben. Es läuft 24 Stunden in der Notaufnahme.
»Ich glaube nicht, dass wir das durchbekommen«, sagt PC Swift. »Um ihn wegen versuchten Mordes anzuklagen, müssen wir eine Tötungsabsicht nachweisen« – mir stockt der Atem, und sie ergänzt hastig –, »und er behauptet, dass er die nie hatte.«
»Glauben Sie ihm?« Versuchter Mord. Versuchter Mord, rast mir durch den Kopf. Wenn ich seine Einladung auf einen Drink angenommen hätte, hätte er mich dann umgebracht?
»Ja, das tue ich, Zoe. Es war nicht das erste Mal, dass er diese Technik benutzt hat, um mit einer Frau ins Gespräch zu kommen. Er … äh … dachte, Sie wären offener für eine Einladung, wenn Sie glaubten, dass er Ihnen das Leben gerettet hat.«
Ich kann gar nicht sagen, wie abstoßend ich es finde, dass jemand so denkt. Ich ziehe meine Füße unter mich, sodass Simons Hand wegrutscht. Im Moment möchte ich nicht angefasst werden. Von niemandem. »Was passiert mit ihm?«
PC Swift seufzt. »So ungern ich es sage, voraussichtlich nichts. Wir geben die Akte an die Staatsanwaltschaft weiter, damit die sie sich ansehen, und er wird mit der Auflage freigelassen, keinerlei Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Aber ich schätze, es wird nicht zur Anklage kommen.« Sie unterbricht kurz. »Ich dürfte Ihnen das nicht sagen, aber wir hatten ihn festgenommen, um ihn ein bisschen einzuschüchtern. In der Hoffnung, dass wir irgendwelche Informationen aus ihm herausbekommen können, die uns zum Website-Betreiber führen.«
»Und, haben Sie?«
Eigentlich weiß ich die Antwort schon.
»Nein, leider nicht.«
Nachdem sie aufgelegt hat, halte ich das Telefon weiter an mein Ohr gepresst, um den Moment hinauszuzögern, in dem ich meinem Lebensgefährten und meinem Sohn erklären muss, dass ein Mann in North London verhaftet wurde, weil er mich vor eine Bahn gestoßen hat.
Als ich es schließlich tue, reagiert Justin prompt, während Simon nicht zu begreifen scheint, was ich sage.
»Er hat gedacht, dass du mit ihm ausgehst, wenn er dich schubst?«
»Eine Art Technik hat PC Swift es genannt«, murmle ich. Ich bin wie betäubt, als würde dies hier jemand anderem passieren.
»Die verknacken Jugendliche, weil sie auf der Straße rumhängen, aber einen Typen, der tatsächlich gesteht, dass er versucht hat, jemanden umzubringen, lassen die laufen? Scheißbullen.«
»Justin, bitte. Ihnen sind die Hände gebunden.«
»Das sollten sie auch verdammt nochmal sein, und zwar an ein Bleirohr am Grund der Themse!«
Er verlässt das Zimmer, und ich höre seine schweren Schritte auf der Treppe. Simon sieht immer noch ratlos aus.
»Aber du bist nicht mit ihm ausgegangen, oder?«
»Nein!« Ich greife nach seiner Hand. »Er ist offensichtlich nicht ganz dicht.«
»Was ist, wenn er es wieder versucht?«
»Wird er nicht. Die Polizei lässt ihn nicht.« Ich sage es mit einer Sicherheit, die ich nicht empfinde. Denn wie können die ihn aufhalten? Und selbst wenn sie Luke Friedland – nein, Harris – stoppen, wie viele andere Männer haben meine Fahrzeiten heruntergeladen? Wie viele andere könnten auf dem Bahnsteig auf mich warten?
»Morgen komme ich mit dir zur Arbeit.«
»Du musst um halb zehn in Kensington-Olympia sein.« Simon hat ein Vorstellungsgespräch bei einer Wirtschaftszeitung. Er ist absurd überqualifiziert für den Job, der nur eine Anfängerstelle für Journalisten ist, aber immerhin ist es ein Job.
