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VCS Robert Davion, in niedriger Umlaufbahn um Kathil Kathil-PDZ, Mark Capella, Vereinigtes Commonwealth

 

7. Dezember 3062

Inzwischen stürzten sechs verschiedene Landungsschiffe auf Kathil zu, milizfreundliche Schiffe, die versuchten, die 1. Capella-Dragoner bei ihrem letzten Vorstoß zum Planeten zu decken. Die Robert Davion verfolgte ihren Kurs, zeichnete ihn im Holotank nach. Falls sie das momentane Flugmuster beibehielten, würden sie an sechs verschiedenen Punkten in die Atmosphäre eintauchen, von denen nur einer in der Nähe des Kriegsschiffs lag. Ein siebter Kurs kam dem Kreuzer auch ziemlich nahe, die Spur der im Schlepptau des Oktopus zurückkehrenden Guardian, aber die konnte Kerr ignorieren.

Er fletschte die Zähne und packte die Armstützen seines Sessels so fest, dass die Muskeln zitterten. Bestenfalls konnte er zwei der anfliegenden Landungsschiffe zerstören. Schlimmstenfalls bestand die Gefahr, dass er sich verzettelte und alle entkamen. In diesem Augenblick hätte Jonathan Kern für eine komplette Schiffsbesatzung und vielleicht noch eine anständige Jägereskorte, mit der er den Gegner in sein Schussfeld treiben konnte, die ArchonPrinzessin an ihren Bruder Victor verkauft.

Doch er verfügte weder über eine Crew noch ein Jägerkontingent, und er war nicht bereit, die erste Schlacht der Robert Davion sang- und klanglos enden zu lassen. Das seinem Kreuzer am nächsten fliegende Ziel war ein Dragoner-Landungsschiff. Ein Overlord, der ein komplettes Mechbataillon beförderte. Das würde sein Ziel werden. Seine Beute.

