31. Kapitel
Es hatte in den letzten zwei Tagen heftig geschneit und an den Straßenrändern türmten sich die Schneeberge. Papa, Jens und Christian waren am Morgen nach Heidelberg aufs Turnier gefahren und auch Tim war deswegen heute nicht in der Schule gewesen. Mama war noch immer bei ihren Eltern, deshalb hatte ich keinen Grund, nach Hause zu fahren.
Schon seit Tagen ging mir etwas im Kopf herum, eigentlich seit letztem Montag, als Ariane mit ihrer Shoppingtour in Zürich geprahlt hatte. Es war schon eine Weile her, dass ich mit Papa mal bei Herrn Teichert in dessen Büro gewesen war, und ich erinnerte mich nur noch dunkel daran, wo es war, deshalb musste ich auf gut Glück durch das Gewerbegebiet von Königshofen laufen.
Meine Füße waren bereits zu Eisblöcken gefroren, als ich endlich vor einem mehrstöckigen grauen Geschäftshaus das Schild »Teichert Finance – Vermögensberatung« las. Ich drückte die Glastür auf und marschierte durch die große Eingangshalle bis zu den Aufzügen. Auf dem goldenen Schild im Aufzug war ein Hinweis zu den verschiedenen Firmen angebracht, die in diesem Gebäude ihren Sitz hatten. Teicherts Büro war im dritten Stock. Der Aufzug hielt mit einem leisen Läuten, die Türen glitten zur Seite und ich stand auf einem Flur, direkt vor der Glastür, auf der »Teichert Finance« stand.
Ich klingelte. Wenig später sprang die Tür mit einem Summen auf. Hinter einem schneeweißen Tresen thronte eine aufgedonnerte Frau, die ich zuerst für Frau Teichert hielt. Sie sah ihr zum Verwechseln ähnlich, war bei genauerem Hinsehen aber höchstens halb so alt. Die Telefone auf ihrem Schreibtisch klingelten.
»Guten Tag«, grüßte ich. »Ich möchte zu Herrn Teichert.«
»Ach ja? Hast du einen Termin?« Sie musterte mich überheblich, dann blickte sie missbilligend auf die schmutzigen Fußspuren, die meine durchnässten Schuhe auf dem schicken hellgrauen Teppichboden hinterlassen hatten.
»Ich hab zwar keinen Termin«, erwiderte ich, »aber ich will trotzdem mit ihm reden.«
»Er hat Besuch. Das kann dauern.«
»Ist mir egal. Dann warte ich.« Ich hatte nicht vor, mich von dieser arroganten Schnepfe abwimmeln zu lassen.
»Das bedeutet: Herr Teichert hat keine Zeit«, sagte sie genervt.
»Ich bin eine Klassenkameradin von Ariane«, entgegnete ich, als wäre das eine Begründung dafür, weshalb ich mit ihrem Vater sprechen wollte.
»Ach so.« Die Schnepfe griff zum Telefon und tippte eine Nummer ein, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Herr Teichert, hier steht ein Mädchen vor mir, das mit Ihnen sprechen will. Sie behauptet, sie sei eine Klassenkameradin von Ariane … Ah ja. Okay. Ich frage sie.«
Sie legte eine Hand über die Muschel des Hörers.
»Um was geht es?«
»Das möchte ich schon selbst mit Herrn Teichert besprechen«, antwortete ich so überheblich, wie sonst nur Ariane sein konnte.
Aber diesen Ton schien die Schnepfe zu verstehen. Sie hob die Augenbrauen und richtete ihrem Chef meine Worte aus.
»Herr Teichert erwartet dich«, sagte sie dann kühl. »Die Tür am Ende des Ganges.«
»Vielen Dank.« Ich lächelte zuckersüß.
Als ich auf die Tür zuging, sackte mir das Herz mehr und mehr in die Kniekehlen. Aber ich hatte nicht vor, umzukehren. Ich holte tief Luft, straffte die Schultern und klopfte an.
»Herein!«, klang es dumpf durch die Tür.
Ich betrat den Raum – und hätte am liebsten auf dem Absatz wieder kehrtgemacht. Denn der Mann, der Herrn Teichert gegenübersaß, war Tims Vater Richard Jungblut.
