ZWANZIG

»Dort unten«, sagte Moon, als der Hubschrauber dicht über dem Wald schwebte. »Sind sie das?«

Victor flog mehr oder weniger auf die offene Tür zu, sofort hielt er sich irgendwo fest. Als er hinab in das dunkler werdende Tageslicht sah, entdeckte er den Snatch, den springenden Punkt ihrer Expedition, zusammengeschoben auf wenige Zentimeter.

»Fuck!«, fluchte Victor. Moon holte durch seine Zähne Luft, als der Captain ihn fest am Arm packte. »Diese verdammten Arschlöcher!«

»Sind sie tot?«, fragte Randall von einem der hinteren Sitze aus. Er fühlte sich durch und durch so, als ob die Scheiße genau jetzt zu kochen anfing, und das Letzte, was er wollte, war, zu Fuß weiter zu müssen.

»Wenn nicht«, sagte Victor, der sich gerade auf den Weg zum Cockpit machte, »werden sie es ziemlich sicher bald sein.«

Kyle überraschte es wenig, dass der Kopf des Captains in seinem Sichtfeld auftauchte. Der gecrashte Jeep bei der Böschung hatte ihn schon ziemlich angepisst. Was Kyle gefiel, war, dass es kein Anzeichen der Gruppe gab und auch keines von Verletzten rund um das Fahrzeug.

Sie haben überlebt.

»Bring uns runter«, befahl Victor, es klang so, als ob er kurz davorstand, jemanden zu erschießen – womöglich Kyle – nur um einen loszuwerden.

»Die sind nicht da«, versuchte Kyle ihm zu erklären. »Ich habe schon beim ersten Vorbeiflug keine Anzeichen von ihnen gesehen.«

»Hast du bei diesem ersten Überflug irgendwelche Spuren entdeckt?«

Kyle schüttelte den Kopf. Hatte er nicht, selbst wenn, würde er es für sich behalten.

»Schaff uns jetzt runter. Wir müssen herausfinden, welchen Weg sie eingeschlagen haben.«

»Warten Sie«, sagte Kyle, obwohl er bereits dabei war, tiefer zu fliegen. »Der Jeep ist ja im Arsch. Warum also runter? Warum fliegen wir nicht einfach retour?«

Hände, zwei davon, packten Kyle von hinten am Hals. »Die haben mein verfluchtes Fahrzeug zerstört«, zischte Victor. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie verdammt wichtig dieser Jeep war? Natürlich nicht, und weißt du, warum du das nicht hast? Weil du davon nicht in Kenntnis gesetzt wurdest, das ist der Grund. Das war mein Ticket von diesem verdammten Ort wegzukommen. Denkst du etwa, ich würde für immer die Ärsche waschen und irgendwelche verfluchten Mäuler stopfen? Keinesfalls. Ich wollte meine Zeit abwarten und von hier abhauen, und ihr könnt euch wieder in eure beschissene Höhle oder wohin auch immer zurückziehen.«

Nun, das sagte Kyle alles. Ihm war bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor dieser Militärtyp sich alleine aufmachte, hatte aber nicht angenommen, dass dies so bald geschehen würde.

»Wenn dieser Helikopter in nicht weniger als drei Minuten den Schnee berührt«, drohte Victor, »solltest du besser anfangen, deinen Grabstein zu beschriften.«

Kyle war zwar ein Zocker, aber er wollte seine Chancen hier nicht verspielen.

Er zog den Vogel nach unten.


***

Jegliche Spur von den Deserteuren war verschwunden, so stark war der Schnellfall am Nachmittag gewesen. Victor war verärgert, auch wenn er immer noch dachte, es gäbe eine Chance, den Jeep irgendwie startklar machen zu können.

»Die können überall hin sein!«, knurrte er, als er den Schnee von der einen bis zu der anderen Seite musterte. Ein Auge ruhte immer noch auf dem verstümmelten Jeep, der unten bei der Böschung lag. Selbst dieser war schon halb mit Schnee bedeckt, weshalb es so aussah, als würde er gerade auftauchen und nicht darin versinken.

