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Er sah der Morgendämmerung zu, den schwachen Lichtstrahlen, die durch die Wolken fanden. Etwas in ihm scheute vor dem Licht zurück, aber er verdrängte es, wie er es seit Jahren schon an jedem Morgen tat. Die schwache Wintersonne war immer noch stark genug, um anfangs in den Augen zu stechen, weil er die ganze Nacht über das Dunkel genossen hatte.

Trotz des Regens und der dicken Steinmauern konnte er sie von seinem Standort aus riechen, ihren Atem hören und das heiße Pochen in ihren Adern geradezu empfinden. Manchmal war der Geruch auch zu aufdringlich, verhinderte den Schlaf, und in solchen Nächten drückte er sich für gewöhnlich in eine dunkle Ecke, um sich von allen anderen fernzuhalten. Sogar die ungemütlichen Winternächte voll von Regen und eisigem Wind konnten ihm nichts anhaben. Diese Unannehmlichkeiten verblassten vor dem Heißhunger in seinem Inneren zu Nichtigkeiten.

Die Dämmerung brachte Stimmen, Bewegungen und Tierrufe mit sich, Hundegebell und Hahnenkrähen. Er rang sich ein Lächeln ab. Wieder eine Nacht überlebt. Eine weitere Nacht, in der er die schlafende Stadt beobachtet und darauf gewartet hatte, dass das Leben in die Straßen zurückkehrte. Eine weitere Nacht der Untätigkeit. Das Sonnenlicht kroch über seine Haut und vertrieb diese Gefühle, verscheuchte die Dunkelheit zurück in die Abgründe seiner Seele.

Mit jedem Jahr wurde es schwieriger, aber in letzter Zeit war es besonders schlimm. Er spürte eine Träne auf der Wange, die er vorsichtig mit einem Finger wegwischte – und den kleinen Wassertropfen dann eingehend betrachtete, bevor er ihn sich auf die Zunge fallen ließ. Er spuckte sofort aus und war beschämt.

Er schürzte die Lippen. Die Dämmerung war nun gekommen, und er war in Sicherheit. Eine Nacht nach der anderen, nur daran musste er denken, auch wenn es ihm schwerer fiel und er die Gier deutlicher verspürte. Sie war schon oft kurz davor gewesen, ihn zu überwältigen, aber bisher hatte er sie immer wieder in die Schranken verweisen können.

Er hatte es jahrelang ohne die Stimme in den Schatten geschafft, und er konnte ihre Abwesenheit überleben. Er musste es auch tun, denn alles andere war undenkbar.

Ich werde nicht zulassen, dass ich zu einem Monster werde.

Trotz seiner entschlossenen Worte wusste er, dass es so einfach nicht war. Vor einem Kampf fürchtete er sich nicht, Gewalt und Tod waren nur Ereignisse, die in seiner Nähe stattfanden, aber die Aussicht, sich der Gier zu ergeben, erschien so schrecklich, dass er darüber nicht einmal nachdenken durfte.

Ihr Götter, die letzte Nacht war schlimm, so schlimm. Ich hätte beinahe nicht bis zur Dämmerung durchgehalten.

Götter? Dieses Wort hatte für ihn keine Bedeutung mehr. Es war nur noch eine Angewohnheit, ein bedeutungsloser Fluch. Die Götter hatten seinen Gebeten niemals Gehör geschenkt, die Götter interessierten sich nicht für ihn.

Als er am Boden gewesen war, den Leichnam dieses Hundes in den Händen, die Zähne so stark aufeinanderbeißend, dass sein Kiefer noch tagelang geschmerzt hatte, hatten ihm da die Götter geantwortet? Nein, die beruhigende Stimme aus der Dunkelheit hatte keinem Gott gehört – Götter zeigten sich als gleißende, triumphierende Gestalten, sie versteckten sich nicht in den Schatten.