»Ach, schau an!« Herr Teichert schien erstaunt. »Die kleine Elena! Das ist aber schön, dass du mich besuchen kommst! Es ist doch nichts passiert?«
»Hallo, Herr Teichert«, erwiderte ich, so gelassen wie möglich. »Kommt drauf an, wie man’s sieht.«
»Wie meinst du das?« Er betrachtete mich neugierig über seine Lesebrille hinweg. Tims Vater grinste nur.
»Sie schulden uns noch 6570 Euro«, sagte ich. »Der Scheck, den Sie uns gegeben haben, ist nämlich geplatzt.«
Für einen Moment herrschte absolute Stille. Herr Teichert, der sonst nie um Worte verlegen war, starrte mich sprachlos an. Er schluckte und ich sah, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.
»Ist ja schon ein Ding, dass Micha seine kleine Tochter jetzt auch noch als Geldeintreiberin schickt«, bemerkte Richard Jungblut spöttisch.
»Mein Vater weiß nicht, dass ich hier bin«, entgegnete ich kühl und blickte ihn an. Er hatte blaue Augen wie Tim, aber seine waren so kalt wie Gletschereis. Mit seiner Hakennase und dem vorspringenden Kinn sah er irgendwie brutal aus. Ich wandte mich wieder Arianes Vater zu, dem das alles oberpeinlich zu sein schien.
»Das war wohl ein Versehen«, murmelte er. »Ich schreibe dir natürlich sofort einen neuen Scheck aus.«
»Ich hätte lieber Bargeld«, erwiderte ich. »So, wie Sie’s meinem Vater am Telefon versprochen haben, als Herr Jungblut Ihre Pferde bei uns abgeholt hat.«
»Mädchen, du hast Mumm!«, rief Tims Vater und lachte dröhnend. »Das gefällt mir! Na, komm schon, Hans, gib dem Mädchen das Geld.«
Arianes Vater saß hinter seinem Schreibtisch mit einem Kopf, der so rot war wie eine Tomate. An seiner Stirn pulsierte eine Ader und ich hoffte, dass sie nicht platzen würde, bevor ich mein Geld hatte. Dann stand er auf, ging quer durch sein riesiges Protzbüro zu einem Tresor. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber er kehrte tatsächlich mit einem Packen Geld zurück.
»Hier«, sagte er und drückte mir das Bündel mit Fünfhundert-Euro-Scheinen in die Hand, »aber du unterschreibst mir dafür eine Quittung.«
»Wenn Sie erlauben, will ich es vorher zählen«, antwortete ich.
»Es sind siebentausend Euro«, blaffte Herr Teichert mich an. »Das stimmt schon so. Der Rest sind Zinsen.«
Tims Vater konnte sich noch immer nicht einkriegen. Wäre er nicht dabei gewesen, hätte ich das Geld sicher nicht gekriegt. Aber vor ihm wollte sich der blöde Teichert wohl nicht blamieren.
»Hier, komm her!« Er kritzelte etwas auf ein Stück Papier. »Unterschreib das!«
»Moment.« Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und zählte die Scheine nach. Vierzehn Scheine à fünfhundert Euro. Er hatte nicht gelogen, ich hielt siebentausend Euro in meinen Händen. Unglaublich. Ich verstaute das Geld in meinem Rucksack, trat an den Schreibtisch und unterschrieb das Stück Papier.
»Vielen Dank auch, Herr Teichert«, sagte ich artig. »Und noch einen schönen Tag.«
»Soll ich dich nach Hause fahren?«, bot mir Tims Vater spöttisch an. »Nicht, dass dich noch jemand überfällt, wo du jetzt so viel Geld mit dir herumträgst.«
»Wer sollte mich wohl überfallen?«, erwiderte ich kühl. »Sie sitzen ja hier im Büro.«
Das Lächeln erstarb auf Richard Jungbluts Gesicht, dafür lachte Herr Teichert amüsiert.
Alles kam mir irgendwie unwirklich vor, als ich das Bürogebäude verließ und durch den Schneematsch zurück in Richtung Stadtmitte stapfte. In meinem Rucksack steckten unfassbare siebentausend Euro! Noch immer konnte ich nicht richtig glauben, dass Herr Teichert mir tatsächlich das Geld gegeben hatte. Ob er es wohl seiner Frau und Ariane erzählte? Wohl kaum! Es war ihm superpeinlich gewesen. Ich grinste vor mich hin.
