24
Von den Ketten befreit, konnte sich Conrad endlich translozieren. Er ignorierte den pochenden Schmerz seiner Verletzung und kehrte in sein Blockhaus tief in den estnischen Sümpfen zurück. Dort angekommen, blickte er sich um. Ich bin froh, dass sie das niemals zu Gesicht bekommen wird.
Es sah genauso aus, wie man es vom Heim eines Wahnsinnigen erwarten würde – das Ergebnis eines gestörten Geistes. Die Wände waren mit esoterischen Satzfetzen beschmiert, überall lagen seine Habseligkeiten herum – zerbrochen, in unzähligen Wutanfällen zerstört. Auf dem Boden lagen Bücher herum, mit herausgerissenen und zerknüllten Seiten.
Die Fenster waren willkürlich mit dunklen Tüchern verhängt. Über der Tür waren Dämonenschädel angenagelt. Seine Einrichtung bestand aus einer zerschlissenen Couch, einem Tisch mit Stuhl und einer Matratze auf dem Boden. Der einzige Bereich, in dem Ordnung herrschte, waren seine Waffen, und von denen gab es Hunderte.
Auf dem Tisch lagen die Notizen, die er sich auf der Suche nach seinen Brüdern gemacht hatte. Mit seiner verbliebenen Hand blätterte er sie durch. Genauso wenig, wie diese Hütte Conrad noch gerecht wurde, passten diese Schriftstücke zu ihm.
Er hatte die drei durch die ganze Welt verfolgt, den ganzen Weg von Mount Oblak in Russland bis nach Louisiana. Aber die Kritzeleien ergaben für ihn keinerlei Sinn mehr. Denn er war ein anderer geworden. Alles, was Conrad diesen Seiten noch entnehmen konnte, war das alles verschlingende Verlangen nach Rache.
Selbst das war erloschen.
Er legte sich auf die Matratze, wartete aber stundenlang vergeblich auf Schlaf. Während seine Hand sich zu regenerieren begann, erschienen grellrote Streifen auf seinem Arm – der Schmerz war kaum auszuhalten.
Er hatte sich die Hand für sie abgehackt. Für sie beide. Er war so stolz gewesen, den Schmerz zu ertragen. Seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen: einen Weg zu finden, wie sie zusammen sein könnten.
Sie hat dich hintergangen, dir mutwillig eines der Spielzeuge vorenthalten, die sie erbeutet hatte. Wie kam es bloß, dass jeder, um den er sich auch nur ein wenig scherte, ihm am Ende in den Rücken fiel?
Sie hatte ihn zum Narren gehalten, ihn von der Jagd abgelenkt. Er war durch ihr Mausoleum getorkelt, trunken von ihr, selbstgefällig. Noch ihre kleinste Bewegung hatte ihn derart verzaubert, dass er nicht in der Lage gewesen war zu sehen, was tatsächlich vor sich ging.
Langsam schleppten sich die Stunden dahin, bis er endlich in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf fiel.
Irgendwann in der Nacht wachte er mit einem Schrei auf. Er hielt sich den Arm, sein ganzer Körper war von Schweiß bedeckt. Er hatte Néomi gesehen, die vor Entsetzen schrie, gefangen in einer Dunkelheit, in der er sie nicht zu erreichen vermochte. Sie war nicht bei ihm, wie sie es immer gewesen war.
„Schsch, mon coeur …“ Mit diesen Worten hatte sie ihn beruhigt. „Auf Wiedersehen, Vampir“, hatte sie letzte Nacht gesagt.
Er zog die Augenbrauen zusammen. Hör endlich auf, an sie zu denken!
Sie hatte ihn beruhigt, ihn mit Lachen umgeben. Sie hatte ihn dazu gebracht, seinen blinden Hass zu überdenken. Du wirst sie niemals wiedersehen. Wenn jemand erst einmal sein Vertrauen verloren hatte, erlangte er es niemals zurück.
Er war von sich selbst angeekelt. Selbst nach ihrem Vertrauensbruch vermisste er ihre Gegenwart mehr als seine Hand.
