Kapitel 46

Beth Fremont

Jennifer Scribner-Snyder

: Frei., 03. 12. 1999, 13:35 Uhr

Es gibt keinen Grund für die Existenz kleiner Menschen

Warum fliegen die großen Typen immer auf kleine Frauen? Nicht einfach nur Frauen, die nicht allzu groß sind, eher … winzige Frauen. Polly Pockets. Die größten Männer stürzen sich immer-immer-immer auf die kleinsten Frauen. Immer.

Das kommt mir vor, als wären sie so in ihre Größe vernarrt, dass sie mit jemandem zusammen sein wollen, der sie noch größer wirken lässt. Jemand, den sie überragen können. Ein kleines Püppchen, mit dem sie sich noch größer und stärker fühlen.

Jedes Mal, wenn ich einen großen Typen mit einem wirklich kleinen Mädchen sehe, dann habe ich Lust, ihn mit den Worten zur Seite zu nehmen: »Du bist dir schon darüber im Klaren, dass deine Söhne niemals Basketball spielen werden, oder?«

Das wäre ja auch nicht so schlimm, wenn die kleinen Männer total auf große Frauen fliegen würden. Aber dem ist leider nicht so. Die wollen nichts mit uns zu tun haben.

Geht es hier um Chris? Fährt der zweigleisig mit Holly Hunter?

Holly Hunter?

Das ist die einzige kleine Frau, die mir gerade einfällt. Oder wie wär’s mit Rhea Perlman?

Und außerdem, »zweigleisig«? Wer sagt denn so was, bitte?

Jetzt geh nicht auf mich los. Ich bin nicht diejenige, die sich heimlich mit Crystal Gayle trifft.

Crystal Gayle ist nicht klein.

Ich dachte, deshalb würden ihre Haare so lang aussehen.

Ich rede auch gar nicht von Chris. Chris interessiert sich für niemanden, mich eingeschlossen. Ich rede über Meinen süßen Typen.

Der Küchenrollen-Kerl? Betrügt der dich etwa mit Mary Lou Retton?

Schlimmer. Während der Nachtschicht hab ich gesehen, wie er sich mit dieser Emilie unterhalten hat.

Die kleine Blonde?

Genau die.

Und die ist auch nicht einfach nur klein. Die sieht aus wie eine ganz normale Person, die einfach nur geschrumpft wurde, sodass alles immer noch perfekte Proportionen aufweist. So was würde man auch in einem aufwändig gestalteten Puppenhaus finden, so winzig und dennoch naturgetreu.

Hast du mal ihre Taille gesehen? Die ist beinahe nicht existent.

Deren Taille könnte ich mit einer Hand umfassen. Wenn ich mir neben der schon stark und maskulin vorkomme, wie muss sich Mein süßer Typ dann erst fühlen?

Sie ist die reinste Liliputanerin.

Die würden sie nicht in die Wildwasserbahn einsteigen lassen.

Weißt du, was mich an ihr stört? Dass ihr Name auf »ie« endet. Jeder weiß doch, dass man Emily mit Ypsilon schreibt. Dieses »ie« ist überhaupt nicht süß. Es macht dich nicht einzigartig. Es unterscheidet dich nicht von allen Emilys dieser Welt. Es ist einfach nur verwirrend.

Ihre Eltern fanden die Idee wahrscheinlich originell. Das ist doch nicht ihre Schuld.

Klar, ganz anders als ihr winziger, kleiner, perfekter Körper.

Wann hast du sie denn zusammen gesehen?

Gestern Abend. Ich hab gerade noch eine Kritik fertig geschrieben und bin rüber zu den Korrektoren gegangen, damit sie einen Blick darauf werfen. Und da standen sie dann. Und haben sich unterhalten. Vor aller Augen.

Vielleicht haben sie ja über die Arbeit gesprochen?

Was denn für Arbeit? Er gehört doch gar nicht zu den Korrektoren? Was, zum Teufel, macht er überhaupt? Ich glaube nicht, dass er aus der Werbeabteilung ist – er trägt nämlich Cargohosen. Wer arbeitet denn sonst noch nachts? Vielleicht gehört er zur Security. Oder er ist einer von den Pförtnern.

Vielleicht hat er ja an den Druckermaschinen gearbeitet. Die Reparaturtypen waren gestern da.

Er ist keiner von den Druckerleuten. Die tragen nämlich alle Blaumann und einen Schnäuzer. Außerdem hat er sich mit Emilie nicht über die Arbeit unterhalten. Sie hat gelacht und ihren blonden Pferdeschwanz herumgewirbelt wie ein Schulmädchen.

Hat er denn gelacht?

Nicht so richtig. Er war weitestgehend damit beschäftigt, sie zu überragen. Und zu lächeln. Oh, verflucht seist du, Mini-Emilie, du kleine Verführerin.

Heißt das, wir müssen jetzt anfangen, ihn Emilies süßen Typen zu nennen?

Niemals!

Zum Glück gibt es ja schon einen unglaublich großen Typen in deinem Leben, der kein Däumelinchen-Syndrom hat.

Versuchst du gerade, mir ein schlechtes Gewissen zu machen? Du magst Chris ja nicht mal.

Sorry. Das hab ich von meiner Mutter. Ich muss einfach jede Gelegenheit nutzen, anderen Schuldgefühle einzureden. Auf der anderen Seite ist Chris ja nun mal dein Freund.

Ach, komm schon. Es ist ja nicht so, als würde ich ihn betrügen.

Ich denke, ich wäre schon sehr verletzt, wenn ich herausfinden würde, dass Mitch jemanden als »Mein süßes Mädchen« bezeichnet.

Das ist was anderes. Mitch arbeitet an einer Highschool. Mit richtigen Mädchen.

Du weißt schon, was ich meine.

Liebe auf den zweiten Klick
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