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Wissenschaftsminister Jesus de Pasqual schaute zum blauweißen Funken direkt hinter der Tau-Ceti-Nova und fragte sich, ob er ihn als Segen oder als Fluch betrachten solle. Es war nun schon zwei Wochen her, seit die Sternwarte auf der Rückseite des Mondes die trübe, Doppler-verschobene Reflexion von Sol entdeckt hatte, die die Anwesenheit des außerirdischen Lichtsegels verriet.

Die Neuigkeit hatte ihn zunächst erregt. In seiner Zeit als Hochschulprofessor hatte er seinen Studenten oft gesagt, dass das Universum zu groß sei, um nur von einer einzigen intelligenten Art bewohnt zu sein, und er freute sich über die Bestätigung dessen, was bisher ein reiner Glaubenssatz gewesen war. Die Messwerte der Dopplerverschiebung waren freilich eine Enttäuschung. Weil das Geisterschiff mit fünfzehntausend Kilometern pro Sekunde im Anflug war, vermochte kein Schiff im Sonnensystem es abzufangen ... das heißt, kein Schiff außer einem!

De Pasqual hatte verblüfft zur Kenntnis genommen, dass die Starhopper-Raumsonde mehr als genügend Potenzial hatte, um eine Begegnung mit dem außerirdischen Lichtsegel zu ermöglichen. Leider war er in einer ziemlich schlechten Position, um die Verantwortlichen bezüglich einer Verwendung in diesem Bereich zu ersuchen. Obwohl er persönlich der Erforschung der Centauri-Welten positiv gegenüberstand, hatte der politische Pragmatismus ihn dazu bewogen, bei zwei Anlässen Front gegen das Projekt zu beziehen, als es Fördermittel von der derzeitigen Administration beantragt hatte.

Das Problem bestand nämlich darin, dass die interstellare Forschung beim Wähler zurzeit keine Mehrheiten fand. Nach zweihundert Jahren extrem teurer Weltrauminitiativen fragten die Menschen der Erde sich nun, was sie eigentlich für ihr Geld bekommen hätten. Also war de Pasqual im Bestreben, das restliche Budget seiner Abteilung zu retten, vor den Wissenschaftsausschuss getreten und hatte Folgendes ausgesagt: »Herr Vorsitzender, es gibt derzeit keinen wissenschaftlich validen Grund für die Erforschung der Centauri-Sonnen! Gemäß der herrschenden Lehrmeinung kommen die Centauri-Welten als Träger von Leben nicht in Frage, und falls wir dennoch das Bedürfnis verspüren, leblose Welten zu erforschen, haben wir mit unseren acht eigenen zu tun.«

Das schien damals ein kluger Schachzug gewesen zu sein. Schließlich hatte er sich in keine Richtung festgelegt. Mit einem außerirdischen Lichtsegel am Himmel erschien dieser Handel seinen Auftraggebern im System-Rat jedoch mehr als nur etwas kurzsichtig. Genauso wenig würde der Mann auf der Straße sich daran erinnern, dass die Kosten für die wissenschaftlichen Aktivitäten ihm viel zu hoch erschienen waren, wenn er mit der Aussicht konfrontiert wurde, eine Schiffsladung glubschäugiger Monster auf seiner Türschwelle vorzufinden. Er würde zunächst verlangen, dass das Militär etwas unternahm, und dann würde er nach einem Sündenbock für die unzureichende Vorbereitung der Menschheit suchen. Wenn de Pasqual in seiner langjährigen Öffentlichkeitsarbeit irgendetwas gelernt hatte, dann das, dass die Leute immer jemand anderen für ihr Missgeschick verantwortlich machten.

Zum Glück hatte de Pasqual aber schon etwas unternommen, bevor er noch gewusst hatte, dass sich Außerirdische an Bord des Lichtsegels befanden. Er hatte nämlich von vornherein eingeplant, dass das Wissenschaftsministerium die Erforschung des scheinbar verlassenen Lichtsegels leitete. Und wo das Geisterschiff sich plötzlich als Sternenschiff mit allem >Drum und Dran< entpuppte, stand das Ministerium - und somit auch de Pasqual - besser da als je zuvor.

