39

 

Dreißig Stunden vor der Gala-Eröffnung wimmelte es im Grab des Senef wie in einem Nest wütender Hornissen. Und der Schwarm bestand nicht mehr nur einfach aus Kuratoren, Elektrikern, Tischlern und Technikern, nein, ein neues Element war zu der Mischung hinzugekommen. Während Nora durch den Zweiten Reiseabschnitt des Gottes zur Halle der Streitwagen ging, empfing sie das grelle Licht von Fernsehscheinwerfern und eine kleine Gruppe von Männern, die am gegenüberliegenden Ende Kameras und Mikrofone aufstellten.

»Da drüben, mein Lieber, da drüben!«

An der einen Seite der Gruppe stand ein schlanker junger Mann mit zusammengekniffenen Gesäßbacken, der ein Sportsakko aus Kamelhaar und eine gelbe gepunktete Fliege trug und mit ausladenden Gesten einem stämmigen Tontechniker zuwinkte. Das musste der Regisseur Randall Loftus sein, den Menzies ihr gegenüber kürzlich erwähnt hatte. Er hatte bei der Kritik für seine Dokumentarreihe Der letzte Cowboy auf Erden großes Lob geerntet und seither eine Reihe von preisgekrönten Dokumentarfilmen für öffentliche Fernsehsender produziert. Als sie näher kam, schwoll das Stimmengewirr noch mehr an.

»Eins, zwei. Eins, zwei …«

»O nein! Das ist hier ja eine Akustik wie in einer Scheune!«

Loftus und seine Crew bauten den Set für die Übertragung der feierlichen Eröffnung auf. Der lokale Sender des Netzwerks PBS hatte vor, live davon zu berichten, und man hatte eifrig die Werbetrommel gerührt, damit die Übertragung nicht nur von den meisten Partnersendern in den USA, sondern auch von der BBC und anderen europäischen Sendern übernommen wurde. Diesen PR-Coup hatte Menzies persönlich unter großen Anstrengungen eingefädelt. Die daraus resultierende internationale Aufmerksamkeit könnte einiges dazu beitragen, dass das Museum mit heiler Haut davonkam. Im Augenblick stifteten die TV-Leute allerdings ein heilloses Chaos – und das zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Überall auf dem Boden lagen Kabel herum und brachten Noras Assistenten ins Straucheln, die die unbezahlbaren ägyptischen Antiquitäten trugen. Und die gleißend hellen Scheinwerfer steigerten nur noch die Wärme, die die heiß laufende Elektronik und die Dutzende hektischer Leute erzeugten, die in einer Art kontrollierter Panik umherschwirrten. Die Klimaanlage röhrte und mühte sich vergeblich, die Temperatur im Ausstellungsraum zu verringern.

»Ich will zwei Sechs-Zoll-Mole-Babys, mit je einem Kilowatt Leistung in der Ecke, da«, sagte Loftus. »Kann mal jemand den Krug da wegschieben?«

Er drehte sich um und blinzelte Nora über seine John-Mitchell-Brille an. »Ja?«

Sie streckte ihm mutig die Hand entgegen. »Ich bin Dr. Kelly, die Kuratorin der Ausstellung.«

»Oh! Natürlich. Randall Loftus. Freut mich.« Er kehrte ihr den Rücken zu.

»Entschuldigen Sie, Mr. Loftus. Sie haben da eben etwas erwähnt – dass Sie einen Krug versetzen wollen. Sie verstehen doch sicherlich, dass nichts bewegt werden darf – nicht einmal angefasst –, außer vom Museumspersonal.«

»Nichts bewegt? Wie soll ich dann den Set einrichten?«

»Indem Sie einfach um die Gegenstände herum arbeiten, fürchte ich.«

»Um die Sachen herum arbeiten! Man hat mich noch nie aufgefordert, unter solchen Bedingungen zu drehen. Das Grab ist ja die reinste Zwangsjacke. Da bekomme ich weder günstige Winkel hin noch gute Entfernungen. Liebe Frau, so geht das nicht.«

Nora schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. »Bei Ihren Talenten finden Sie bestimmt einen Weg, dass alles hinhaut.« Das Lächeln bewirkte zwar gar nichts, aber bei dem Wort Talenten spitzte Loftus die Ohren. »Ich bewundere Ihre Arbeit«, fuhr Nora fort, die hoffte, auf diese Weise an Loftus ranzukommen.