Und doch waren seine Gebete erhört worden, denn der Hunger war verschwunden, solange die Stimme zu ihm sprach und ihn nährte. Er wusste nicht, warum sie plötzlich verstummt war, nach Jahren des Flüsterns und leisen Lachens, die das einzige Anzeichen für die verstreichenden Wochen gewesen waren, und auch nicht, wann er sie wieder hören würde. In einer Woche, einem Monat? Er hatte sich auf die Stimme verlassen, und dann war sie ohne eine Erklärung oder Vorwarnung verschwunden, ließ nur ein Gefühl des Verlustes zurück, das ihn beinahe so plagte wie der Durst.

»Ich werde stark sein, denn der Schatten kommt wieder«, sagte er leise, aber entschlossen. Er stand auf und ging auf die Straße hinaus, wo der neue Tag anbrach.

Eine Gestalt auf einem Dach über ihm sah ihm nach.

Interessant, dachte Mihn und lehnte sich weit hinaus, bis der andere außer Sicht war. Sehr interessant. Das sollte ich deiner Akte hinzufügen. Lesarl wird sich freuen.

 

Lesarl lächelte auf das Gesicht seines schlafenden Sohnes hinab und schloss leise die Tür. Er war sehr früh aufgestanden, die Dämmerung hatte sich im Himmel gerade erst angedeutet, um einige Stunden Vorsprung vor dem Rest der Stadt zu haben. Ein muffiger Geruch erfüllte das Haus, in den sich abgestandener Schweiß mischte. Es war der Geruch eines Hauses, bevor das Gesinde seinen Tag begann, bevor das Brot gebacken wurde und der Eifer der Stadt hereinschwappte.

Heute Morgen hing auch die Feuchtigkeit in der Luft, die der nächtliche Regen mit sich gebracht hatte. Vor dem Fenster seines Ankleidezimmers lag die Stadt nach dem Regenguss still da. Eine große Pfütze hatte sich auf der Straße gesammelt und ließ den beiden Wachen vor seinem Tor kaum genug Platz. Sie standen gebückt an der niedrigen Wand und drückten den Rücken gegen das Geländer.

Er begab sich zum Frühstückszimmer. Er liebte diesen Raum, obwohl er wegen der fünf hohen, regenbedeckten Fenster, die verhinderten, dass es hier jemals richtig warm wurde, sehr unpraktisch war. Auf einem Tisch mit dampfendem Griesbrei stand eine Lampe. Sie konnte das Halbdunkel nicht vertreiben, aber es würde ausreichen, um die morgendlichen Berichte seines Sekretärs zu lesen. Der untere Teil der Fenster war mit skelettartigen, graubraunen Ranken bedeckt. Sie waren nicht abgestorben, sondern warteten auf die Rückkehr der Sommersonne.

Ihm fiel auf, dass der übliche Hagebuttentee fehlte, und so machte er sich daran, seinen Diener zu rufen, doch als er die Tür erreichte, schoss etwas aus dem Schatten hervor und drückte ihm einen harten Gegenstand an die Kehle. Ohne nachzudenken griff er nach dem Stilett, das er stets bei sich trug, aber der Angreifer war schneller und schlug ihm schon einen Ellenbogen gegen den Arm, so dass dieser sofort taub wurde. Der Druck an seinem Hals nahm zu.

»Gebt mir einen guten Grund, Euch nicht den Hals umzudrehen«, zischte eine Stimme in sein Ohr.

»Mein liebenswertes Lächeln?«, brachte Lesarl krächzend hervor.

»Das ist nicht genug«, sagte Mihn und unterstrich seine Aussage, indem er den kleineren Mann wie eine Ratte schüttelte. »Der Dämon und ich, wir hatten ein kurzes Gespräch, bevor er mit Malichs Tagebuch verschwand.«

»Jetzt sagt nicht, dass Ihr hinter diesem Tagebuch her wart?«

»Keine Spielchen mehr«, ermahnte Mihn ruhig.

»Nun gut«, zwängte Lesarl hervor. »Seht Euch die morgendlichen Berichte an.«

Mihn drehte sich mit Lesarl, so dass sie beide die Papierstapel auf dem Tisch sehen konnten. Es stand tatsächlich etwas Wichtiges darin. Er ließ Lesarl los und schob ihn von sich.

