15. Kapitel

Gregor fand vorn im Boot ein Plätzchen und baute sich aus Decken ein Bett. Ares ließ sich auf einem Sitz daneben nieder.

»Hallo, Ares«, sagte Gregor. »Was gibt’s?«

»Ich bin beunruhigt über deine Rettung der Ratte«, sagte Ares.

Na toll, dachte Gregor. Jetzt fängt der auch noch an. Aber er hatte sich getäuscht.

»Ich konnte das Boot nicht loslassen. Ich wäre hinabgeflogen, dich zu retten, doch hätte ich das Boot losgelassen, wären alle hinausgefallen«, sagte Ares und flatterte bedrückt auf der Stelle.

»Das weiß ich doch«, sagte Gregor. »Natürlich konntest du nicht loslassen. Das hab ich auch nicht erwartet.«

»Du sollst nicht denken, ich würde dir nicht zu Hilfe eilen«, sagte Ares. »So wie ich auch Henry nicht zu Hilfe eilte.«

»Das denke ich nicht. Du bist mir schon viel öfter zu Hilfe gekommen als ich dir«, sagte Gregor. »Ich weiß, dass du nicht anders konntest.«

Gregor saß auf seinem improvisierten Bett. Boots kletterte auf seinen Schoß und gähnte herzhaft. »Ich müde.«

»Ja, ich auch. Lass uns mal ein Nickerchen machen, ja?« Er legte sich hin, Boots in der Beuge seines gesunden Arms, und zog die Decke hoch.

»Wir Nickerchen«, sagte Boots und kuschelte sich an ihn.

Gregor hatte vergessen, ihr die Schwimmweste wieder anzulegen. Er glaubte sowieso nicht, dass sie damit schlafen könnte. Aber angenommen, sie bekamen es wieder mit Tintenfischen oder einem Strudel oder so etwas zu tun?

»Du, Ares«, sagte er. »Du musst mir was versprechen für den Fall, dass noch mal irgendwas Schlimmes passiert.«

»Was soll ich dir versprechen?«, fragte Ares.

»Dass du Boots rettest. Ich meine, du sollst sie eher retten als mich. Ich weiß, dass wir miteinander verbunden sind, aber trotzdem«, sagte Gregor.

Ares überlegte einen Moment. »Ich werde euch beide retten.«

»Aber wenn du dich entscheiden musst, wen von uns beiden du rettest, entscheide dich für Boots, ja?«, sagte Gregor. Er bekam keine Antwort. »Bitte, Ares.«

Die Fledermaus seufzte. »Sollte ich wählen müssen, werde ich sie vor dir retten, wenn du es so wünschst.«

»Ich wünsche es so«, sagte Gregor. Jetzt konnte er sich beruhigt schlafen legen. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass Ares da war und auch auf Boots aufpasste. Gemeinsam konnten Ares und er und natürlich Temp sie vielleicht beschützen.

Als Gregor Stunden später erwachte, spürte er einen warmen Körper, der sich an sein Bein geschmiegt hatte. Er zog seinen Arm, der eingeschlafen war, unter Boots’ Kopf hervor und setzte sich auf. Im Schein von Photos Glimm-Glimms Glühlämpchen sah er Twitchtip neben sich liegen. Er zuckte überrascht zusammen, und sie schlug die Augen auf.

Twitchtip wirkte peinlich berührt und rückte etwa zwanzig Zentimeter zur Seite, mehr ließ die Enge des Boots nicht zu. Gregor war sich ziemlich sicher, dass sie nicht bloß im Schlaf zu ihm herübergerollt war. Sie musste sich irgendwann absichtlich an sein Bein gekuschelt haben. Wie kontakthungrig musste Twitchtip sein, um sich an ihn zu schmiegen? Einen Menschen? Einen Menschen, von dessen Geruch ihr übel wurde? Sie musste völlig ausgehungert sein. Nach all den Jahren allein im Land des Todes sehnte sie sich verzweifelt danach, irgendein warmes Lebewesen zu berühren. Zur Not sogar ihn.