Die Stille in ihrem Haus durchdrang Néomi wie feuchte Kälte, bis sie glaubte, den Verstand zu verlieren.
Sie hatte gewusst, dass es so kommen würde.
Während der letzten drei Tage war sie ziellos durch die Gänge geirrt, ein einsamer, verzweifelnder Geist voller Reue. Und die ganze Zeit fragte sie sich, wohin Conrad gegangen war, wo in aller Welt er sich in diesem Augenblick befand. War er in Sicherheit? Heilte sein Arm? Trank er aus einem Glas – oder direkt von seinen Opfern?
Ob er wohl an mich denkt?
Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, jemanden so sehr zu vermissen.
Er würde niemals wiederkommen, und sie konnte nichts tun als … warten. Darauf warten, dass die Jahre vergingen, darauf hoffen, dass jemand kam, irgendjemand.
Néomi war hilflos, unfähig, ihren eigenen Kummer zu lindern. Sie war wirklich mitleiderregend, so wie er es ihr in jener Nacht vorgeworfen hatte.
Mit einem Seufzen verließ sie das Haus und begab sich hinaus in den Nieselregen, entschlossen, sich die Zeitung zu holen. Da sie die Exemplare, die sie sammelte, schon längst gelesen hatte, sehnte sie sich nach etwas, das ihre Gedanken ablenken würde.
Einen anderen Ausweg hatte sie nicht. Sie konnte ihr Herz nicht einer guten Freundin ausschütten oder einen Tapetenwechsel vornehmen. Sie konnte sich nicht betrinken. Es gab weder eine Fernsehsendung noch ein gutes Buch, die sie hätten ablenken können.
An der Grundstücksgrenze angekommen, zerschlugen sich ihre Hoffnungen. Sie weinte bittere Tränen um die Zeitung, die sich weit außerhalb ihrer Reichweite befand.
Hier bin ich nun mitten in der Einfahrt und weine wegen einer Zeitung. Das war der absolute Tiefpunkt ihres Lebens nach dem Tode. Sie war tatsächlich so schwach und mitleiderregend, wie Conrad sie im Wahnsinn genannt hatte.
Als Nächstes würde sie wohl noch anfangen „Buuhuhuu!“ zu stöhnen.
Zum Teufel damit. Sie würde nicht Trübsal blasen wie ein … ein verdammter Geist!
Ihre Trauer verwandelte sich in Wut. Sie dachte gar nicht daran, sich für das, was sie getan hatte, schuldig zu fühlen. Sie hatte nur versucht, ihn und seine Brüder zu beschützen. Sie bemühten sich nun schon seit so langer Zeit, Conrad zu retten. Er war doch derjenige, der einfach losgezogen war und sich die Hand abgehackt hatte, ohne seine Pläne ihr gegenüber auch nur zu erwähnen!
Ihr neu entdeckter Zorn wurde von einer Erkenntnis begleitet. Hatte sie tatsächlich geglaubt, sie brauche diesen Mann, um in die Wirklichkeit zurückzukehren? Damit er sie von diesem verfluchten Leben nach dem Tod errettete? Würde sie bis in alle Ewigkeit auf seine Rückkehr warten, wie Marguerite L’Are auf Néomis verachtenswerten Vater gewartet hatte?
Conrad nannte mich mitleiderregend – und er hatte recht!
Wie sehr sie sich verändert hatte. Zu ihren Lebzeiten war sie stets wagemutig gewesen, hatte ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen. Nach diesem Jahr als burleske Tänzerin hatte Néomi jedem im Club erzählt: „Ich will Ballerina werden“, und sie hatten sie ausgelacht.
„Vielleicht schaffst du ja den Sprung ins Varieté“, hatten sie gesagt. „Es gibt ein paar Mädchen, die den Aufstieg geschafft haben.“
Aber zwischen einer Burleskentänzerin und einer Ballerina lag angeblich eine unüberbrückbare Kluft. Was der Grund dafür war, dass Néomi es hatte schaffen müssen.
