13
Legana blieb im dunklen Schatten eines Hauses stehen und wartete, bis sich das Schwindelgefühl in ihrem Kopf wieder legte. Sie widerstand dem brennenden Verlangen, sich die Schläfen zu massieren, denn diese Bewegung würde nur Aufmerksamkeit erregen. Stattdessen drückte sie ihre Finger gegen die Steinwand und war für ihre beruhigende Kühle dankbar – bis sie bemerkte, dass sie die Fingerspitzen in den Stein hineindrückte. Erneut musste sie ein mädchenhaftes Kichern unterdrücken.
»Ich werde es genießen, eine Göttin zu sein«, sagte Legana leise in die Nacht hinein und fuhr mit einem Finger über die fünf Abdrücke, die sie im Granit zurückgelassen hatte. »O ja, das werde ich.«
Die angenehm kalte Nachtluft füllte ihre Lunge. Die Halskette der Dame lag mit einem warmen Kribbeln auf ihrer Haut unter der Kleidung. Das alberne Gefühl kam nun seltener, in Form von verwirrenden Ausbrüchen, während sich die Eindrücke von Leganas beiden Hälften langsam aufeinander einspielten. Sterblich und göttlich, außerhalb der Zeit – und doch brauchte sie Schlaf und Essen, ganz wie zuvor.
Legana hatte in ihrem bewegten Leben eine ganze Reihe von Drogen ausprobiert – sowohl bei Ritualen im Tempel der Dame als auch bei Einsätzen in Lasterhöhlen – und wusste darum, dass diesem Gefühl hier überhaupt nichts gleichkam. Da sie von ihrer Göttlichkeit berauscht gewesen war, hatte Legana an ihrem ersten Tag beinahe vergessen, Mikiss zu töten, während sie durch ihre gemeinsamen Zimmer taumelte. Zum Glück hatte sich der frühere Heeresbote der Menin auch noch nicht an seine neuen Kräfte gewöhnt und ihre Veränderung darum nicht rechtzeitig bemerkt. Dieser Moment der Unwissenheit hatte Legana gereicht, um ein Schwert zu ergreifen und den Vampir zu köpfen.
Er hat mich kaum kommen sehen. Als der Kopf zu Boden fiel, sah er noch immer überrascht aus, erinnerte sie sich mit einem Grinsen.
Seitdem hatte Legana darauf geachtet, ihr sterbliches Leben nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn es nun hinter ihr lag. Sie hatte einen Auftrag erhalten, und auf den musste sie sich vorbereiten. Sie hatte mehr als einen Tag gebraucht, um sich der Beschränkungen ihres Körpers wieder bewusst zu werden. Jetzt, da sie mit Schicksal verbunden war, regten sich gegensätzliche Instinkte in ihr, die sich nicht mit den Anforderungen eines Körpers deckten. Nachdem sie sich wieder einigermaßen wohlgefühlt hatte, war sie nach Hale gegangen, in das Tempelviertel Byoras, um ihr Ziel auszukundschaften. Sie hatte sich vom Tempel der Dame ferngehalten, denn sie wollte eine Sache nach der anderen erledigen.
Legana hatte es nicht gewagt, an einem der nächtlichen Rituale im Tempel Alterrs teilzunehmen. Sogar in der geringeren der beiden Kuppelkammern, die Kasi, dem kleineren Mond geweiht war, wäre mindestens einer der Priester zugleich ein Magier. In der momentanen Lage konnte sie es nicht riskieren, dass sie als ungewöhnlich auffiele.
Sie zwang sich weiterzugehen, um unauffällig zu bleiben. Hale war niemals ganz verlassen, denn die zu verrichtenden Gebete und Rituale erforderten eine beständige Aufmerksamkeit. Nur wenige Tempel hier würden ein Hochamt verrichten, aber sie hatten ihre täglichen Pflichten und standen den Gläubigen Tag und Nacht fast durchgängig offen.
Ein langer Seidenmantel bedeckte ihren Körper bis zu den Fußspitzen und wehte leicht im Abendwind. Legana hatte bemerkt, dass ihr die Kälte des Winters nichts mehr ausmachte, aber der dunkelgrüne Mantel war ihr nützlich, das Schwert und die Kleidung zu verstecken, die in Hale unpassend erschienen wären.