Am Busbahnhof erwischte ich einen Bus nach Steinau und radelte eine halbe Stunde später bei uns auf den Hof. Oma hatte Mittagessen für mich warm gestellt – Lasagne, lecker! Ich aß bei ihr in der Küche. Sie hatte ihre Brille aufgesetzt und machte ein Kreuzworträtsel in der Bauernzeitung.
»Oma«, fragte ich nach einer Weile, »warum können Papa und Mama die Jungbluts nicht leiden?«
Oma hob den Kopf und zögerte.
»Und sag jetzt bitte nicht: Das ist eine lange Geschichte«, fügte ich hinzu.
»Das wollte ich wirklich gerade sagen«, erwiderte Oma und lächelte ein bisschen.
Ich legte mein Besteck hin und schob den Teller weg.
»Ich weiß, dass sie früher Freunde waren, Papa, Mama, Richard Jungblut und Lajos«, platzte es aus mir heraus. »Ich hab Fotos gesehen und die Zeitungsausschnitte über den Unfall gefunden, bei Mama im Schrank.«
»Ach Elena.« Oma hörte auf zu lächeln und setzte ihre Brille ab. »Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf. Es war eine ganz schlimme Sache, die alles verändert hat. Lajos war wie ein Sohn für deinen Opa und mich, der beste Freund von deinem Vater. Ein anständiger Junge und ein sehr guter Reiter. Michael, er und Richard waren die allerbesten Freunde. Niemand von uns konnte sich je erklären, warum das alles so kommen musste.«
»Warum Lajos betrunken einen Unfall gebaut hat, bei dem Mamas Schwester gestorben ist?«, fragte ich bitter.
»Lajos ist an diesem Abend nicht gefahren«, ertönte plötzlich Opas Stimme von der Tür aus. Ich fuhr herum. »Er hat nur den Kopf für seinen Freund hingehalten. Und der hat ihm das nicht gedankt. Im Gegenteil.«
Ich starrte Opa an. Er war so ernst, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Ein fürchterlicher Verdacht stieg in mir auf. Lajos war der beste Freund von Papa gewesen.
»Etwa für Papa?«, hauchte ich entsetzt.
»Nein«, antwortete Opa. »Für Richard. Der ist an diesem Abend gefahren, obwohl er den ganzen Nachmittag über sehr viel getrunken hatte. Ich selbst habe die vier in Zeiskam in den BMW steigen sehen. Michael hatte das Springen gewonnen und musste noch bis zur Siegerehrung warten, aber Viola und Susanne wollten nach Hause, weil ihr Vater Geburtstag hatte. Lajos ist mit eingestiegen, um aufzupassen, dass Richard nicht wie ein Verrückter fährt.« Opa stieß einen Seufzer aus. »Lajos hatte später keine Erinnerung an den Unfall. Er war ja selbst schwer verletzt. Das Gutachten vom Gericht konnte nicht klären, wer tatsächlich hinter dem Steuer gesessen hatte, und Richard hat steif und fest behauptet, Lajos wäre gefahren.«
»Lajos musste deshalb ins Gefängnis«, flüsterte ich.
»Ja, und nicht nur das.« Opa nickte traurig. »Richard hat auch noch Lajos’ Freundin geheiratet und vom Schmerzensgeld, das Lajos ihm zahlen musste, die Anzahlung für den Sonnenhof gemacht. Weil Lajos auch Alkohol im Blut gehabt hatte, zahlte die Versicherung nicht. Seine Mutter musste alles verkaufen, was sie besaß, um die Strafe und das Schmerzensgeld aufbringen zu können, zu dem das Gericht Lajos verurteilt hatte.«
»Wissen Papa und Mama das?«, fragte ich.
»Nein. Mit Gewissheit weiß das niemand, außer Richard Jungblut. Er hat es mir gesagt, später aber alles bestritten. Der Grund für die Feindschaft ist auch nicht in erster Linie der Unfall, sondern die Art und Weise, wie Richard seinen Freund Lajos in den Ruin getrieben und ihm seine Freundin ausgespannt hat. Auch Linda hat das alles geschehen lassen. Deshalb wollen deine Eltern nichts mit der Familie Jungblut zu tun haben.«
Ich stand wie unter Schock, als ich später in den Stall hinüberging, um Fritzi zu reiten. Wieder einmal hatte ich alles missverstanden und die falschen Schlüsse gezogen. Ich hatte Lajos schrecklich unrecht getan!