Er nahm die Schuld sofort auf sich. »Oh, tut mir leid. Ich muss im Schlaf zu dir rübergerollt sein.«

»Lässt sich kaum vermeiden«, sagte Twitchtip. »Bei der Enge hier im Boot.«

»Ja«, sagte Gregor. Er schaute sich um. Mareth war hinten am Steuer. Andromeda stand neben ihm und hielt Wache. Photos Glimm-Glimm hockte auf dem Bug und wechselte gelegentlich die Farbe seines Hinterteils. Alle anderen schliefen tief und fest.

Gregor erwog, sich wieder hinzulegen, aber er fühlte sich zu wach. Außerdem war dies vielleicht eine gute Gelegenheit, sich mit der Ratte zu unterhalten. Er überlegte noch, wie er sie in ein Gespräch verwickeln könnte, als sie selbst den Anfang machte.

»Ich weiß, dass du sie überredet hast, mich zu retten«, sagte Twitchtip.

»Na ja, ich hab die Sache sozusagen in die Hand genommen«, sagte Gregor. Sie musste ja nicht unbedingt erfahren, wie bereitwillig die anderen sie ihrem Schicksal überlassen hätten.

Aber sie wusste es ohnehin. »Ripred hatte Recht. Er sagte, ich könnte dich nicht mit anderen Menschen auf eine Stufe stellen.«

»Das ist interessant. Ich glaub nämlich, Vikus hat mir damals etwas ganz Ähnliches über Ripred gesagt.« Das Thema war Gregor unangenehm. »Wie lange hast du denn allein gelebt?«

»Drei oder vier Jahre«, sagte Twitchtip.

»Wieso haben die anderen Ratten dich verstoßen? Ich meine, Riechen steht bei euch doch so hoch im Kurs, da müsstest du eigentlich eine Berühmtheit sein«, sagte Gregor.

»Das war ich auch eine Zeit lang, in gewisser Weise. Aber als sie merkten, dass ich ihre Geheimnisse erschnüffeln konnte, wollten sie mich nicht mehr in ihrer Nähe haben«, sagte Twitchtip. »Deine kann ich auch riechen.«

»Meine Geheimnisse? Was sollte das sein?«, fragte Gregor. Er überlegte, was er für Geheimnisse haben könnte. Früher war das Verschwinden seines Vaters eine Art Geheimnis gewesen, jedenfalls etwas, worüber er nicht gern sprach. Aber das war vorbei. Jetzt war das Unterland natürlich ein Geheimnis. Aber nur im Überland. Wovon redete sie also?

Twitchtip sprach so leise, dass Gregor sie kaum verstehen konnte. »Ich weiß, was passiert, wenn du kämpfst.«

Gregor war verblüfft. Doch sie hatte Recht, das war ein Geheimnis. Er hatte niemandem davon erzählt, dass er sich, sobald er anfing das Schwert zu schwingen, an nichts mehr erinnern konnte. Aber er ließ sich nichts anmerken. »Was passiert denn, wenn ich kämpfe?«, fragte er unbeteiligt.

»Du kannst nicht mehr aufhören. Du verströmst dabei einen Geruch. Ich habe ihn bisher erst ein- oder zweimal gerochen. Wir Nager haben einen Namen für jemanden wie dich. Du bist ein Wüter«, sagte Twitchtip.

»Ein Wüter? Was ist ein Wüter?«, fragte Gregor. Es hörte sich nach jemandem an, der leicht in Rage geriet.

»Es ist ein besonderer Kämpfertypus. Sie werden mit herausragenden Fähigkeiten geboren. Während andere Jahre üben, um in der Schlacht zu bestehen, ist ein Wüter der geborene Mörder«, sagte Twitchtip.