»Verdammte Frömmigkeit«, grollte Legana. »Tagsüber gibt es zu viele Zeugen und Alterrs Gottesdienste finden nachts statt. Wollen wir hoffen, dass sich die Dame bereits weit genug erholt hat, um mir hold zu sein.«
Sie erreichte eine Kreuzung. Zur Rechten konnte sie drei spitz zulaufende Gebäude erkennen, die etwas von der Straße zurückgesetzt waren. Sie wurden durch schlanke Bögen miteinander verbunden und zwischen ihnen befand sich ein Vorplatz: die verbundenen Göttinnen der Liebe.
Ich wette, dass die Priester Trienas und Kantays schon im Bett liegen und die Laute der Anbetung aus dem Tempel ihrer Schwester zu überhören versuchen, dachte Legana lächelnd. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn Ayarl Lier, ihr Ziel, regelmäßige Ausflüge in Etesias Tempel gemacht hätte, wo die roten Laternen leuchteten und man der Lust mit Begeisterung huldigte. Aber stattdessen hatte sie den Mann eines Tages aus der Ferne beobachtet, während dieser die Straße entlangging. Seinem Verhalten nach zu urteilen war der Junge, der ihm auf dem Fuße folgte, wahrscheinlich ein Lustknabe, darum hatte sie diese Möglichkeit verworfen.
Der Tempel der Mondgöttin befand sich am Ende der Straße, hinter den verbundenen Tempeln, und wurde von der großen Kuppel der Kammer Alterrs zur Linken beherrscht. Eine lange, halbkreisförmige Wand mit einem einzelnen Tor versperrte den Weg. Zur Rechten war die Spitze von Kasis kleinerer Kammer zu sehen. In dem Bereich dazwischen stand ein halbes Dutzend Häuser, in denen die weltlichen Teile eines jeden Tempelkomplexes untergebracht waren, vorrangig Schlafsäle, Ställe und Arbeitszimmer.
Legana wusste, dass die meisten der Schlafsäle, die eigentlich Novizen zugeteilt wurden, nun Pönitente beherbergten: die – wie es schien – von den Priestern bevorzugte Miliz. Oder die Frömmigkeit der Söldner trieb sie her, je nachdem, wie man es sehen wollte. Novizen waren in der Regel jung und banden sich für eine bestimmte Anzahl von Jahren an den Tempel, während Pönitente meist deutlich älter waren. Pönitente mussten auch keinen Schwur vor dem Altar ablegen, sondern bekamen einfach eine Robe und ein Hautbild auf dem Zeigefinger. Bevor sie die vereinbarte Zeit als Pönitent abgeleistet hatten, waren sie nur lose mit dem Tempel verbunden. Die Erfahrung zeigte, dass sich viele Männer an die strengen Regeln des Tempellebens nicht gewöhnen konnten.
Sie duckte sich durch das niedrige Tor, wobei sie ihre Kapuze mit einer Hand festhielt, damit diese ihr rotes Haar weiterhin verdeckte, und blieb schlagartig stehen. Ein seltsames Gefühl, das sie nie zuvor gespürt hatte, kroch ihr eisig über den Rücken. Wie ein feiner Geruch im Wind hing etwas Unerwartetes über dem Komplex. Sie drehte sich langsam nach links, Alterrs Kammer zu, einer Halbkuppel mit vierzig Schritt Durchmesser und glatten, grellweißen Wänden, die im Mondlicht leicht leuchteten.
Die Tür war verschlossen, und zwei Pönitente wachten davor. Sie sah sich im Hof um. Es gab keine weiteren, offensichtlichen Wachen, aber andere Männer lungerten hier herum. Legana dachte nach. Sie hatte zwar keine Erfahrung mit Magie, aber etwas sagte ihr doch, dass es sich hier nicht um einen einfachen Zauberspruch handelte. Sie konnte ungestaltete Energie in ihren Adern spüren, was Teil ihrer Göttlichkeit war. Aber jetzt spürte sie etwas, das sie sogar noch tiefer anrührte.
