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Winstan-Ridge-Nationalpark, KathilKathil-PDZ, Mark Capella, Vereinigtes Commonwealth
22. November 3062
Raketenwarnungen gellten lautstark durch die Kanzel und verstummten erst, als der Raketenschauer links und rechts von Amandas Bushwacker einschlug. Der gedrungene, breitschultrige Kampfkoloss steckte den Beschuss gut weg und zitterte nur leicht, während er kostbare Schutzpanzerung gegen die Zeit eintauschte, die seine Pilotin für das Antwortfeuer brauchte.
Das Fadenkreuz auf dem Sichtschirm flackerte.
Die beschädigten Sensoren verhinderten eine sichere Zielerfassung.
Also feuerte der Sergeant-Major eine Serie von Schüssen, stieß mit
der saphirblauen Lichtlanze des schweren Lasers zu, bevor sie
Raketen und Autokanone zur Folgesalve kombinierte. Die Raketen
flogen zu kurz, schleuderten nur Erdklumpen, Steine und Brocken
versteinerten Holzes über die Beine des feindlichen Salamander. Der Laser hatte eine grellrote Strieme
über das linke Bein der achtzig Tonnen schweren Kampfmaschine
gezogen, aber die Autokanone konnte den Schaden nicht ausnutzen und
spie die Granaten aus abgereichertem Uran auf den Torso des
überschweren Mechs. Besser als sie erwartet hatte, aber schlechter
als erhofft.
Alles in allem, weit schlechter als erhofft. In der letzte Woche
hatte es für die Miliz kaum einen Tag gegeben, an dem nicht an der
einen oder anderen Front ein Kampf dräute. Die Lanzen der RKG und
MCM begegneten einander entlang der Grenze zwischen dem von der 8.
kontrollierten Territorium und dem Gebiet der Kathil-Miliz, und in
einem endlosen Tauziehen um Städte und Dörfer kam es regelmäßig zu
größeren Gefechten. Radcliffe genoss in den meisten ländlichen
Gegenden starke Unterstützung, aber die 8. hatte das Gebiet um
District City fest im Griff. Flüchtlinge, durch die Kämpfe
heimatlos oder verwaist, brachen nach jedem dieser Kämpfe mit der
Regelmäßigkeit der Gezeiten über Radcliffe herein. Das unterstrich,
wie notwendig es war, die Auseinandersetzung zügig zu beenden.
Inzwischen wechselten sich die Einheiten im Drei-Tages-Rhythmus ab,
aber freiwillige Meldungen für zusätzlichen Dienst wurden gerne
akzeptiert, um nicht zu sagen ermuntert.
Amanda hatte eine Lanze auf Langstreckenerkundung geführt, um eine Weile Distanz von der Basis zu finden und ihre Gefühle über die schweren Kämpfe zu ordnen, die ihre Heimatwelt auf den Kopf stellten. Stattdessen war sie in einen Kampf gestolpert, der rücksichtslos durch den Winstan-RidgeNationalpark tobte, eines der meistgeliebten Naturschutzgebiete Kathils. Doch alle Warnschilder, die Fußwege nicht zu verlassen, hatten die 8. RKG nicht hindern können, sich auf zwei Kompanien des 3. MCM-Mechbataillons zu stürzen.
Sie hatte keine Zeit verloren, dem 3. Bataillon mit ihrer kleinen Truppe zu Hilfe zu kommen, und das Auftauchen einer zusätzlichen, und vor allem frischen schweren Lanze hatte eine Beinahe-Flucht in ein Patt verwandelt. So weit im Landesinneren besaß keine der beiden Seiten einen echten Vorteil. Sie besaßen weder ausgebaute Stellungen, noch kannten sie das Gelände. Und weder RKG noch Miliz hatten die Lufthoheit. Ein paar Korsaren duellierten sich hoch über den Mechs mit einer LuziferLanze, und hin und wieder löste sich die eine oder andere Seite aus dem Luftgefecht, um einen schnellen Bodenangriff durchzuziehen, aber im Großen und Ganzen beschäftigten die Jäger sich miteinander. In diesem Sektor des Bodenkampfes griff die 8. F-C mit einer Kombination aus leichten Schwebepanzern und überschweren Battle-Mechs an, einer Mischung, die schwer zu handhaben war, aber richtig eingesetzt noch schwerer zu bekämpfen. Überschwere Kampfkolosse konnten in kurzer Zeit gewaltigen Schaden austeilen, doch wer den Fehler machte, die PlainsmanSchweber zu ignorieren, bekam das schnell zu spüren, wenn die hochmobilen Raketenpanzer sich hinter ihm aufbauten und ihre Geschosse auf die dünnere Rückenpanzerung des Mechs einhämmerten.