Wenn es nicht immer noch so stark geschneit hätte, wäre ich auf der Stelle zum Forsthaus geritten, um mich bei ihm zu entschuldigen.
Ich war ganz allein im Stall, deshalb ging ich mit Fritzi in die große Halle, in der Papa den ganzen Parcours hatte stehen lassen. Ich baute die Sprünge etwas herunter, dann wärmte ich Fritzi im Trab und im Galopp auf. Zuerst wählte ich nur einzelne Hindernisse, aber schließlich ließ ich Fritzi den ganzen Parcours springen.
Ich zuckte erschrocken zusammen, als jemand applaudierte. Und dann bekam ich einen noch größeren Schrecken. Auf der Tribüne stand Herr Nötzli. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er in die Halle gekommen war.
»Papa ist schon nach Heidelberg aufs Turnier gefahren«, sagte ich, nachdem ich ihn begrüßt hatte.
»Ach so.« Herr Nötzli betrachtete Fritzi neugierig von Kopf bis Fuß. »Ich dachte, er könnte mir noch mal den Braunen vorreiten. Was ist das für ein Pferd, das du da reitest? Das kenne ich gar nicht.«
»Es gehört mir.«
»Aha. Ein Hengst, nicht wahr? Wie alt ist er?«
»Fünf.«
»Wie ist er gezogen?«
»For Pleasure aus einer Grannus-Mutter«, entgegnete ich widerwillig.
Wie nicht anders erwartet leuchteten die Augen des Pferdehändlers interessiert auf, als er Fritzis exzellente Abstammung hörte.
»Bist du mit ihm schon mal höher gesprungen?«, fragte er und kam in die Bahn.
»Ja, ein paar Mal«, gab ich zu.
Dann baute er die Hindernisse höher. Sogar ziemlich hoch. Ich ritt Fritzi wieder über den ganzen Parcours und wünschte, Tim wäre dabei. Fritzi sprang nämlich spitze! Endlich konnte er zeigen, was wirklich in ihm steckte. Je höher und breiter die Hindernisse waren, desto besser sprang er. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach grinsen, als ich fertig war und meinem Hengst ausgiebig den Hals klopfte.
»Das ist das Fohlen, das sich damals so schwer verletzt hat, nicht wahr?«, fragte Herr Nötzli nun.
»Ja.« Ich wunderte mich über sein gutes Gedächtnis.
»Und dein Papa weiß nichts von ihm.«
Ich zuckte mit den Schultern. Das war nur zur Hälfte richtig. Im Prinzip wusste Papa ja von Fritzi.
»Na ja.« Herr Nötzli sah ziemlich zufrieden aus. »Könntest du mir noch schnell den Braunen vorreiten?«
»Wer? Ich?« Ich dachte daran, wie verrückt sich Quintano unter Papa, Jens und Christian gebärdet hatte, und bezweifelte, dass ich überhaupt galoppieren konnte, ohne mir das Genick zu brechen. Doch das Training mit Tim und der Sieg über Herrn Teichert hatten mich selbstbewusster gemacht, und so ließ ich mich darauf ein.
Herr Nötzli kam mit Fritzi und mir in die Scheune und trug sogar das Sattelzeug zurück. Er hielt den Braunen fest, als ich ihn sattelte und Gamaschen an die Beine schnallte.
Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich in der Halle in den Sattel von Quintano kletterte. Er war schmaler und etwas größer als Fritzi, extrem sensibel im Maul und am Bein und er reagierte auf die kleinste Gewichtsverlagerung. Sein Trab war etwas hektisch, aber sein Galopp traumhaft zu sitzen. Quintano ging ganz leicht am Zügel und kaute entspannt auf dem Gebiss. Ich fühlte mich zu meinem Erstaunen richtig wohl auf ihm.
Herr Nötzli hatte ein kleines Kreuz aufgebaut, an das ich heranreiten sollte. Ich machte es so, wie Tim es mir beigebracht hatte: ganz ruhig sitzen, die Hand stehen lassen und nichts machen. Quintano spitzte die Ohren, zog von selbst hin und machte einen Riesensatz. Aus dem Kreuz wurde ein Steilsprung, dann ging es zu einem kleinen Oxer, schließlich ritt ich einen kurzen Parcours. Nach ein paar Sprüngen hatte ich mich an Quintanos Art zu springen gewöhnt, die ganz anders war als die von Fritzi. Es begann mir Spaß zu machen.
