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CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia, 25. Juni

 

Gardner starrte Ward an. »Nein. Und hören Sie auf, darauf herumzureiten, Ward. Das Nein von vor zwei Tagen steht immer noch.«

»Wir sollten MALSINDO informieren«, drängte Ward. Die Allianz von Malaysia, Singapur und Indonesien war für die Überwachung der Straße von Malakka zuständig.

»Um ihnen was zu sagen? Dass Ihr Mann Dugan und sein Terroristenkumpel ein Bauchgefühl haben?«

»Hören Sie zu, Larry …«

»Nein, SIE hören zu, Ward. Ich Häuptling, Sie Indianer. Verstanden?«

Ward verbiss sich eine scharfe Erwiderung. »Dann sollten wir wenigstens unsere eigenen Leute unterrichten.«

»Ward. Es ist ein gottverdammter Supertanker. Er wird sich im Verkehrssystem anmelden, daher sehe ich keinen Grund, alle verrückt zu machen und nachher dumm dazustehen. Sie haben in der Sache schon genug Mist gebaut, also halten wir uns hier einfach zurück und vermeiden es, uns zu blamieren.«

Großartig, dachte Ward. Dieses Arschloch ist einzig und allein an seinem Erscheinungsbild interessiert. Die zuständigen Behörden würden die China Star viel intensiver unter die Lupe nehmen, sollten sie ein Problem vermuten.

»Hören Sie, Larry. Sie müssen verstehen …«

»Nein, SIE hören zu. Nachdem Ihr Dugan rundum Mist gebaut hat, habe ich Sie nicht gefeuert. Aber falls Sie Singapur gegenüber die China Star erwähnen, SIND SIE GEFEUERT! Ist das klar?«

Ward gelang ein zorniges Nicken.

»Schön. Wir sind fertig. Ich bin zu einem Gebetsfrühstück im Kongress eingeladen, und ich bin spät dran.«

Ward unterdrückte den Impuls, Gardner vorzuschlagen, er solle um ein verdammtes Gehirn beten, und stapfte in sein Büro. Nach einem Augenblick der Unentschlossenheit sah er auf die Uhr und rief London an.

 

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»Dieser dumme Wichser«, kommentierte Lou Chesterton. »Und was jetzt?«

»Ich folge Befehlen und hoffentlich tun Sie das auch. Aber ich weiß, dass ihr Briten Klatschmäuler seid.«

»Ja, wir sind schwätzen gerne«, stimmte Lou zu. »Und da das Britische Hochkommissariat direkt neben Ihrer Botschaft angesiedelt ist, vermute ich, dass unsere Singapurleute wie alte Hennen über den Zaun weg tratschen.«

»Zweifelsohne. Trotzdem, sollten Sie irgendwie von der China Star erfahren, hoffe ich, dass Ihre Bemühungen dezent sein werden. Mein Kopf hängt hier in der Schlinge, Lou.«

»Verstanden«, bestätigte Lou. »Es wird sich alles regeln.«

 

 

M/T Asian Trader
Pazifischer Ozean mit Ziel Panama, 26. Juni

 

Medina runzelte die Stirn. Seit einer Woche brannte die Sonne auf das Stahldeck, das sich täglich weiter erhitzte. Mittlerweile trug er während seiner Liegestütze Handschuhe. Sogar der Wind rebellierte, drehte sich und glich sich ihrer Geschwindigkeit an. Auf dem Deck herrschte völlige Windstille. Er sah eine Gewitterwolke und wünschte sie sich mitsamt ihrem Versprechen von kühlendem Regen und kaschierendem Wind näher heran.

Seine Augen folgten dem Bootsmann, der am Bug mit einer Fettpresse das Vorschiff hinunterkam.

Er wusste, dass die Dämpfe hinter dem erhöhten Vordeck besonders stark waren, und beobachtete die Reaktion des Bootsmannes. Und tatsächlich, sobald er das Deck erreicht hatte, hob der Mann den Kopf, und Medina konnte die Erkenntnis in den Augen des Mannes sehen. Der Seemann ging in die Knie und roch am Lüftungsschacht des Tanks. Er erhob sich und entdeckte Medina direkt neben sich.

»Wir haben ein Schottenleck. Das müssen wir dem Ersten Offizier mitteilen«, sagte der Bootsmann auf dem Weg nach achtern.

»Warten Sie«, hielt Medina ihn zurück. »Auf der Steuerbordseite habe ich es auch gerochen. Sehen wir es uns an, bevor wir alle nervös machen.«

Nicht gewillt, als Panikmacher zu erscheinen, während ein grüner, unerfahrener Dritter Offizier ruhig blieb, folgte der Bootsmann Medina unter das mittlere Rohrleitungssystem, außer Sicht der Brückenwache darüber.

Medina blieb unter den Rohren stehen. »Da haben wir das Problem«, sagte er und deutete auf einen hochstehenden Ventilkörper, dessen Schaft vertikal aus seiner Mitte hervorragte.

Der Bootsmann spottete. »Das soll das Problem sein?«

»Sehen Sie genau hin«, forderte ihn Medina auf.