Der Salamander schleuderte eine neue Raketenwolke. Sechzig Geschosse stürzten auf Amandas Stellung herab. Der Sergeant-Major beschleunigte den Bushwacker auf Laufgeschwindigkeit, lenkte ihn auf den Raketenschwarm zu und rannte unter der Salve hindurch, so dass die meisten Sprengköpfe hinter ihr einschlugen. Allerdings brachte dieses Manöver sie auch näher an die gegnerische Linien, eine Tatsache, die einem nahen Kanonenboot nicht entging, das nach schneller Zielerfassung zwei Gausskugeln auf sie abfeuerte. Eine Kugel prallte von einem seltenen versteinerten Baumriesen ab, schlug die obersten zwei Meter weg und ließ braune und goldene Splitter zu Boden regnen. Die andere traf den Mech voll in den Torso, durchschlug die letzte noch verbliebene Panzerung und zertrümmerte das Gehäuse um den Fusionsreaktor. Die Cockpittemperatur schoss noch ein paar Grad höher, als die ohnehin schon überanspruchten Wärmetauscher von der zusätzlichen Belastung überwältigt wurden.
»Was Sie da tun, nennt man Sturmangriff auf einen überlegenen Gegner«, informierte Corporal Smith sie über die Kommleitung, in einem zu gleichen Teilen impertinenten und besorgten Tonfall. Sein Cestus bewegte sich vor, um sie zu unterstützen, während die andere Hälfte der Lanze sich weiter darauf konzentrierte, die südliche Flanke des 3. Bataillons zu decken.
Glücklicherweise, entschied Amanda. Falls die überschweren Mechs hier durchbrachen, würden sie es nicht schaffen, die Bresche wieder zu schließen. »Vergessen Sie die taktische Analyse«, keuchte sie nach Sauerstoff, »und schießen Sie auf das Kanonenboot!«
So entsetzt sie über die Zerstörung war, die dieser Kampf in der unberührten Naturschönheit des Winstan Ridge anrichtete, dachte sie nicht daran, sich dadurch von ihrer Pflicht abhalten zu lassen. Wenn es eines gab, was sie beherrschte, dann war es, eine Schlacht zu gewinnen. Hier und jetzt löste das Kanonenboot all ihre Kampfinstinkte aus. Mit ihren zwei Gaussgeschützen stellte die Achtzig-TonnenMaschine die größte Bedrohung dar, die der Gegner in seinem Arsenal hatte, ein Koloss, der mit zwei sorgfältig platzierten Nickeleisenkugeln jeden Mech aus dem Gefecht werfen konnte. Zugleich verankerte er das Zentrum der Katzbalger-Linien und stand bereit, einen Vorstoß anzuführen. Der Salamander, der sie zuvor attackiert hatte, war nur auf Distanz gefährlich, denn seine Schlagkraft hing vom Einsatz der Langstreckenraketen ab, und mit dem letzten Manöver hatte sie seine optimale Schussreichweite verlassen.
Smith hatte seine begrenzte Gaussmunition bereits verbraucht, doch er half Amanda mit zwei schweren Lasern, deren Strahlbahnen sich tief in die Seite des Kanonenboot bohrten. Geschmolzene Panzerung lief am Rumpf herab zu Boden und spritzte als glutflüssige Schlacke über einst makellose Wanderwege. Amandas eigene Lichtkanone schälte die letzte Panzerung vom Kopf des überschweren Mechs - genug, hoffte sie, um dem Piloten im Innern einzuheizen -, und die Autokanone schlug neue Krater in den rechten Arm. Ein Teil der Granaten schlug tief genug ein, um ihn zu durchbohren. Die zertrümmerten Magnetspulen des Gaussgeschützes zersprangen in blauen Lichtbögen, und ein Netz aus Entladungen tanzte kurz über Arm und Schulter.