Sein Sieg.
»Sir, wir haben den Mikrowellenstrahl von Yare aus der Ortung verloren«, meldete Watson. »Er ist abgeschaltet worden.«
Kerr grunzte eine Bestätigung, ohne sich vom Holotank ablenken zu lassen. Yare überließ die Schlacht also endlich ihm. Umso besser. Die wahllosen Strahlangriffe hatten unter den die Miliz unterstützenden Schiffen Schaden angerichtet, aber letztlich konnten sie der Robert Davion nur den ihr rechtmäßig zustehenden Sieg stehlen.
»Tiefer!«, brüllte er den Rudergänger an. Maat Erikson schwitzte Blut und Wasser, als er versuchte, das riesige Kriegsschiff über die Lufthülle Kathils zu ziehen. Für ein Schiff dieser Größe war es ein waghalsiges Manöver. Bei der relativen Geschwindigkeit des Kreuzers zum Planeten und seinem Anflugwinkel hätte ein Eintauchen m die Atmosphäre in etwa denselben Effekt gehabt, als hätte man mit einem Luft/Raumjäger eine Raumstation gerammt. Die Panzerung der Station hätte unter Umständen nachgegeben, aber vom Jäger wäre mit Sicherheit nichts übrig geblieben, was man noch hätte identifizieren können.
Kommodoreleutnant Kerr starrte in den Holotank und beobachtete, wie der DragonerOverlord den Kurs änderte. Die Leuchtspur, die dem Schiff folgte, waberte minimal. Watsons Meldung einer leichten Geschwindigkeitsänderung lieferte die Bestätigung.
Aber das würde nicht reichen. Die Geschwindigkeit der Dragoner war zu hoch. Sie stürzten mit mindestens drei G Schub auf Kathil zu. Der Schwung einer solchen Beschleunigung gestattete nur minimale Manöver, und der Overlord hatte nur eine eng begrenzte Auswahl an Anflugwinkeln. Die Dragoner konnten sich vielleicht um ein paar Kilometer hierhin oder dorthin drehen, aber wenn man die Abfangmöglichkeiten ihrer Schwertwal- und Barracuda- Schiffsraketen berücksichtigte, hatte die Robert Davion eine Reichweite von Hunderten Kilometern.
»Sie schaffen es nicht«, stellte er zufrieden fest. In Gedanken berechnete er die maximale Abweichung des Overlord und die Reichweite des Kriegsschiffs neu. »Sie können uns nicht entkommen.«
»Nein«, bestätigte Deborah Watson. »Das können sie nicht.«
»Raketenabschussrohre bereithalten«, befahl Kerr »Abfangbahn berechnen und auf mein Zeichen warten. Nur noch Sekunden trennten ihn von einer Breitseite die ein Drittel der Dragoner in eine freischwebende Wasserstoffgaswolke verwandeln würde. Danach würde er Kontakt zu Weintraub aufnehmen und dem Generalhauptmann Möglichkeiten anbieten, wie er dessen Krieg mit einem taktischen Orbitalschlag unterstützen konnte. Nicht mehr lange, und die Autorität der Archon-Prinzessin über Kathil würde wieder unangefochten sein.
»Veränderung in Sekundärzielkurs«, meldete Watson und ihr Tonfall veränderte sich von zuversichtlich zu verwirrt und dann zu alarmiert. »Kom... Sir! Die Guardian ändert den Kurs!«
Natürlich änderte sie den Kurs. Ein angeschlagenes Landungsschiff, selbst ein zum Sturmschiff umgebauter Excalibur, würde sich nicht auf einen Schusswechsel mit einem hochmodernen Kriegsschiff einlassen. Warum klang Watson so besorgt? Kerr schaute hinüber zur Flugspur der Guardian und des Schleppers, sah die Spur sich biegen...
Einwärts biegen, auf die Robert Davion zu!
»Abkopplung!«, rief Watson und schaltete die beiden Schiffe auf den Hauptsichtschirm. Der Excalibur flog aus eigener Kraft weiter, auf einem von Kathils Anziehungskraft auf den Kreuzer zu gebogenen ballistischen Kurs. Der Oktopus schwenkte neunzig Grad auswärts und entfernte sich von dem in den Tod segelnden Sturmschiff.
»Verdammte Störenfriede!«, brüllte Kerr. Dem Matrosen an der Armierungskonsole befahl er: »Alle Steuerbordbatterien, diese Liaoschlampe von einer Landungsschiffskapitänin anvisieren und meine freundlichsten Grüße übermitteln. Sie sollen den Pott aufschneiden und ihre Eingeweide im All verteilen!« Der Mann gab die Order weiter.
»Warum tastet sie uns nicht ab?«, fragte Watson sich im Selbstgespräch. »Überhaupt keine Aktivortung. Es ist, als wäre das Schiff leer. Als... wäre überhaupt niemand an Bord.« Ihre Miene verzerrte sich. »Sir! Die wollen uns... Die wollen uns...« Sie brachte es nicht heraus.
Aber Kerr verstand auch so, was sie sagen wollte, und beobachtete mit wachsendem Entsetzen, wie die Flugbahn der Guardian sich langsam aber sicher genau auf das große Symbol ausrichtete, das das Vereinigte-Commonwealth-Schiff Robert Davion repräsentierte. Watson stand langsam auf, den Blick wie gebannt auf den Sichtschirm geheftet, auf dem die Guardian immer größer wurde. »O... mein... Gott...«
»Feuer!«, schrie Kerr den Armierungsmatrosen an. »Alle Geschütze, Breitseite! Feuer, verdammt, Feuer!«
Es war sein letzter Befehl - auf einem effektiv toten Schiff.

* * *

Die Schiffslaser der Robert Davion spien gleißende Energiebahnen, die sich in den Bug des Landungsschiffs der ExcaliburKlasse bohrten. Zwei hastig abgefeuerte Barracuda-Raketen streiften die Guardian. Ganze Geschützbänke von Partikelprojektorkanonen und Wellen gewöhnlicher Raketen folgten ihnen, hämmerten in einem letzten Versuch, den Kurs des schweren Landungsschiffs zu ändern, auf sie ein. Trümmer und glühende Klumpen verflüssigten Metalls strömten aus den Einschusslöchern, und was an Bord noch an Atmosphäre existierte, brannte in schnellen Flammenstößen aus, bevor es im Vakuum verpuffte.

Und durch die Trümmerwolke flog die Guardian weiter an. Wie Kommodoreleutnant Jonathan Kerr kurz zuvor noch selbst festgestellt hatte, war es äußerst schwierig, den Kurs eines stark genug beschleunigten Raumfahrzeugs zu ändern.

Die Geschützbreitseite bremste die Guardian etwas und lenkte sie vielleicht ein halbes Grad ab. Über größere Entfernungen hätte diese winzige Veränderung für eine Abweichung von Kilometern genügt. Sich selbst überlassen, wäre das Schiff irgendwann auf Kathils Lufthülle getroffen, und der Aufprall hätte es in seine Einzelteile zerlegt und sie in einem weiten Trümmerfeld verstreut.