Er dankte dem Schutzheiligen der Diebe und Bürokraten, dass er keine Zeit damit verschwendet hatte, eine Nachricht ans Luna-Observatorium zu schicken und sie zu bitten, die Bekanntgabe der Entdeckung noch etwas hinauszuzögern. Dann hatte er nach einer kurzen Durchsicht der Computeraufzeichnungen ein paar Anrufe an die irdischen Sponsoren des Starhopper-Projekts getätigt. Weil die meisten von ihnen ziemlich weit oben auf der Zuwendungsliste des Ministeriums standen, war es ein Leichtes gewesen, ihre Vollmachten zu erhalten. Mit der Rückversicherung dieser Vollmachten hatte er Praesert Sadibayan zum Mars entsandt, um Verhandlungen wegen der Raumsonde zu führen.

De Pasqual gratulierte sich selbst zur Weitsicht, die er bewiesen hatte und fragte sich, wie er nun weiter verfahren solle, nachdem das Lichtsegel sich doch als bemanntes Raumschiff entpuppt hatte. Es lag auf der Hand, dass, falls das Wissenschaftsministerium die Kontrolle über die Entdeckung behalten sollte, er die Geheimhaltung des außerirdischen Sternenschiffs würde gewährleisten müssen. Sonst würden die Protagonisten des System-Rats vielleicht noch versuchen, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Nachdem er die neuen Daten an Sadibayan übermittelt hatte, begleitet von der Anweisung zu strenger Geheimhaltung, lehnte de Pasqual sich zurück und fragte sich, wen er sonst noch in dieses Geheimnis einweihen sollte.

Als Erster würde es natürlich Minister Hoffenzoller erfahren müssen. Er war der wichtigste Gönner von de Pasqual und ein Mann, der eine Zurücksetzung nicht vergaß. Dann gab es noch ein paar andere Personen in der Administration, auf deren Kooperation er angewiesen war und die er nicht bekommen würde, wenn er sie nicht ebenfalls ins Bild setzte. Und trotz de Pasquals Abneigung gegen alles Militärische würde auch jemand aus der Admiralität kooptiert werden müssen, um ein Schiff für die Begegnung mit den Aliens bereitzustellen. Und wie er die Militärs kannte, würden sie zweifellos darauf bestehen, dass jemand aus ihren Reihen die Expedition leitete. Den Rat und die Verwaltung würde man jedoch weitestgehend in Unkenntnis über diese Dinge lassen müssen; zumindest so lange, bis das Forschungsschiff unterwegs war.

Zum Glück war ein früherer Wissenschaftsminister so vorausschauend gewesen, eine Konferenz zum Erstkontakt mit Außerirdischen anzuberaumen. De Pasqual drehte sich zu seinem Computer um und verbrachte zehn Minuten mit der Durchsicht der Ergebnisse dieser Konferenz, die schon vor langer Zeit stattgefunden hatte. Er beendete die Überprüfung mit einem Grinsen. Es hatte fast den Anschein, als ob irgendjemand die exakte Situation vorausgesehen hätte, in der er sich nun befand. Die Regularien waren so vage formuliert, dass er sie nach Gusto zurechtbiegen konnte.

Kapitän Ersten Ranges Garth Van Zandt von der irdischen Weltraummarine stapfte mit gerunzelter Stirn die Rampe vom Landungsboot auf dem Raumhafen Olympus herab. Vor zweiundsiebzig Stunden hatte er noch mit seinem Schiff in der Erdumlaufbahn gestanden und sich auf den Urlaub gefreut. Doch statt in die Brandung vor Hawaii zu surfen, hatte er die letzten drei Tage angeschnallt auf der Beschleunigungsliege eines Raum-Schnellboots verbracht. Das Anti-Beschleunigungspräparat hatte in den Augen gebrannt, die Nasenhöhlen ausgetrocknet und ihm nicht mehr als ein paar Stunden unruhigen Schlafs ermöglicht. Die Unannehmlichkeiten der Reise waren aber nicht der eigentliche Grund seiner momentanen Verärgerung. Dass man ihm keinerlei Hinweise bezüglich der Abkommandierung zum Mars gegeben hatte, trug auch nicht gerade dazu bei, seine Stimmung aufzuhellen.

Ein schlanker, blonder Mann mit einer selbstgefälligen Attitüde wartete direkt hinter der Absperrung, die den Zollbereich vom eigentlichen Raumhafen abtrennte.

