16
Jay Lipper, Experte für Computereffekte, blieb in der leeren schummrigen Grabkammer stehen und sah sich um. Vier Wochen waren vergangen, seit das Museum großspurig angekündigt hatte, dass das Grab des Senef wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Lipper selbst war seit drei Wochen mit an Bord. Heute fand die große Besprechung statt, und deshalb war er zehn Minuten früher gekommen, um noch einmal durch das Grabmal zu gehen und sich die Installa tion, die er entworfen hatte, zu vergegenwärtigen: den genauen Verlegungsweg der Faseroptikkabel, die Standorte der LEDs, die optimale Position für die Lautsprecher, Scheinwerfer und holographische Bildschirme. Bis zur großen Eröffnungsgala blieben nur noch zwei Wochen Zeit, und es gab noch unglaublich viel zu tun.
Er hörte Stimmengewirr, das von irgendwo in der Nähe des Eingangs durch die langen Gänge schallte – ein verzerrtes Echo, das sich mit dem Klang von Hämmern und kreischenden Sägen vermischte. Mehrere Handwerkertrupps arbeiteten auf Houchtouren im Grab. Das Museum scheute keine Kosten. Das galt insbesondere für seine Kosten: Er nahm hundertzwanzig Dollar die Stunde, arbeitete achtzig Stunden die Woche und verdiente somit ein Vermögen. Andererseits hatte er sich auch jeden Penny redlich verdient. Vor allem, wenn man an diesen Clown dachte, den das Museum ihm als Kabelträger, Leitungsverleger und Mädchen für alles zugewiesen hatte. Ein echter Neandertaler. Sollte dieser Vollidiot repräsentativ für das technische Personal des Museums sein, dann hatten sie ein Problem. Der Mann war so muskelbepackt und solariumgebräunt, dass er aussah wie ein großes Fleischbrikett, und sein Kugelkopf enthielt etwa so viele graue Zellen wie der eines Spaniels. Der Mann verbrachte seine Wochenenden vermutlich im Fitnessstudio, anstatt sich jene technischen Kenntnisse anzueignen, über die er eigentlich verfügen sollte.
Wie aufs Stichwort klang die Stimme des Clowns durch die Korridore. »Dunkel wie im Grab hier, was, Jayce?« Teddy DeMeo kam um die Ecke geschlendert, die Arme voll gepackt mit einem Haufen unordentlich zusammengerollter elektronischer Schaltpläne.
Lipper verkniff sich eine Antwort und rief sich abermals seinen Stundenlohn von hundertzwanzig Dollar in Erinnerung. Das Schlimmste war, dass er diesem Hornochsen, bevor er ihn als solchen erkannt hatte, leichtsinnigerweise von dem Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel erzählt hatte, bei dem er mitmachte: Land of Darkmord. DeMeo war sofort online gegangen und hatte sich angemeldet. Lippers Charakter, ein verschlagener, halbelfischer Zauberer mit einem Buch voller übler Zaubersprüche, hatte wochenlang die Organisation einer militärischen Expedition zu einer entlegenen Burgfestung geplant. Er war gerade dabei gewesen, seine Krieger zu rekrutieren – als plötzlich DeMeo auftauchte, in Gestalt eines teiggesich tigen Orks, der sich mit einem Knüppel zum Kriegsdienst meldete und sich aufführte, als wären sie die dicksten Freunde, dumme Fragen stellte, peinliche Witze riss und ihn vor allen anderen Spielern in tödliche Verlegenheit brachte.
DeMeo blieb schwer atmend neben ihm stehen. Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, und er roch wie eine nasse Socke.
»In Ordnung, wollen wir mal sehen …« Er rollte einen der Pläne auseinander. Natürlich hielt er ihn verkehrt herum und brauchte eine Weile, um es zu bemerken.
»Geben Sie her.« Lipper schnappte sich den Plan und glättete das Papier. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Immer noch fünf Minuten bis zur geplanten Zusammenkunft des Kuratorenausschusses. Kein Problem – für zwei Dollar die Minute würde Lipper auch auf Godot warten.