»Sie müssen wohl dort lang sein«, meinte Moon und deutete östlich die Straße entlang. »Wenn sie wieder retour wären, hätten wir sie gesehen; und es wäre doch sinnlos, wenn sie nur paar Kilometer nach Sa … Sand …« er kämpfte mit dem Schild am Straßenrand, nicht weil es schneebedeckt war, sondern weil er es noch nie zuvor gelesen hatte. Nicht weil er dumm war – zumindest nicht im herkömmlichen Sinn –, sich aber immer einredete, dass man mit Lesen nicht weit kommen würde, dass es einen schwul aussehen ließ, wenn man den ganzen Tag mit seinem Kopf in einem Buch steckte.

Im Augenblick wünschte er sich, dass ihm keine Aufmerksamkeit zuteilwurde, weil er sich wie ein kompletter Idiot fühlte, hier zu stehen und etwas wie der beschissene Rain Man vor sich hin zu murmeln.

»Sandown!«, beendete Randall das Wort, als er neben das Schild trat.

Moon verspürte Erleichterung wegen der perfekt getimten Unterbrechung, aber er wollte auch so laut er konnte brüllen: »Ich bin kein verdammter Zurückgebliebener! Und ich bin nicht verflucht dämlich!«

»Dann auf nach Sandown«, sagte Victor, er biss fest auf seine Zigarre. »Irgendein Scheißkerl wird dafür bezahlen, und diese elenden Hundesöhne hätten in der verdammten Nacht nicht abhauen sollen, zumindest nicht so.«

David Moon versuchte immer noch, die Buchstaben zusammenzusetzen, dabei sagte er: »Also gehen wir nach ähm, lassen wir sie verflucht noch mal bezahlen dafür?« Es war eine rein rhetorische Frage. Victor wusste es, weswegen er keine Antwort darauf gab.

»Dann los!«, befahl der Captain. Es begann dunkel zu werden; dies war der merkwürdige, düstere Teil des Tages, der einen plötzlich grundlos depressiv machte, obwohl Victor sicherlich auch seinen Teil dazu …

»Ich muss mal pissen«, sagte Randall. Er ging um den Helikopter herum, zu der Böschung und somit aus dem Sichtfeld.

»Jetzt beeil dich, verdammt noch mal«, drängte Victor. »Du lässt deinen Schwanz zu lange für dieses Wetter heraushängen, und bevor du dich versiehst, wird er schwarz und bricht dir ab.«

Moon lachte; Kyle nicht.

»Was ist nur los mit dir, du elender Bastard?«, fragte Moon den Piloten. »Wird sich noch alles zum Guten für dich wenden. Sind nur deine Freunde, denen es anders ergehen wird. Sei nur froh, dass du nicht mit denen mitgegangen bist.«

Das war das Gute daran. Er hatte von der Flucht überhaupt nichts gewusst. Shane und er hatten zwar oftmals miteinander abgehangen; Shane hatte aber nie etwas davon erwähnt.

Wäre Kyle mitgegangen, wenn sie ihn gefragt hätten? Möglicherweise. Obwohl das auch aus ihm ein Ziel gemacht hätte und genau jetzt war er es, der zwischen den guten und den bösen Jungs stand.

Nicht, dass er sich sehr dagegen gewehrt hätte.

Der Gedanke hinterließ einen bitteren Beigeschmack in seinem Mund, obwohl dieser nicht so bitter wie das jetzige Vorgehen war.

Plötzlich war ein Schrei zu hören, ein markerschütterndes Brüllen von der Böschung her. Moon zog sein Gewehr hoch und starrte Victor an.

Randall? Er musste das gewesen sein.

»Geh und sieh nach«, befahl Victor. »Wenn dort etwas ist, gib ihm keine Chance.«

Moon war ein großer Kerl; der größte im Lager, obwohl einige Männer fast an seine Größe herankamen. Größe spielte in diesem Moment keine Rolle. Er war verängstigt. Der Schrei ertönte erneut und diesmal klang er näher.

Victor Lord war dabei, wieder in den Helikopter zu steigen. Wenn Feigheit einen Namen brauchte, dann den von Victor Lord.