»Willst du es noch etwas höher versuchen?«, rief Herr Nötzli.
Aus unerfindlichen Gründen hatte ich Vertrauen zu Quintano und er offenbar auch zu mir. Das, was der Pferdehändler nun aufbaute, erschien mir allerdings doch sehr hoch!
»Reite einfach so, wie du es eben gemacht hast«, riet er mir. »Still sitzen, lass ihn nur machen!«
Ich nickte und ließ Quintano angaloppieren. So hoch war ich nicht einmal mit Calvador an Silvester gesprungen! Aber ich musste mir keine Sorgen machen, alles klappte wie am Schnürchen. Quintano flog wie eine Feder durch die dreifache Kombination, die aus zwei mächtigen Oxern und einem irrsinnig hohen Steilsprung bestand; er ließ sich mühelos wenden und ich bekam die Distanz zu dem letzten gewaltigen Oxer ideal hin.
»Das war toll!«, rief ich und lachte. »Er macht alles von allein!«
»Nun ja«, erwiderte Herr Nötzli. »Er ist auch schon sehr viel erfahrener als dein Hengst, aber so ganz von allein macht er das nicht. Du bist sehr gut geritten.«
Ich wurde bei dem Lob richtig rot. Herr Nötzli schien geradezu begeistert zu sein, was selten der Fall war. Normalerweise lächelte er nur still vor sich hin, aber jetzt war er richtig aus dem Häuschen. Er lief mit mir in den Stall zurück und half mir, Quintano abzusatteln.
»Hör mal, Elena, ich will dir einen Vorschlag machen«, sagte er. »Ich gebe Quintano zukünftig bei dir in Beritt. Ich bezahle die Box, den Tierarzt, Hufschmied, die Turnierkosten, und du bekommst von mir Berittgeld, sagen wir zweihundert Euro im Monat. Was hältst du davon?«
»Das … das hört sich gut an«, stotterte ich fassungslos.
»Wenn wir das Pferd verkaufen können, bekommst du allerdings nur zehn Prozent vom Verkaufspreis statt zwanzig, wie ich es üblicherweise mache, aber dafür übernehme ich auch alle Kosten.«
Das war unglaublich! Hatte Mama nicht neulich noch mit Papa gestritten, weil Herr Nötzli normalerweise gar nichts für seine Pferde bezahlte?
»A… aber ich … denken Sie denn, dass ich das kann? Ich meine, ich bin doch erst dreizehn.«
»Dein Vater wird dir schon helfen.« Herr Nötzli lächelte.
»Ach, apropos mein Vater«, sagte ich nun. »Bitte erzählen Sie ihm nichts von Fritzi. Er weiß nicht, wie gut er springt, und ich will auch erst mal nicht, dass er es erfährt. Sie sagen ihm nichts von Fritzi, okay?«
»Abgemacht. Du kriegst den Braunen in Beritt und ich sage deinem Vater nichts von deinem Hengst. Und wenn du jemals dran denkst, deinen Fritzi zu verkaufen, dann ruf als Erstes mich an. Hand drauf?«
Er hielt mir die Hand hin. Ich zögerte.
»Sie meinen, wenn ich jetzt einschlage, dann haben Sie das Vorkaufsrecht?«, vergewisserte ich mich.
»Du bist ein cleveres Mädchen.« Herr Nötzli lächelte amüsiert. »Ja, das meine ich ungefähr so.«
»Einverstanden«, sagte ich nach kurzem Überlegen. »Aber glauben Sie nicht, dass Sie ihn billig schnappen können, nur weil ich ein Mädchen bin. Und ich nehme auch kein Pferd in Zahlung.«
»Du sollst ihn nicht an mich verschenken«, erwiderte er ernst, nur seine Augen blitzten belustigt. »Ich weiß, was ein Qualitätspferd wert ist und werde dir zu gegebener Zeit ein faires Angebot machen. Natürlich nur, wenn du ihn überhaupt verkaufen willst.«
Das klang alles vernünftig. Ich schlug ein. Ich hatte ein Berittpferd! Und in meinem Rucksack lagen siebentausend Euro! Papa würde Augen machen …