Wie komme ich von Punkt A nach Punkt B?, hatte sie sich überlegt, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Sie hatte sich einen Plan zurechtgelegt, und wenn es sie auch Jahre gekostet hatte, sie hatte es geschafft. Néomi hatte sich ihren Weg aus dem Viertel heraus zu weltweitem Ruhm ertanzt!
Ich will wieder sein, wie ich früher war! Sie musste irgendetwas tun. Denk nach … denk nach.
Allerdings war es ihr in den vergangenen achtzig Jahren nicht gelungen, irgendeinen Weg zu finden, um ihre Existenz zu verändern –
Augenblick … Néomi besaß zwei Dinge, die sie zuvor nicht besessen hatte. Das eine war ein Werkzeug: Nikolais Handy. Das andere war das Wissen, dass zumindest eine Person auf Erden in der Lage gewesen war, sie zu hören.
Vielleicht besaß noch jemand anders diese Fähigkeit? Jemand wie Conrad, jemand aus der Mythenwelt? Wenn es eines gab, was Néomi über die Mythenwelt gelernt hatte, dann, dass es nichts gab, was es nicht gab.
Es gab Hexen, hatten sie gesagt, einige mit außergewöhnlichen Fähigkeiten – wie diese Mariketa. Vielleicht konnten Hexen Geister hören?
Ja, und vielleicht können Schweine fliegen.
Sie verzog die Stirn, verärgert über sich selbst. Warum verspottete sie ihre gewagte Idee? Weil sie nicht die alte Néomi war, die eine Herausforderung genossen hatte. Das war vermutlich eine der Folgen, wenn man seinen Körper verlor. Schließlich fiel ihr nicht eine einzige Geschichte über einen Geist ein, der es wert gewesen wäre, ihm die Daumen zu drücken. Wie viele Geschichten berichteten von den Abenteuern eines unerschrockenen Geistes?
Aber was hab ich zu verlieren? Sie lachte auf. Meine kostbare Zeit?
Was wäre, wenn diese Mariketa die Macht besäße, Néomi ihre menschliche Gestalt zurückzugeben? Néomi musste unbedingt ihre Nummer finden. Aber wie?
Sie schwebte durch den überwucherten Garten bis zu ihrem traurigen kleinen Pavillon und grübelte ohne Unterlass über dieses Problem nach. Wie? Wie?
Nikolai hatte die Dienste der Hexen in Anspruch genommen, also machte es Sinn, dass ihre Nummer immer noch in seinem Handy gespeichert war! Blitzartig translozierte sie sich in ihr Studio zurück und hielt sich das Telefon vors Gesicht.
Als der Regen draußen nachließ und die Nacht aufklarte – passend zu ihrem Stimmungsumschwung –, ermahnte sie sich selbst: Jetzt mach dich bloß nicht verrückt! Selbst wenn sie herausfinden würde, wie das Telefon funktionierte, würde die Telekinese, die sie zu seiner Bedienung brauchte, kompliziert und ermüdend sein.
Aber sicher kann ich das herausfinden!
Neunzehnhundertsiebenundzwanzig war es noch ziemlich schwierig gewesen zu telefonieren, doch heute ist es das nicht mehr. Außerdem war ein Handy für sie kein völlig fremdes Objekt mehr. Sie hatte zugesehen, wie die Brüder es benutzten, auf Tasten drückten, ohne auch nur hinzusehen. Und sie hatte sämtliche Berichte in der Zeitung über die neuesten Modelle gelesen und dabei ihre Besonderheiten und Funktionen kennengelernt. Sie musterte das kleine Display. Ja, sie wusste jedenfalls genug, um die grafische Darstellung einer Batterie zu erkennen.
Diese hier leuchtete in einem wütenden Rot.
Merde! Nein, nein, nein, geh jetzt bloß nicht aus! Noch nicht! Die präzisen Berührungen auszuführen, die zum Wählen nötig waren, fielen ihr ohnehin nicht leicht, und schon gar nicht, wenn sie in Panik ausbrach. Die Brauen in höchster Konzentration zusammengezogen scrollte sie mühevoll, bis sie das Adressbuch erreichte. Darin befanden sich Visitenkarten, die genau wie richtige Karten aus Papier aussahen, die man irgendwie ins Handy kopiert hatte. Schließlich wurde sie fündig:
Haus der Hexen
Gegr. 937
Erstklassige Flüche, Banne, Zaubersprüche und Zaubertränke
Qualität hat ihren Preis!