Der Schrei endete abrupt, vielleicht durch die Gestalt von Moon, als dieser den Straßenrand erreichte und hinunter sah. Etwas war geschehen – das Blut war Beweis genug –, aber Moon konnte nicht erkennen, wohin Randall verschwunden war.

»Er ist weg«, plärrte Moon zum Helikopter. Er drehte sich um und rief nach seinem Kameraden, hoffte auf eine Antwort, auf irgendetwas

»Du«, sagte Victor, während er mit seiner 45er auf Kyle »Flyboy« Poulson deutete. »Wir ziehen los.«

Genau dann fühlte Kyle etwas, dass weder etwas mit der Waffe in seinem Gesicht noch mit seiner Angst zu tun hatte. Er war im Begriff, etwas zu tun, weshalb er vielleicht getötet werden würde, aber war das wirklich schlimmer, als nichts zu tun?

»Fliegen Sie ihren verfluchten Helikopter doch selbst«, schnappte Kyle. Selbst als die Worte über seine Lippen kamen, versuchte sein Verstand immer noch herauszufinden, ob das so eine tolle Idee war. Der Captain blickte auf, dabei klappte ihm seine Kinnlade herunter. Kyle wusste nun ziemlich genau, was folgen würde.

»Du wirst das jetzt tun, genau jetzt«, blaffte Victor. Der Schock war im Gesicht des Piloten zu erkennen. »Ich werde nicht zögern, dich abzuknallen.«

Kyle wollte gerade etwas erwidern, als er die Pistole ganz nah an sich spürte, doch dann wurde er von irgendetwas Hartem auf den Boden geschleudert.

Zuerst glaubte er, es wäre ein Pferd; da waren definitiv Beine, und Kyle war sich ziemlich sicher. Er konnte warmen Atem in seinem Nacken spüren, bevor er stürzte. Als er im Schnee aufschlug, wurde sein Arsch einige Male von Hufen getreten, woraufhin er sich dann aber schnell darüber klar wurde, dass diese keinem Pferd gehörten.

Es war ein Hirsch.

Er konnte seinen Kopf sehen, darauf das blutige Geweih.

Er konnte auch den aus seinem Maul hängenden Kopf sehen – mit den weit aufgerissenen Augen eines Soldaten, der zur falschen Zeit pissen gegangen war …

Er hörte Victor schreien, doch Kyle konnte nichts verstehen, da seine Ohren voll mit eiskaltem Schnee waren. Er bekam einen weiteren Tritt – diesmal seitlich gegen seinen Kopf – und das war alles, woran er sich erinnern konnte.

Das und den Klang eines Schusses, der abgefeuert wurde.

Als er in die Bewusstlosigkeit glitt, versuchte er sich zu erinnern, ob er jemals etwas über Hirsche gelesen hatte, die sich in Teufel verwandelten.

Bambi war eine komplett andere Geschichte, denn dieser Titelheld hier entwickelte eine Vorliebe für Menschenfleisch.


***

Viele der Überlebenden drängten sich in der Dunkelheit zusammen. Ein paar von ihnen – meistens Frauen – schluchzten leise in sich hinein oder versuchten ihre Kinder zu trösten. Vor ihnen stand ein Mann, der versuchte, alle zu beruhigen: Josef Abelowicz. Er war zwar klein, hatte aber ein so ein lautes Organ, mit dem er durchaus Fensterscheiben zum Bersten bringen konnte, wenn er nicht aufpasste.

»Meine Damen, und alle anderen, bitte, beruhigen Sie sich. Alles kommt wieder in Ordnung. Jemand wird das Licht wieder einschalten.«

Obwohl es nicht nur die Lichter waren, oder? Die Heizung war ebenfalls ausgefallen. Die Temperatur fiel bereits, trotz der heißen Luft, die durch all die Panik entstanden war.

Maggie Cox zündete sich eine Zigarette an und stellte sich zu Josef. Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hätten sie ein nettes Pärchen abgegeben – die Art von Paar, welches man gerne zu einem Thanksgiving-Dinner eingeladen hätte –, aber genau jetzt war das nicht der Fall.