Naserümpfend sah er sich um. »Irgendjemand muss etwas gegen diese Feuchtigkeit unternehmen. Ich kann meine Elektronik nicht in einem Schwitzkasten installieren.«
»Genau«, sagte DeMeo und sah sich ebenfalls um. »Und werden Sie sich dieses komische Zeug hier anschauen? Ich meine, was zum Teufel ist das da? Das find ich echt gruselig.«
Lipper warf einen Blick auf das in Frage stehende Fresko, das ein menschliches Wesen mit einem schwarzen Insektenkopf und einem Pharaonenumhang zeigte. Die Grabkammer war gruselig: die Wände über und über mit Hieroglyphen bedeckt, an der Decke ein gemalter Nachthimmel mit seltsamen gelben Sternen und einem Mond, der sich von einem tief indigoblauen Feld abhob. Aber die Wahrheit war, dass Lipper sich gern gruselte. Es war, als befinde man sich im Innern von Darkmord, nur dass das hier echt war.
»Das ist der Gott Khepri«, sagte er. »Ein Mann mit dem Kopf eines Skarabäuskäfers. Er hilft, die Sonne am Himmel entlangzurollen.« Lipper fand die Arbeit an dem Projekt faszinierend und hatte sich auf der Suche nach Hintergrundmaterial und visuellen Anregungen in den letzten Wochen begeistert in die ägyptische Mythologie vertieft.
»Die Mumie trifft Die Fliege«, sagte DeMeo lachend.
Ihr Gespräch wurde von dem lauten Stimmengewirr einer Personengruppe unterbrochen, die in die Grabkammer kam: der Projektleiter, Menzies, gefolgt von seinen Kuratoren.
»Gentlemen! Ich freue mich, dass Sie schon da sind. Unsere Zeit ist knapp bemessen.« Menzies trat vor, um ihnen die Hand zu schütteln. »Sie kennen sich ja schon.«
Alle nickten. Die Bekanntschaft hatte sich kaum vermeiden lassen, denn in den letzten Wochen hatten sie ja praktisch zusammengelebt. Da war Dr. Nora Kelly, mit der man wenigstens einigermaßen vernünftig zusammenarbeiten konnte; dann der selbstgefällige Engländer namens Wicherly und schließlich Mr. Wichtig in Person: George Ashton, der Kurator der Ethnologischen Abteilung. Mit einem Wort, das Komitee.
Als die Neuankömmlinge sich kurz miteinander unterhielten, verspürte Lipper einen schmerzhaften Stoß in den Rippen. Zur Seite blickend sah er, dass DeMeo mit offenem Mund dastand und ihm anzüglich zuzwinkerte. »Mannomann«, flüsterte er und deutete mit einem Kopfnicken auf Dr. Kelly.
»Geiles Gerät. Da würd ich gern mal rüberrutschen.«
Lipper schaute weg und verdrehte die Augen.
»Also dann!« Menzies wandte sich wieder zu ihnen um. »Gehen wir die Sache noch mal durch?«
»Na klar, Dr. Menzies!«, krähte DeMeo.
Lipper schoss ihm einen Blick zu, von dem er hoffte, dass er die Dumpfbacke zum Schweigen bringen würde. Das hier war sein Projekt, seine geistige Arbeit, sein kreatives Talent. DeMeos Aufgabe war es, die technischen Geräte zusammenzubauen, Kabel zu tragen und dafür zu sorgen, dass alle Teile des Systems genügend Saft bekamen.
»Wir sollten da losgehen, wo die Show anfängt«, sagte Lipper und führte sie zum Eingang zurück, wobei er DeMeo einen weiteren warnenden Seitenblick zuwarf.
Sie schlängelten sich wieder zurück durch die halb aufgebauten Exponate und die Handwerkergruppen. Als sie den Eingang des Grabs erreichten, spürte Lipper, dass sein Ärger über DeMeo einer wachsenden Aufregung wich. Das Drehbuch für die Ton- und Lichteffekte hatte Wicherly geschrieben, Kelly und Menzies hatten noch verschiedene Ergänzungen vorgenommen, und das Endergebnis war gut. Sehr gut. Und durch seine Umsetzung war es sogar noch besser geworden. Diese Ausstellung würde ein Knaller werden.
