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Hall of Nobles, District City, KathilKathil-PDZ, Mark Capella, Vereinigtes Commonwealth
20. Oktober 3062
Die Hall of Nobles in District City war Kathils beeindruckendstes Bauwerk und das Juwel der planetaren Hauptstadt. Weder beim Entwurf noch beim Bau war an irgendeiner Stelle gespart worden, als hätte irgendein längst vergessener Herzog ohnehin schon von den Raumdocks und Werftanlagen in der Umlaufbahn um den Planeten beeindruckte Besucher noch zusätzlich in Staunen versetzen wollen. Hohe Bögen streckten selbst die einfachsten Korridore in titanische Proportionen, hoch und weit genug selbst für einen überschweren BattleMech. Marmorsäulen stützten Simse aus dickem, poliertem Hartholz über sämtlichen Türen, und hoch an den Wänden ragten Balkone hervor.
Kommandant Evan Greene vermutete stark, dass selbst die Besenschränke des Hausmeisters eine mit Blattgold verzierte Kuppeldecke aufwiesen.
Greene gehörte zum Gefolge Generalhauptmann Weintraubs, zusammen mit den beiden anderen Mech-bataillonsführern der 8. RKG. Mit ein Meter achtzig, wovon ein Großteil Bein war, erwies sich Evan als ebenso groß wie sein Kommandeur und hatte keine Mühe, mit dessen raumgreifenden Schritten mitzuhalten. Die vier anderen Offiziere mussten schneller gehen, um nicht zurückzufallen. Evan verspürte ein amüsiertes Bedauern für den kleinen Adjutanten, Duke VanLees' Mann, der beinahe rennen musste, um ihnen den Weg zu zeigen.
Es war sein erster Besuch im Adelspalast des Planeten, wenn auch nicht das erste Gefecht zwischen Weintraub und VanLees, dem er beiwohnte. Es hatte in der vergangenen Woche schon zwei andere Treffen zwischen dem Generalhauptmann und dem Herzog gegeben, beide von spektakulärer Erfolglosigkeit. Was stand ihnen wohl diesmal bevor? Selbstmorddrohungen? Nicht allzu subtile Ermutigungen - Bestechung, um es deutlich auszudrücken -, die den Generalhauptmann dazu bringen sollten, George Haseks Anordnungen zu folgen und Kathil zu verlassen? Gebrüll?
Zumindest hatte die Kathiler Miliz sich bis jetzt aus dem Konflikt herausgehalten. Vermutlich war ihren Kommandeuren klar, dass ihre Soldaten zu unerfahren und zu wenig kampferprobt waren, um in einer militärischen Konfrontation viel wert zu sein. Soweit es die Miliz betraf, war jeder weitere Tag, um den sich die Lösung der Pattsituation verzögerte, ein zusätzlicher Tag Trainingszeit, eine Tatsache, die Generalhauptmann Weintraub hoffentlich bewusst war.
Evan strich sich das zurückweichende graumelierte Haar aus der Stirn, eine eher neue Angewohnheit. Er tröstete sich mit der Tatsache, dass sein Schnurrbart noch tiefschwarz war und half, die scharfen Gesichtszüge aufzulockern. Er zupfte sorgfältig die goldenen Kordeln an der rechten Schulter der Uniformjacke zurecht und strich das NagelringAkademietuch glatt, das er um die schlanke Taille trug, und dessen Enden auf den linken Oberschenkel herabhingen. Aber mit jedem Schritt wehte die blaue Schärpe erneut auf und machte seine Anstrengung zunichte. Er verzichtete auf einen zweiten Versuch, dann bemerkte er, wie die anderen Bataillonskommandeure noch nervöser als er an der Uniform zupften. Anscheinend hatte die Hall of Nobles diese Wirkung auf Besucher.
Aber nicht auf Evan. Die anderen MechKrieger mochte der kostspielige Prunk des Bauwerks einschüchtern, aber er war schon lange davon überzeugt, in eine Umgebung wie diese zu gehören. Es war sein Recht. Nicht, dass er für sich hätte in Anspruch nehmen können, auf der sozialen Leiter auf einer Stufe mit einem Adligen zu stehen, nicht einmal mit dem einfachsten Baron. Noch nicht. Aber dies hier war ein Monument für Snobs, für Ehrgeizlinge.