Der überschwere Mech stolperte, als das Gyroskop den hohen Panzerungsverlust ausgleichen musste, während die unkontrollierte Entladung der Gaussspulen dem Piloten ohne Zweifel zusätzlich noch eine Neurohelm-Rückkopplung beschert hatte, die sich gewaschen hatte. Sie feuerte hastig eine neue Salve ab, ohne auf die dadurch entstehende Wärmebelastung Rücksicht zu nehmen. Wieder tauschte der Bushwacker eine Eins-Zwei-Kombination aus AK- und Laserfeuer mit dem hastigen - und einzigen - Gaussschuss des Kanonenboot. Die überschallschnelle Kanonenkugel zertrümmerte die Panzerung der rechten Torsoseite, während sie den schweren Schutzmantel auf dem Rumpf des Gegners weiter abschälte.
Richard Smith hatte seine beiden schweren Laser auf die Abwehr eines anrückenden Plainsman gerichtet. Die Schüsse bohrten sich durch die Panzerung und zertrümmerten die Hubpropeller unter der schützenden Metallschürze. In dem Wissen, auf seine direkte Unterstützung verzichten zu müssen, stählte Amanda sich für einen weiteren Schusswechsel mit dem Kanonenboot. Dann schoss ein silberner Schemen in die bereits beschädigte linke Seite der überschweren Maschine, und eine Kanonenkugel barst durch die letzten Panzerreste tief ins Innenleben des Metallriesen. Myomermuskeln rissen unter dem Aufprall, Gerüststreben aus geschäumtem Titan verzogen sich und brachen. Eine Strebe riss sich von der Gaussmunitionskammer in der linken Torsohälfte des Kanonenboot los und hinterließ ein klaffendes Loch in der Seitenwand. Die Kanonenkugeln strömten wie ein unwirklicher, silbrig glitzernder Blutstrahl aus der Bresche, und das Kanonenboot zog eine Spur verlorener Munition nach, als es sich hastig hinter die Linien in Sicherheit brachte.
Der überschweren Kampfmaschine drohte zwar keine Vernichtung, aber mit dem Verlust der beiden Hauptgeschütze hatte sie ihren Kampfwert verloren. Der Salamander und ein Rakshasa schoben sich vor, um den Abmarsch zu decken, und begannen einen stetigen, aber langsamen Rückzug, der Amanda lockte, den neu gewonnenen Vorteil auszunutzen.
Stattdessen legte sie den Rückwärtsgang des Bushwacker ein und beschränkte sich auf einzelne Geschützsalven, während die Entfernung zwischen ihnen zunahm. Sie war zu clever, um sich in die feindlichen Stellungen locken zu lassen, so sehr es sie auch wurmte, das Kanonenboot abziehen zu lassen.
Zur Hölle mit überschweren BattleMechs, fluchte sie, als der Salamander drei neue Schwärme Langstreckenraketen abfeuerte. Sie duckte sich hinter einen mit versteinerten Bäumen bedeckten Hügel und verzog schmerzlich das Gesicht, als die meisten Raketen dort einschlugen. Es schonte ihre arg reduzierte Panzerung, kostete Kathil aber weit mehr. Ein halbes Dutzend Sprengköpfe fraßen sich in ihre linke Mechschulter und rissen neue Löcher auf, die jedoch nicht tief genug waren, um ernsthaften Schaden anzurichten. Noch nicht.
Auch Corporal Smith hatte sich fürs Erste hinter den Hügel in Deckung gebracht. Er duckte den größeren Cestus in die Hocke und watschelte ein Stück rückwärts.
»Verdammt. Ich dachte, wir hätten sie«, sagte er.Amanda schüttelte den Kopf, auch wenn das außer ihr selbst natürlich niemand sah, bevor sie antwortete. »Das haben sie gespürt, aber vorbei ist das hier noch lange nicht. Und ich dachte, Sie hätten keine Gausskugeln mehr«, beschuldigte sie ihn.
