Kapitel 51
Der Dämon floss über den Boden, und die Ränder seiner formlosen Gestalt wogten, als er über den Abfall glitt. Ein Gesicht drückte sich von innen gegen seine Haut; hervortretende Augen starrten in Croys Richtung. Ein zweites Gesicht wandte sich Mörget zu. Auch dies so auseinandergezogen und verzerrt, dass den Barbaren blankes Entsetzen erfasste.
Croy steckte seine Kerze zwischen zwei Bodenfliesen, damit sie aufrecht stehen blieb. Er konnte nicht gegen diese Kreatur kämpfen, wenn er sie nicht sah. Dann hielt er Ghostcutter mit der Spitze nach unten. Und nahm den linken Fuß zurück, um seinen Stand zu verbessern.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er dieses Ungeheuer angreifen sollte. Hier gab es weder Gliedmaßen auszureißen noch einen Kopf zu spalten. Es genügte mit Sicherheit nicht, nur die Gesichter zu zerschmettern. Zum einen gab es viel zu viele davon, und außerdem hatte Mörget von einem Zentralorgan gesprochen, das für die Bestie lebenswichtig zu sein schien, aber durch die Haut entdeckte er nichts dergleichen. Was sollte er mit einer so formlosen Scheußlichkeit anfangen, außer sie in Streifen schneiden und verbrennen?
Aber er bezweifelte, dass das Wesen geduldig an Ort und Stelle verharrte, während er ihm den Garaus machte.
Die Kreatur kam schnell heran, schneller, als ein Mann laufen konnte. Bevor sie aber über Mörgets Stiefel schwappte, bäumte sie sich auf und peitschte nach dem Ritter. Croy führte Ghostcutter in weitem Bogen, der den Rücken des Ungeheuers aufschlitzen sollte. Aber der Schneide aus kalt geschmiedetem Eisen bot sich kaum Widerstand – die Haut gab einfach nach. Als hätte man Honig zu zerteilen versucht. Es gelang Croy lediglich, eine oberflächliche Wunde zu schlagen, aus der klare Flüssigkeit sickerte.
Das Ungeheuer brüllte keineswegs vor Schmerzen auf – falls es überhaupt eine Stimme besaß, hatten die Männer sie bisher noch nicht vernommen. Aber Croy wusste, dass er ihm eine Verletzung beigebracht hatte, denn es ließ von seinem Angriff auf Mörget ab und näherte sich stattdessen dem Kampfgefährten. Er erwartete, dass die Bestie sich umwandte, aber sie schwappte einfach nach hinten und ergoss sich über seine Brust und sein Gesicht. Als bestünde sie aus Wasser. Der Rücken wurde zur Vorderseite, und Croy war sofort überwältigt.
Klebrige Flüssigkeit floss ihm über Mund und Nase und behinderte die Atmung. Fest kniff er die Augen zusammen und versuchte Ghostcutter ins Spiel zu bringen, aber die höllische Masse peitschte um seine Schwerthand und drückte zu, quetschte die Muskeln, bis er die Waffe fallen ließ. Mit Händen und Füßen wehrte er sich gegen die Kreatur, während sie um seine Hüften floss, ihn von den Beinen holte und in ihren Körper einsog.
Der Dämon verschlang Croy in einem Stück.
Der Weg durch die Haut war wie ein Sprung in heißes Wasser, und plötzlich fand er sich im Innern der Kreatur wieder. Ihr Blut verbrannte ihm Gesicht und Hände – überall, wo sie mit freier Haut in Berührung kam – und schob sich in den Kragen seines Wamses und die Ärmel hinauf.
Im Innern des Wesens gab es keine Luft. Die gallertartige Substanz drängte sich gegen seine Lippen, um in ihn einzudringen und ihn zu ersticken. Wo immer sie ihn berührte, zuckten seine Muskeln und brannten vor Schmerzen. Angst drohte ihn zu überwältigen wie eine schwarze Welle. Er war nur um Haaresbreite vom Tod entfernt, allerhöchstens um Haaresbreite, und der natürliche Drang zur Panik, zu einem Aufschrei, war beinahe unwiderstehlich.
Wenn er dem Drang nachgab, war er ein toter Mann. Sobald er den Kampf aufgab, würde er sterben. Früher einmal hatte ihn Vernunft nicht vor seiner Furcht retten können. Nur jahrelange Übung hatte zur Überwindung dieser natürlichen Regung geführt. Er zwang sich zu wachsamer Ruhe. Falls er auf diese Weise sterben sollte, verschlungen von einem Dämon, dann wollte er es hinnehmen. Aber nur dann, wenn er kämpfend unterlag.