»Ich sage den Termin ab.«
»Das kannst du nicht! Ich komme schon klar. Ich rufe dich von Whitechapel an, bevor ich in die U-Bahn steige, und wieder, wenn ich aussteige. Bitte, sag nicht ab.«
Er sieht nicht überzeugt aus, und obwohl ich mich dafür hasse, streue ich Salz in seine Wunde. »Du brauchst diesen Job. Wir brauchen das Geld.«
Am nächsten Morgen gehen wir gemeinsam zur Bahn. Ich werfe eine Münze in Megans Gitarrenkoffer und ergreife Simons Hand. Er besteht darauf, mich in die S-Bahn zu setzen, bevor er seinen Zug nach Clapham nimmt, und ich bemerke, dass er sich auf dem Bahnsteig umsieht.
»Wonach suchst du?«
»Nach ihnen«, sagte er. »Männern.« Überall um uns herum sind Männer in dunklen Anzügen, wie unordentlich aufgestellte Dominosteine. Keiner von ihnen sieht mich an, und ich frage mich, ob es an Simon liegt. Tatsächlich fällt mir einer der Anzugträger mir gegenüber auf, sobald ich allein in der Bahn sitze. Er beobachtet mich, sieht weg, wenn ich ihn bemerke, und Sekunden später wieder hin.
»Kann ich Ihnen helfen?«, frage ich laut. Die Frau neben mir rückt etwas zur Seite und rafft ihren Rock, damit er mich nicht mehr berührt. Der Mann wird rot und blickt hinab zu seinen Füßen. Zwei Mädchen am anderen Ende des Wagens kichern. Ich bin zu einer der Verrückten in der Bahn geworden; zu einer jener Frauen, um die jeder lieber einen großen Bogen macht. An der nächsten Haltestelle steigt der Mann aus und sieht mich nicht nochmal an.
Bei der Arbeit fällt es mir zunehmend schwerer, mich zu konzentrieren. Ich fange an, die Website von Hallow&Reed zu aktualisieren, und stelle fest, dass ich dieselbe Immobilie dreimal reingestellt habe. Um halb elf kommt Graham aus seinem Büro. Er setzt sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch, der eigentlich für Kunden ist, wenn sie auf Exposés warten oder Verträge unterzeichnen. Stumm reicht Graham mir den Ausdruck einer Gewerbeobjektsbeschreibung, die ich morgens getippt hatte.
Diese gehobene Büroadresse bietet Konferenzräume, superschnelles Internet und einen professionellen Empfang.
Ich sehe das Blatt an und erkenne nicht, wo das Problem sein soll.
»Für 900 Pfund im Monat?«
»Ach du Schande, da habe ich eine Null weggelassen. Entschuldigung.« Ich will mich einloggen, um den Fehler zu berichtigen, aber Graham bremst mich.
»Das war nicht Ihr einziger Patzer heute, Zoe. Und gestern war es genauso schlimm.«
»Es ist ein schwieriger Monat, ich …«
»Und was neulich Abend im Wagen betrifft, muss ich Ihnen sicher nicht erklären, dass ich Ihre Reaktion extrem fand, von verletzend ganz zu schweigen.«
Ich werde rot. »Ich habe die Situation missverstanden, sonst nichts. Ich bin aufgewacht, und es war dunkel und …«
»Lassen wir das.« Graham sieht fast so beschämt aus, wie ich bin. »Hören Sie, es tut mir leid, aber ich kann Sie nicht hierhaben, wenn Sie nicht mit dem Kopf bei der Arbeit sind.«
Ich sehe ihn unglücklich an. Er darf mich nicht feuern. Nicht jetzt. Nicht solange Simon auch keine Arbeit hat.