»Was soll ich sagen? Ich hab doch noch eine
gefunden.«
Falls Smith seine letzten Gausskugeln hortete, benutzte er sie
zumindest da, wo sie am meisten nutzten. Und Amanda hatte keine
Zeit für lange Diskussionen. Sie standen kurz davor, die Deckung
des Hügels zu verlieren. »Ziehen Sie sich zu den Linien zurück,
Corporal. Wenn ein Plainsman zu nahe
kommt, erledigen Sie ihn mit den Lasern. Ich bleibe an dem
Salamander.«
»Wenn wir sie nicht bald erledigen oder zurücktreiben, wird vom
Winstan Ridge nicht viel übrig bleiben.« Eine Spur von Verzweiflung
klang durch Smiths sonst so unbekümmerten Ton.
Auch wenn man es kaum eine taktische Frage nennen konnte, musste
Amanda ihm zustimmen. Es war eines, als Mitglied der Kathil-Miliz
zu akzeptieren, dass man eines Tages gezwungen sein konnte, auf
Heimatboden zu kämpfen, aber ganz etwas anderes, an der Vernichtung
eines nationalen Erbes teilzunehmen. Der Feind wusste wahrlich, wie
er sie treffen konnte. Nur war der Feind diesmal nicht die
capellanischen Invasoren oder das Haus Marik, nicht einmal
Clanner.
Das war eine Einheit des Vereinigten Commonwealth, die ihre Welt
aus keinem anderen Grund als für die politischen Ambitionen einer
hunderte Lichtjahre entfernten Fürstin und das Ego eines Generals
zerstörte, der sich einbildete, über der Befehlsstruktur zu
stehen.
Sie brachen aus der Deckung und beschleunigten in Richtung der
eigenen Linien. Der Salamander
überschüttete sie auf der Stelle mit einer Breitseite aus sechzig
LSR und warf einen Hagel der Vernichtung über das Schlachtfeld,
während zwei Plainsmen für einen
schnellen Passierangriff heranrasten. Einer der Schweber rutschte
zu nahe an eine versteinerte Baumsäule, dieselbe, deren Spitze das
Kanonenboot zuvor abgeschlagen hatte.
Der Seitenhieb vollendete das Vernichtungswerk und stieß den Stamm
vollends um, so dass er in einer Million Fragmenten zu Boden
krachte. Amanda umklammerte die Steuerknüppel mit einer von purer
Wut gespeisten Kraft, als über zwei Dutzend Raketen auf sie
einschlugen und den Bushwacker heftig
durchschüttelten.
»Die treibt so schnell keiner zurück«, flüsterte sie, sorgfältig
darauf achtend, leise genug zu sprechen, um das Helmmikro nicht zu
aktivieren. »Wir kämpfen weiter, bis die eine oder andere Seite
gesiegt hat oder Verstärkung erhält.«
Plötzlich wurde Amanda klar, dass sie Major McCarthys Einschätzung
wiederholte und ihm mit derselben Leichtigkeit zustimmte, als wären
es ihre eigenen Gedanken gewesen. Ob das gut war oder nicht, wusste
sie nicht, nur, dass es zur augenblicklichen Situation passte. Es
gab keinen einfachen Weg, das hier zu beenden. Sie mussten es
durchstehen.
Wie lange konnte eine Schlacht schon dauern?
Diana ließ ihn nicht los.
David schaffte es nicht, dieses Erbe zu vergessen, nicht länger an die Schlachten zu denken, an die Männer und Frauen, die bei der Anstrengung das Leben gelassen hatten, die Claninvasion auf die einzige Art und Weise zu beenden, die dieser Gegner verstand: Mit Gewalt, mit einer verheerenden Explosion brutaler militärischer Gewalt.
Er konnte es nicht vergessen, und die Erinnerung hielt seine Träume und einen Großteil seiner wachen Stunden im Würgegriff. Er wanderte allein über den weiten Paradeplatz der Raddiffebasis, zog zum Schutz vor dem schneidenden Frühlingswind den Kopf ein und versuchte, die gespenstischen Bilder abzuschütteln.
