6
Ashin Doranei war drauf und dran, sich im Sitz umzudrehen, um den, der da diesen schweren Tabak rauchte, böse anzusehen. Seit mehr als einer Stunde schon kratzte er ihn im Hals, und so langsam ging ihm das wirklich auf die Nerven. Nach einigen Augenblicken entschied er sich jedoch dagegen. Vermutlich würde er nur vom Stuhl rutschen, wenn er etwas so Verwegenes versuchte.
Er könnte natürlich vorher aufstehen, aber wenn er Geld gehabt hätte, hätte er nicht darauf gewettet, dass er dazu in der Lage gewesen wäre.
Ha, ich wette nicht mehr um Geld, sagte er zu sich selbst. Da habe ich Unterhaltsameres zu tun. Er klopfte matt auf seine Taschen. Irgendwo hatte er einige Wyvernklauen, die er bei seiner letzten Wette mit den Kameraden gewonnen hatte.
Die Mistkerle haben abgewartet, bis ich das Vieh getötet hatte. Widerspricht das nicht irgendeiner Regel? Gibt es für uns überhaupt Regeln? Gibt es für einen Mann wie mich Regeln?
»Also, wo ist die Liebe meines Lebens?«, fragte eine Frau von der anderen Seite der Bar herüber.
Doranei schwankte etwas, schaffte es dann aber, den Kopf so auszurichten, dass er ihr ins Gesicht blicken konnte.
Leck mich am Arsch … die sieht einer Frau verdammt ähnlich, die ich mal gevögelt habe.
Er ließ den Kopf wieder sinken und fasste seinen Becher fester.
Ist keine Überraschung, immerhin arbeitet Janna hier. Es sei denn …
Ein Gedanke kroch gemächlich in seinen Geist, und unter Mühen wandte Doranei den Kopf erneut, um diesmal quer durch die Bar zu blicken.
Scheiße. Ich muss vergessen haben, die Flinken Finger zu verlassen. Warum zur Hölle bin ich in diesem Drecksloch so lange hocken geblieben?
Ein weiterer Bierkrug wurde vor ihm auf den Tisch geknallt.
Ah. Doraneis Gesicht kippte in ein schiefes Lächeln, als er nach dem Krug griff. Darum.
»Du bist noch wach? Wo steckt denn dein Bruder, mein Liebling?« Die Frau sprach langsam und betont.
Liebling. Ihr Götter, wie ich es hasse, so genannt zu werden. Habe ich darum aufgehört, sie flachzulegen? Doraneis Gedächtnis entwickelte mit einem Mal hektische Betriebsamkeit.
Oder lag es daran, dass ich ihr sagte, sie stinke wie ein Esel und sie mir daraufhin die Eier bis in den Magen getreten hat? Er nickte bedächtig, und Janna schnaubte verärgert.
»Spielst immer noch den Geheimnisvollen, was? Gut, scheiß drauf. Wollen doch mal sehen, ob du besoffen genug bist, um dir eine dieser teuren Zigarren abluchsen zu lassen, die du immer rauchst.«
Janna hob zögernd die Hand, aber als sie merkte, dass Doranei gar nicht darauf reagierte, lächelte sie zahnreich und griff in sein Wams, um ein silbernes Zigarrenkästchen hervorzuholen. »Na, ist das nicht zauberhaft«, sagte sie im Plauderton. »Da ist eine Biene vorne drauf und alles …« Sie verstummte, und ihre Erheiterung war mit einem Mal verschwunden. »Ihr Götter, hast du die von deinem Herrn bekommen?«
Doranei starrte eine Weile auf den Tresen, dann versuchte er die Hand in seine Tasche zu stecken. Er traf sie erst beim zweiten Versuch.
Mein Zigarrenkästchen ist weg, verdammt. Dass so was hier passieren kann … jemand beklaut mich in einer Schenke der Bruderschaft … Verdammt übel, das.