Tel.: (504) WIT-CHES
info@houseofwitches.com
Mitglied der Liberty Bell Bank
Sie schluckte, wählte diese Karte aus und drückte die grüne „Anruf“-Taste.
Mon Dieu, es klingelt! Gleichzeitig gab das Telefon allerdings ein unheilvolles Piepen von sich. Halt durch, Batterie!
Es klingelte weiter. War denn keiner zu Hause? Es war lange nach fünf Uhr. Vermutlich bedeutete das auch in der Mythenwelt Geschäftsschluss.
Das kleine Bild der Batterie begann zu flackern. Gerade als sie auflegen wollte, um den Akku zu schonen, meldete sich eine Frau mit gruseliger Stimme.
„Hallooooo, Clarice.“
Néomis Unterkiefer sackte nach unten. Es hat funktioniert? Ich habe jemanden angerufen? Wer ist Clarice?
Im Hintergrund hörte sie ein Dutzend Frauen oder mehr singen, genauer gesagt jaulten sie betrunken die hohen Töne irgendeines Liedes. Erst murmelten sie: „Da, da, dan, da, da …“, und dann kreischten sie los: „Ever-last-in’ love“!
„Hallo? Hallo? Ist das ein Telefonstreich?“, sagte die Frau, deren Stimme jetzt ganz normal klang. „Denn eins kann ich Ihnen sagen, dann haben Sie den falschen Koven angerufen. Ich könnte Ihren Wählfinger ganz leicht davon überzeugen, seinen ständigen Aufenthaltsort dorthin zu verlegen, wohin die Sonne nicht scheint. Kapiert?“
Néomi schlug sämtliche Bedenken in den Wind. Nachdem sie im Stillen kurz gefleht hatte: Bitte, bitte sei imstande, mich zu hören!, sagte sie: „Hier ist nicht Clarice. Kann ich bitte mit Miss Mariketa sprechen. Mein Name ist …“
Die Hexe hielt das Telefon weg und rief: „He, spricht hier irgendjemand Stimme aus dem Jenseits?“
Néomi riss die Augen auf. Mein Gott, ich liebe die Mythenwelt!
„Ich mach nur Spaß!“, ertönte die Stimme der Hexe plötzlich wieder aus dem Handy. „Ich bin Mari. He, wie schafft ihr Geister es nur immer wieder, euch ins Handynetz einzuschleusen? Das liegt wohl daran, dass ihr vollkommen aus Elektrizität besteht, oder wie?“
Néomi war nur mit Mühe imstande, ihre Lippen zu bewegen. „Ich, ähm, Elektrizität?“, wiederholte sie dümmlich.
„Ich erzähle allen hier schon die ganze Zeit, dass unsere Unterhaltungen nicht privat sind. Warte mal kurz, das muss ich jetzt machen.“ Sie hielt den Hörer wieder weg von sich. „He, Regin! Erstens, hör sofort auf, in meine verdammten Karten zu gucken. Zweitens, besorg dir deine eigenen Zigarren. Und drittens, wie findest du das – ich hab einen Geist in der Leitung, und sie kommt uns jetzt gleich über das Telefonkabel besuchen.“
„Aaaaahhhhh!“, kreischte eine Frau. Néomi hörte Schritte, die sich eiligst entfernten, und dann den Knall einer zugeschlagenen Tür.
Mariketa kicherte. „Reege hat weder vor Basilisken noch vor fünf Meter langen Hundertfüßlern Angst, aber bei Geistern rastet sie komplett aus. Wir haben gerade eine der am meisten gefürchteten Walküren auf Erden dazu gebracht, um ihr Leben zu rennen. Unglaublich.“
Die Musik wurde lauter, als ein Song in irrwitzigem Tempo anfing, dessen Text einzig und allein aus dem Wort Tequila bestand.