Vergeblich.
Der schwerste Augenblick jener letzten Schlacht war gekommen,
unmittelbar nachdem er den Destruktor
wieder aufrichtete und über dem verkohlten Wrack des
Clan-Schwarzfalke und Vahns
ausgeweidetem Bushwacker stand. Der
Masakari, der gerade Vahns jungem Leben
und seiner viel versprechenden Laufbahn ein jähes Ende bereitet
hatte, hatte sich halb vom Boden erhoben und richtete seine
Aufmerksamkeit wieder auf David.
»Hol mir jemand diese Clanner vom Leib!«, brüllte Brevet-Captain Polsan plötzlich. Seine Stimme war rau, aber nicht mehr am Rande der Panik, wie kurz zuvor beim Ansturm der Nebelparder. Jetzt nach Vahns Tod hielt er allein die linke Flanke. Polsans Caesar, den Beilarm des Nachtschatten noch immer wie eine Keule in der vollmodellierten Hand, stand in einem mutigen, aber selbstmörderischen Versuch, ihren Vormarsch aufzuhalten, zwischen einem Daishi und einem Eisvogel. Kennedys Berserker hatte an der rechten Flanke seinerseits mit einem zweiten Gladiator und einem Geier alle Hände voll zu tun. Sie rief mit keiner Silbe um Hilfe, brauchte sie aber fast ebenso dringend.
Der eine oder die andere. Wessen Leben sollte
er retten?
Es war eine Entscheidung, zu der David, der mit dem Masakari schon beschäftigt genug war, nicht im
Stande war, bis zwei schlanke Gestalten auf Flammenzungen aus
superheißem Plasma zurück ins Gefecht glitten. Die beiden
Schleicher, die er zuvor ins
Niemandsland des Tals geschickt hatte, hatten den ersten Ansturm
irgendwie überlebt und warfen sich jetzt wild entschlossen wieder
in den Kampf. Sie stürzten sich wie hungrige Wölfe auf einen
verwundeten Bären auf den angeschlagenen Masakari. Laserkanonen schälten Panzerung ab,
Kurzstreckenraketen zerfetzten Metall wie Raubtierfänge schutzloses
Fleisch. Aus den hinteren Reihen jagte Lieutenant Isaaks
Enfield nach links und kam Polsan zu
Hilfe.
So viel konnte auf dem Schlachtfeld in einer einzigen Sekunde
schief gehen. Ein Feind konnte dir in den Rücken springen und die
Schwachstellen deiner Panzerung ausnutzen. Ein Glückstreffer konnte
die Kanzel eines Mechs zertrümmern und dir einen Kameraden rauben.
Der Gegner konnte Verstärkung erhalten. Luftangriffe, Artillerie
und schlichtes Pech. Das Einzige, wofür die Zeit nie reichte, war
Zögern.
Aber im Grunde hatte David keine Wahl. Kennedy war die erfahrenere
Kriegerin im schwereren BattleMech. Der NebelparderMasakari war möglicherweise die tödlichste Maschine
auf dem Schlachtfeld, aber er war durch ein verkrüppeltes Bein
taktisch behindert und wurde von zwei agilen ScoutMechs attackiert.
Er vertraute darauf, dass seine Leute ihre Sache machten und riss
den Steuerknüppel nach links, zog das Fadenkreuz an den Rand des
Schussfelds und streckte den Mecharm aus, während er hinter Isaak
zu Polsan umschwenkte.
Polsans siebzig Tonnen schwerer Caesar
hielt dem Daishi, dreißig Tonnen
schwerer und bis an die Zähne bewaffnet, bewunderungswürdig stand.
Er wechselte die im Torso montierte Gausskanone und die rechte
Arm-PPK ab, wurde im Gegenschlag von einer regelrechten Feuerwand
getroffen, hielt sich aber lange genug auf den Beinen, um mit dem
Beilarm des Nachtschatten
zuzuschlagen.