Der Bootsmann unterdrückte sein Grinsen und beugte sich über dieses irrelevante Ventil. Aus Junioroffizieren wurden Senioroffiziere und die mussten bei Laune gehalten werden. Gerade wollte er sich wieder aufrichten, als starke Hände auf seinem Hinterkopf sein Gesicht Richtung Ventil pressten und er das Gleichgewicht verlor, was seinen Schwung nach vorn nur noch verstärkte. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war die Spitze des Ventilschaftes, die auf ihn zukam, und der stechende Schmerz, als sie in sein linkes Auge eindrang und sich in sein Gehirn vorschob.

Medina hielt den Kopf des Bootsmannes mit ganzer Kraft nach unten, solange, bis dessen Bewegungen erstarben. Er entfernte den Schuh des Mannes und fettete dessen Sohle leicht mit seiner Fettpresse ein. Dann drückte er den Schuh aufs Deck, um ein Ausrutschen in der Schmiere vorzutäuschen. Danach zog er dem Bootsmann den Schuh wieder an und band ihn zu.

Ein erfrischender Wind kühlte Medinas Gesicht, als er achtern um Hilfe rannte. Als er zwei Minuten später mit Unterstützung zurückkam, wusch ein kühlender Regen das Blut des Bootsmannes bereits in die See.

 

 

Die Büros der Phoenix-Schifffahrtsgesellschaft
London, 28. Juni

 

»Wieso muss da jemand hin?«, verlangte Braun zu wissen. »Wozu an erster Stelle solch eine verdammte Ermittlung? Der Kapitän hat es als Unfall eingetragen.«

Alex biss die Zähne zusammen. »Weil es das Gesetz so will, Braun. Wann immer …«

»Captain Braun.«

»Also schön. Captain Braun. Ein Tod auf See zieht nach internationalem Recht eine Ermittlung im nächsten Anlaufhafen nach sich, bei der ein Repräsentant der Firma anwesend sein muss.«

»Sie werde ich sicher nicht gehen lassen, und ich gehe nicht.« Braun lächelte. »Warten Sie. Schicken Sie Dugan.«

»Ich denke nicht …«

»Hat Dugan nicht gerade die Asian Trader durch die Werft in Singapur gebracht?«

»Ja, anfangs, aber ich denke nicht, dass er …«

»Vollkommen egal, was Sie denken, Kairouz. Er kennt das Schiff. Er steht zur Verfügung. Schicken Sie ihn. Und jetzt verschwinden Sie.«

Alex versteifte sich und verließ Brauns Büro, während der Deutsche darüber reflektierte, wie oft eine Widrigkeit gleichzeitig eine versteckte Möglichkeit bot. Ein wenig sorgte er sich schon darum, dass dieser Unfall unnötige Aufmerksamkeit auf die Asian Trader lenken könnte, aber dieses Schiff war sowieso nur ein Nebenschauplatz. Diesem überflüssigen Irren würde es sicher gelingen, sich auf spektakuläre Weise umzubringen. Und mit etwas Glück wurde Dugan nun präsent sein, um genau das angelastet zu bekommen. Braun summte leise vor sich hin, während er die Webseite der Nationalen Bank der Kaimaninseln aufsuchte und ein neues Konto in Dugans Namen eröffnete.

 

 

Anna Walsh’ Wohnanlage
21.35 Uhr Ortszeit, 28. Juni

 

Dugan und Annas Team saßen um den Kaffeetisch im Überwachungsapartment, sein Sat-Telefon offen im Lautsprechermodus auf dem Tisch.

»Braun besteht darauf«, berichtete Dugan. »Alex rief mich in sein Büro und sagte mir, ich solle nach Panama fliegen. Braun zuliebe führten wir die Unterhaltung fort, während wir uns gegenseitig Notizen schrieben. Ich brachte die erwarteten Entschuldigungen vor – das sei Brauns Job, ich sei zu beschäftigt etc., und Alex machte eine Show daraus, mich zu zwingen.«

»Aber warum ist Braun so wild darauf, dass du gehst?«, wunderte sich Anna.

Dugan zuckte mit den Schultern. »Wohl, weil er mich nach dem China Star-Handel aus dem Weg haben will.«

»Es macht Sinn.« Wards Stimme kam über den Lautsprecher. »Alex kann er nicht aus seiner Kontrolle entlassen, und Tom kennt das Schiff. Ich denke nicht, dass wir hier zu viel hineinlesen sollten.«

»Ich bin Wards Meinung«, stimmte Lou zu. »Er hat die China Star unter Satellitenüberwachung und Anna ist hier, um ein Auge aufs Büro zu haben. Falls Dugan sich zu stark wehrt, könnte es Braun misstrauisch machen.«

Anna nickte. »Okay, machen wir Braun glücklich. Zwischen der China Star und dem Caracas-Abhörerfolg kommen wir endlich voran. Wir wollen ihn jetzt nicht nervös machen.«

»Ich packe meine Sachen«, erklärte Dugan.