Jana zog eine Zigarre hervor und legte das Kästchen auf den Tresen. Dann entzündete sie ihre Beute an einer Lampe und zog heftig daran, bis die Zigarre richtig brannte. Anschließend steckte sie das Kästchen wieder in Doraneis Tasche und lehnte sich mit den Ellbogen auf den Tresen, so dass sich ihr Gesicht nur einige Fingerbreit vor seinem befand.
»Also, Liebling, wo steckt denn unser Sebe? Wenn du ihn siehst, dann sag ihm mal, dass ich ihn und seine putzigen Narben schon richtig vermisst habe. Ihr Götter, was hab ich gekreischt, als ich ihn letzte Woche kahl wie einen verdammten Säugling gesehen habe! Ein echt schrecklicher Säugling, aber das ist mir ganz egal, ich liebe ihn trotzdem. Doch ich hab ihm gesagt: ›Ich kann mich nirgendwo festhalten, und du weißt doch, wie gern ich das tu!‹ Janna lachte scheppernd und das ließ die anderen in der Schenke kurz verstummen.
Janna. Das Mädchen hat eine gute Rechte, dachte Doranei verträumt und hob ohne nachzudenken den Becher, um sein Bier zu trinken. Armer Sebe, der Junge ist wirklich in sie verschossen. Keine Frage, eine gute Rechte muss man achten, und ihr Lächeln lässt die Sonne in diesem Scheißzimmer aufgehen. Sie wird grausig werden, wenn er den Mut aufbringt, sie zu heiraten, aber sie wird ihn gut behandeln. Der clevere kleine Scheißer weiß ja bestimmt, wie man sie gütig stimmt.
»Also, wie waren die Frauen in Scree so, hä?«, fragte Janna in verschwörerischem Ton und ließ sich vom Ausbleiben jeder Antwort seinerseits nicht aus dem Konzept bringen.
»Hübsch? Ich wette, sie waren alle hässlich, lauter schwarzhaarige Farlan-Bastarde, oder?«
»Frauen?«, fragte Doranei plötzlich, als erwache er aus einem Traum.
»Leck mich am Arsch, es lebt.« Janna kicherte. »Na, das ist doch mal interessant, dass du überhaupt nix mitkriegst, bis ich von Röcken rede.«
Sie tätschelte seine Wange. »Doranei, Liebling, kann es denn wirklich sein, dass du endlich damit aufhörst, mir nachzuweinen und dir eine Dame geschnappt hast, oder war es nur eine Hure, die noch besser ist als ich?«
Doranei trank einen weiteren Schluck Bier und ließ die Worte langsam in eine Reihenfolge sickern, die er verstand.
Frauen.
Nachweinen.
Dame.
Ein Bild der drei Frauen, die er in Scree am häufigsten getroffen hatte, erschien vor seinem inneren Auge: Haipar, die Gestaltwandlerin, Legana, die Farlan-Meuchlerin und natürlich Prinzessin Zhia Vukotic, Vampirin und Feindin der Götter.
»Verdammt furchterregend«, verkündete er schließlich.
Jana lachte. »Scheiße noch mal, so hässlich, was?«
Doranei dachte noch etwas länger nach. Schließlich schüttelte er vehement den Kopf. »Nicht hässlich. Wunderschön«, sagte er, nachdem er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er klammerte sich haltsuchend an den Tresen.
»Und warum soll das so fuchterregend sein, mein Liebling?«
»Zu hübsch. Zu gefährlich. Zu …« Die Worte verloren sich, als seine Aufmerksamkeit von dem Krug vor ihm angezogen wurde.
»Pisse und Dämonen, du bist bis über beide Ohren verknallt, was? Wie heißt sie denn?«
Doranei sah Janna ins Gesicht. Die gleichen wilden, braunen Locken, das gleiche runde Gesicht und das gleiche strahlende Lächeln, in dem der linke obere Schneidezahn fehlte.
Janna ist zauberhaft, warum bin ich nicht bei ihr geblieben? Sebe ist da schlauer. Er hat wohl Angst vor Jannas aufbrausender Art, aber sonst muss er nichts fürchten. Welcher Narr verliebt sich schon in eine Frau, die ihm unglaubliche Angst macht?