»Kapitän Van Zandt?«

»Jawohl, Sir.«

»Ich bin Benjamin Tallen, der Assistent des Staatssekretärs Sadibayan.«

»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Hatten Sie einen guten Flug?«

Van Zandt lachte zum ersten Mal seit drei Tagen. »Mr. Tallen, offenbar sind Sie noch nie in den Genuss der vielen Annehmlichkeiten an Bord eines Schnellboots gekommen. Sie bestehen hauptsächlich aus Ablassschläuchen in Bug und Heck, Rationen, die wie in Hundepisse eingeweichte Pappe schmecken, und man hat das Gefühl, als ob einem ein Sumo-Ringer auf der Brust hockt. Ich habe den Flug ungefähr genauso genossen wie die Zeit, die ich irgendwann mal nach einem Beinbruch im Streckverband verbracht hatte.«

»Tut mir leid, das zu hören. Es hätte auch nicht geschadet, wenn Sie die Reise im Erd-Liner unternommen hätten, aber die Dinge nähern sich dem Siedepunkt. Der Staatssekretär legt großen Wert darauf, dass Sie von Anfang an in die Planungen involviert sind.«

»Planungen wofür, Sir?«

»Das werden Sie vom Staatssekretär persönlich erfahren. Müssen Sie noch Gepäck abholen?«

Van Zandt zeigte ihm die kleine Reisetasche, die er dabeihatte. »Das ist alles, was ich in der Kürze der Zeit zusammenpacken konnte.«

»Wir richten bei der Mars-Bank ein Girokonto für Sie ein. Morgen nehmen Sie sich die Zeit für die Beschaffung einer ordentlichen Ausstattung.«

Van Zandt lachte glucksend. »Ich habe schon von diesen Reptilien-Fonds gehört, hätte aber nie gedacht, dass ich sie einmal selbst benutzen würde.«

»Diese Geschichten sind wilde Übertreibungen, zumal man die Kosten angesichts des Nutzens vernachlässigen kann. Sie müssen bedenken, dass Sie die Erde repräsentieren. Die Leute, mit denen Sie es zu tun bekommen, haben wenig Grund, uns zu lieben, Kapitän. Umso wichtiger ist es, dass Sie einen guten Eindruck machen.«

Der jüngere Mann führte ihn zu einem Fahrzeug, das sie in hohem Bogen über Olympus Mons beförderte, bevor die Transportröhre in eine der kilometerhohen Druckkuppeln in der Neustadt mündete. Das Fahrzeug setzte sie in der Lounge eines Luxushotels ab. Wie allen Einrichtungen in der Kuppel fehlte auch der Lounge eine Decke.

»Ich hoffe, dieses Etablissement findet Ihre Zustimmung«, sagte Tallen.

»Es entschädigt mich fast für die Reise«, erwiderte Van Zandt und ließ den Blick durch einen weiten Raum schweifen, der überall von poliertem Quarz funkelte.

»Gut. Wir melden Sie an und begeben uns dann ins Untergeschoss.«

Das Ritual der Hotelanmeldung hatte sich in einem halben Jahrtausend nicht grundlegend geändert. Es dauerte insgesamt eine Viertelstunde, bis Tallen Van Zandt in die Suite des Staatssekretärs führte. Praesert Sadibayan hatte gerade am Computer gearbeitet. Er kam seinen Besuchern entgegen und begrüßte sie.

»Kapitän Van Zandt? Staatssekretär Sadibayan vom Wissenschaftsministerium. Ich freue mich, dass Sie so schnell kommen konnten.«

»Mein Admiral sagte, es sei dringend.«

»Das ist es in der Tat.«

Sadibayan ging zum Schreibtisch zurück und legte die Hand auf eine Scannerplatte. Ein leises Klicken ertönte irgendwo im Schreibtisch, und eine Schublade öffnete sich. Sadibayan holte eine versiegelte Mappe heraus, die von mehreren amtlichen Symbolen geziert wurde. Er drückte auf den Punkt, der den Selbstzerstörungsmechanismus deaktivierte, und entnahm ein paar Computerausdrucke.

