Kapitel 1

Jennifer Scribner-Snyder

Beth Fremont

: Mi. 18. 08. 1999, 9:06 Uhr

Wo steckst du?

Wäre es denn so dramatisch, wenn du hier mal vor Mittag aufkreuzen würdest? Mein Leben ist nur noch ein Scherbenhaufen, und du … so wie ich dich kenne, bist du eben erst aufgestanden. Du löffelst wahrscheinlich gerade deine Haferflocken und ergötzt dich an Sally Jesse Raphaels Talkshow. Mail mir, wenn du endlich im Büro bist, und zwar als Allererstes. Noch vor den Comics.

Okay, du kommst noch vor den Comics, aber mach es kurz. Ich streite mich nämlich schon die ganze Zeit mit Derek darüber, ob For Better or For Worse in Kanada spielt, und ich glaube, heute kann ich endlich beweisen, dass ich recht habe.

Ich glaube, ich bin schwanger.

Was? Wieso das denn?

Letzten Samstag hab ich mir ganz schön einen hinter die Binde gekippt.

Ich denke, wir müssen uns mal über die Bienchen und Blümchen unterhalten. Das funktioniert nämlich ein bisschen anders.

Jedes Mal, wenn ich zu viel trinke, fühle ich mich nachher schwanger. Ich glaube, das liegt daran, dass ich eigentlich nie Alkohol zu mir nehme, und ausgerechnet dann, wenn ich mal über die Stränge schlage, stellt sich garantiert heraus, dass ich schwanger bin. Ich zeige mal drei Stunden Schwäche, und dann muss ich den Rest meines Lebens nach den besonderen Bedürfnissen eines fetalen Alkoholikers ausrichten.

Ich glaube nicht, dass man die so nennt.

Seine kleinen Äuglein werden viel zu weit auseinanderstehen, und im Laden werden mich alle anstarren und flüstern: »Jetzt guck dir nur diese Säuferin an. Nicht mal für neun Monate konnte sie die Finger von der Zima-Flasche lassen! Wirklich tragisch.«

Du trinkst dieses Alcopop-Zeugs?

Schmeckt echt erfrischend.

Du bist nicht schwanger.

Doch.

Wenn ich meine Tage kriege, habe ich zwei Tage vorher immer ganz unreine Haut und erste Vorzeichen von Krämpfen. Aber heute ist meine Haut glatt wie ein Babypopo. Und statt der Krämpfe verspüre ich etwas ganz Seltsames in der Magengegend. Fast wie eine Erscheinung.

Warum rufst du nicht bei der Gesundheitsberatung an und erzählst denen, dass du eine Erscheinung in der Magengegend hast? Mal sehen, ob du dich traust!

Okay, es ist nicht das erste Mal, dass ich Schiss habe, schwanger zu sein. Ich geb ja zu, dass diese Schwangerschaftsangst quasi ein fester Bestandteil meiner prämenstruellen Routine ist. Aber im Ernst, diesmal ist es anders. Es fühlt sich ganz anders an. Als würde mein Körper mir sagen: »Es geht los!«.

Ich muss die ganze Zeit daran denken, wie es jetzt weitergeht. Zuerst ist mir ständig schlecht. Dann werde ich fett. Und dann sterbe ich im Kreißsaal an einer Hirnblutung.

ODER … du bringst ein zauberhaftes Kind zur Welt. (Siehst du, wie du mich dazu gebracht hast, bei deiner Schwangerschafts-Utopie mitzumachen?)

ODER … ich bringe ein zauberhaftes Kind zur Welt, das den ganzen Tag in einer Kita verbringt, unter Aufsicht einer Mindestlohn-Sklavin, die es für seine Mutter hält. Mitch und ich versuchen, abends gemeinsam zu essen, nachdem das Baby im Bett ist, aber wir sind einfach immer zu müde. Ich döse ein, während er mir von seinem Tag erzählt, und er ist erleichtert, weil ihm eigentlich auch gar nicht nach Reden ist. Er isst in Ruhe seinen Sloppy Joe und denkt an die wohlgeformte neue Hauswirtschaftslehrerin an der Highschool. Die trägt nämlich immer schwarze Pumps und hauchdünne Feinstrumpfhosen und so Röcke aus Viskose, die hochrutschen, wenn sie sich hinsetzt.

Was sagt Mitch denn dazu? (Also zu der Erscheinung in deiner Magengegend. Nicht zur neuen Hauswirtschaftslehrerin.)

Er meint, ich sollte einen Schwangerschaftstest machen.

Kluges Kerlchen. So ein vernünftiger Typ wie Mitch wäre mit der Hauswirtschaftslehrerin vielleicht wirklich besser dran. (Die würde ihm nämlich bestimmt keine Sloppy Joes zum Abendessen servieren.) Aber du hast ihn ja wohl am Haken, vor allem jetzt, wo ein Kind mit besonderen Bedürfnissen unterwegs ist.

Liebe auf den zweiten Klick
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