DREIZEHN
Kyle war mit der Situation überhaupt nicht glücklich. Von einem Ex-Captain herumkommandiert zu werden, war eine Sache, aber mit einer Pistole an der Stirn in den Helikopter geführt zu werden, das übertraf alles.
»Es gibt überhaupt keinen Grund dafür«, beschwerte er sich, während er sich in das Cockpit setzte. »Ich sagte nur, dass ich sauer wäre, nicht, dass ich es nicht tun würde.«
»Hey, ich hab eine Idee«, sagte Moon, der den Lauf seiner Walther gegen den Kopf des Piloten drückte. »Wir wär’s, wenn du einfach dein Maul halten und das verdammte Ding in die Luft bringen würdest?«
Flyboy schluckte. Eine Pistole am Kopf zu haben, war etwas komplett Neues für ihn. Es machte ihn auch nervös. »Wir werden schon in die Luft kommen«, sagte er. Plötzlich spürte er Galle seine Kehle hochkommen.
Eine Stimme drang von hinten zu ihm. Flyboy erkannte sie sofort als den kehligen Tonfall von Victor Lord.
»Scheißt er dir etwas?«, fragte Victor.
»Nichts, womit ich nicht umgehen könnte«, antwortete Moon, der in den Helikopter stieg. »Für jemanden mit einer an den Kopf gehaltenen Waffe hat er eine Menge zu sagen.«
»Hab ich nicht«, unterbrach ihn Flyboy. »Tatsache ist, ich wollte nur wissen, warum eine Waffe erforderlich ist. Ich bin kein großer Fan von Wa–«
»Bring einfach das Scheißding in die Luft«, schnappte Victor. »Und solltest du etwas Dämliches versuchen, wird es das Letzte sein, das du getan hast.«
Es würde das Letzte für uns alle sein, dachte Flyboy. Da er der einzige Pilot war, war er unersetzlich, was ihm ein kleines Gefühl der Sicherheit verschaffte, obwohl er den Helikopter durchaus mit gebrochenen Kniescheiben steuern könnte, was der Fall wäre, wenn er weiter sein Maul aufriss.
Er brachte den Helikopter nach oben. Die drei Männer hinten – Victor Lord und seine Schergen Moon und Randall – tuschelten miteinander. Flyboy konnte nicht ein verdammtes Wort verstehen, und er dachte, dass es wahrscheinlich sowieso besser so sei. Je weniger er wusste, desto besser.
Was er jedoch wusste, war, dass es sich hierbei um keine Rettungsmission handelte. Shane hatte den Captain wohl ziemlich angepisst, indem er den Jeep genommen hatte. Das bestmögliche Ergebnis dieser kleinen Expedition wäre … nun, er wollte gar nicht darüber nachdenken.
Stand er überhaupt vor einer Wahl? Ihm schien nicht so. Wenn ein Mann von David Moons Kaliber einem die Waffe an den Kopf hielt, war es das Beste, einfach alles zu tun, was verlangt wurde. Klar, er hatte mit einer sinnlosen Aktion versucht, das Unvermeidliche aufzuhalten, aber das war schon alles, was er zu riskieren bereit gewesen war. Hoffentlich hatte seine Widerspenstigkeit Shane und dessen Truppe ein paar Minuten verschafft.
Für was auch immer dies gut war.
Er brachte den Helikopter auf knappe 30 Meter Höhe. Es waren keine Stromleitungen in der Nähe, nichts, worin der Helikopter sich hätte verfangen können. Fürs Erste waren sie sicher. Unter ihnen waren die Reifenspuren noch schwach sichtbar. Sie führten nach Norden zur l20ten. Er wusste, wohin sie unterwegs waren, aber je länger er diese Information für sich behielt, desto besser.
Eine Gruppe Untoter – etwa zwölf – schlurfte an einer Waldgruppe entlang. Sie alle sahen verloren aus, was mit ziemlicher Sicherheit auch der Fall war.
»Drecksdinger«, schnappte Moon, bevor er mit seiner Pistole auf sie schoss.
Victor verzog sein Gesicht, um zu zeigen, wie sehr ihm das Geballere auf die Nerven ging. »Muss das sein?«, seufzte er. »Das macht doch kaum einen Unterschied.«
Wie als Antwort brach eine der Kreaturen bei den Bäumen zusammen. Moon vollführte freudig einen Faustschlag in der Luft.
»Oh, ganz nett«, fügte Victor ein wenig sarkastisch an. »Du hast einen erwischt. 6,5 Millionen sind noch übrig.«
Moon steckte seine Waffe wieder ein und ließ sich gegen die Hubschraubertür sinken. Ihm war der Spaß an seinem kleinen Spiel vergangen.
Als sie über einen Spielplatz flogen, sahen sie dort eine kleine Gruppe infizierter Kinder, die ständig gegen die Karussells und die Schaukeln stieß. Einige von ihnen trugen Schuluniformen; andere waren nackt, teilweise waren blaue Froststellen an ihren Körpern zu erkennen.
Moon holte wieder seine Pistole heraus und zielte damit auf ein Kind. Er wollte gerade abdrücken, als Victor ihn fest gegen das Schienbein trat.
»Das ist ein verfluchtes Kind«, mahnte Victor ihn. »Würdest du das auch tun, wenn es deines wäre?«
Moon rieb sich die getroffene Stelle. »Zur Hölle, Captain«, fluchte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Es ist eine Kreatur.«
Victor beugte sich so nah wie möglich zu Moons Gesicht. »Du hattest wohl nie eigene Kinder, was? Ich schon. Drei sogar. Sind nun alle erwachsen. Und jetzt tot. Wenn du sie grundlos umlegst, du Arschloch, dann bist du um nichts besser als sie. Kreatur hin oder her, die nächste Kugel, die du verschwendest, wird hoffentlich für dich sein. Verstanden?«
Moon dachte ein paar Sekunden still nach, bevor er nickte. An den Mangel an Munition hatte er gar nicht gedacht; Victor hatte recht, er sollte sparsam damit umgehen.
»Sir, die Spuren scheinen zu verblassen«, merkte Randall an, indem er auf die Straße deutete.
Victor rutschte etwas nach vorne, um eine bessere Sicht zu bekommen. Dann sah er, dass Randall recht hatte und er sagte: »Ich glaube nicht, dass es ein allzu großes Problem darstellen wird, sie aufzuspüren. Wir wissen, in welche Richtung sie unterwegs sind, und es ist ja nicht so, dass dort viele andere Fahrzeuge auf der Straße unterwegs sind.« Er setzte sich wieder. »Nein, ich nehme nicht an, dass der Schnee uns dabei behindern wird.«
Obwohl, als er darüber nachdachte, fand er dies gar nicht so abwegig.