Der Staatssekretär öffnete das Dossier und zitierte daraus: »Garth Martin Van Zandt. Alter: 36. Geboren: 9. Januar 2204 in New Aberdeen, South Wales, Australasiatische Konföderation. Abschluss an der irdischen Weltraumakademie im Jahr 2226. Sie haben zum besten Drittel Ihres Jahrgangs gehört. Sie haben die übliche Abfolge der Land- und Weltraum-Stationen durchlaufen und auf Schiffen der Messenger- und Corvette-Klasse gedient. Vor vierzehn Monaten wurden Sie zum Kommandanten des Zerstörers Currant ernannt. Sie sind unverheiratet, erfreuen sich guter Gesundheit und sind überfällig für einen Urlaub. Richtig?«

»In allen Punkten, Herr Staatssekretär.«

Sadibayan heftete seine braunen Augen auf Van Zandt. »Es wird Sie sicherlich interessieren, dass Admiral Carnevon Sie in den höchsten Tönen lobt. Er sagte, Sie seien einer seiner fähigsten Offiziere, von großem Einfallsreichtum und würden flexibel auf neue Situation reagieren. >Ein origineller Denker, so hat er Sie charakterisiert.«

»Ich werde mich beim Admiral bedanken müssen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.«

Sadibayan zitierte weiter: »Sie haben auch als Militärattache in unsrer Lagrange-Botschaft gedient und somit zumindest schon einmal in die Diplomatie hineingeschnuppert.«

»Jawohl, Sir.«

»Eines verwundert mich aber doch, Kapitän. Weshalb haben Sie so viel Zeit auf Korvetten verbracht?«

Van Zandt zuckte die Achseln. »Ich hatte bei meinem ersten Einsatz als Schiffskommandant den Fehler begangen, einen Vorgesetzten zu kompromittieren. Es war während eines Manövers gegen das Flottenflaggschiff. Die in einem hohen elliptischen Orbit um Luna stehende Minotaur näherte sich gerade dem Perilun, dem mondnächsten Punkt ihrer Umlaufbahn. Ich drückte meine Korvette also auf Höhe der Mondgipfel hinunter, zog wieder steil hoch, als die Minotaur die dichteste Annäherung an die Oberfläche vollzog und feuerte dann zwei simulierte Raketen auf sie ab. Der Kommandant des Flaggschiffs war Aaron Dalgren. Er legte eine formelle Beschwerde ein mit der Begründung, dass ich beide Schiffe und die Besatzungen in Gefahr gebracht hätte. Jedoch wurde dem Protest von den Schiedsrichtern nicht stattgegeben.

Leider wurde Kapitän Dalgren kurz darauf zum Admiral befördert und erhielt das Kommando über alle Korvetten der Flotte. Er machte auch kein Hehl daraus, dass er einen Groll gegen mich hegte. Ich bin erst vor Kurzem wieder rehabilitiert und zum Kapitän eines Zerstörers befördert worden.«

»Sie haben sich trotzdem einen klangvollen Namen gemacht, wenn man bedenkt, dass Sie offiziell in Ungnade gefallen waren. Sie haben sogar den Rickover Award gewonnen, glaube ich.«

»Ich hatte eine gute Besatzung und die erforderliche Portion Glück.«

Sadibayan lehnte sich zurück. Er platzierte die Ellbogen auf den Armlehnen des Stuhls und legte die Hände auf den Tisch. »Wie würde es Ihnen gefallen, wieder zu den Korvetten zurückzukehren, Kapitän?«

»Sir?«

»Ihre Vorgesetzten haben mich ermächtigt, Ihnen das Kommando über eine Korvette anzubieten. Interessiert?«

»Ist das alles, worum es hier geht?«

Sadibayan nickte.

»Ich enttäusche Sie nur ungern, Staatssekretär, aber meine Karriereplanung sieht keine Rückschritte vor.«

»Sehen Sie das so?«

»Jawohl, Sir. Ich will Ihnen verraten, wie das in der Weltraummarine läuft. Ein Offizier arbeitet sich im Flottendienst hoch und kommandiert dabei immer größere und stärkere Schiffe. Es gibt aber nicht allzu viele von ihnen. Wenn man seine Chance verpasst, gerät man in einen Beförderungsstau. Wenn ich die Currant nun aufgebe, würde ich die Chance verpassen, mich auf einem Zerstörer zu bewähren. Und das bedeutet, dass ich nie das Kommando über einen Kreuzer erhalten werde.«