Graham vermeidet es, mir in die Augen zu sehen. »Ich denke, Sie sollten sich einige Zeit freinehmen.«
»Mir geht es gut, ehrlich. Ich bin nur …«
»Ich verbuche es mal unter Stress«, sagt er, und ich frage mich, ob ich richtig gehört habe.
»Entlassen Sie mich?«
Graham steht auf. »Sollte ich?«
»Nein, es ist bloß – danke. Ich weiß das ehrlich zu schätzen.« Er errötet ein wenig, allerdings ist das auch seine einzige Reaktion auf meinen Dank. Das ist eine Seite an Graham Hallow, die ich bisher gar nicht kannte. Und gleich darauf übertrumpft das Geschäft wieder jedwedes Mitgefühl; Graham holt einen Stapel Belege und Rechnungen aus seinem Büro und stopft sie in eine Tragetasche.
»Dies hier können Sie von zu Hause aus machen. Die Mehrwertsteuer muss getrennt ausgewiesen werden. Rufen Sie mich an, falls irgendwas unklar ist.«
Ich danke ihm wieder und packe meine Sachen. Dann ziehe ich meinen Mantel an und hänge mir meine Tasche um, bevor ich zur U-Bahn gehe. Ich fühle mich unbeschwerter, weil ich mich jetzt zumindest um eine Sache weniger sorgen muss.
Ich biege von der Walbrook Street in die Cannon Street, als es einsetzt.
Ein Schauer, der mir über den Rücken läuft, und das Gefühl, beobachtet zu werden.
Ich drehe mich um, aber es ist zu viel los; überall um mich herum sind Leute. Niemand fällt mir besonders auf. Ich warte an der Kreuzung und zwinge mich, nicht hinter mich zu sehen, obwohl mein Nacken brennt, weil ich mir lauter starrende Augen vorstelle. Als die Ampel auf Grün springt, überqueren wir die Straße wie ein Schafherde, dicht zusammengedrängt, und auf der anderen Seite kann ich nicht umhin, mich nach einem Wolf umzublicken.
Niemand schenkt mir besondere Beachtung.
Ich rede mir das nur ein, genau wie heute Morgen bei dem Mann in der S-Bahn. Bei dem Jungen mit den Turnschuhen habe ich auch gedacht, er würde mir nachlaufen, dabei hat er mich wahrscheinlich nicht mal wahrgenommen. Die Website treibt mich an den Rand des Wahnsinns.
Ich muss mich dringend in den Griff bekommen.
Schnell gehe ich die erste Treppe hinauf, berühre das Metallgeländer nur ganz leicht und halte Schritt mit den Anzugträgern. Um mich herum beenden Leute ihre Telefonate.
Ich bin jetzt gerade im Bahnhof.
Jeden Moment könnte die Verbindung unterbrochen werden.
Ich rufe dich in zehn Minuten wieder an.
Ich hole mein Telefon heraus und schreibe eine Nachricht an Simon. Bin auf dem Weg nach Hause. Alles gut. Die zweite Treppe hinauf und ins Innere des Bahnhofs. Hier ändern sich die Geräusche der Schritte, hallen zwischen den Betonmauern. Meine sämtlichen Sinne sind in Alarmbereitschaft. Ich kann einzelne Schuhsohlen erkennen, die hinter mir auf den Betonboden aufsetzen. Absätze klackern laut und noch lauter, als sie mich überholen; das weiche Klöpfeln von Ballerinas; das Klacken von Stahl – die altmodischen Metallverstärkungen an Herrenschuhen. Er muss älter sein als ich, denke ich und lenke mich damit ab, mir auszumalen, wie er aussieht. Ein maßgeschneiderter Anzug und handgefertigte Schuhe, die einer längst vergangenen Zeit entspringen. Graues Haar. Teure Manschettenknöpfe. Er verfolgt mich nicht, sondern will nur nach Hause, wo seine Frau, der Hund und das Haus in den Cotswolds warten.