»Ich persönlich bin begeistert, dass Sie zugestimmt haben, bei unserer Show Regie zu führen. Und ich weiß, wenn jemand das alles schaffen kann, dann Sie!«

Loftus strich sich über die Fliege. »Vielen Dank. Mit Schmeicheleien kann man immer bei mir landen.«

»Ich wollte mich vorstellen und mal sehen, ob ich Ihnen irgendwie helfen kann.«

Loftus drehte sich abrupt um und rief jemandem etwas zu, der in einer dunklen Ecke auf einer Leiter schwankte. »Nicht den, den anderen Scheinwerfer, das LTM-Pepper-Spotlight! Ich will, dass er an dem Deckenhalter da auf einem Drei-Sechziger montiert wird.«

Er wandte sich wieder Nora zu. »Sie sind ein Schatz, aber wir müssen den Krug einfach versetzen.«

»Tut mir leid«, sagte Nora. »Wir haben keine Zeit mehr, irgendetwas woanders aufzustellen, selbst wenn wir das wollten. Dieser Krug ist dreitausend Jahre alt und von unschätzbarem Wert – man kann ihn nicht einfach aufheben und verschieben. Dafür sind spezielle Vorrichtungen erforderlich, speziell ausgebildete Konservatoren. Wie gesagt, Sie müssen einfach mit dem arbeiten, was da ist. Ich helfe Ihnen, wo ich nur kann, aber das hier kann ich nicht erlauben. Tut mir leid.«

Loftus holte tief Luft. »Ich kann aber nicht um diesen Krug herum filmen. Er ist einfach zu groß und hässlich.«

Als Nora ihm darauf keine Antwort gab, winkte er ab. »Ich bespreche das mit Menzies. Wirklich, so geht das nicht.«

»Sie haben wahrscheinlich genauso viel zu tun wie ich, deshalb lasse ich Sie jetzt in Ruhe. Wie gesagt, wenn Sie irgendetwas benötigen, lassen Sie es mich wissen.«

Loftus wandte sich augenblicklich ab und schoss sich auf einen anderen unglückseligen Produktionsassistenten ein. »Der Low boy-Crankovator kommt dahin, wo das Klebeband ist. Auf den Boden. Sie stehen drauf! Schauen Sie nach unten, direkt zwischen Ihren Beinen, Herrgott noch mal!«

Nora verließ die Halle der Streitwagen in Richtung der Grabkammer; zurück blieb der nun wieder heftig gestikulierende Loftus. In der Grabkammer hatten die Konservatoren sämtliche Exponate aufgestellt – die letzte Arbeit, die zu erledigen gewesen war –, und sie wollte das Ergebnis mit ihrem Plan vergleichen. Eine Gruppe von Technikern hantierte an den Nebelmaschinen im großen Steinsarkophag. Früher am Tag hatte Nora eine Generalprobe der gesamten Sound-and-Light-Show durchgeführt, die, offen gestanden, mehr als gut verlaufen war. Wicherly mochte zwar ein Esel und schwer gestört gewesen sein, aber er war ein brillanter Ägyptologe und – wichtiger noch – ein ausgezeichneter Autor. Das Drehbuch war eine erstaunliche Tour de force; und das Finale, als Senef plötzlich zum Leben erwachte und sich aus den wabernden Nebelschwaden erhob, hatte keineswegs kitschig gewirkt. Wicherly hatte es geschafft, jede Menge interessanter, solider Informationen in die Show einfließen zu lassen. Die Ausstellung würde ihre Besucher nicht nur unterhalten, sondern auch bilden.

Nora blieb stehen. Merkwürdig, dass ein so befähigter Archäologe so schnell durchdrehen konnte. Unbewusst rieb sie sich ihren immer noch wunden und geschwollenen Hals. Nach allem, was geschehen war, fühlte sie sich unwohl, in ihr Arbeitszimmer zurückzugehen. Die ganze Geschichte war so bizarr, tragisch, unerklärlich … Aber sie versuchte wieder, Wicherlys Angriff aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie nahm sich vor, das Ganze nach der Ausstellungseröffnung zu verarbeiten. Plötzlich spürte sie ein leichtes Tippen auf ihrer Schulter.

»Dr. Kelly, nehme ich an?« Eine kultivierte englische Altstimme.