Sadibayan setzte einen sibyllinischen Blick auf, den Van Zandt nicht so recht zu deuten vermochte. »Kapitän, wir möchten Ihnen das Kommando über die Korvette Austria übertragen. Sie wurde vor zwei Jahren außer Dienst gestellt und als Zollraumschiff an die Marsianer verkauft. Sie haben gerade die Überholung beendet. Während wir uns hier unterhalten, wird sie für eine Verbindung mit der Boosterrakete der Starhopper modifiziert. Sie soll im Rahmen der Mission einen Punkt jenseits von Pluto ansteuern und dort ein ins Sonnensystem einfliegendes Sternenschiff abfangen.«

Van Zandt schaute den kleinwüchsigen Mann mit der schokoladenbraunen Haut für eine halbe Minute an, ohne etwas zu sagen. Er wusste beim besten Willen nicht, ob der Staatsminister es nun ernst meinte oder nur einen abartigen Sinn für Humor hatte. Als das Schweigen sich schließlich unangenehm in die Länge zog, räusperte er sich und sagte: »Vergessen Sie bitte, dass ich gesagt habe, ich würde die Currant nicht verlassen, Sir. Ich nehme das Kommando an!«

Sadibayan grinste. »Das dachte ich mir.«

»Wie lange wird der Einsatz dauern?«

»Drei Jahre, vielleicht auch mehr oder weniger«, erwiderte der Staatssekretär leichthin. »Das hängt natürlich von den Aliens an Bord des Schiffs ab.«

Bei der Erwähnung von Aliens klappte Van Zandt die Kinnlade herunter.

Im Folgenden erläuterte Sadibayan ihm die Daten, die das Mond-Observatorium über das Lichtsegel gesammelt hatte. Van Zandt hörte mit höchster Konzentration zu. Man hatte Admiral Carnevon anscheinend nicht gesagt, wozu das Wissenschaftsministerium überhaupt einen Marineoffizier benötigte. Das gefiel ihm nicht, genauso wenig wie die politischen Winkelzüge, die hier hineinspielten. Auf der anderen Seite musste es ihm auch nicht gefallen. Man hatte ihm die Leitung der Expedition angeboten, was seiner Karriere mehr als förderlich war. Er verdrängte die negativen Gedanken und konzentrierte sich darauf, was Sadibayan ihm sagte.

Die Austritt war eines der ältesten Schiffe der irdischen Flotte gewesen, bevor man sie an die Marsianer verkauft hatte. Um die für das Abfangmanöver erforderliche Delta V zu erzielen, hatte man alle entbehrlichen Systeme aus der Korvette ausgebaut, wobei die Waffen zu den ersten Gerätschaften gehört hatten, die aus dem Schiff entfernt worden waren. Sie hätten nicht nur überflüssigen Ballast dargestellt, sondern auch eine falsche Botschaft vermittelt, wenn man ein kampffähiges Kriegsschiff für das Treffen mit einem außerirdischen Sternenschiff entsandt hätte. Jenseits von Pluto würde das Schiff in seiner Eigenschaft als Diplomat auftreten.

Außer den Waffen waren die Feuerleitcomputer, beide Magazine und die Kojen der Besatzung ausgebaut worden. Die neue Besatzung der Austria würde den größten Teil des Flugs in die Weiten des Alls in suspendierter Animation verbringen, um ihre beschränkten Vorräte an Verbrauchsgütern zu schonen und die Zeitdauer des Flugs zu verkürzen. Das Lebenserhaltungssystem des Schiffs würde sie für mindestens fünf Jahre am Leben erhalten, aber sie verfügten nur über genügend Lebensmittelvorräte für zwei Personen.

»Wie viele Besatzungsmitglieder sollen es denn sein?«, fragte Van Zandt, nachdem Sadibayan ihm von den Kälteschlaftanks berichtet hatte.