Verwitwet zu sein, machte aus einem kein Ziel für jeden faltigen Bock über 65, etwas wofür Maggie sehr dankbar war.

»Kennt sich jemand mit Motoren aus?«, kreischte Maggie, blauer Rauch wich aus ihrer Nase, als ob ihre Seele gerade entkommen wollte. Als niemand darauf antwortete, fügte sie hinzu: »Weiß jemand, wie man solche Scheißdinger eigentlich repariert?«

»Diese Generatoren da unten sind keine Mitnahmemöbel von IKEA«, erklärte eine Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes. Maggie erkannte den Sprecher und war wenig überrascht, dass es Freddie Dewson war, der dort mit verschränkten Armen stand; der Allwissende; die Art von Mann, der von sich behauptete, alles zu können, aber vorher nach Hause lief, um alles bei Wikipedia nachzulesen.

»Dessen bin ich mir bewusst«, sagte Maggie, sie versuchte, keine Diskussion mit ihm anzufangen. »Aber seit unser offizieller Generatoren-Reparateur nicht mehr unter uns ist, müssen wir uns mit dem begnügen, was wir bekommen können.«

»Ich würde mal einen Blick darauf werfen«, meinte Freddie. Er zog eine Taschenlampe von irgendwoher – aus seinem Arsch, dachte Maggie – und knipste sie an. »Aber ich kann nicht versprechen, dass es mir gelingen wird.«

Maggie glaubte nicht, dass er es zustande bringen würde; sie sah ihn so, wie er war: ein Hansdampf, der überall dabei, aber ein Meister in nichts war. Dennoch war er der Einzige, der sich anbot, einen Blick darauf zu werfen, und so war es angebracht, höflich zu ihm zu sein.

»Das würden wir sehr zu schätzen wissen, Freddie«, sagte sie. Ein paar stimmten ihr zu und Freddie Dewsons Ausdruck veränderte sich. Aus ihm wurde der neue Held, derjenige, der jeden wieder glücklich machen konnte, oder etwas in dieser Richtung.

»Ich bin in ein paar Minuten wieder da«, sagte er. Er ging mit seiner Taschenlampe durch den Raum, leuchtete damit in jedes Gesicht, als ob er versuchte, irgendwen bei irgendetwas zu erwischen.

»Sollte es mir nicht gelingen, die Dinger anzubekommen, dann sollten besser mehr Decken aufgetrieben werden. Es wird noch viel kälter hier werden.«

Hier gab es keine weiteren Decken; die Soldaten hatten bereits das ganze Areal abgesucht. Alles, was wärmen konnte, war bereits in der Haupthalle. Doch niemand sagte etwas zu Freddie. Er war ihr Retter.

Als er aus der Tür schlüpfte, angeführt vom Strahl seiner Taschenlampe, wandte sich Maggie an Susie Bloom und klopfte ihr sanft auf den Arm. »Wir tun das Richtige«, sagte sie. »Wenn wir es erwähnt hätten, würden sie ihn genau jetzt losbinden.«

Susie nickte. Es fühlte sich dennoch nicht richtig an. »Ich weiß«, sagte sie, ihre Augen strengten sich in der Dunkelheit an, damit sie die Gestalt der alten Frau besser ausmachen konnten. »Wir sollten herausfinden, was zu tun ist, wenn Victor wieder zurückkommt. Grundgütiger, er wird sicherlich nicht in der Stimmung sein, etwas zu vergeben und zu vergessen und es war offensichtlich, dass er Sie aus dem Weg haben wollte. Er wird uns nicht einfach so gehen lassen.«

Maggie zuckte mit den Schultern, worauf ihre Silhouette sichtbarer wurde. »Scheiß auf ihn und auf das, was er wird«, spuckte sie, was kaum mehr als ein Flüstern war. »Er wird mich schon nicht vor all diesen Menschen umbringen. Das Beste, was ich tun kann, ist, so nahe wie möglich bei Ihnen zu bleiben.«

»Um auf Nummer sicher zu gehen?«, fragte Susie.

»Genau.«

Das war das Beste, was sie alle tun konnten.