Der Haushofmeister hustete und rieb sich die Kehle, während Mihn zum Tisch trat. »Hohepriester Bern hatte das Original«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Und bis zu Screes Fall war das auch kein Problem. Ich hatte nicht einmal darüber nachgedacht, dass es ein Problem werden könnte, dem Hohepriester Tods die Schriften eines Nekromanten anzuvertrauen.«

Mihn nahm das Tagebuch auf und öffnete es, überflog einige Seiten, um sich zu vergewissern, dass es die Übersetzung war, die Lord Bahl in Auftrag gegeben hatte. Er schloss es wieder und band die Lederriemen zu. »Lasst Euch Euren Brei schmecken«, sagte er geringschätzig und wandte sich zum Gehen.

Lesarl sah ihm nach, bis Mihn außer Sicht war. »Hat der Koch ihn schon wieder versalzen?«, rief er, erhielt aber keine Antwort.

 

Kardinal Certinse sah nicht einmal auf, als die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgestoßen wurde. Es gab nur einen Mann, der unangekündigt hereingestürmt käme, und es würde mehr als eines strengen Blicks bedürfen, um den Mann einzuschüchtern, den man einst Hauptmann Yeren genannt hatte. Der Bastard mit der Augenklappe hatte einen Ruf, der sich mit Graf Vesnas messen konnte, und er nutzte jede Gelegenheit, um den Kardinal daran zu erinnern, dass der ihm verliehene Titel nur eine Formsache gewesen war.

»Hochpönitent Yeren. Darf ich annehmen, dass Ihr eine theologische Frage habt, die Ihr unbedingt sofort besprechen müsst?«

»Ja, so was in der Art«, antwortete der breitschultrige Söldner und ließ sich in einen der Stühle vor dem Schreibtisch fallen.

»Bitte, setzt Euch doch«, murmelte Certinse, die Augen noch immer auf den Bericht vor sich gerichtet, um auch die letzten Zeilen zu lesen. Er widerstand dem Verlangen, die Seiten anzuheben, trotz des Drucks hinter seinen Augen, der auftrat, wenn er trotz Müdigkeit zu viel las. Vor einem Schläger wie Yeren sollte man besser keine Schwäche zeigen, auch wenn er in den eigenen Diensten stand.

Endlich hatte er zu Ende gelesen und legte den Bericht beiseite, um den Soldaten dann über aneinandergelegte Fingerspitzen hinweg anzusehen. Yeren war in seinem Alter, aber damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Yeren war ein untersetzter Mann aus Canar Thrit und hatte mehr weiße Haare als Certinse, und zudem eine Menge Narben. Er hatte sich dem Vernehmen nach bereits in jungen Jahren von der Armee freigekauft, bevor man ihn wegen Korruption vor ein Kriegsgericht stellen konnte, allerdings erst nachdem er im Kampf ein Auge verloren hatte. Er verbrachte die nächsten zehn Jahre als Carastar, Mitglied einer von Vanach geduldeten Räuberbande, die an der Grenze zu Canar Thrit patrouillierte. Ihre Aufgabe war es, die Leute umzustimmen, die vor den religiösen Geboten fliehen wollten, und so den Grenzkonflikt am Leben zu halten, ohne ihn jedoch zu einem offenen Krieg werden zu lassen.

»Habt Ihr Neuigkeiten für mich?«

»Jawohl«, sagte Yeren mit finsterer Miene. »Am Heiligen Dock gibt es eine Riesenschweinerei – das verdammte Ding hat ein Loch in die Wand von Berns Palast gerissen. Der ganze Krähenschwarm rennt händeringend rum und schiebt sich gegenseitig die Schuld zu.«

Certinse überging die Krähenandeutung, auch wenn die schwarz berobten Priester des Todes sie wohl nicht geschätzt hätten, und verkniff sich die Frage, welchen schmeichelhaften Namen die Söldner für die Priester des Nartis hatten. »Konntet Ihr mit Eurem Freund sprechen?«

Yeren kannte natürlich die meisten Söldner, die von beiden Kulten angeheuert worden waren. Sie alle hatten in Tor Milist zusammen gedient.