Das war für Gregor das Allerschlimmste, was man über ihn sagen konnte. »Ich bin kein geborener Mörder!«, stieß er hervor. Er dachte an Sandwichs Prophezeiungen, daran, dass sie ihn den Krieger nannten und dass er den Fluch töten sollte. »Denken das alle über mich? Dass ich so eine Art Mordmaschine bin?«

»Niemand weiß davon, sonst wäre es das Erste gewesen, was ich über dich gehört hätte. Wenn man jemanden als Wüter bezeichnet, ist das keine moralische Wertung. Du kannst dich nicht dagegen wehren, genauso wenig, wie ich mich dagegen wehren kann, dass ich Duftseherin bin. Es bedeutet nicht, dass du töten willst, es bedeutet nur, dass du töten kannst. Besser als irgendwer sonst. Aber wenn du einmal anfängst zu kämpfen, fällt es dir sehr schwer, dich zu zügeln«, sagte Twitchtip.

Gregors Herz pochte. Und wenn sie Recht hatte? Nein, das konnte nicht sein. Es machte ihm überhaupt keinen Spaß zu kämpfen! Er konnte noch nicht mal Streit ertragen! Aber was war mit den Blutbällen und den Tentakeln? Er hatte sein Handeln nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Er konnte sich noch nicht mal daran erinnern … »Ich glaube, du verwechselst mich mit jemand anders«, war alles, was er sagte.

»Nein, bestimmt nicht. Du brauchst nicht auf mich zu hören, doch letztendlich wirst du einsehen, dass ich Recht habe. Aber wenn du die Gelegenheit hast, solltest du vielleicht mit Ripred darüber sprechen.«

»Mit Ripred? Wieso mit Ripred?«, sagte Gregor, der dachte, er könnte wohl eher einen Therapeuten gebrauchen.

»Weil er auch ein Wüter ist«, sagte Twitchtip. »Aber im Gegensatz zu dir hat er gelernt, sich zu beherrschen.«

Ripred. Keine Frage, wenn irgendwer eine Mordmaschine war, dann er. Gregor erinnerte sich, wie Ripred mit dem Schwanz auf ihn gezielt hatte, um seine Reflexe zu testen, und gesagt hatte: »Tja, so was kann man nicht lernen.« Hatte er da schon vermutet, dass Gregor ein Wüter war? Und Solovet auch?

»Ich geh jetzt wieder schlafen«, sagte Gregor und legte sich hin. Er zog Boots an sich, um sich zu trösten, und starrte in die Finsternis. Er merkte, dass er sich auf die Lippe biss, um nicht zu weinen. Ja. Wenn er lebend hier rauskam, musste er mit Ripred sprechen.

Stunden vergingen, allmählich erwachten sie einer nach dem anderen, und es begann das, was im Unterland einem Tag entsprach. Gregor hatte den Überblick verloren, wie lange er jetzt schon hier unten war. Er könnte Luxa fragen, aber wollte er es überhaupt wissen? Jeder Tag hier unten war ein Tag, an dem seine Familie leiden musste. Bilder dieses Leids kamen ihm in den Kopf – die sich verschlimmernde Krankheit seines Vaters, die schlaflosen Nächte seiner Mutter, die Verwirrung seiner reizenden Großmutter und Lizzies Angst. Was machten sie wohl? Ging seine Mutter immer noch jeden Tag zur Arbeit? Ging Lizzie zur Schule, versuchte sie sich um den Vater und die Großmutter zu kümmern und Mrs Cormaci weiszumachen, er und Boots hätten die Grippe? War schon bald Weihnachten? Alles Schlimme wurde in den Ferien noch schlimmer, das wusste er noch von den Jahren, in denen sein Vater verschwunden war. Dann war man von lauter gut gelaunten Leuten umgeben und der eigene Kummer wurde nur noch größer. Jetzt, da sein Vater wieder da war, hatte Gregor gedacht, sie könnten mal wieder so richtig mit der ganzen Familie Weihnachten feiern, auch wenn sie keinen Haufen Geld für Geschenke hatten. Aber nun war er hier, kilometerweit unter seinem Zuhause, er sollte eine weiße Riesenratte töten und gleichzeitig versuchen, seine kleine Schwester zu beschützen, während seine Familie oben darauf wartete, dass die Zeit verging. Hahaha.

