Kapitel 15
Nieselregen perlte am nächsten Morgen von Croys bestem Lodenumhang, als er die letzten Gegenstände auf den Wagen lud. Er befestigte eine Lederplane über den Vorräten: Fässern mit geräuchertem Fisch, zusammengerollten Zelten und Lagerausrüstung, Krügen mit Bier und einem Eimer Milch für Mörget. Dicke Taurollen und Minenausrüstung – Haken und Schwellennägel, Flaschenzüge, Hämmer und weitere Werkzeuge – vervollständigten die Ladung. Die Pferde in ihrem Geschirr schnaubten. Sie waren nur ungern draußen in der Nässe, aber sie waren wohlgezüchtete Kutschpferde und würden sich fügen, sobald sie unterwegs waren. Die Reitpferde, ein Zelter und ein Streitross, standen noch immer im Schutz des Stalles.
Es war ein gutes Gefühl, sich wieder auf Reisen zu begeben. Es war ein gutes Gefühl, endlich loszufahren.
Viel zu lange war er ein echter fahrender Ritter gewesen – ein Krieger ohne Herr oder klar umrissenen Auftrag. Er hatte geschworen, Dämonen zu bekämpfen, aber von denen gab es nur noch wenige. Er hatte geschworen, den König zu verteidigen und dann den Burggrafen von Ness, aber beide hatten ihn aus ihren Diensten entlassen. Ein Mann wie er brauchte einen Grund, um weiterzumachen und seine Stärke unter Beweis zu stellen.
Nun, die Göttin hatte ihm einen Grund gegeben.
Er wusste nichts über diesen Dämon, weder über dessen Fähigkeiten, noch welche Gefährdung er für die Welt darstellte. Aber er war fest davon überzeugt, dass die Kreatur vernichtet gehörte und dass er der richtige Mann für diese Aufgabe war. Er und Mörget natürlich.
Der Barbar trat aus der Tür des Gasthauses und streckte sich. Er sah ausgeruht aus und bereit zum Aufbruch. »Im Regen aufzubrechen, ist ein gutes Omen«, verkündete er und blickte zu den Wolken hinauf. Dann öffnete er den Mund weit und fing Regentropfen auf, spülte sie im Mund und spie sie in den Schlamm. »Das bedeutet, dass es trocken ist, wenn wir ankommen.«
Croy lachte. Die Aufregung der bevorstehenden Reise verscheuchte sämtliche tiefsinnigen Gedanken über Pflicht und Daseinszweck. »Ich hoffe, du hast recht. Es bedeutet, dass wir nicht lange reisen können und vor Einbruch der Dunkelheit einen Unterschlupf finden müssen. Zu dieser Jahreszeit wird es früh kalt.«
Der Barbar kehrte ins Haus zurück, um ein Bündel zu holen, das er auf der Heckklappe des Wagens ablegte. Es klirrte laut, als er es zwischen die Ausrüstung schob.
»Klingt, als nähmst du ein ganzes Arsenal mit«, sagte Croy.
»Alles, was ich brauche«, erwiderte Mörget mit einem Schulterzucken. »Ein Mann mit einer vernünftigen Axt kann länger in der Wildnis überleben als ein Mann mit hundert Gewichtseinheiten Nahrung und keiner Axt.«
Croy lachte. Er war froh, den Barbaren als Begleiter zu haben. Davon abgesehen hatte Mörget auch recht – die Lebensmittel auf dem Wagen würden nicht ewig reichen, und vermutlich müssten sie auf die Jagd gehen, bevor sie ihr Ziel erreichten, wenn sie nicht verhungern wollten.
Sobald alles verladen war, waren sie zur Abfahrt bereit und warteten nur noch auf die anderen beiden Mitglieder der Expedition. Slag traf als Erster ein. Croy war ziemlich überrascht gewesen, als der Zwerg ihn am Vorabend aufgesucht und mitzukommen verlangt hatte. Durch seine Bekanntschaft mit Malden kannte er Slag flüchtig, aber nach allem, was er über ihn gehört hatte, hielt er ihn für einen recht ungewöhnlichen Reisegefährten. Es war nämlich allgemein bekannt, wie sehr Zwerge das Reisen hassten, selbst jene, die als Botschafter für ihren König arbeiteten und ständig von einem Ort zum nächsten zogen. Im Gegensatz zu ihnen war Slag ein Stadtzwerg, der die Annehmlichkeiten von Ness gewohnt war, und wollte man Malden Glauben schenken, dann war er seit vielen Jahren eine feste Größe in der Stadt. Er hatte nicht weiter erklärt, warum er die Stadt ausgerechnet jetzt verlassen oder warum er dem Vincularium einen Besuch abstatten wollte, aber Croy hatte so seine Vermutungen. Schließlich hatten Zwerge diesen Ort errichtet, auch wenn das so lange her war, dass sicherlich niemand von den Erbauern mehr lebte. Mörget hatte sich überschwänglich dafür stark gemacht, dass Slag mitkam. Ohne jeden Zweifel war der Zwerg bestens geeignet, die vielen Fallen und Sackgassen des Vinculariums zu überwinden. Eine wichtige Verstärkung für die Mannschaft, nachdem der Dieb sich geweigert hatte, sich der Quest anzuschließen. Croy hatte eigentlich keinen Einwand gehabt. Schließlich war Slag Maldens Freund. Das reichte, um für den Zwerg zu bürgen.