»Was geht da drinnen vor sich?«, fragte sie sich laut. Ohne es wirklich zu wollen, ging sie einige Schritte auf die Kammer zu. Die Pönitente nahmen Haltung an und griffen nach den Speeren, die im Schatten neben der Kammertür standen. Sie waren so groß wie Legana selbst und sahen beide so aus, als hätten sie einiges zu büßen. Aber sie glaubte trotzdem, dass sie ihnen sogar als Sterbliche schon überlegen gewesen wäre. Männer unterschätzten ein hübsches Gesicht immer.
»Der Tempel ist für eine private Andacht geschlossen«, rief eine der Wachen.
Legana hörte ihn kaum, denn das merkwürdige Prickeln auf ihrer Haut war zu eindringlich. Das Gefühl wurde nicht stärker, während sie sich der Kammer näherte, und als sie mit einem Mal erkannte, dass es gar nicht von dem Gebäude ausging, blieb sie ruckartig stehen.
»Das ist interessant«, murmelte sie vor sich hin. Der Anblick der Kammer hatte etwas in ihr angeschlagen, das nun wie eine Saite schwang.
»Was?«, fragte die Wache und trat einen Schritt näher. Der Mann hielt seinen Speer bereit.
»Könnte es Glück sein?«, fragte sie sich und beachtete den Pönitenten gar nicht. Langsam breitete sich die Erkenntnis in ihrem Geist aus.
Der Pönitent sah seinen Kameraden an. »Verstehst du, was sie sagt?«
»Nein. Klingt wie Farlan. Sie sieht auch aus wie eine Farlan.«
Legana sah die beiden Männer einen Augenblick nachdenklich an, dann erkannte sie, dass sie gar nicht die Worte verstanden hatte, die aus ihren Mündern kamen, sondern nur deren Bedeutung. Vermutlich noch so eine weitere göttliche Gabe. Sie dachte einen Augenblick nach und dann floss ihr der örtliche Dialekt leicht von der Zunge.
»Tretet zurück und seid still. Im Tempel geschieht etwas Böses.« Ich wurde von der Göttin des Glücks berührt, da kann ich wohl davon ausgehen, dass ich von jetzt an immer zur rechten Zeit am rechten Ort bin.
Der erste Pönitent öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als Legana blitzschnell ihre Schwertspitze dagegen drückte. Seinem Kameraden entrang sich ein leises Krächzen, aber mehr ließ ihre Überraschung nicht zu. Sie wussten, dass keine gewöhnliche Frau sich so schnell bewegen konnte.
»Ich muss sofort in diesen Tempel hinein, also tretet beiseite«, wiederholte sie sanft. »Und haltet euch verdammt noch mal fern von mir, oder ich stopfe euch eure Eier in den Hals.«
Die Pönitenten sprangen wie an Schnüren zurückgezogen beiseite. Legana senkte das Schwert und nickte zur Tür.
»Schließt sie bitte hinter mir wieder.« Sie trat sofort hindurch, ohne vorher hineinzusehen. Die Kammer war dunkel, wurde nur spärlich von Kerzen auf einem eisernen Kronleuchter erhellt, der vom Dach hing. Die halbrunden Bänke waren in kreisförmigen Rängen angeordnet und reichten im hinteren Bereich bis auf Kopfhöhe und vorne, am Altar, bis zu den Knien.
Legana glitt zwischen zwei Bänke und sah zum Altar.
Fein gekleidete Menschen knieten dort, den Kopf zum Gebet gesenkt. Niemand schien sie bemerkt zu haben. Ein Kind lag auf dem Altar auf dem Rücken, zuckte leicht, und Blut lief über die Kanten. Die Dame wollte einen großen Auftritt einleiten, aber Legana folgte lieber ihren eigenen Instinkten, und die rieten zur Vorsicht.
Ein Mann rief aus dem Dunkel: »Du hättest auf die Wachen hören sollen. Das war wirklich ein Fehler.«
Legana fand einen Weg durch die Reihen bis zum Altar und suchte dabei den Raum ab. Fast überall standen Bänke, aber sie bemerkte schnell eine Bewegung, die der ihren folgte, und erhaschte hier und da einen Blick auf eine dunkle Gestalt, die im Schatten ging. Sie konnte den Akzent nicht einordnen, hatte ihn vermutlich nie zuvor gehört. Er klang irgendwie alt. Das war nicht gut, denn alt bedeutete gefährlich – und er wirkte nicht einmal angespannt.
