SIEBEN
Es war gegen fünf Uhr morgens, als die Kacke zu dampfen anfing. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen, weshalb sie sich eine geistige Notiz zum Nachschlagen machte.
Vier von denen schleiften ihre toten Kadaver über das Feld. Sie wusste, dass sie durch sie hindurch musste. Es gab keine andere Möglichkeit. Wenn sie nach Hause wollte, um noch etwas Schlaf zu finden, und das, bevor die Sonne aufging, dann musste sie sie erledigen. Sich auf ein Wartespielchen einzulassen, war nichts, was ihr zusagte, während die Körper voller Maden näher kamen. Hinzu kam, dass sie schon sehr schlapp war. Ihr Bett rief nach ihr und der schnellste Weg dorthin war eben dieser.
Sie sprang über einen gerade mal einen Meter hohen Zaun, der aber dennoch eine Herausforderung für jemanden in ihrer Größe darstellte. Nachdem sie ihre Machete gezogen hatte, fielen ihr im Mondlicht Überreste auf der Klinge auf, allerdings gab es jetzt keine Zeit, diese zu entfernen.
Später vielleicht, dachte sie.
Sie ging über das Feld und versuchte, so nahe wie möglich am Zaun zu bleiben.
Drei Männer, eine Frau. Die Frau – besser gesagt Zombie-Frau –, fiel um, vergrub sich selbst im langen Gras, bevor sie einen Moment später wieder hochschnellte. Unter anderen Umständen wäre dem zuzusehen recht unterhaltsam gewesen. Obwohl, wenn man müde war und nur auf die weiche Matratze fallen möchte, um seine Augen zu schließen, stellt so etwas eher ein Ärgernis als alles andere dar.
Sie nahm vom Zaun etwas Abstand, nur um sicherzugehen.
Bett, Bett, Bett …
Zwei von ihnen schienen miteinander zu kommunizieren. Nicht mit Worten oder etwas Vergleichbarem, dennoch auf eine Art und Weise, von der sie sich fragte, wie weit diese Kommunikation wohl reichen mochte. Falls es überhaupt eine war.
Das alles war nur Theorie. Sie würde ihr Gespräch unterbrechen, indem sie die beiden mit ihrer Klinge zweiteilte.
Sie rannte los, dabei prallte ihr der Sack voller Lebensmittel ständig gegen das Schienbein. Als sie nahe genug war, warf sie diesen beiseite und stürzte sich auf die erste Kreatur.
Diese hatte keine Ahnung, von was sie getroffen wurde, was sie aber auch niemals herausfinden sollte. Ihr Kopf wirbelte durch die Luft, schwarzer Schleim sprudelte aus dem Halsstumpf. Wo der Kopf landete, wusste sie nicht, und sie wollte auch gar nicht nachsehen, schließlich hätten sich ja Ohrringe daran befinden können.
Als ob die anderen wussten, was los war – was sie in ihrem Glauben nur bestärkte, das denen offensichtlich sehr bewusst war, was soeben vor sich ging –, sahen sich die beiden Kreaturen an. Die eine, die in der Polizeiuniform und mit einem Schnurrbart – der in den 70er Jahren noch modern war – grunzte der anderen zu. Daraufhin schlurften beide mit nach vorne greifenden Händen auf sie zu, so als ob sie das beschleunigen würde.
Sie taumelte ein paar Meter zurück, behielt dabei die Frau im Auge, die zehn Meter vor ihr war und das Angebot von Frischfleisch nicht ausschlagen wollte.
Sie konnte das Haus auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes bereits ausmachen. Es schien einladend, im Moment jedoch war es unmöglich, dorthin zu kommen.
Sie hob ihre Machete. Bis jetzt war sie sich dessen Gewicht gar nicht bewusst gewesen. Vielleicht lag das an den vorigen Kämpfen. Nächste geistige Notiz: Das nächste Mal leichtere Waffen mitnehmen. Sie sprang auf die Untoten zu.
Der größte Fehler ihres Lebens.
Sie schienen zu spüren, dass sie zahlenmäßig überlegen waren, denn beide schlurften gleichzeitig auf sie zu. Sofort erkannte sie, wie dumm das gewesen war, und schaffte es gerade noch rechtzeitig, ihren plötzlichen Tod zu verhindern.