»Geheim.«
»Ein Geheimnis? Liebling, ich habe jeden Fingerbreit von dir aus mehr Richtungen gesehen, als ich mir jetzt wieder ins Gedächtnis rufen will. Du musst doch nichts vor mir verbergen.«
»Kann’s nicht verraten.«
Janna schnaubte enttäuscht auf. »Aber sie ist der Grund dafür, dass du hier allein säufst? Der Grund, warum du auch letzte Nacht hier warst? Leck mich am Arsch, Liebling, ich dachte, ihr hättet in der letzten Nacht zu tun gehabt?«
»Das war nicht der einzige Grund«, murmelte Doranei und presste die Lippen trotzig zusammen. Unwillkürlich strich er mit dem Finger über die kleine Narbe, die Zhia auf der Unterlippe hinterlassen hatte. Sie war seine einzige Erinnerung an sie.
»Nicht der einzige Grund«, wiederholte sie. »Na gut, mir wurde ja auch schon davon berichtet, was da passiert ist, darum glaube ich dir mal.« Sie nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher. »Ich an deiner Stelle würde Branntwein saufen, wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was ich gehört habe.«
»Ist alles wahr.« Doranei entrang ihr seinen Becher und leerte ihn. »Aber wir haben ihn verbrannt. Das kann ich nicht vergessen. Hab lange drauf gewartet. Hab den Mistkerl verbrannt.«
»Ihn verbrannt?«, flüsterte Janna. »Das ist ein bisschen allzu persönlich für dich, oder?« Sie schnappte leise nach Luft. »Beim Blut am Dunklen Ort, sprechen wir hier über den, von dem ich glaube, dass wir über ihn sprechen? Dieser Scheißkerl mit den Narbenhänden? Du hast ihn verbrannt?«
In Doraneis Gesicht zuckte es bei ihrer Andeutung, denn er wusste ganz genau, wen sie meinte. Die Flinken Finger, das war eine Schenke der Bruderschaft, ein sicherer Rückzugsort für die Handlanger des Königs und die Verbrecher der Stadt, aus deren Reihen sie geworben wurden. Janna war nur eine Schankmaid, aber sie war recht schlau und kannte die meisten Mitglieder der Bruderschaft. Niemand außer den Männern des Königs kannte zwar die Einzelheiten, aber sie konnten doch auch nicht verbergen, dass Ilumene nicht länger einer der ihren war.
Doraneis Gesicht verfinsterte sich, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nein, den nicht, noch nicht. Ich …«
Der Satz wurde von einer Hand abgeschnitten, die auf seine Schulter fiel. Janna schrie erfreut auf und schob ihren üppigen Körper an Doraneis Gesicht vorbei, um den Neuankömmling zu umarmen und ihm einen dicken Schmatzer aufzudrücken.
Ah, sie stinkt doch wie ein Esel, jetzt erinnere ich mich.
»Da ist mein schöner Mann«, rief Janna, nachdem sie sich von Sebe gelöst hatte, damit er atmen konnte. »Und da sind ja auch schon wieder Stoppeln auf dem Kopf.« Sie strich mit der Hand über Sebes Schädel – was wie Sandpapier klang.
»Flüsterst du meinem Mädchen süße Belanglosigkeiten zu?«, fragte eine Stimme neben Doraneis Ohr. Er stützte sich am Tresen ab und drehte sich langsam um. Ein Gesicht hing vor ihm, aber aus irgendeinem Grund war es verschwommen und schwankte hin und her.
»Wer zur Hölle bist du?«, murmelte er.
»Zur Hölle, nicht schon wieder. Janna, hast du etwas, mit dem wir ihn nüchtern bekommen?«, fragte das verschwommene Gesicht. Doranei beugte sich etwas näher, und das Gesicht bekam mehr Einzelheiten. Sieht aus wie ein verdammter Affe. Hah, Sebe sieht auch wie ein Affe aus.