Mit größter Anstrengung öffnete er die Augen. Wenige Zoll von ihm entfernt, starrte ihn ein höhnisches Gesicht an. Der Mund öffnete sich zu einem grausigen Lachen, und er blickte in den Schlund hinein – hinter den bösartigen Lippen war außer einem schwachen Lichtschein nichts zu erkennen. Croy bemühte sich, den Arm zu heben, und er schlug wild auf das Gesicht ein. Jede Bewegung wurde von der dickflüssigen Masse im Körper des Dämons behindert. Er hatte kaum genug Kraft, die Faust nach vorn zu stoßen, das schreckliche Gesicht zu treffen. Als jedoch seine Knöchel mit der Wange in Berührung kamen, hielt das Gesicht nicht stand, sondern legte sich wie ein nasses Blatt um seine Hand.
Croy fühlte, wie weiche Lippen an seinen Fingern saugten. Angewidert riss er sie zurück.
Im verzweifelten Verlangen nach Luft bäumten sich seine Lungen auf. Er bezwang den Krampf, der ihn veranlassen wollte, den Mund zu öffnen und die beißende Gallerte des Dämons zu schlucken, wusste er doch, dass dies sein Tod wäre. Wild starrte er um sich, obwohl seine Augen brannten, suchte nach etwas zum Festhalten, irgendein Organ, das er packen und zerreißen konnte.
Da bohrte sich Dawnbringer in den Dämon und verfehlte Croys Brust nur einen Fingerbreit. Das magische Schwert blitzte hell auf, als die Spitze ihr Ziel fand – eine gewaltige runde Masse, in der sich schwarze Würmer wanden. Dawnbringer durchbohrte das Organ und schnitt es auf. Die Würmer krümmten sich zusammen und schrumpften, als sie dem ätzenden Dämonenblut ausgesetzt wurden.
Croy sah drei weitere Gesichter aufschreien. Eine dicke, nasse Membran zerrte an ihm, denn die Haut des Ungeheuers zog sich im Todeskampf zusammen. Der Ritter kämpfte gegen die Haut, die sich wie eine Decke um ihn legte. Seine Finger durchstießen die schreckliche Hülle und zerrissen sie zu langen Streifen aus durchsichtigem Fleisch. Eiskalte Luft traf sein Gesicht, und er spie das Blut der Kreatur aus. Dann nahm er einen süßen Atemzug und erbebte vor Erleichterung.
Mörget zog und kratzte die Haut von Croys Körper, während der Ritter mühsam auf die Beine kam und sich von den Überresten des Monsters befreite. Er stolperte gegen eine der Marmorwände, stützte sich vor Schwäche dagegen und rang nach Luft. Ein Blick auf seine Hände verriet ihm, dass sie wie von kochendem Wasser rot und verbrüht waren.
Der Dämon lag in einer Pfütze seines eigenen Körpers, flach und leblos wie eine weggeworfene Plane. Die in der Haut begrabenen Gesichter starrten nach oben ins Leere, und aus den Organen sickerten dunkle Flüssigkeiten, während eins nach dem anderen zuckend starb.
Schließlich lag er still da. Der Kadaver dampfte und schrumpfte, während er sich in Rauch und Nebel verwandelte. Wie jeder Dämon und jede unnatürliche Kreatur konnte er nicht länger in dieser Welt existieren, nachdem sein Lebensfunke erloschen war. Allein zauberische Energien hätten seine greifbare Gestalt aufrechterhalten, und die gab es nicht mehr. Wenig später war er nichts weiter als ein Fleck auf den Marmorfliesen.
»Er ist tot«, sagte Mörget und lachte wild. »Mein Dämon ist zur Strecke gebracht! Jetzt bin ich ein Mann – und nicht einmal mein Vater kann dies bestreiten. Mutter Tod, ich danke dir für diese Gelegenheit, zu töten und das Ungeheuer in deine Arme zu schicken. Croy! Bruder! Wir haben gesiegt!«
Croy nickte schwach und versuchte das wilde Pochen seines Herzens zu bezähmen.
»Ja«, ächzte er schließlich. »Ja. Gesiegt. Und nun … finden wir Cythera.«
»Natürlich!« Mörget kicherte. »Alles, was du willst.«
»Aber erst einmal«, erwiderte Croy, und die Worte schnitten ihm wie Messer in die Kehle, »muss ich mich … setzen.«