Der Polizei-Zombie packte ihr Handgelenk und krallte sich an ihrem Mantel fest, ein Versuch durchzudringen und sie irgendwie zu infizieren. Sie trieb ihm die Machete in die Leistengegend, woraufhin dieser grunzend zu Boden ging. Als sie ihre Waffe herauszog, war ein fleischiges Schmatzen zu hören und sie drehte sich zur rechten Seite, wo die zweite Kreatur auftauchte. Diese versuchte nach ihrer Schulter zu schnappen, um darin ihre verfärbten Zähne versenken zu können. Tintenfarbiger Schaum quoll aus deren Mund. Sie hielt die zweite Kreatur so lange auf Abstand – und nur so lange! –, bis sie die Machete bis zum Griff durch sie hindurchgestoßen hatte. Darauf war ein Knirschen zu hören, ein weiteres grausiges Geräusch, während sich die Klinge durch die Kehle des Monsters schnitt.
Das weibliche Ding kam näher.
Sie schrie auf, als es mit schleimtriefenden Zähnen nach ihr schnappte. Sie konnte deren Atem riechen – was vermutlich daran lag, dass dieses Ding schon seit geraumer Zeit tot war. Wäre ihr die Zeit zum Kotzen geblieben, hätte sie es getan.
Gerade noch rechtzeitig bewerkstelligte sie es, sich aufzuraffen und den Polizei-Zombie zu erledigen. Sie stieß sich springend vom Boden ab und trieb die Machete durch dessen Schädel. Allerdings blieb er für den Bruchteil einer Sekunde stehen – in einem Stück –, bevor sowohl seine linke als auch rechte Hälfte getrennt im Gras landeten, woraufhin ein schwarzer Geysir ausbrach. Ihr blieb keine Zeit, diesen Tod zu feiern, da schon die nächste Kreatur da war und sie schmerzhaft an der Gurgel packte.
Lass dich bloß nicht kratzen …
Sie schwang die Machete in deren Richtung und diese fand ihr Ziel. Die Klinge traf auf Widerstand, allerdings nur kurz, da sie die Beine in Scheiben schnitt. Das Ding geriet aus dem Gleichgewicht, rutschte weg und lockerte deswegen den Griff. Jetzt musste sie rasch handeln, soviel war klar.
Sie setzte dem ein Ende, noch bevor das Ding auf den Boden traf. Die gute alte Enthauptung funktionierte noch jedes Mal. Der Kopf flog weg und zog dabei eine Blutspur hinter sich her.
Sie rang nach Luft, von der es irgendwie keine zu geben schien. Stattdessen roch es nur nach Tod und Verwesung.
Keine Zeit für Panik, eigentlich für nichts …
Die Frau war nur noch wenige Meter entfernt, jetzt wurde ersichtlich, warum es diesem Ding so schwergefallen war, sich auf den Beinen zu halten.
Es besaß nur noch eines; das andere war weg, abgerissen, vermutlich von einem anderen dieser Monster. Der Stumpf war von einem Netzstrumpf umgeben, Fäden hingen herab und Blut und verflucht …
Sie konnte praktisch ihr Bett rufen hören. Sollte sie nicht unterlegen sein wollen, musste sie jetzt klug handeln. Männlich oder weiblich, was machte das schon für einen Unterschied? Sie waren gleich stark und hatten nur ein Ziel: Tod. Das Leben verschlingen.
Die einbeinige Frau schleppte sich nach vorne. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, kaum noch sichtbar. Wäre da kein Mondlicht gewesen, hätte die Frau augenlos ausgesehen.
Als sie ihre Machete anhob und die Luft anhielt – zumindest für die Dauer des Kampfes –, griff sie an, hoffte dabei, die Kreatur mit einem Hieb zu erwischen.
Was ihr auch beinahe gelang.
Es brauchte einen weiteren Hieb; der Erste skalpierte das Ding, was sehr böse hätte ausgehen können, zum Glück aber nicht so war. Der Zweite trennte den Kopf ab und schaltete somit die Kreatur aus. Der Kopf landete vor ihren Füßen, ein Vulkan aus dunkler Flüssigkeit quoll hoch; ergoss sich im Mondlicht gen Himmel. Der Körper sackte zusammen, zuckte noch kurz auf, dann war Schluss.
Sie sah sich um, nur um sicherzugehen, dass keine weiteren Kreaturen mehr anwesend waren. Die Luft war rein, das war gut, denn sie fühlte sich, als würde sie zusammenbrechen, sollte sie nicht bald heimkommen.
Als sie schließlich über das Feld auf ihr Haus zuging, versuchte sie sich an das Leben vor dem Virus, der die Menschheit ausradiert hatte, zu erinnern.
Aber es war ihr unmöglich.
Es schien, als wäre es immer schon so gewesen und würde auch bis zum Ende der Zeit so weitergehen.
Doch zumindest würde sie heute Nacht schlafen.