Als sie den Ersten Reiseabschnitt des Gottes erreicht hatten, wandte sich Lipper zu den anderen um: »Die Sound-and-Light-Show wird automatisch in Gang gesetzt. Es ist wichtig, dass die Leute als Gruppe ins Grab geführt werden und sich gemeinsam hindurchbewegen. Im Vorbeigehen lösen sie versteckte Sensoren aus, die wiederum die nächste Sequenz der Show in Gang setzen. Nach Ablauf der Sequenz begeben sich die Besucher in den nächsten Teil des Grabes und sehen die nächste Sequenz. Nach dem Ende der Show hat die Gruppe fünfzehn Minuten Zeit, um sich im Grab umzusehen, bevor sie wieder hinausgeleitet wird und die nächste Gruppe hereinkommt.«
Er deutete auf die Decke. »Der erste Sensor wird sich dort oben in der Ecke befinden. Wenn die Besucher an diesem Punkt vorbeikommen, werden sie vom Sensor registriert.
Nachzügler haben noch dreißig Sekunden, um die Gruppe einzuholen, dann wird die erste Sequenz, die ich als den ersten Akt bezeichne, ausgelöst.«
»Wie verbergen Sie die Kabel?«, fragte Menzies.
»Kein Problem«, platzte DeMeo dazwischen. »Wir führen sie durch fünfundzwanzig Millimeter dicke schwarze Kabelka näle. Die sind so gut wie unsichtbar.«
»Auf den bemalten Flächen darf nichts befestigt werden«, gab Wicherly zu bedenken.
»Nein, nein. Der Kabelkanal besteht aus selbstragendem Stahl, muss nur in den Ecken verankert werden. Er verläuft zwei Millimeter über der Oberfläche der Wände, kommt also überhaupt nicht damit in Berührung.«
Wicherly nickte.
Lipper atmete auf. Er war froh, dass DeMeo sich – jedenfalls vorläufig – nicht als Idiot geoutet hatte.
Er führte die Gruppe in die nächste Kammer. »Wenn die Besucher das Zentrum des Zweiten Reiseabschnitts des Gottes betreten – den Ort, an dem wir jetzt stehen –, geht das Licht aus. Man hört schwache Grabungsgeräusche, leises Stimmengeflüster, auf Stein schlagende Spitzhacken – zunächst nur Laute in der Dunkelheit, nichts Sichtbares. Ein Kommentar aus dem Off erklärt, dass dies das Grab des Senef ist und dass dieselben Priester, die ihn vor zwei Monaten beigesetzt haben, jetzt im Begriff stehen, das Grab zu plündern. Die Grabungsgeräusche werden lauter, wenn die Räuber die erste versiegelte Tür erreichen. Sie schlagen mit ihren Spitzhacken darauf ein – und dann bricht einer plötzlich durch. In diesem Moment setzen die Bilder ein.«
»Der Augenblick, in dem sie durch die versiegelte Tür brechen, ist äußerst wichtig«, warf Menzies ein. »Wir brauchen unbedingt einen lauten Spitzhackenschlag, ein krachendes Geräusch für die in die Kammer stürzenden Steine und einen grell aufzuckenden Blitz in Form eines hellen Lichtstrahls. Dieser Schlüsselmoment muss spektakulär und dramatisch sein.«
»Er wird dramatisch sein.« Lipper fühlte einen Anflug von Gereiztheit. Menzies besaß zwar unbestreitbar Charme, aber er hatte sich überaus aufdringlich in gewisse technische Details eingemischt, und Lipper machte sich Sorgen, dass er auch bei der Installation das Kommando an sich reißen könnte.
Lipper fuhr fort. »Dann geht das Licht an, und der Offkommentar leitet die Besucher zum Brunnen.« Er führte sie durch den langen Gang zu einer breiten Treppe. Vor ihnen lag die neue Brücke, die man über den Schacht gebaut hatte und die genügend Platz für eine große Gruppe bot.