Aber sie unterschätzen Frauen immer, dachte Legana grimmig. Soll er sich den Ärger abholen.
»Tut mir leid, dass ich Euch den Spaß verderbe«, rief sie, öffnete die Schließe ihres Mantels und ließ ihn hinter sich fallen. Die Bänke waren jetzt niedrig genug, dass sie ohne ersichtliche Mühe hinaufspringen konnte.
Auf dem Boden vor dem Altar entdeckte sie nun Kreidesymbole, die ihn umgaben und von einem unsauberen Kreis verbunden wurden. Sie sagten ihr nichts, aber der Anblick ihres Ziels – Hohepriester Lier, der tot, mit aufgerissener Brust am Boden lag – vermittelte ihr eine gute Vorstellung davon, wozu sie dienten. Es sollte wie eine fehlgeschlagene Beschwörung aussehen. Die reichen Leute rund um den Altar standen unter einem Zauber, wurden am Leben gehalten, bis es Zeit für ihre Hinrichtung war, um dann die nötige Geräuschkulisse zu schaffen.
»Du hast gar nichts verdorben«, sagte der Mann und trat ihr gegenüber aus dem Schatten. Er war haarlos, dürr und albinoweiß, und trug einen schwarzen Schuppenpanzer von einer Art, die sie nicht kannte. Ihre plötzliche Anspannung rührte jedoch von dem großen Breitschwert her, das er in der Hand hielt und dessen schwarze Oberfläche von Lichtern durchzogen war, die wie Sterne blinzelten. Er sprang ebenfalls auf eine Bank, legte den Kopf auf die Seite und lächelte sie an wie ein Krokodil. »Meine Güte, wie schön dein Haar ist.«
Legana machte einen Schritt auf die niedrigere Bank vor ihr. »Du gehst jetzt schon ein zu großes Wagnis ein, oder?«, fragte sie sanft. »Alterrs Tempel zu schänden und ihren Hohepriester zu töten sollte gefährlich genug sein. Willst du es wirklich wagen, die Dame ebenfalls in die Sache hineinzuziehen?«
Sein Lächeln wurde zu einem Schmunzeln. »Ich fürchte deine Herrin nicht«, antwortete er und streckte ihr die leere Hand entgegen.
Legana wich zurück, denn sie spürte den Griff seiner kalten Finger um ihren Hals. Eine Welle der Macht brandete daraufhin in ihrem Inneren auf – und sie spürte, wie sich die Energie prasselnd über ihren Körper bewegte, während die gegensätzlichen Kräfte miteinander rangen. Im nächsten Augenblick war es vorbei.
»Seltsam«, sagte er und wirkte verwundert, aber keineswegs besorgt. »Na, du bist ja was ganz Spannendes.«
Legana machte sich nicht erst die Mühe zu antworten, sondern stieß sich von der Bank ab und sprang, die beiden Schwerter vorgestreckt, durch die Luft auf ihn zu. Während sie durch die Kammer flog, wurde sie von der Kraft einer Göttin erfüllt …
Ein Dutzend Schritte vor dem Mörder stieß sie hart gegen eine unsichtbare Barriere, dann lagen wieder diese Hände um ihren Hals. Doch diesmal war es, als steckte ihr ganzer Körper in einem Schraubstock. Sie schrie vor Schmerz und vor ihren Augen tanzten Sterne. Die Schwerter entglitten ihrem Griff, als Feuer durch ihre Adern strömte.
»Zu übermütig, Süße«, fauchte der Fremde. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte er sie so durch den Raum, dass sie geradezu in die Bänke krachte. Sie schnappte nach Luft und die Farben verschwammen vor ihren Augen. Doch dann erfüllte sie erneut diese Macht – und sie stand wieder aufrecht.
Sie warf sich zur Seite, und etwas landete geräuschvoll dort, wo sie eben noch gestanden hatte. Sie blieb in Bewegung, ihre Gedanken rasten, allerdings zu schnell, um einen Sinn zu ergeben. Sie musste ihre Waffen zurückholen – und dabei schnell sein. Als sie auf ihre göttliche Hälfte zurückgriff, schien sich das Land plötzlich langsamer zu bewegen. Sie eilte durch die Bankreihen und stellte sich ihre Schwerter vor. Da erhoben sie sich vom Boden und schwebten auf sie zu.