Und Ehrgeiz hatte Evan für zwei. Deshalb drängte er sich in so viele Treffen wie möglich, auf der Suche nach der seltenen Gelegenheit aufzufallen, bemerkt zu werden. Er hatte nicht vor, ewig ein MechKrieger zu bleiben. Er wartete ungeduldig auf die nächste Beförderung. Was ihm fehlte, war eine große Geste, ein heldenhafter Schlag in der Schlacht, der ihm die Anerkennung sicherte, nach der er verlangte.
Nach den Exzessen der Eingangshalle war ihr Ziel eine Überraschung. Evan schob sich als Dritter hinter Generalhauptmann Weintraub und Lieutenant General Karen Fallon durch die Tür, vor den beiden anderen Bataillonskomandeuren und sogar vor Lieutenant General Detton, der die drei Panzerregimenter der 8. befehligte.
Das Zimmer, das sie betraten, wirkte nachgerade spartanisch, zumindest gemessen am Standard der Hall of Nobles. Die Wände waren von keinerlei prunkvollen Gemälden verziert, und keine Polstersessel nahmen den Innenraum in Beschlag. Flankiert von zwei Beratern saß Duke Petyr VanLees bereits an einem halbrunden Tisch am gegenüberliegenden Ende des Raums. Die Adligen erwarteten die Offiziersgruppe wie ein zur Urteilsverkündung versammeltes Tribunal. VanLees hatte sich sichtlich Mühe gemacht, die beabsichtigte psychologische Wirkung zu erzielen: Der Generalhauptmann sollte wie ein Verbrecher erscheinen, der zur Aburteilung schritt.
Höchstwahrscheinlich war auch genau das zu
erwarten.
»Generalhauptmann Weintraub«, begrüßte der Herzog sie kalt. Er
stand weder auf, noch unternahm er irgendeinen anderen Versuch,
höflich zu erscheinen. Er hatte für diese Begegnung eine
paramilitärische Uniform gewählt, einschließlich eines violetten
Umhangs. »Möchten Sie und Ihre Offiziere sich setzen?«
»Sehr freundlich von Ihnen, Herzog VanLees.« Weintraubs Ton war
ebenso frostig. »Doch ich bezweifle, dass wir lange genug bleiben
werden, um es uns bequem zu machen.«
Petyr VanLees lächelte und zeigte strahlend weiße Zähne, die vor
der olivbraunen Haut noch heller wirkten. Er strich sich mit einer
Hand über den gerade gestutzten Kinnbart. »Dasselbe denke ich schon
seit Wochen, Generalhauptmann. Und trotzdem steht die 8. noch immer
auf Kathil, wider aller anders lautenden Befehle. Wenn Sie schon
darauf bestehen zu bleiben, dann nehmen Sie bitte Platz.«
Evan erkannte sofort, warum der Generalhauptmann sich nicht setzen
wollte. Falls die RKGOffiziere versuchten, sich in die Biegung des
halbrunden Tisches zu quetschen, waren sie gezwungen, dicht an
dicht zu sitzen, und würden einander nicht ansehen können, ohne
sich auf den geradlehnigen Stühlen zu verrenken. Stehen zu bleiben
gestand den recht bequem sitzenden Adligen jedoch einen taktischen
Vorteil zu.
Karen Fallon löste das Problem, indem sie vortrat und drei Stühle
vom Tisch zurückzog und in Richtung des Herzogs drehte. Die drei
Generäle setzten sich, und die drei Bataillonsführer, unter ihnen
Evan, stellten sich zu einem beeindruckenden Hintergrund formiert
hinter ihnen auf.
Während Petyr VanLees seine Begleiter kurz vorstellte, ohne Zweifel
in dem Versuch, ihnen nach dem Affront durch Fallon, deren
Stuhlaufstellung die beiden niedrigeren Adligen schlichtweg
ignorierte, eine gewisse Autorität wiederzugeben, analysierte Evan
mit schnellem Blick das Zimmer. Es war ein kalter Raum, mit
Marmorboden und leeren Wänden aus dunkel gebeiztem Hartholz, die
Stimmen mit hartem Echo zurückwarfen. Die einzigen Fenster waren
schmal und zu hoch in der Wand, um hinauszusehen. Summende
Leuchtstoffröhren spendeten kaltes Licht. An diesem Ort war wenig
Kompromissbereitschaft zu spüren. Es war eine strenge Umgebung für
die Besprechung nüchterner Tatsachen.