»Wenn die Besucher auf den Brunnen zugehen«, fuhr Lipper fort, »registriert ein Sensor dort in der Ecke, dass sie vorbeikommen, und startet den zweiten Akt.«
»Richtig«, unterbrach DeMeo. »Jeder Akt wird unabhängig von den anderen durch ein Paar Doppelprozessor-PowerMac-G5-Geräte gesteuert, die mit einem dritten G5 verbunden sind, der als Backup und Mastercontroller dient.«
Lipper verdrehte die Augen. DeMeo hatte gerade, wortwörtlich, aus der technischen Beschreibung zitiert, die Lipper angefertigt hatte.
»Wo werden sich diese Computer befinden?«, fragte Men zies.
»Wir werden die Kabel durch die Wand …«
»Einspruch«, meldete sich Wicherly zu Wort. »Niemand wird irgendwelche Löcher in die Wände dieses Grabes bohren.«
DeMeo drehte sich zu ihm um. »Wie der Zufall es will, hat irgendjemand bereits vor langer Zeit Löcher in diese Wand gebohrt – an fünf Stellen! Die Löcher wurden mit Zement zugestopft, aber ich habe sie entdeckt und freigelegt.« DeMeo verschränkte triumphierend die muskulösen Arme vor der Brust, als hätte er gerade einem 49-Kilo-Hänfling am Strand eine Ladung Sand ins Gesicht gekickt.
»Was befindet sich auf der anderen Seite?«, fragte Menzies.
»Ein Lagerraum«, sagte DeMeo, »der zurzeit leer steht. Wir bauen ihn gerade zu einem Kontrollraum um.«
Lipper räusperte sich, um weiteren Unterbrechungen durch DeMeo vorzubeugen. »Im zweiten Akt sehen die Besucher digitalisierte Bilder von den Räubern, die über die Brücke stürmen, um die zweite versiegelte Tür aufzubrechen. Auf der anderen Seite des Schachts senkt sich – unsichtbar für die Besucher – eine Leinwand herab. Mit Hilfe eines holographischen Projektors, der in der anderen Ecke steht, werden dann die Bilder von den Grabräubern auf die Leinwand geworfen, und die Besucher sehen, wie sie mit brennenden Fackeln durch den Gang laufen, die Siegel der inneren Tür aufbrechen, diese niederreißen und auf die Grabkammer zustürzen. Das gibt den Besuchern das Gefühl, sich mitten unter den Plünderern zu befinden. Sie folgen den Räubern in das innere Grab – wo der dritte Akt beginnt.«
»Achtung! Jetzt kommt Lara Croft«, trompetete DeMeo, warf einen beifallheischenden Blick in die Runde und lachte über seinen eigenen Witz.
Die Gruppe betrat die Grabkammer, wo Lipper erneut stehenblieb. »Die Besucher hören, was geschieht, bevor sie etwas sehen – den Klang von zerbrechenden Gegenständen, rufende Stimmen. Wenn sie dieses Ende der Grabkammer betreten, stoßen sie – hier – auf ein Tor, das sie am Weitergehen hindert. Und dann kommt der Höhepunkt. Zuerst hören sie verängstigte, aufgeregte Stimmen im Dunkeln. Das Scheppern und Krachen wird lauter. Ein plötzlich aufzuckender Lichtstrahl, noch einer, und die Fackeln leuchten auf. Man sieht die schweißüberströmten, verängstigten und doch habgierigen Gesichter der Priester. Und Gold! Überall der Widerschein von glänzendem Gold.« Er wandte sich an Wicherly. »Genau, wie Sie es im Drehbuch beschrieben haben.«
»Wenn die Fackeln angehen, setzt die computergesteuerte Beleuchtung ein und taucht Teile der Grabkammer in schummriges Licht. Die Räuber schieben den Steindeckel des Sarkophags beiseite und zerschlagen ihn. Dann heben sie den Deckel des inneren Sarkophags hoch, der aus massivem Gold besteht. Einer der Priester springt hinein und fängt an, die Leinenbandagen abzureißen. Schließlich halten sie mit einem Triumphschrei den Skarabäus hoch und zerschlagen ihn, um seine Macht zu brechen.«
»Das ist der Höhepunkt«, fiel Menzies ihm aufgeregt ins Wort. »An dieser Stelle will ich den dröhnenden Donnerhall, die computersimulierten Blitze.«
»Die kriegen Sie«, erklärte DeMeo. »Wir haben ein vollständiges Dolby Surround und Pro Logic II Soundsystem und vier Chauvet Mega II 750-Watt-Röhrenblitze und dazu noch jede Menge Spotlights. Alles gesteuert von einer vollautomatischen DMX-Lichtkonsole mit vierundzwanzig Kanälen.«
Er sah sich stolz in der Runde um, als ob er wüsste, worüber er redete, und nicht nur erneut wortwörtlich aus Lippers sorgfältig verfasster technischer Beschreibung zitiert hätte. Herrgott, Lipper konnte den Kerl nicht ausstehen. Er wartete einen Moment, bevor er weitersprach.