Da war echt die Hölle los. Néomi sehnte sich so sehr danach, dort zu sein, dass es wehtat. Das Handy gab erneut einen Piepton von sich.
„Also, wie heißt du, Geist?“
„N-Néomi. Néomi Laress.“
„Oh Mann. Ich hab schon von dir gehört! Eine Tänzerin, stimmt’s? Aus den guten alten Zeiten? Du hast dich geweigert, den Bund fürs Leben einzugehen und hast dafür ein Messer mitten ins Herz kassiert. Wir haben in meinem Kurs über hiesige Feministinnen über dich gesprochen.“
Es gibt Leute, die über mich sprechen?
„Den ich sicher bestanden hätte, Néomi“, fügte Mari in tadelndem Ton hinzu, „wenn du mich vor zwei Jahren angerufen hättest. Also, was willst du von mir?“
Das ist so bizarr!
„Ich brauche, äh, ich wäre sehr dankbar, wenn ich wieder einen Körper hätte, und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.“
„Hast du Geld?“, fragte Mariketa, deren Stimme sogleich einen geschäftsmäßigen Tonfall angenommen hatte. „Bei mir gibt’s nichts gratis.“
„Ich habe eine ganze Schublade voll mit antikem Schmuck.“ Das Telefon piepte jetzt noch eindringlicher.
„Phhh. Heute ist mein Weiberabend für diese Woche, und ich zock gerade alle beim Poker ab und …“
„Dazu gehören mehr als fünfzig Diamanten! Einer allein hat schon vier Karat. Sie können sie alle haben.“
„Schon besser, Geist.“
Piiiiiep.
„Im Safe liegen außerdem noch Aktienzertifikate aus der Zeit, bevor ich … gestorben bin. Vor achtzig Jahren waren sie zwanzig-, dreißigtausend Dollar wert. Heute müssen sie ein Vermögen wert sein, denn die Firmen sind immer noch im Geschäft.“
„Welche Firmen?“
Diese Mariketa war aber auch wirklich knallhart, wenn es ums Geld ging.
„Äm, also, da wären General Electric und International Business Machines. Ich glaube, die heißen heute IBM …“
„Okay. Ich habe schon Zeichentrickdollarnoten in meinen hervorquellenden Zeichentrickglupschaugen. Ich bin gleich bei dir. Klopf doch mal auf den nächsten Spiegel, solange ich noch am Telefon bin.“
Brauchte Mariketa die Spiegel für ihre Zauberei? Néomi schlug das Herz bis in den Hals. „Aber sie sind alle kaputt.“
„Macht nichts. Mir reicht schon eine Scherbe.“
Pflichtgemäß klopfte Néomi auf einen Spiegel, und Mariketa sagte: „Und ich … hab es. Also gut, wenn jetzt gleich eine Hexe von herausragender Großartigkeit aus deinem Spiegel klettert, wirst du dich hoffentlich nicht gleich in Luft auflösen.“
Aus meinem Spiegel klettert? „Oh, ich versichere Ihnen …“ Jetzt gab das Handy nur noch einen einzigen langen, ununterbrochenen Ton von sich! „Bitte beeilen Sie sich, Miss Mariketa!“
„He, nenn mich einfach Mari.“ Sie seufzte in gespielt düsterem Ton. „Und ich werde dich … Geisterfreundin nennen.“
Néomi schaltete das Handy mit einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht aus und warf es aufs Bett. Ein Schwindelgefühl hatte sie ergriffen. Und neue Hoffnung.
In Erwartung von Mariketas – Maris – Ankunft begann sie, aufgeregt hin und her zu laufen. Gesang, Musik und Karten – diese Frauen waren wie die Bonvivants, die sie so bewundert hatte. Und eine von ihnen würde ihr gleich einen Besuch abstatten! Mit einem Mal erschien ihr das Leben neu und anders und verheißungsvoll.
So einfach konnte es gar nicht sein. Aber … was, wenn doch? Was, wenn doch …