Nora drehte sich um – und stand vor einer großgewachsenen Frau; sie hatte lange, glänzendschwarze Haare und trug eine alte Leinenhose, Turnschuhe und einen staubigen Arbeitskittel. Offenbar eine der Mitarbeiterinnen, aber eine, die sie noch nicht kannte; an eine so auffällige Frau hätte sie sich bestimmt erinnert. Und trotzdem, während sie die Fremde musterte, spürte Nora, dass sie sie irgendwo schon einmal gesehen hatte.

»Dr. Nora Kelly?«

»Ja. Und Sie sind …?«

»Viola Maskelene. Ich bin Ägyptologin und die neue Gast-Kuratorin der Ausstellung.« Sie ergriff Noras Hand und schüttelte sie energisch. Ein fester Handschlag, die Hand war ein wenig schwielig. Die Frau verbrachte bestimmt viel Zeit an der frischen Luft – jedenfalls nach ihrem gebräunten Teint, ihrer schlanken Figur und dem, man könnte fast sagen, wettergegerbten Gesicht zu urteilen.

»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen«, sagte Nora. »Ich hatte nicht so früh mit Ihnen gerechnet.«

»Ganz meinerseits«, sagte Maskelene. »Dr. Menzies hat in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen, und alle verehren Sie! Dr. Menzies ist im Moment unabkömmlich, aber ich wollte mich unbedingt gleich mit Ihnen treffen … und mir diesen fabelhaften Ausstellungsraum ansehen!«

»Wie Sie sehen, schaffen wir’s gerade noch rechtzeitig.«

»Ich bin mir sicher, dass Sie alles im Griff haben.« Maskelene schaute sich begeistert um. »Ich war so überrascht, die Einladung zur Mitarbeit zu erhalten, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie entzückt ich bin, hier in diesem Museum zu sein. Die Gräber der 19. Dynastie sind mein Spezialgebiet. Es mag unwahrscheinlich klingen, aber das Grab des Senef ist noch nie untersucht worden. Außerdem gibt es keine Forschungsliteratur darüber, obwohl es offenbar einen der vollständigsten Texte des Ägyptischen Totenbuchs enthält, die je gefunden wurden. Sehr wenige Forscher wussten überhaupt von der Existenz dieses Grabs. Ich hatte immer geglaubt, es handele sich um eine Art Gerücht, einen urbanen Mythos, ähnlich den Alligatoren in der New Yorker Kanalisation. Das hier ist eine unglaubliche Chance.«

Lächelnd betrachtete Nora die Frau etwas genauer. Erstaunlich, dass Wicherly so rasch ersetzt werden konnte – er war doch erst seit wenigen Tagen tot. Aber schließlich stand die Eröffnung kurz bevor, und das Museum musste für die lau fende Ausstellung unbedingt einen Ägyptologen vor Ort haben.

Viola, die den Lärm und das Chaos um sich herum gar nicht wahrzunehmen schien, sah sich begeistert um. »Dieses Grab – was für ein Schatz!«

Maskelenes Haltung gefiel Nora. Ihr unverblümter Enthusiasmus war ihr unendlich viel lieber als das päpstliche Gerede irgendwelcher verstaubter alter Professoren.

»Ich habe gerade die Plazierung der Exponate überprüft und schaue mir noch ein letztes Mal die Beschriftungen an. Hätten Sie Lust, mich zu begleiten? Vielleicht fallen Ihnen ja irgendwelche Fehler auf.«

»Sehr gerne.« Maskelene strahlte übers ganze Gesicht. »Obwohl, wenn Adrian bisher daran gearbeitet hat, hat sicher alles Hand und Fuß.«

Nora wandte sich um. »Sie kannten ihn?«

Violas Gesichtszüge verfinsterten sich. »Wir Ägyptologen sind ein recht überschaubarer Haufen. Dr. Menzies hat mir erzählt, was passiert ist. Ich begreife das alles nicht. Das Ganze muss entsetzlich beängstigend für Sie gewesen sein.«

Nora nickte nur.

»Ich kannte Adrian beruflich«, fügte Viola an, leiser jetzt. »Er war ein brillanter Ägyptologe, auch wenn er sich leider für das Geschenk Gottes an die Frauen hielt. Trotzdem, ich hätte nie gedacht, dass … Was für ein furchtbarer Schock.«

Einen Augenblick lang herrschte ein verlegenes Schweigen zwischen den beiden Frauen. Dann gab sich Nora einen Ruck.