Hätte ihm nicht die Robert Davion im Weg gehangen.
Sechzehntausend Tonnen Landungsschiff unter fast konstanter Beschleunigung von einer Standardgravitation über einige Stunden bauen eine gewaltige Menge kinetischer Energie auf. Unter idealen Umständen genug, um beide Schiffe vollständig zu vernichten. Die waren hier nicht gegeben, da die Guardian die Robert Davion mittschiffs und nicht annähernd senkrecht rammte.
Aber selbst ein Streifschlag hatte genug Energie, um ein ganzes Drittel der Guardian abzurasieren und dem achthundert Meter langen Kriegsschiff das Genick zu brechen. Die Robert Davion knickte regelrecht ein wenig ein, als das Landungsschiff einschlug. Der Maschinenraum mit den gewaltigen Fusionstriebwerken wurde um zwölf Grad aus der Achse des Kreuzers gedrückt. Dreißig Sekunden später schlug er als erster Teil des Schiffsrumpfs auf die Atmosphäre auf.
Die Guardian, deren Antrieb jetzt endgültig verstummt war, prallte von der Lufthülle ab. Der Aufprall zerquetschte das ausgeweidete Wrack fast völlig, bevor es in der kalten, dunklen Umarmung des Alls verschwand. Der Untergang der Robert Davion vollzog sich nicht annähernd so leise. Der durch die Atmosphäre schleifende Maschinenraum schüttelte das Kriegsschiff mit solcher Gewalt durch, dass sich im vorderen Drittel des Schiffs ein weiterer Riss öffnete. Gewalten, für die es nie ausgelegt worden war, zerfetzten die Gerüststruktur des Schiffes. Und als der ganze Kreuzer schließlich in Kathils Atmosphäre stürzte, taumelnd, mit rot glühender Panzerung, einen gigantischen Flammenschweif hinter sich herziehend, brach das Kriegsschiff schließlich in drei Teile auseinander.
Der Bug des Kreuzers stürzte im steilsten Winkel ab. Die Hitze des Atmosphäreneintritts heizte seine Panzerung zu weißer Glut auf. Was noch übrig war, als es auf der Planetenoberfläche ankam, schlug weit südöstlich des Kontinents Thespia in den Ozean. Der Einschlag verwandelte Abermillionen Tonnen Seewasser in Dampf und löste eine fünfzig Meter hohe Flutwelle aus, die um die Welt raste. Zum Glück hatte sie bei der Ankunft in Thespia bereits den größten Teil ihrer Energie auf unbewohnten Inselketten verausgabt, so dass nur eine drei Meter hohe Welle die Straßen zweier Küstenstädte überspülte. Der Verlust an Menschenleben war geringfügig.
Die Dörfer im Mittelwesten Murans, einem Zentrum der Holzindustrie, hatten weniger Glück. Hunderte Hektar Wald und sämtliche Gebäude eines Dorfes wurden von der Druckwelle umgelegt, als die zertrümmerte Antriebssektion vorbeidonnerte und sich ins Herz der Ironbackberge senkte. Die resultierenden Beben richteten zusätzliche Verwüstung an und weckten Mount Daffyd auf. Der Ausbruch des schlafenden Vulkans spie glühende Lava in die Wälder, und auch wenn er zu weit von den Siedlungen entfernt war, um sie unmittelbar zu bedrohen, regnete tagelang Asche auf sie herab und führte zur Aufgabe von zwei kleineren Ortschaften.
Damit blieb nur der Mittelteil der einst mächtigen Robert Davion, der Teil, in dem sich Kommodoreleutnant Kerrs Brücke befunden hatte, auf der jetzt niemand mehr Befehle geben konnte. Er taumelte länger durch die Stratosphäre als die beiden anderen Bruchstücke und verstreute ein kilometerweites Trümmerfeld hinter sich. Schließlich stürzte er ebenfalls auf Kathil hinab und schlug in den Wüsten Thespias auf, weitab von allen bewohnten Gebieten und mehr oder weniger vergessen. Ein Teil seiner Trümmer blieb als ständige Bedrohung für Satelliten und Raumboote in der Umlaufbahn Kathils zurück. Der Rest stürzte in den kommenden Monaten in einem glitzernden Regen von Sternschnuppen zu Boden, bei deren Anblick Kinder und Liebespaare sich etwas wünschten.

BattleTech 54: Flammen der Revolte
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