»Ich könnte ihm in die Eier treten, wenn du möchtest«, sagte Janna mit einem Schmunzeln. »Hat den kleinen Scheißer das letzte Mal richtig munter gemacht.«
Jemand packte Doraneis Gesicht und drehte es ins Licht. Er grummelte und wich zurück, hob seinen Krug an die Lippen und versuchte den Rest des Schaums auf die andere Seite zu pusten.
»Also, was sagst du, Kumpel, ein schneller Tritt von meinem Mädchen, um dich munter zu machen?«
»Was steckt dahinter, Liebling?«, fragte Janna, bevor Doranei erkennen konnte, dass man mit ihm sprach. »Warum flennt er über eine Frau? Das sieht ihm doch so ganz und gar nicht ähnlich.«
»Lange Geschichte«, sagte Sebe sachlich. »Und keine, die jemals erzählt werden soll. Hat er denn darüber etwas zu dir gesagt?«
»Nö, nur, dass es ein Geheimnis ist.«
»Das ist es auch, und wenn er jemals so betrunken sein sollte, dass er anfängt, davon zu erzählen, dann schaltest du ihn aus. Am nächsten Morgen wird er dir dafür danken.«
Doranei hob den Kopf. »Bin nich betrunken.«
Etwas krachte gegen seine Schläfe – und der Tresen zog an ihm vorbei. Dann knallte er auf den Boden. Er versuchte einen weiteren Schluck zu nehmen, aber sein Bier war verschwunden und dieser Verlust schien ihm die letzte Entschlossenheit zu rauben.
Er stöhnte langgezogen und dann erschlaffte er.
»Und warum hast du das getan?«, fragte Janna, als sie mit dem Lachen fertig war.
»Siehst du den Hänfling da an der Tür?«
»Dieser verirrte Welpe, der dir gefolgt ist? Kann man schwerlich übersehen, Liebling.«
»Ich hab ihn hergebracht, um mit Doranei zu sprechen. Er hat die Schenken am Hafen abgeklappert und nach der Bruderschaft gefragt.«
»Bei Tsatachs brennendem Arsch! Der muss ja ganz schön dämlich sein«, rief Janna.
»Eher verzweifelt, denke ich.« Sebe zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei, ich dachte jedenfalls, ich lasse meinen Kumpel hier entscheiden, was ich mit ihm mache, aber jetzt glaube ich, dass er dafür nicht nüchtern genug ist.«
Er blickte auf Doranei hinab, der sich eine Weile wand, bis er es endlich schaffte, sich aufzusetzen. Es dauerte noch einen Moment, dann erkannte er, dass er nicht blind geworden war, sondern auf die Holzvertäfelung des Tresens starrte. Mit einem geheimnisvollen Lächeln hob der Mann des Königs die Hände und klammerte sich an den Tresen, um sich in eine einigermaßen aufrechte Haltung zu ziehen.
»Wer hat mich geschlagen?«, murmelte er.
»Das war ich«, seufzte Sebe. »Ihr Götter, Doranei, in so einem Zustand habe ich dich noch nie erlebt.«
»Sebe.« Doranei blinzelte einige Male, wobei sein Kopf vor-und zurückschwankte, dann kniff er die Augen zusammen und musterte seinen Freund. Schließlich lächelte er dümmlich. »Bier?«
»Nein, aber hier ist ein Mickerling, der dich treffen will.«
»Mickerling?«
Sebe wies zur Tür. Doranei blinzelte einige Male, um die Augen klar zu bekommen, dann versuchte er den Neuankömmling zu mustern. Er wirkte wie ein Adliger, aber einer, der in letzter Zeit zu oft auf dem Heuboden genächtigt hatte. Auf seinem eingefallenen Gesicht zeigten sich frische Narben, und er wirkte, als sei er am Verhungern.
Der Mann zuckte zusammen, als Doranei vorschnellte und grollte: »Wer zur Hölle bist du denn?«
»Ich … mein Name ist Ortof-Greyl«, sagte er rasch, als könne ihn diese Aussage allein schon schützen. »Harn Ortof-Greyl.« Er sah Doranei erwartungsvoll an.