Außerdem trieben sie sich hier an Bord gegenseitig in den Wahnsinn. Schon in zwei Booten war es für die unterschiedlichen Wesen – Mensch, Fledermaus, Ratte, Kakerlak und Glühwurm – nicht einfach gewesen, miteinander auszukommen. In einem Boot wurde es richtig schlimm.

Andauernd kam es zu Streitereien, vor allem ums Essen. Viele Vorräte waren im zweiten Boot gewesen und im Strudel verloren gegangen. Mareth verwaltete den Rest und teilte allen strenge Rationen zu. Doch Photos Glimm-Glimm und Zack bestanden darauf, weiterhin ihre Riesenportionen zu bekommen. Als sie erfuhren, dass das nicht ging, jammerten sie unaufhörlich, bis Twitchtip bemerkte, sie könne auch Glühwürmer essen. Von da an schmollten sie und leuchteten nur noch, wenn ihnen danach war.

»Warum kriegen das Mädchen und ihr Flieger unser Essen?«, murmelte Zack Photos Glimm-Glimm zu. »Das sind doch nur blinde Passagiere!«

Und natürlich konnte Gregor Boots kein Essen abschlagen. Wenn das Mittagessen herumgereicht wurde, futterte sie ihr Brot und ihren Käse in Rekordgeschwindigkeit auf und zeigte dann auf Gregors. »Ich Hunger!« Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr die Hälfte seiner Ration zu geben. Aber nachdem sie das und die Hälfte von Temps Ration gegessen hatte, war sie immer noch nicht satt.

»Ach, hier, gib ihr das«, sagte Twitchtip und warf Boots ein Stück Käse zu. Boots knabberte sofort begeistert daran. Alle starrten Twitchtip an, die wütend knurrte. »Es riecht nach Mensch, ich kriege es sowieso kaum runter!« Und alle wandten den Blick ab. Aber Gregor war sich ziemlich sicher, eine Premiere erlebt zu haben – eine Ratte, die einem Menschen etwas zu essen gab.

Howard machte sich am wenigsten Sorgen über das Nahrungsproblem. »Wir sind umgeben von Essen, wir brauchen bloß zuzulangen«, sagte er. Er ließ Netze ins Wasser und schickte die Fledermäuse aus, nach Fisch zu tauchen. Er hatte Recht. Es dauerte nicht lange und sie hatten einen ordentlichen Batzen gefangen. Leider gab es keine Möglichkeit, den Fisch zu kochen. Das war für niemanden ein Problem – außer für die Menschen. Roher Fisch! Angewidert starrte Gregor auf das kalte weiße Fleisch. Sie konnten keinen Brennstoff dafür verschwenden, den Fisch zu kochen, das wusste er. Ihm kam die Idee, dass er versuchen könnte, ihn auf Photos Glimm-Glimms Hinterteil zu erwärmen, aber er mochte ihn nicht um einen Gefallen bitten.

»Koste mal. Es ist besser, als du glaubst«, sagte Howard, steckte sich ein großes Stück in den Mund und aß es auf. »Am Quell servieren wir den Fisch zuweilen auf diese Weise. In Regalia ist es allerdings nicht üblich.«

Gregor nagte an der Ecke eines Stücks und entschied, dass es essbar war. Ihm fiel ein, dass viele Leute Sushi aßen, das war auch roher Fisch. Er war schon an japanischen Restaurants vorbeigekommen, wo appetitliche Häppchen Fisch mit Reis und Algen im Schaufenster lagen. Es war sehr teuer. Gregor hatte es noch nie gegessen, aber sein Freund Larry hatte gesagt, es sei nicht schlecht, wenn man ordentlich Sojasoße drüberkippte. Gregor machte die Augen zu, stellte sich vor, er wäre in einem noblen Restaurant, und steckte sich ein ganzes Stück in den Mund. Nur schade, dass er keine Sojasoße hatte.