»Schön, dass du da bist, Freund«, sagte Croy und verbeugte sich, um gegen die Hand des Zwergs zu klatschen. »Heute reiten wir einem echten Abenteuer entgegen.«
»Dafür hast du dir aber einen verflucht beschissenen Tag ausgesucht«, erwiderte der Zwerg. Ohne ein weiteres Wort kletterte er unter die Lederplane und lehnte sich an ein Fass. Augenblicke später schnarchte er bereits.
Croy und Mörget tauschten ein Lächeln aus und holten die Pferde. Als sie aus dem Stall traten, war auch Cythera eingetroffen. Croy schenkte ihr einen wissenden Blick, als sie ihre Ausrüstung auf den Wagen lud. Sie trug einen alten Umhang mit hochgeschlagener Kapuze, die ihre Augen verbarg.
»Wollen wir?«, fragte sie, als Croy den Mund öffnete.
Er hatte ihr Gelegenheit geben wollen, es sich anders zu überlegen und bis zu seiner Rückkehr in der Stadt zu bleiben. Offensichtlich wollte sie noch immer mitkommen.
»Also gut«, sagte er. »Du nimmst den Zelter. Er ist kastriert und läuft hervorragend. Mörget reitet den Hengst. Das ist ein Männerpferd.«
Cythera wandte sich zu ihm um, und er sah, dass sie ihn unter der Kapuze hervor zornig anblitzte.
»Ich meinte doch bloß, dass der Hengst sein Gewicht besser tragen kann, das ist alles«, versuchte Croy sie zu beschwichtigen. »Ich übernehme am ersten Tag den Wagen.«
Cythera sagte nichts mehr, sondern stieg auf den Zelter und trat ihm in die Flanken, um ihn anzutreiben. Croy musste sich beeilen, sprang auf den Wagen und trieb die Zugpferde an, nur um mit ihr mitzuhalten. Sie führte sie hügelabwärts durch das Stinkviertel zum Königstor, das sich zur Straße nach Helstrow öffnete. Auf dem Weg passierten sie den Fischmarkt, auf dem sich tapfere Frauen dem Regen stellten, um den frischesten Fang zu ergattern, und dann einen kleinen Friedhof. Croy runzelte die Stirn. Das war ein schlechtes Omen, auf dem Weg in die Gefahr an Gräbern vorbeizureiten, aber er verzichtete auf eine Wegänderung.
Bald erhob sich die Stadtmauer vor ihnen. Hoch und weiß überragte sie die Gebäude, die sich zu ihren Füßen drängten. Der Regen hatte einige der Seitenstraßen unter Wasser gesetzt, aber der Hauptweg war frei. Croy beugte sich vor, die Ellbogen auf den Knien, und ließ sich in die vertraute Trance des Reisens fallen. Das rhythmische Klappern der Hufe und das Knirschen der Wagenräder auf den Pflastersteinen sangen das Lied der Ferne. Bald würden sie das Tor passieren und wären auf der Straße. Vor ihnen lag ein langer Weg mit vielen Hindernissen, die es zu überwinden galt, aber er befand sich wieder auf einer Quest, auf einer Mission. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt …
Etwas Schweres landete hinter ihm auf der Lederabdeckung. Slag brüllte einen Fluch, als hätte man ihn geschlagen. Croy zog an den Zügeln, und die Pferde wieherten, als sie langsamer gehen mussten. Er wandte sich um, eine Hand bereits auf Ghostcutters Griff, und riss die Augen auf.
»Ist noch Platz für einen weiteren Mitreisenden?«, fragte Malden. Er lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf der Plane. Als wäre er aus dem Himmel herabgefallen. Aus irgendeinem Grund war sein Gesicht übel zugerichtet, ein Auge war nahezu völlig zugeschwollen. »Ich verspüre den plötzlichen Drang nach Landluft«, sagte der Dieb, als wäre das eine Erklärung.