»Nach dem Blitz und Donner springt wieder der holographische Projektor an, und man sieht Senef selbst, wie er sich aus seinem Sarkophag erhebt. Die Priester weichen entsetzt zurück. Das Ganze ist laut Drehbuch eine Visualisierung ihrer Gedanken und soll zeigen, was in ihren Köpfen vor sich geht.«
»Aber es wird doch realistisch sein?«, fragte Nora stirnrunzelnd. »Kein abgedroschener Kitsch?«
»Das Ganze ist in 3-D, und die holographischen Bilder sind ein bisschen wie Geister – man kann durch sie hindurchsehen, aber nur wenn sie eine starke Lichtquelle im Rücken haben. Wir werden die Lichtstärke sehr sorgfältig einstellen, um diese Illusion auszunutzen. Einiges davon basiert auf Videos, anderes auf Computergrafik. Wie auch immer, der geschändete Senef richtet sich mit anklagend erhobenem Finger in seinem Grab auf. Untermalt von weiterem Blitz und Donner gibt er eine Schilderung seines Lebens, seiner Taten, seines Wirkens als großer Regent und Wesir unter Thutmosis – was sich natürlich hervorragend dafür eignet, den ganzen Bildungskram unterzubringen.«
»Währenddessen«, funkte DeMeo dazwischen, »erzeugt ein 500-Watt-Jem-Glaciator, der im Sarkophag verborgen ist, einen Super-Bodennebel. Sechzig Kubikmeter pro Minute.«
»Mein Drehbuch erfordert keinen künstlichen Rauch«, erklärte Wicherly. »Der könnte die Malereien beschädigen.«
»Für diesen Nebelgenerator werden nur umweltfreundliche Flüssigkeiten verwendet«, entgegnete Lipper. »Es entstehen garantiert keinerlei stoffliche Veränderungen irgendwelcher Art.«
Nora Kelly runzelte erneut die Stirn. »Entschuldigen Sie, wenn ich das frage, aber ist dieses Maß an Theatralik wirklich notwendig?«
Menzies wandte sich ihr zu. »Aber Nora! Das Ganze war doch Ihre Idee.«
»Ich hatte etwas Schlichteres im Sinn, ohne Röhrenblitze und Nebelmaschinen.«
Menzies schmunzelte. »Wenn wir das schon machen, Nora, sollten wir es richtig machen. Vertrauen Sie mir, wir werden den Leuten ein unvergessliches Bildungserlebnis vermitteln. Es ist eine wundervolle Methode, um dem vulgus mobile etwas Wissen einzutrichtern, ohne dass er es überhaupt bemerkt.«
Nora blickte weiterhin skeptisch, sagte aber nichts mehr.