Das unangenehme Kribbeln im Nacken bleibt. Ich hole meine Oyster-Karte heraus, trete jedoch vor der Sperre zur Seite und stelle mich an die Wand mit dem U-Bahn-Plan. Die Sperren zwingen die Leute, sich in Einerreihen aufzustellen, und sie treten buchstäblich auf der Stelle, als hielten sie es nicht aus stillzustehen. Hin und wieder wird der Fluss von jemandem durchbrochen, der die Regeln nicht kennt, der sein Ticket nicht in der Hand hat und in seinen Jackentaschen oder in der Handtasche wühlt. Das wird jeweils mit unterdrückter Entrüstung quittiert, bis die Karte da ist und die Reihe sich weiterbewegen kann. Niemand achtet auf mich. Du redest dir das ein, sage mich mir und wiederhole es in der Hoffnung, dass mein Körper glaubt, was mein Kopf ihm sagt.
»Entschuldigung, dürfte ich kurz …?«
Ich gehe zur Seite, damit eine Frau mit einem Kleinkind auf die Karte hinter mir sehen kann. Ich muss nach Hause. Also wische ich mit meiner Oyster-Karte über den gelben Sensorkreis und gehe durch die Sperre, um von dort wie ferngesteuert zur District Line zu gehen. Ich steuere das Ende des Bahnsteigs an, die Stelle, an der die Wagentüren aufgehen werden, da fällt mir PC Swifts Rat ein: Setzen Sie sich nicht an dieselbe Stelle wie sonst. Machen Sie nicht alles so wie immer. Ich mache auf dem Absatz kehrt und gehe zurück in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Und jetzt bewegt sich etwas ganz am Rande meines Sichtfelds. Nein, nicht etwas. Jemand. Versteckt er sich? Will er nicht gesehen werden? Ich suche die Gesichter der Leute um mich herum ab. Keines von ihnen erkenne ich wieder, trotzdem kam mir etwas, das ich gesehen habe, bekannt vor. Könnte es Luke Friedland sein? Luke Harris, erinnere ich mich. Gegen Kaution freigelassen, unbeeindruckt von der Anweisung, sich von mir fernzuhalten?
Mein Atem geht schneller, und ich muss durch den Mund ausatmen, um ihn zu verlangsamen. Selbst wenn es Luke Harris ist, was kann er mir auf einem belebten Bahnsteig tun? Dennoch trete ich einen Schritt von der Kante zurück, als der Zug einfährt.
In Wagen fünf ist ein Platz frei, aber ich nehme die Einladung nicht an. Ich gehe lieber ganz nach hinten, von wo aus ich alles überblicken kann. Es sind mehrere Sitzplätze frei, aber ungefähr ein Dutzend Leute stehen, genau wie ich. Ein Mann hat mir den Rücken zugekehrt. Er trägt einen Regenmantel und einen Hut. Mehr kann ich nicht sehen, weil mir die Sicht versperrt ist. Wieder stellt sich dieses Gefühl ein, fast vertraut, aber mit einer unheimlichen Note. Ich hole meine Schlüssel aus der Tasche. Der Anhänger ist ein hölzernes »Z«, das Justin in der Schule für mich geschnitzt hat. Ich stecke die Hand in die Manteltasche, halte das »Z« fest in der Faust und schiebe den Hausschlüssel zwischen meinen Fingern hindurch, bis der gezackte Bart vorsteht – wie ein improvisierter Schlagring.
In Whitechapel verschwende ich keine Zeit. Ich warte an der Tür, als die Bahn langsamer wird, hämmere ungeduldig auf den Knopf ein, noch ehe er überhaupt zu leuchten anfängt, und schlängle mich zwischen Leuten hindurch, denen es völlig egal ist, solange ich nicht dafür sorge, dass sie sich verspäten. Ich achte auf laufenden Schritte, aber da sind nur meine zu hören, die mit jedem keuchenden Atemzug auf dem Boden aufschlagen.