Er nickte. »Nichts zu sehen, nur eine Wache, die behauptet, dass man sie nachts umgehauen hat.«

»Und, stimmt das?«

»Wohl kaum, er wäre nicht der Erste, den man wegen Saufens im Dienst auspeitscht. Trotzdem ist das verdammt praktisch für den Haushofmeister, und ich würde es dem Scheißkerl zutrauen. Aber Kerx sagt, er hat das ganze Haus so schnell wie möglich durchsucht. Alle Türen waren von innen verschlossen und die Fenster im Erdgeschoss und ersten Stock sind verzaubert. Wenn Lesarl also keinen Schergen hat, der fliegen kann, weiß ich nicht, wie er das geschafft haben soll. Die Patrouillen laufen die ganze Zeit um den Tempel herum, also hätten sie jemanden mit einer Fünfzehn-Schritt-Leiter doch gewiss bemerkt.«

»Und was schließt Ihr daraus?«

Yeren seufzte. »Dass der Haushofmeister schlauer ist als Hauptmann Kerx.«

»Ein neugeborener Hase ist schlauer als Kerx«, sagte Certinse, »aber Ihr habt Recht, hier von Zufall auszugehen, das wäre dumm. Jetzt können wir nur noch entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen.«

»Was meint Ihr damit?«, fragte Yeren überrascht. Er schlug die Beine übereinander, wobei seine Lederhose zum Vorschein kam, bis er seine Pönitentenrobe zurückzupfte.

Certinse lächelte in sich hinein. Sie haben Glück, dass es Winter ist und man gerne eine Lage mehr trägt. Im Sommer müssten sie ihre Kampfkleidung wohl ablegen. »Ich meine: Ein Bürgerkrieg ist nicht unser Ziel. Wir brauchen keine Beweise dafür, dass dies einen Konflikt schüren soll. Aber das muss nicht die einzige Auswirkung bleiben.«

»Warum nicht? Sie rennen rum wie kopflose Hühner«, sagte Yeren und machte einige Gesten. »Sie haben sich allesamt den Reformen des Obersten Kardinals gebeugt. Wenn Ihr mich fragt, dann haben die Geschehnisse in Scree Isaks Willen gebrochen …«

»Ich bezahle Euch nicht, damit Ihr denkt«, blaffte Certinse. »Und darüber bin ich auch ganz froh, denn Ihr seid offensichtlich sehr schlecht darin. Glaubt Ihr, wir befänden uns in einer derart sicheren Lage, wenn Lord Isak den Einflüsterungen des Haushofmeisters so bereitwillig nachgäbe?«

Er griff nach dem Klingelzug, um seinen Sekretär hereinzurufen, einen kleinen Mann mit fliehendem Kinn, dessen Vater ihn Kerek genannt hatte, wohl in der Hoffnung, einen großen Krieger gezeugt zu haben und nicht den ängstlichen Kleriker, zu dem er geworden war.

Der Sekretär eilte herein und sah erst Yeren kurz an, verneigte sich dann aber vor Certinse. »Ja, Euer Eminenz?«

»Bereitet einen Brief an den Obersten Kardinal Echer vor. Ich rate, dass wir uns vom unglücklichen Hohepriester Bern distanzieren und dafür sorgen, dass die Untersuchung rasch und im Stillen beendet wird. Außerdem möchte ich andeuten, dass wir mehr darüber wissen, als wir zugeben.«

»Wird ihn das nicht misstrauisch machen?«, mischte sich Yeren ein und übersah Certinses tadelnden Blick. »Sie werden herausfinden wollen, wer sich sonst noch mit Dämonen eingelassen hat. Ihr Farlan mögt Verschwörungen lieber als die Wahrheit.«

»Zuerst einmal«, antwortete Certinse mit übertriebener Geduld, »werden sie innerhalb von Tods Kult nach Verschwörern suchen, nicht außerhalb. Bern hätte seine Ketzerei wohl kaum nach draußen getragen. Zum anderen hat Echer so weit abgebaut, dass er gerade eben noch mitbekommt, wann Gebetstag ist. Jetzt, da seine Vorschläge angenommen wurden, ist der Mann so glücklich wie … nun, so glücklich, wie ein völlig verrückter Mann eben sein kann. Kerek, kennst du einen passenden Ausdruck?«