»Da klingelt irgendwas.«
Ortof-Greyl wartete darauf, dass Doranei weitersprach, aber der Mann des Königs schwankte nur leicht und schmatzte, in der Hoffnung, dass Janna den Hinweis verstand.
»Ich war … ich bin Mitglied der Ritter der Tempel«, sagte der Mann nach einem peinlichen Moment der Stille.
»Bist nicht sicher, was von beidem der Fall ist, hm? Ich verstehe gut, warum das ein Problem ist.« Doranei klopfte dem Mann freundschaftlich auf die Schulter und kämpfte sich wieder auf seinen Stuhl. Dann stützte er sich mit den Ellbogen ab und fragte: »Willst du ein Bier?«
Sebe grinste, zog zwei Stühle heran und bedeutete Ortof-Greyl, er könne sich zwischen die beiden Brüder setzen. Widerstrebend kam der Mann der Aufforderung nach.
»Rang?«, grollte Doranei.
»Oberst«, antwortete der Mann nach kurzem Zögern.
»Dann bist du geweiht.« Es war keine Frage, und sie alle wussten, was diese Tatsache bedeutete. »Wo bleibt denn der Branntwein, Weib?«
»Ich schiebe ihn dir in den Arsch, wenn du nicht ein bisschen netter danach fragst, mein Liebling«, antwortete Janna mit zuckersüßer Stimme.
Doranei hob den Blick mühsam vom Tresen, aber ihr breites Lächeln besiegte alle Gedanken, die in seinem Kopf noch herumschwammen. Er wandte sich Sebe zu, winkte vage in Jannas Richtung und nahm seine vorherige Haltung wieder ein, wobei er den Kopf auf dem leeren Krug ablegte.
Seufzend holte Sebe eine Flasche und drei fingerhutgroße Becher herbei.
»Geweiht«, wiederholte Doranei grimmig und blickte den Tresen entlang. »So was.«
Neben ihm nickte der Oberst und wurde noch bleicher, als er es beim Betreten der Schenke schon gewesen war. »Manchmal fühlt es sich an, als ströme Feuer durch meine Adern. Aber nicht mehr lang«, setzte er hinzu. »Nicht, nachdem ich gesehen habe, was im Flüchtlingslager geschehen ist.« Er kippte den ersten Becher mit Branntwein hinunter, noch bevor Doranei den seinen gefunden hatte.
»Davon wird Euer Orden nicht begeistert sein«, sagte Sebe.
»Der Orden ist zerbrochen und vergangen«, antwortete Ortlof-Greyl traurig. »General Gort ist tot, General Chotech ist tot. Vor einer Woche hörte ich, General Diolis sei in Aroth ermordet worden. Meine Gruppe wurde zerstört.«
»Weiß der Ritter-Kardinal, dass ihr Ränke gegen ihn schmiedet? Räumt er vielleicht ein bisschen auf?«, fragte Sebe und lehnte sich vor.
»Ich denke schon. Jemand muss ihn von unseren Handlungen unterrichtet haben. Doch was auch dahintersteckt, wir sind nicht in der Lage, Lord Isak eine Armee der Geweihten zu liefern. Wir haben versagt.«
»Willkommen im Reigen«, grollte Doranei. Er wurde plötzlich von Entschlossenheit gepackt und stürzte zwei Becher mit Branntwein schweigend herunter.
Ein Seitenblick verriet Ortof-Greyl, dass auch Sebe nicht wusste, worauf Doranei anspielte.
»Ich habe nach Scree noch eine kleine Reise gemacht«, sagte er, während er darauf wartete, dass Janna seinen Becher wieder füllte. »War in einem Kloster, hab mit den Priestern da geredet.«
Sebe schnappte nach Luft, als ihm aufging, was Doranei damit meinte. »Oberst, wenn Ihr uns einen Moment allein lassen würdet?« , fragte er nachdrücklich.