Aber noch bevor sie nah genug herankommen konnte, um sie zu ergreifen, schlug etwas in ihre Seite und riss sie erneut von den Füßen. Diesmal kam sie mit der Schulter auf und rollte weiter, bis sie die Bank vor sich wegtreten konnte. Sie sprang auf, segelte durch die Luft, und als sie landete, fielen ihr die Schwerter in die Hände. Das Land schien erneut zu zögern, während sie auf den Angreifer zustürmte. Er riss das Schwert gerade noch rechtzeitig hoch, um ihre auf ihn einstürmenden Schläge abzuwehren, aber als sich die Waffen verkeilten und sie ihm in den Bauch trat, wurde Legana von einer anderen Kraft zurückgerissen.
»Das reicht!«, rief eine Stimme mit solcher Macht, dass die Kerzenflammen zitterten und schrumpften. Legana sah sich verwundert um. Die Dame stand vor ihr, sah zu dem Angreifer hinüber. Sie hielt einen Speer mit blattförmiger Spitze in den Händen, dessen goldenes Licht im schwachen Dämmer funkelte.
»Aracnan, erkläre dein Handeln!«
Legana taumelte zurück, vom Licht des Speers geblendet, und keuchte auf, als die Edelsteine um ihren Hals plötzlich mit der Wut der Dame zu brennen begannen.
»Eine Erklärung?«, rief Aracnan mit plötzlicher Boshaftigkeit, ohne das Schwert zu senken. »Wohl kaum.«
Er griff in einen Beutel an seinem Gürtel und holte etwas hervor. Weißes Licht hüllte sie ein, und Legana spürte, dass die Wände erzitterten. Das Donnergrollen schmerzte in ihren Ohren, während noch mehr Macht aus dem Gegenstand strömte. Sie schrie vor Angst und Schmerz.
Die Luft um Aracnan herum erbebte. »Du hast dich genug eingemischt, meine Dame«, rief er. »Dein Schicksal erwartet dich.«
Legana versuchte sich umzudrehen, zu fliehen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Ein grausamer Machtstrom zuckte aus dem Kristallschädel in Aracnans Hand und schlug in Schicksal ein. Legana wurde weggeschleudert und wand sich vor Schmerzen. Blutige Schnitte erschienen im Leib der Dame. Das Brüllen der Macht erfüllte alles um sie herum, hämmerte auf ihre Ohren ein, klang wie eine gewaltige Glocke in ihrem Kopf. Ihre Schreie wurden vom Wüten der Energie übertönt.
Die Göttin schlug mit Feuer und ihrem Speer zurück. Das Licht wurde bei ihrem Kampf immer heller, bis es zu blendend war, um es zu ertragen. Das Brüllen wurde lauter, und Legana spürte, dass ihre Trommelfelle rissen. Doch sogar dann noch verstummte das Geräusch nicht. Es klang in ihrem Kopf, schlug auf ihren Schädel ein. Legana erschauderte, denn sie spürte, dass die Dame zuschlug und zugleich verletzt wurde.
Sie öffnete die Augen für einen winzigen Moment und sah ein Gemälde der Gewalt, bei dem auf beiden Seiten Blut floss. Das weiße Licht bildete einen beißenden Heiligenschein um die zwei. Die Dame wandte sich ihr zu, öffnete den Mund und formte Wörter, obwohl sie zugleich schrie. Legana fühlte, wie ihr weißes Feuer durch das Gesicht schnitt – und der Schmerz breitete sich immer schlimmer werdend auch in ihrem Körper aus, noch während sie rückwärts geschleudert wurde.
Sie krachte durch die Außenwand der Kammer, spürte aber nichts davon. Die segensreiche Dunkelheit der Nacht verschluckte sie. Legana bestand nur noch aus Schmerzen und bemerkte, dass sie mit zwei Stimmen schrie. Es waren die Schmerzensschreie einer Sterblichen und der Todesschrei einer Göttin. Ihr Körper verkrampfte sich, als sie mit Wucht durch etwas anderes hindurchbrach und dann nach kurzem Rollen abrupt liegen blieb. Drei Worte zuckten durch Leganas Geist: Schicksal, hilf mir. Dann erkannte sie, dass Schicksal tot war, und eine Ohnmacht erfasste sie.