»Er hat ein wundervolles Vermächtnis hinterlassen – durch seine Arbeit für die Ausstellung. Und sicher, es klingt unfein, aber the show must go on.«

»Ja, vermutlich«, erwiderte Viola. Dann hellte sich ihre Miene ein wenig auf. »Wie ich höre, ist die Sound-and-Light-Show sehr spektakulär.«

»Sie beinhaltet praktisch alles, was man sich denken kann – sogar eine sprechende Mumie.«

Viola lachte. »Das klingt wunderbar.«

Sie gingen weiter, Nora blickte auf ihr Klemmbrett. Sie nutzte die Gelegenheit, Viola Maskelene aus dem Augenwinkel zu betrachten, während die Ägyptologin die Schaukästen mit den Exponaten in Augenschein nahm.

Vor einem besonders aufsehenerregenden Kanopenkrug blieben sie stehen. »Ich fürchte, dieser hier stammt aus der 18. Dynastie. Er ist ein wenig anachronistisch, im Vergleich zu den anderen Stücken.«

Nora lächelte. »Ich weiß. Wir hatten nicht alle Gegenstände aus der 19. Dynastie, die wir brauchten, deshalb haben wir den Zeitraum ein wenig ausgeweitet – frisiert sozusagen. Adrian hat erklärt, dass man den Gräbern oft Antiquitäten beigefügt hat, sogar in der Zeit der Pharaonen.«

»Völlig richtig! Verzeihen Sie, wenn ich das Thema angesprochen habe – aber manchmal bin ich etwas pedantisch.«

»Prima. Genau so jemanden brauchen wir.«

Sie gingen in der Grabkammer umher, während Nora die Gegenstände einen nach dem anderen auf ihrer Liste abhakte und Viola die Exponate mit den Beschriftungen verglich.

»Können Sie Hieroglyphen lesen?«, fragte Nora.

Viola nickte.

»Was halten Sie von dem Fluch dort über der Tür, den mit dem Auge des Horus?«

Ein Lachen. »Einer der grässlichsten, den ich je gelesen habe.«

»Ich dachte, die wären alle grässlich.«

»Ganz im Gegenteil. Viele ägyptische Gräber sind nicht einmal durch einen Fluch geschützt. Es war auch nicht nötig, denn alle Ägypter wussten schließlich, dass ein Raub aus einem Pharaonengrab bedeutete, die Götter selbst zu bestehlen.«

»Warum hat man dieses Grab dann mit einem Fluch geschützt?«

»Vermutlich weil Senef, anders als ein Pharao, kein Gott war. Möglicherweise hatte Senef das Gefühl, dass ein zusätzlicher Schutz durch den Fluch erforderlich war. Dieses Gemälde von Ammut dort … wow!« Viola erschauderte. »Goya hätte das nicht besser gekonnt.«

Nora warf einen kurzen Blick auf das Gemälde und nickte grimmig.

»Wie ich höre, kursieren Gerüchte über diesen Fluch«, sagte Viola.

»Die Wachleute haben sie in Umlauf gebracht. Inzwischen redet man im ganzen Museum davon. Einige Mitarbeiter des technischen Personals weigern sich schlichtweg, nach der regulären Arbeitszeit das Grab zu betreten.«

Sie gingen an einem Pfeiler vorbei – und stießen auf eine Frau in grauem Schutzanzug, die auf dem Steinfußboden kniete, Staub aus einer Ritze kratzte und in ein Teströhrchen schüttete. In der Nähe sortierte augenscheinlich ein Mann in weißem Kittel Proben in einem kleinen tragbaren Chemielabor.

»Was um alles in der Welt macht die Frau da?«, flüsterte Viola. Nora hatte sie noch nie gesehen. Sie sah ganz bestimmt nicht wie eine Museumsangestellte aus. Vielmehr wie eine Polizistin.