»Das wird noch evaluiert. Mindestens vier Personen. Falls die Ingenieure eine noch etwas höhere Toleranz aus ihren Berechnungen herausquetschen können, erhöhen wir die Zahl vielleicht auf sechs Personen. Fürs Erste besteht die Besatzung aus Ihnen, einem Bordingenieur, einem Linguisten sowie einem Biologen und Arzt in Personalunion.«

»Kann ich mir den Ingenieur aussuchen?«

»Leider nicht. Gemäß Hobsons Entscheidung wird der Bordingenieur eine junge Dame namens Victoria Bronson sein. Sie ist die einzige Person, die imstande ist, die erforderlichen Programmänderungen während des Flugs vorzunehmen.«

»Aber ein Marineoffizier könnte sich das erforderliche Wissen doch sicher aneignen.«

»Glauben Sie mir, Kapitän. Wir haben uns das reiflich überlegt. Was diese Expedition betrifft, ist Miss Bronson sogar noch wichtiger als Sie.«

»Und was ist mit den anderen Besatzungsmitgliedern?«

»Der Schiffsarzt und Exobiologe stehen auch schon fest, zumindest vorläufig.«

»Und wer ist es?«

»Es ist eigentlich eine Sie und Dardan Pierces Leibärztin, glaube ich.«

»Verdammt, Staatssekretär, Protektion ist der falsche Weg, eine Schiffsbesatzung zusammenzustellen.«

»Dem Vernehmen nach soll sie aber ziemlich kompetent sein, Kapitän. Sie werden natürlich die Gelegenheit bekommen, sich mit ihr bekannt zu machen, und wenn Sie dann immer noch der Ansicht sind, dass eine Zusammenarbeit mit ihr nicht möglich ist, bin ich sicher, dass wir eine andere Lösung finden werden.«

»Worin besteht überhaupt die Qualifikation dieses Doktors?«, fragte Van Zandt. Er verlor schnell den Gefallen an seinem neuen Kommando.

»Es handelt sich um ein politisches Problem. Pierce hat sich ausbedungen, ein anderes Besatzungsmitglied an Miss Bronsons Stelle auszuwählen. Das war sein Preis dafür, dass er uns die Starhopper überlassen hat.«

»Es überrascht mich, dass er nicht darauf bestanden hat, selbst mitzufliegen.«

Sadibayan lächelte, als ob er das für einen Scherz hielte. »Kapitän, setzen Sie ihm bitte keinen Flausen in den Kopf.«

»Und was ist mit dem vierten Besatzungsmitglied?«

»Das wäre der Linguist. Wir sind noch auf der Suche nach einem qualifizierten Kandidaten. Irgendwelche Vorschläge?«

»Es wäre mir daran gelegen, die Kandidaten zu begutachten, bevor irgendwelche Angebote unterbreitet werden.«

»Natürlich, Kapitän.«

»Und wir bräuchten vielleicht noch jemanden, der mit den Außerirdischen verhandelt, nachdem wir den Kontakt hergestellt haben.«

»Falls wir nicht noch eine weitere Planstelle bekommen, befürchte ich, dass diese Aufgabe Ihnen zufallen wird, Kapitän Van Zandt. Glauben Sie, dass Sie dem gewachsen sind?«

»Ich kann's ja mal versuchen. Welche Änderungen werden sonst noch an der Korvette vorgenommen?«

Sadibayan nannte etliche Systeme, die für die lange Reise aufgerüstet wurden. Dazu gehörte der Zwillingscomputer von Starhopper, der im Laderaum Nummer eins der Korvette installiert wurde. Außerdem wurde eine große Mikrowellen-Funkantenne an der Schiffshülle verankert.

»Wieso Mikrowelle?«, fragte Van Zandt. »Ein Kommunikationslaser wäre über diese große Entfernung doch viel effizienter.«

»Ein Kommunikationslaser hat zu große Ähnlichkeit mit einer Waffe. Ein Laser, der stark genug wäre, eine Nachricht von jenseits des Pluto zu übermitteln, wäre auch geeignet, das außerirdische Schiff zu perforieren.«

»Im Grunde ist es auch egal«, sagte Van Zandt nachdenklich. »Wir werden sowieso zu weit entfernt sein für eine Zwei-Wege-Kommunikation.«

»Er soll auch nicht der Kommunikation dienen. Wir wünschen eine kontinuierliche Übertragung Ihrer Annäherung an das Alien.«

»Für den Fall, dass sie uns zerstören, meinen Sie?«

Sadibayan nickte. »Das wäre natürlich sehr bedauerlich.«

»Ich würde es als große Tragödie bezeichnen.«

Der Staatssekretär schüttelte gewichtig den Kopf. »Es wäre nur dann eine große Tragödie, Kapitän, wenn sie Sie zerstören und wir nicht erfahren, wie es geschehen ist.«