Lipper nahm den Faden wieder auf: »Während Senef spricht, werfen sich die Räuber in Panik zu Boden. Dann sinkt Senef wieder in seinen Sarkophag zurück, die Räuber verschwinden, die holographischen Leinwände werden eingezogen, das Licht geht an – und plötzlich steht man wieder vor dem völlig unberührten Grab, in einer Museumsausstellung. Das Tor öffnet sich, und die Besucher können die Grabkammer ungehindert besichtigen, als ob nichts geschehen wäre.«
Menzies hob einen Finger. »Aber wenn sie diese Besichtigung beginnen, haben sie bereits eine Menge über Senef erfahren und sich dabei noch glänzend amüsiert. Und jetzt die Eine-Million-Dollar-Frage: Werden Sie alles termingerecht fertig bekommen?«
»Von der Programmierung haben wir bereits so viel wie möglich ausgelagert«, sagte Lipper. »Die Elektrotechniker arbeiten mit Volldampf. Ich würde sagen, in vier Tagen haben wir alles installiert und sind bereit für einen Alpha-Test.«
»Das ist hervorragend.«
»Aber dann kommt die Fehlersuche.«
Menzies neigte den Kopf fragend zur Seite. »Die Fehlersuche?«
»Das ist der dickste Brocken. Eine Faustregel besagt, dass die Fehlerbeseitigung doppelt so viel Zeit in Anspruch nimmt wie die eigentliche Programmierung.«
»Acht Tage?« Menzies’ Miene hatte sich schlagartig verdüstert, und Lipper nickte verunsichert. »Vier plus acht sind zwölf – zwei Tage vor der Eröffnungsgala. Könnten Sie die Fehler beseitigung in fünf Tagen abschließen?«
Etwas an Menzies’ Ton ließ Lipper vermuten, dass dies eher eine Anweisung als eine Frage war. Er schluckte: Der Zeitplan war ohnehin schon der reinste Wahnsinn. »Wir werden es natürlich versuchen.«
»Gut. Lassen Sie uns jetzt noch kurz über die Eröffnung reden. Dr. Kelly hat den Vorschlag gemacht, dass wir die ursprüngliche Eröffnung von 1872 wiederholen, und ich halte das für eine glänzende Idee. Geplant sind ein Cocktailempfang und ein paar Opernarien, bevor wir die Gäste zur Sound-and-Light-Show ins Grab führen. Anschließend folgt dann das Dinner.«
»Über wie viele Leute reden wir?«, fragte Lipper.
»Sechshundert.«
»Wir können natürlich nicht sechshundert Leute gleichzeitig ins Grab führen«, erklärte Lipper. »Für die Sound-and-Light-Show, die etwa zwanzig Minuten dauert, habe ich im Schnitt mit Gruppen von je zweihundert Besuchern gerechnet, aber für die Eröffnung könnten wir die Zahl vielleicht auf dreihundert erhöhen.«
»Schön«, sagte Menzies. »Dann werden wir sie in zwei Gruppen aufteilen. Als Erste kommen natürlich die Prominenten rein: der Bürgermeister, der Gouverneur, die Senatoren und die Kongressabgeordneten, die Spitzen des Museums, die wichtigsten Sponsoren und die Filmstars. Bei zwei Vorführungen haben wir die Gäste innerhalb von einer Stunde durch die Ausstellung geschleust.« Er sah von Lipper zu DeMeo. »Sie beide spielen eine entscheidende Rolle. Es darf nichts schiefgehen. Alles hängt davon ab, dass Sie die Sound-and-Light-Show rechtzeitig auf die Beine stellen. Vier Tage plus fünf: Also in neun Tagen.«
»Damit hab ich kein Problem«, strahlte ein vor Selbstbewusstsein strotzender DeMeo, Laufbursche und Kabelträger der Extraklasse.
Die beunruhigenden blauen Augen kehrten zu Lipper zurück:
»Und Sie, Mr. Lipper?«
»Das kriegen wir schon hin.«
»Freut mich zu hören. Ich vertraue darauf, dass Sie mich über die Fortschritte auf dem Laufenden halten.«
Sie nickten.
Menzies warf einen Blick auf seine Uhr. »Nora, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich muss noch meinen Zug erwischen. Ich melde mich bei Ihnen.«
Menzies und die Kuratoren verabschiedeten sich und ließen Lipper wieder allein mit DeMeo zurück. Er sah auf seine Uhr. »Wir sollten besser loslegen, DeMeo, denn ich würde heute zur Abwechslung gern mal vor vier Uhr ins Bett kommen.«
»Was ist mit Darkmord?«, fragte DeMeo. »Sie haben versprochen, dass die Krieger um Mitternacht zum Angriff bereit sind.«
Lipper stöhnte. Mist! Wie es aussah, würde der Angriff auf Schloss Gloaning wohl ohne ihn stattfinden müssen.