Auch Luxa kämpfte mit ihrem Fisch. Gregor sah, dass es ihr nicht besser schmeckte als ihm, aber da sie eigentlich gar nicht dabei sein sollte, konnte sie sich nicht beschweren. Außerdem wollte sie sich nicht bei etwas anstellen, was ihre Verwandten problemlos aßen.

Boots nahm einen Bissen und spuckte ihn ohne zu zögern wieder aus. Dann wischte sie sich immer wieder mit der Hand über die Zunge. »Mag nicht! Mag nicht!« Das war nicht weiter verwunderlich, denn zu Hause hatten sie es noch nicht einmal geschafft, ihr Fischstäbchen mit Ketchup schmackhaft zu machen.

Twitchtip, die im Nu fünf oder sechs Fische vertilgt hatte, hob plötzlich den Kopf und bewegte die Nase zuckend hin und her. »Land. Wir kommen bald an Land.«

Mareth holte eine Karte hervor und studierte sie. »Hier dürfte kein Land sein, erst in einigen Tagen. Ich hoffe, der Strudel hat uns nicht vom Kurs abgebracht.«

Howard schaute auf den Kompass. »Nein, die Richtung stimmt. Kannst du sagen, um was für eine Art Land es sich handelt?«

»Vielleicht eine Meile im Durchmesser«, sagte Twitchtip schnuppernd.

»Durchmesser? Also eine Insel?«, fragte Howard. Er zeigte auf die Karte. »Wir müssten uns hier befinden. Doch hier ist keine Insel in der Nähe. Allerdings ist es viele Jahre her, seit diese Gewässer vermessen wurden.«

»Ich glaube, sie ist noch jung«, sagte Twitchtip. »Sie riecht nach frischer Lava.«

»Gibt es dort Leben?«, fragte Mareth.

Twitchtip schloss die Augen und konzentrierte sich. »Ja, eine ganze Menge. Aber keine Warmblüter. Es sind alles Insekten. Doch ich habe kein Wort für ihren Geruch.«

Gregor legte Boots die Schwimmweste an. Als Twitchtip das letzte Mal kein Wort für etwas gehabt hatte, waren sie fast ertrunken. Eine Insel mit unbekannten Insekten. Das hörte sich nicht gut an.

Nachdem sie eine weitere halbe Stunde gesegelt waren, hoben die Fledermäuse den Kopf. Jetzt konnten auch sie die Insel mit ihrem Radar wahrnehmen.

»Wie groß sind die Insekten? Könnt ihr das sagen?«, fragte Gregor. Hier unten war alles so riesig.

»Nicht groß«, sagte Ares. »Sie sind sogar winzig.«

Das beruhigte Gregor ein wenig.

Bis Aurora hinzufügte: »Aber es sind Millionen.«

»Kennst du sie, Pandora?«, fragte Howard.

Die Fledermaus schüttelte den Kopf. »Nein, sie ähneln den Mücken, die wir auf der Muschelinsel gesehen haben. Doch diese hier haben eine andere Stimme.«

»Was waren das für Mücken?«, fragte Gregor.

»Ach, sie waren harmlos. Klein wie ein Stecknadelkopf, und ihre Stiche taten nicht lange weh«, sagte Howard.

»Und sie waren sehr schmackhaft«, fügte Pandora hinzu. »Ein wenig wie Blaubisschen.«

Diese Bemerkung ließ alle Fledermäuse aufhorchen. Gregor hatte keine Ahnung, was Blaubisschen waren, aber für die Fledermäuse schienen sie tausendmal verlockender zu sein als roher Fisch.

»Vielleicht sollte ich einen kleinen Abstecher machen. Wenn sie wie Blaubisschen schmecken, könnten wir uns satt essen«, sagte Pandora.