Isaak erging es nicht so gut. Er schaffte einen einzigen Schuss aus
der LB-X-Autokanone, bevor der Impulslaser des Eisvogel einen Schwarm bunt glitzernder Lichtpfeile
in - teilweise sogar durch - den Torso der mittelschweren Maschine
schleuderte. David sah mit eigenen Augen ein paar der Energiebolzen
durch die Rückenpanzerung schlagen, dann brach die Fusionsreaktion
aus der Magnetflasche, die sie gebändigt hatte. Goldenes Feuer
schlug sich in einer Energiefontäne Bahn, die durch den Hals des
BattleMechs stieg, durch Schulter- und Hüftgelenke strahlte. Sie
verströmte Plasma in die Umgebung, ein Halo vernichtender Gewalten,
das den Eisvogel beiseite schlug, bevor
der Enfield auseinander flog.
Der durch das Kanzeldach schlagende Lichtblitz nahm David für
mehrere Sekunden die Sicht. Der erfahrene MechKrieger hielt den
Destruktor nur mit dem intuitiven
Gefühl auf den Beinen, das er für die Maschine entwickelt hatte.
Blind streckte er die Hand aus und schaltete Gaussgeschütz und
Partikelwerfer auf den Hauptfeuerknopf. Dann zog er das Fadenkreuz
dorthin, wo er den Eisvogel
vermutete.
Seine Sicht klarte unter heftigem Blinzeln auf, kurz bevor er ins
Leere geschossen hätte.
Der Eisvogel hatte die Gewalt der
Reaktorexplosion nicht abfangen können und war nach hinten zu Boden
geschlagen. Doch der überschwere OmniMech erholte sich schnell.
David ließ ihm keine Chance. Seine Lunge schien bereits wund
gebrannt, aber er vergaß die Wärmeskala und legte noch die
mittelschweren Laser mit in die Salve. Er zog das Fadenkreuz hinab
auf den sich wieder aufrichtenden Eisvogel und feuerte aus nächster Nähe eine volle
Breitseite ab.
Die Temperatur stieg über das Ende der Anzeigeskala, als der
Reaktor unfassbare Energiemengen liefern musste. Beide
Teilchenschleudern fraßen sich in blau leuchtenden Sturzbächen
reiner Energie in die rechte Flanke der Clan-Maschine, schmolzen
und sprengten nahezu die gesamte Panzerung weg. Die erste
Gausskugel donnerte ins linke Mechbein. Die Zweite, eine halbe
Sekunde später, weil der Lademechanismus sie aus dem
gegenüberliegenden Magazin holen musste, brach den Torso auf, und
David hatte freien Blick auf das rotierende Schwungrad des
Kreiselstabilisators.
Aber all das war noch nicht genug, bis die drei mittelschweren
Laser ihre rubinfarbenen Dolche spien. Einer fand das freiliegende
Herz des Eisvogel und schnitt durch das
Gyroskop, noch während der ClanMech vom Boden aus mit der Hälfte
der Lichtwerfer zurückschoss. Ein schwerer Impulslaser verzehrte
die letzten Schichten Torsopanzerung des Destruktor, während ein mittelschwerer Laser
smaragdgrünes Feuer über das Kanzeldach des Mechs schleuderte. Ein
Teil der Energie schlug durch das geborstene Panzerglas, in einer
siedendheißen Lichtwelle, die David das Haar versengte, die rechte
Kopfhälfte und den Arm verbrühte. Vielleicht zwei Zentimeter
retteten sein Auge. Die anderthalbfache Energie - und er hätte es
nicht überlebt.
Jetzt starrte er auf die trostlose Leere des Asphalts in Radcliffe,
steckte die Hand unter die Jacke und griff mit bebenden Fingern
nach dem Orden. Der kühle Metallstern füllte seine Handfläche. Die
Spitzen bohrten sich in die weiche Haut, als er ihn fest genug
drückte, um Blut zu ziehen. Tapferkeit. Ein paar Joule zu wenig,
eine Fingerbreite Distanz, und einige für ihn geopferte Leben. Und
ein Erbe von Schmerz, das er nicht abschütteln konnte. Er konnte
seine Arbeit tun, tat seine Arbeit, hier auf Kathil, aber wann
endlich würde er von Diana loskommen?
Wie lange konnte eine Schlacht in der Erinnerung dauern?