»Ekstatisch vielleicht, Herr?«

Certinse nickte. »Das spielt zumindest auf die Raserei an. Wie dem auch sei, Echer ist damit zufrieden, weitere Vorgaben zu erfinden, die er den Farlan auferlegen kann. Zum Glück für das Volk der Farlan schickt er sie mir, weil er mich als seine rechte Hand betrachtet, damit ich mich dazu äußere – und ich beschäftige einige begabte, wenn auch fragwürdige Theologen, die gerne dabei helfen, den Text zu schleifen.«

»Also lasst Ihr ihn den ganzen Tag mit ihnen diskutieren, während Ihr den Kult anführt?«

Certinse nickte. »Für einen Soldaten seid Ihr gar nicht so dumm.«

Yeren schaffte es, auf diese Provokation nicht hereinzufallen. »Das wird nicht lange funktionieren.«

»Ich weiß. Kerek, hast du deine Freundin Ardela in letzter Zeit getroffen?«

»Das habe ich, Euer Eminenz«, antwortete Kerek mit einer Verbeugung, die sein Lächeln aber nicht verbergen konnte.

»Du solltest ihr schreiben, sie darum bitten, ihre Fähigkeiten der Überzeugung einzusetzen. Und danach solltest du vielleicht bei ihr vorbeischauen, um sicherzustellen, dass es ihr gutgeht. Es muss eine sehr schwere Zeit für sie sein. Ich habe schreckliche Neuigkeiten über ihre Herrin gehört. Nimm Yeren mit, ja?«

»Herrin?«, fragte Yeren scharf, als Kerek sich erneut verbeugte und den Raum verließ. »Das wäre dann doch wohl die Dame, oder? Es heißt, sie sei tot, in einem ihrer eigenen Tempel ermordet.«

»Ich kenne die Einzelheiten leider nicht, aber ich habe auch gehört, sie sei tot.« Certinse musterte Yerens Gesicht, während der Soldat die Teile zusammenfügte. Eine Geweihte der Dame. Der ärgerliche Hohepriester Echer. Also wirklich, Yeren, das ist doch nicht so schwer? Oder möchtest du das bei einem Mann in Kutte einfach nicht wahrhaben?

»Pisse und Dämonen!«

Certinse lächelte. »Nicht ganz.«

»Euer Sekretär hat nicht mal mit der Wimper gezuckt«, wandte Yeren ein. »Was für ein Leben führt ihr Kleriker eigentlich?« Der Mann wirkte tatsächlich so wütend, als sei er selbst während der Jahre des blutigen Bürgerkriegs in Tor Milist ein Paradebeispiel an Güte gewesen.

Mit der Wimper gezuckt? Das hat der Mann nicht mal getan, als ich ihm befahl, seinem Gott abzuschwören und einem Dämonenprinzen zu huldigen. Ich glaube nicht, dass er sich wegen eines Mordes Sorgen macht. Es interessiert ihn kaum, solange er nicht daran beteiligt ist.

»Das Hauen und Stechen in einer klerikalen Debatte kann sehr verletzend sein«, stimmte Certinse zu. »Er wird ein Treffen mit Ardela einrichten, sobald sie dem Obersten Kardinal ihre Argumente vorgetragen hat. Wie viele Frauen mit rotem Haar kann auch sie recht feurig sein. Vielleicht liegt es an dem Färbemittel?«

Gelüste, die befriedigt werden müssen. Certinse erinnerte sich gut an Lord Isaks Worte. Verdammt seiest du, Ardela! Deine Nachlässigkeit hat mich dem Haushofmeister für den Rest meines Lebens ausgeliefert, und genau das ist die Sorte Fehler, die sie einem nicht durchgehen lassen. Ich wünschte beinahe, der Dämonenprinz wäre nicht getötet worden, wer auch immer diese Tat vollbracht hat, denn liebend gern würde ich ihm deine Seele schicken, aber so muss ich mich damit bescheiden, dich einfach nur umzubringen.

»Recht feurig?«, wiederholte Yeren. »Ich glaube nicht, dass sie freiwillig mitkommen wird.«

»Die traurigen Wahrheiten des Lebens«, stimmte Certinse zu und widmete sich wieder dem Bericht.