***

Keineswegs, äh-äh, nicht dieser Typ. Es gab keine andere Möglichkeit für ihn, als wie ein beschissener Plumpudding dazusitzen. Wenn Victor wieder zurückkehrte und ihn so auffände, würde ihm sofort klar werden, dass er falsch damit gelegen hatte, ihm diese Aufgabe anzuvertrauen. Daraufhin müssten Köpfe rollen und einer davon wäre seiner. Da musste er nicht lange überlegen.

Sein Gesicht schmerzte schrecklich; es fühlte sich an, als brenne es, was angesichts der Situation, die Schuld daran war, äußerst ironisch war.

Wenn er nur freikommen konnte, es ihm irgendwie gelänge, sich mit seinen Armen aus den Fesseln zu befreien, dann würde alles wieder gut werden.

Er wusste etwas, was sie alle nicht wussten. Etwas, bei dem sie sich wünschen würden, ihn nicht so beschissen behandelt zu haben.

Als er sich nach vorne beugte, zog sich die Qual durch sein Gesicht, unerbittlich. Er zuckte zusammen und spuckte Blut. Dann schaukelte er hin und her, hoffte, dass er so irgendwie mit dem Stuhl umstürzen und dann entkommen konnte.

Nichts half. Er wiegte sich nur kurz vor und wieder zurück. Es kostete ihn alles, was allerdings nicht ausreichte.

In der Dunkelheit machte er eine Stimme aus, murmelte jemand zu sich selbst? Ein Strahl einer Taschenlampe schwebte entlang der Wand, aber dann war er weg. Von wem auch immer er stammte, derjenige hatte beschlossen, nicht diesen Weg einzuschlagen. Sein Verstand geriet in Panik und für den Bruchteil einer Sekunde erwog er, um Hilfe zu schreien. Nachdem die Gelegenheit verstrichen war, erkannte er, wie schlimm das wohl gewesen wäre.

Er hatte versucht, die alte Schachtel Maggie zu töten. Sie wäre dann wieder in das Lager zurück, hätte dort herumgeschrien und die Wahrheit ein wenig ausgeschmückt, so wie es ihre Art war. Danach würde er nicht mehr mit Respekt behandelt werden. Lynchen wäre dann wohl eher an der Tagesordnung.

Er wartete, bis der mysteriöse Herumschleicher endgültig fort war, bevor er alles gab. Diesmal gelang es ihm, einen Fuß freizubekommen; die Fessel rund um seine Knöchel wurde locker und so rutschte sie weiter hinab und über seine Füße und fiel zu Boden.

Ha, ihr beschissenen Arschlöcher. Es kommt, und ihr habt keine Ahnung …

Er wippte nun mit einem freien Bein und stemmte es gegen die Wand. Es folgte ein hohles Dong! Er fragte sich, ob er, wenn er sich nochmals gegen die Wand stemmte, den Stuhl kippen konnte oder ob er einfach nur durch die Gipswand treten würde.

Wäre doch perfekt, dachte er. Mit einem Fuß in der Wand festzustecken, würde Victor erfreuen.

Glücklicherweise lief es so ab, wie er es sich ausgemalt hatte. Unter ihm knarrte der Stuhl, dann fiel er damit um. Er hoffte, dass er mit seinem Kopf nicht zu hart den Boden knallen und daraufhin wieder bewusstlos werden würde. Er grunzte, als er aufschlug; einer seiner Arme knackte, die Fesseln an den Handgelenken hielten weitaus besser als die an den Beinen. Er verhielt sich leise. Das wäre einfach nur dumm gewesen. Wenn der Arm gebrochen war, dann war er das eben, und in ein paar Minuten wäre er hier weg und konnte dann seinen Angelegenheiten nachgehen.

In Freiheit könnte er dann seine Wut an der alten Schlampe und ihrer Freundin auslassen.

Der Geschmack von Eisen in seinem Mund, als er sich über die Lippen leckte, stellte ihn vor folgende Frage: War es denn so schlimm, einer von ihnen zu sein?

Die Antwort würde mit der Zeit kommen.