Ich schaffe es auf meinen Bahnsteig, als gerade die S-Bahn einfährt, und springe sofort hinein. Meine Atmung wird langsamer. Es sind nur eine Hand voll Leute in dem Wagen, und an ihnen ist nichts Unheimliches: zwei junge, mit Einkaufstüten beladene Frauen, ein Mann, der einen Fernseher in einer alten Ikea-Tasche mit sich herumschleppt, und eine Frau in den Zwanzigern, die mit ihrem iPhone verkabelt ist. Als wir Crystal Palace erreichen, ist der Griff um mein Schlüsselbund in der Tasche gelockert, und die Anspannung in meinem Brustkorb lässt langsam nach.
Sie kehrt zurück, sowie ich den Bahnsteig betrete, und diesmal täusche ich mich nicht. Jemand beobachtet mich, folgt mir. Ich gehe auf den Ausgang zu und weiß es – weiß es einfach –, dass jemand aus dem Wagen neben meinem gestiegen ist und hinter mir hergeht. Ich drehe mich nicht um. Das kann ich nicht. Stattdessen umklammerte ich den Schlüssel in meiner Tasche aufs Neue und schiebe ihn zwischen meine Finger. Ich gehe schneller, bis ich schließlich jedes Vortäuschen von Gelassenheit aufgebe und renne, als würde es um mein Leben gehen. Denn in diesem Moment denke ich, dass es das tut. Mein Atem geht flach, dennoch wird jeder Zug zu einem stechenden Schmerz in meiner Brust. Ich höre Schritte hinter mir; sie laufen ebenfalls. Leder auf Estrich. Hart und schnell.
Ich remple ein Paar an, das sich verabschiedet, und höre wütende Rufe hinter mir. Jetzt sehe ich den Ausgang, wo die Bahnhofsmauern den dunkler werdenden Himmel einrahmen. Ich laufe noch schneller und wundere mich, dass keiner schreit – niemand macht irgendwas. Natürlich. Sie ahnen ja nicht mal, dass etwas nicht stimmt.
Vor mir sehe ich Megan. Sie blickt in meine Richtung, und das Lächeln auf ihrem Gesicht gefriert. Sie unterbricht ihr Spiel, sagt etwas zu mir, aber das höre ich nicht. Ich bleibe nicht stehen, sondern renne weiter und reiße dabei meine Handtasche auf, um drinnen nach dem Alarmgerät von der Polizei zu wühlen. Ich verfluche mich, dass ich es nicht in meiner Manteltasche oder an meine Kleidung geklemmt trage, wie Kelly Swift empfohlen hat. Schließlich finde ich es und drücke in die beiden Vertiefungen an der Seite. Falls es funktioniert, verbindet sich das Gerät jetzt mit meinem Telefon, das den Notruf wählt.
Laute Rufe ertönen hinter mir, gefolgt von einem Knall und einem Aufschrei. Jetzt drehe ich mich doch um, bin aber immer noch bereit, jederzeit wieder loszurennen. Trotzdem fühle ich mich ein bisschen sicherer, da ich weiß, dass jetzt die Polizeizentrale alles mithört und bereits einem Streifenwagen meine GPS-Daten durchgegeben hat, sodass sie auf dem Weg zu mir sind.
Als ich es sehe, erstarre ich.
Megan ist über einen Mann in Regenmantel und Hut gebeugt. Ihr Gitarrenkoffer, der sonst neben ihr liegt, ist unter ihm, und die Münzen sind auf dem Pflaster verstreut.
»Sie haben mir ein Bein gestellt!«, schimpft der Mann, und ich gehe langsam zurück.
»Alles okay mit dir?«, ruft Megan mir zu, nur kann ich nicht aufhören, den Mann auf dem Boden anzustarren, der sich aufsetzt und den Schmutz von seinen Knien klopft.
»Sie?«, sage ich. »Was machen Sie denn da unten?«