»Kommen Sie, finden wir es heraus.« Nora ging zu der Frau hinüber. »Hallo, ich bin Nora Kelly, die Kuratorin der Ausstellung.«

Die Frau erhob sich. »Susan Lombardi, vom Gesundheitsamt.«

»Darf ich fragen, was Sie da tun?«

»Wir prüfen, ob es hier Umweltgefahren gibt – Giftstoffe, Mikroben, solche Sachen.«

»Ah ja. Und warum ist das nötig?«

Lombardi hob die Schultern. »Soviel ich weiß, kam die Anfrage von der New Yorker Polizei. Ein Eilauftrag.«

»Verstehe. Vielen Dank.«

Nora drehte sich um, und die Frau machte sich wieder an die Arbeit.

»Das ist ja merkwürdig«, sagte Viola. »Macht sich die Polizei womöglich Sorgen, dass im Grab irgendwelche gefährlichen Krankheitserreger hausen? Von manchen ägyptischen Gräbern ist ja bekannt, dass sie alte Viren und Pilzsporen beherbergen.«

»Das nehme ich an. Komisch, dass mir niemand Bescheid gegeben hat.«

Aber Viola hatte sich abgewandt. »Oh, schauen Sie mal – was für ein fabelhaftes Salbengefäß! Es ist schöner als alles im Britischen Museum!« Sie lief zu einer großen Glasvitrine mit einem Exponat aus weißem Alabaster, das farbig bemalt und mit einem auf dem Deckel thronenden Löwen verziert war. »Da ist ja die Kartusche von Thutmosis drauf!« Sie kniete sich hin und untersuchte das Exponat voll gespannter Aufmerksamkeit.

Viola Maskelene hatte etwas erfrischend Spontanes, ja sogar Rebellisches an sich. Nora betrachtete die arg strapazierte Leinenhose, das fehlende Make-up und das staubige Arbeitshemd und fragte sich, ob das Maskelenes üblicher Museumsdress war. Sie entsprach so gar nicht dem Bild einer überkorrekten britischen Archäologin.

Viola … Viola Maskelene. Ein merkwürdiger Name, der ihr irgendwie bekannt vorkam … Hatte Menzies den nicht schon mal erwähnt? Nein, nicht Menzies … jemand anderer …

Und da fiel es ihr ein, ganz plötzlich.

»Sie sind doch damals von dem Juwelendieb entführt worden!« Der Satz war Nora entschlüpft, noch ehe sie Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Sofort wurde sie rot im Gesicht.

Viola erhob sich gelassen und wischte sich den Staub von den Knien. »Ja. Das bin ich.«

»Entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen das nicht so an den Kopf werfen.«

»Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass Sie es erwähnt haben. Besser, man hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, sondern spricht sie frei aus.«

Nora bekam flammend rote Wangen.

»Ist schon in Ordnung, Nora – wirklich. Offen gestanden, war die Entführung ein Grund, weshalb ich den Job hier angenommen habe und nach New York zurückgekehrt bin.«

»Tatsächlich?«

»Für mich ist das etwa so wie vom Pferd fallen – man muss sofort wieder aufsitzen, wenn man jemals hoffen will, wieder zu reiten.«

»Es ist gut, wenn man das Ganze so betrachten kann … Sie sind also Agent Pendergasts Freundin?«

Jetzt wurde Viola Maskelene rot. »So könnte man sagen.«

»Mein Mann, Bill Smithback, und ich sind mit Special Agent Pendergast gut befreundet.«

Viola sah sie mit neu erwachtem Interesse an. »Tatsächlich? Wie haben Sie sich denn kennengelernt?«

»Vor einigen Jahren habe ich bei einem seiner Fälle mitgeholfen. Es tut mir wahnsinnig leid, was mit ihm passiert ist.« Nora verschwieg allerdings die Aktivitäten ihres Mannes, die – wie er ihr gesagt hatte – absolut geheim bleiben mussten.

»Agent Pendergast ist noch ein Grund, warum ich zurückgekehrt bin«, sagte Viola mit leiser Stimme. Dann verfiel sie in Schweigen.

Nachdem die beiden Frauen sich in der eigentlichen Grabkammer alles angesehen hatten, überprüften sie noch kurz die Exponate in den Seitenkammern. Nora sah auf die Uhr. »Es ist eins. Möchten Sie etwas essen? Wir sind bestimmt noch bis Mitternacht hier, und mit leerem Bauch arbeitet sich’s nicht gut. Kommen Sie – die Krabbencremesuppe in der Cafeteria lohnt den weiten Weg.«

Bei diesen Worten hellte sich Viola Maskelenes Miene auf. »Zeigen Sie mir, wo’s langgeht, Nora.«