»Verpiss dich, oder ich nehm dich aus wie einen Fisch!«, fügte Doranei scharf hinzu und drehte sich dabei zu dem Oberst herum und befand sich so nur eine Handbreit vor ihm.
Ortof-Greyl wich eilig zurück und begab sich in den hinteren Teil des Raumes. Janna schlug Doranei auf den Kopf und schenkte rasch ein Bier ein, um es Ortof-Greyl zu bringen, wofür Sebe ihr einen dankbaren Blick zuwarf.
»Also, was fangen wir mit ihm an?«
Doranei zuckte mit den Schultern. »Wir schulden ihm nichts. Schick ihn nach Hause.«
»Als Spitzel? Dann braucht er doch die Gewissheit, dass wir ihm im Zweifel den Rücken stärken – und was ist damit, dass der Ritter-Kardinal im eigenen Haus aufräumt? Das gefällt mir nicht. Damit schicken wir ihn aber möglicherweise direkt in den Tod.«
»Scheiß drauf.«
Sebe seufzte. »Ihr Götter, Junge, was ist nur aus dir geworden?«
»Sieh dir doch ihre Vergangenheit an«, murmelte Doranei.
»Und?«
»Die Mistkerle hatten zu viele Geheimnisse.«
»Oh, ihr Götter.«
Nach dem Fall Screes hatten sich die Mitglieder der Bruderschaft in alle Himmelsrichtungen zerstreut, einige auf der Jagd nach feindlichen Spitzeln, andere nach Azaers Schergen. Doranei hatte sich dem Hauptteil der Farlan-Armee angeschlossen und dort, während er sich um eine Eskorte für seinen König kümmerte, den Novizen getroffen, der Abt Doren nach Scree begleitet hatte. Der junge Novize mit Namen Mayel hatte ihm schließlich alles über das Inselkloster erzählt, das Vellern, dem Gott der Vögel, geweiht war, und auch über Dohle, den Schüler Azaers, der sie bis nach Scree verfolgt hatte.
»Der König hat es vermutet«, sagte Doranei, und Sebe nickte. »Hat drüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass wir den Schädel zu leicht gekriegt haben. Der Scheißbarde hätte ihn nehmen können, aber er hat es nicht mal versucht. Mayel sagte mir, dass sie neben dem Schädel noch andere magische Gegenstände mitgebracht haben. Ein Buch zum Beispiel, mit Initialen auf dem Deckel – zwei V. Ich habe die Mönche dazu bekommen, dass sie mir ihr Tagesverzeichnis zeigten. Darin stand, dass ein Farlan-Ritter den Schädel gebracht hatte, aber sie hatten bereits ein dunkles Geheimnis.«
»Zwei V? Das könnte doch Zufall sein.«
Doranei schnaubte und stürzte sich erneut auf den Branntwein. »Könnte. Ist aber verdammt noch mal keiner. Das Kloster ist alt, aber die Mönche waren nicht die ersten dort. Sie fanden Ruinen, die Ilit geweiht waren, und ein Tagesverzeichnis bei dem Tagebuch – sie haben sich in die Hosen geschissen, als sie es übersetzten: Mitten in der Nacht kam ein Mann und sagte den Mönchen Ilits, sie sollten ein Buch für ihn verstecken.«
»Lass mich raten«, sagte Sebe. »Das wäre dann wohl ein Mann mit Augen wie Saphiren?« Er griff nach dem Branntwein und trank direkt aus der Flasche.
»Verdammte Saphire. Dieser Scheißbarde gab uns den Schädel und nahm dafür ein Buch, das Vorizh Vukotic gehörte, diesem irren blutsaugenden Scheißkerl. Und jetzt rate mal, wer seine Schwester fragen soll, was drinsteht?«
»Was drinsteht?«, wiederholte Sebe. »Was es wert ist, dafür den Schädel der Herrschaft zu opfern? Die Antwort auf diese Frage wird uns sicher nicht gefallen, oder? Und es könnte Zhia stören, dass wir in ihren Familienangelegenheiten herumstöbern.«
»Mehr Branntwein, Weib!«