Kapitel 38
Von: Beth Fremont
An: Jennifer Scribner-Snyder
Gesendet: Di., 16. 11. 1999, 14:16 Uhr
Betreff: Mein süßer Typ
Wir nennen ihn ab jetzt nicht mehr so.
Von Jennifer an Beth: Ich glaube nicht, dass ich ihn je so genannt habe.
Von Beth an Jennifer: Wir nennen ihn stattdessen Meinen besonders süßen Typen. Oder vielleicht Meinen besonders süßen, lieben und mitfühlenden – und außerdem auch noch ziemlich witzigen – Typen.
Von Jennifer an Beth: Nicht sonderlich einprägsam. Heißt das etwa, du hast neue Süße-Typen-Info?
Von Beth an Jennifer: Na, eben! Ja. Gestern Abend hab ich noch gearbeitet, und als ich so gegen neun in den Aufenthaltsraum gegangen bin, um mir eine Packung köstlicher Käsecracker zu holen, rate mal, wer da ganz lässig saß? Mein süßer Typ. Er hat zu Abend gegessen und sich mit Doris unterhalten.
Von Jennifer an Beth: Doris, die von den Automaten?
Von Beth an Jennifer: Die und keine andere. Sie hat ihm von ihrem Hund erzählt. Von ihrem toten Hund, glaube ich. Ehrlich gesagt könnte es sogar sein, dass es um ein totes Kind ging, aber das glaube ich nicht. Wie auch immer. Doris hat über Hunde geredet, und Mein süßer Typ hat aufmerksam zugehört, genickt und dazu passende Fragen gestellt. Er hätte nicht netter sein können.
Von Jennifer an Beth: Vielleicht redet er ja gerne über tote Hunde.
Von Beth an Jennifer: Oder süßer. Er hätte nicht süßer sein können.
Von Jennifer an Beth: Und witzig? Inwiefern war er denn witzig?
Von Beth an Jennifer: Das ist nicht so einfach zu erklären. Doris hat ihn gefragt, ob ein toter Mensch wohl in eine Pepsi-Dose passen würde, und er hat geantwortet, dass man dafür wohl eher eine Zwei-Liter-Flasche braucht.
Von Jennifer an Beth: Das klingt vielmehr unheimlich. Hat irgendwer Doris heute schon gesehen?
Von Beth an Jennifer: Im Kontext klang es aber gar nicht unheimlich. Ich denke, sie hat darüber geredet, dass sie ihren Hund eingeäschert hat. Ich hab gelauscht und keine Mitschrift angefertigt. Das Wichtigste: Er war so nett – wirklich, wirklich lieb.
Von Jennifer an Beth: Und wirklich, wirklich süß.
Von Beth an Jennifer: O mein Gott, ja. Du solltest diesen Typen mal sehen. Weißt du noch, dass ich gesagt habe, er sieht aus wie Harrison Ford? Jetzt konnte ich ihn mir genauer anschauen. Er ist wie Harrison Ford plus dieser Kerl von den Brawny-Küchentüchern. Er ist einfach riesig.
Von Jennifer an Beth: Riesig wie Mr Universe?
Von Beth an Jennifer: Nein … eher so wie der Typ, der den unglaublichen Hulk gespielt hätte, wenn sie in den 50ern oder 60ern einen Action-Spielfilm daraus gemacht hätten, zu einer Zeit, als kräftig noch nicht gestählt hieß. Wie John Wayne, zum Beispiel. Wenn der sein Hemd auszieht, dann kommt da bestimmt kein Sixpack zum Vorschein, aber er sieht trotzdem wie ein Typ aus, den man bei einer Schlägerei gerne an seiner Seite hätte. Als würde er, also Mein süßer Typ, vielleicht Gewichte stemmen. Als hätte er Hanteln in seiner Garage oder so, würde aber niemals einen Protein-Shake anrühren.
Weißt du was? Wir sollten anfangen, ihn Meinen attraktiven Typen zu nennen, denn er ist wirklich viel mehr als einfach nur süß.
Von Jennifer an Beth: Okay, jetzt kann ich ihn mir vorstellen. Harrison Ford plus John Wayne plus Hulk + der Küchenrollen-Typ.
Von Beth an Jennifer: Plus Jason Bateman.
Von Jennifer an Beth: Wer ist denn Jason Bateman?
Und außerdem, wieso warst du gestern um neun überhaupt noch hier?
Von Beth an Jennifer:
1. Jason Bateman hat bei Silver Spoons den besten Freund gespielt.
2. Du weißt doch, dass ich abends lange arbeite.
Von Jennifer an Beth:
1. Der aus Der Prinz von Bel-Air?
2. Ich kann einfach nicht verstehen, warum du nicht lieber zu Hause bist.
Von Beth an Jennifer:
1. Der andere beste Freund. Der Weiße. Der mit den Lachfalten um die Augen und der interessanten Nase.
Seine Schwester war bei Familienbande.
2. Ich arbeite gerne spätabends, weil ich nicht gerne frühmorgens arbeite – und irgendwann muss ich ja mal arbeiten.
Wenn ich hier morgens ganz früh auftauche, hab ich immer das Gefühl, dass ich dafür meine Klamotten bügeln muss. Ab zwei Uhr mittags interessiert das kein Schwein mehr. Und ab sieben ist dann sowieso niemand mehr hier. (Na ja, außer den Korrektoren, aber die zählen ja nur halb.) Außerdem ist es auch irgendwie cool, nachts hier zu sein. Wie im Einkaufszentrum, wenn es eigentlich schon geschlossen hat. Oder an einem Samstag in der Schule. Außerdem lässt es sich manchmal wirklich nicht vermeiden, dass ich nachts arbeite. Wenn ich zum Beispiel eine Kritik über eine Premiere schreiben muss oder so.
Von Jennifer an Beth: Wahrscheinlich finde ich es einfach nur ätzend, so spät noch hier zu sein. Das Jahr, in dem ich die Nachtschicht hatte, war das einsamste in meinem ganzen Leben.
Und ich glaube, ich weiß auch, wer Jason Bateman ist. Ich hätte ihn allerdings nie als süß bezeichnet.
Von Beth an Jennifer: Na, dann denk noch mal drüber nach. Und Mein süßer Typ ist sogar noch viel süßer!