Mareth wollte sie nicht ziehen lassen, aber Howard hatte nichts dagegen. »Wenn es Mücken sind, können sie nichts Schlimmes anrichten.«

»Lieber nicht hinfliegen, lieber nicht«, sagte Temp, aber wie immer beachtete ihn niemand.

»Warum nicht, Temp?«, fragte Gregor. »Weißt du, was für Mücken es sind?«

Das wusste Temp nicht. Oder wenn er es wusste, konnte er es nicht richtig ausdrücken. »Mücke schlecht« war alles, was er sagte.

»Da ist es!«, rief Luxa plötzlich, und die Insel tauchte aus der Dunkelheit auf. Sie wurde von einem kleinen Vulkan in der Mitte erleuchtet, aus dem blubbernd Lava strömte. An verschiedenen Stellen lief die Lava über und floss mit einem Zischen ins Wasser. Dort, wo die Lava nicht hinkam, wuchsen Schlingpflanzen wie im Dschungel. Gregor vermutete, dass sie das Licht der Lava nutzten, denn eine andere Lichtquelle gab es nicht. Oder vielleicht genügte ihnen die Wärme der Lava. Sein Vater hatte ihm von einer Studie erzählt, nach der manche Pflanzen ohne Licht wachsen konnten, wenn sie genügend Wärme hatten. Wie auch immer, die Pflanzen gediehen hier jedenfalls gut.

Die ganze Zeit war ein Summen zu hören. Die Insel bebte von unsichtbarem Leben. Gregor gefiel das nicht. Er wusste, dass es Temp ähnlich ging. Aber die anderen Unterländer schienen neugierig auf die Insel zu sein.

»Es wäre ein Jammer, vorüberzuziehen, ohne sie näher zu erkunden«, sagte Howard. »Wir könnten etwas in Erfahrung bringen, das künftigen Reisenden hilfreich ist.«

Und Pandora war gar nicht zu halten. »Ja, es ist unsere Pflicht, zumindest herauszufinden, ob sie sich als Rastplatz eignet. Einige der stärkeren Flieger könnten den Wasserweg überqueren, wenn sie wüssten, dass sie hier landen können.«

Sie einigten sich darauf, Pandora einen kurzen Erkundungsflug über die Insel machen zu lassen. Sie flog rasch davon und war schon bald über der Insel. Sie brauchte nicht lange, um sie einmal zu umrunden. Dann berichtete sie den anderen Fledermäusen in einer Tonlage, die für die Übrigen unhörbar war.

»Sie meint, die Insel sei sicher«, sagte Ares. »Und die Mücken sollen noch köstlicher sein als Blaubisschen.«

»Nun gut, dann füllt schnell eure Mägen«, sagte Mareth. »Aber nur paarweise. Ich möchte nicht, dass ihr alle auf einmal das Boot verlasst. Du kannst sie begleiten, Ares. Danach können Aurora und Andromeda fliegen.«

Gregor hob Boots hoch, damit sie auch etwas sehen konnte. Schließlich kam man nicht alle Tage an einer Vulkaninsel in einem unterirdischen Meer vorbei. So kann ich mir auch gleich ein Bild davon machen, ob die Insel sicher ist, dachte Gregor.

Aber sie war nicht sicher.

Ares hatte die Insel fast erreicht, als es passierte. Eine schwarze Wolke stieg aus dem Dschungel empor und überwältigte Pandora. Ihr blieb keine Zeit, irgendetwas zu tun. Eben noch war sie herumgesaust und hatte Mücken gefressen, jetzt fraßen die Mücken sie. In weniger als zehn Sekunden hatten sie die sich windende Fledermaus bis auf die Knochen abgenagt. Ihr weißes Skelett hing noch einen Augenblick in der Luft, dann fiel es krachend in den Dschungel.

Verdutzt fragte eine kleine Stimme an Gregors Ohr: »Wo Federmaus?«