Herzog VanLees hatte nicht einmal einen Sekretär dabei. Was in
Zimmern wie diesem vor sich ging, erschien in keinen Unterlagen.
Und auch die Haltung der Adligen bot keinen Raum für Kompromisse.
Sie lehnten sich kampfbereit vor.
Evan machte sich auf Gebrüll gefasst.
»Ich spreche nicht nur für meine Person«, kam der Duke ohne
Umschweife zum Punkt, und seine Stimme nahm eine herablassende Note
an, die von langjähriger Übung bei Hofe zeugte, »sondern auch für
den Herzog von New Syrtis und Fürsten der Mark Capella, Field
Marshal George Hasek. Wir sind betrübt über die Weigerung der 8.
Regimentskampfgruppe des Vereinigten Commonwealth, die uns
zugestellten rechtmäßigen und korrekten Befehle anzuerkennen, die
Ihre Verlegung zum Planeten Lee anordnen.« Die formelle Wortwahl
erschien in dieser Umgebung fehl am Platze. Evan war sicher, dass
es Absicht war.
Weintraub verschränkte nur die muskulösen Arme vor der breiten
Brust und wiederholte dieselbe Erklärung, die er bereits vor einem
Monat abgegeben hatte. »Kathil ist eine wichtige Welt«, sagte er.
»Ich kann sie nicht guten Gewissens der Obhut einer unerprobten
Miliz überlassen.«
Die Adlige rechts von VanLees legte ein paar Papiere zu einem
flachen Stapel zusammen, auf den sie einen Compblock stellte, und
schob sie in Weintraubs Richtung. »Ich habe hier Berichte über die
Materialbeschaffenheit und Leistungseinschätzungen der Mark Capella
Miliz Kathil. Diese Berichte sind von Duke Hasek als korrekt
anerkannt...«
»Der Generalhauptmann kennt die Berichte«, stellte Karen Fallon
fest.
»... und bestätigen die Bereitschaft der Miliz für alle Situationen
unterhalb einer planetaren Invasion«, fuhr die Gräfin fort, ohne
sich um die Unterbrechung zu kümmern. »Besitzt der Generalhauptmann
militärische Informationen, die eine derartige Bedrohung gegeben
erscheinen ließen?«
Evan zwang sich zu einem kurzen, bellenden Lachen, das die Blicke
aller drei Adligen auf ihn lenkte. Sein Mund war staubtrocken, aber
er zwang sich zu sprechen. »Wie könnte Generalhauptmann Weintraub
das beantworten, wenn Ihr eigener Markfürst es nicht für notwendig
gehalten hat, Sie von einer solchen Möglichkeit in Kenntnis zu
setzen?«, fragte er mit Nachdruck.
Es war ein kalkuliertes Risiko, sich so in die Besprechung
einzumischen, aber er wusste: Eine Antwort aus den unteren Rängen
war die beste Möglichkeit, das Argument der Adligen zu entkräften.
Die beiden anderen Kommandanten wirkten von seinem Vorpreschen
peinlich berührt, doch Karen Fallon warf ihm einen kurzen Blick
über die Schulter zu, in dem sich Interesse mit beginnender
Bewunderung mischte. Anerkennung. Der erste Schritt zur Delegation
zusätzlicher Verantwortung und weiter zur Beförderung. Evan hatte
die Situation genau richtig gemeistert, hatte die Existenz von
Informationen weder eingestanden noch bestritten, sondern
stattdessen die Logik der Frage in Zweifel gestellt.
Duke VanLees übernahm die Argumentation, nachdem dieser erste
Vorstoß abgeschmettert war. »Wie dem auch sei, es bleibt eine
Tatsache, dass die MCM Kathil über ein komplettes Mechkontingent
und vier Hilfsregimenter verfügt, mehr als ausreichend zum Schutz
des Planeten. Sie werden abziehen.«
»Meine Katzbalger verfügen über acht Regimenter.« Weintraubs Stimme
war leise und drohend, als er den Spitznamen der 8. RKG benutzte.
Es war kein Zweifel möglich, dass er den Namen und die damit
verbundene Anspielung auf einen undisziplinierten Nahkampf sehr
bewusst einsetzte. »Drei Panzer und fünf Infanterie, alle mit mehr
Erfahrung als Ihre Miliz. Die sagen, wir bleiben.«
VanLees Ton fiel in einem Sekundenbruchteil von eisig zum Kältegrad
des leeren Weltraums. »War das eine Drohung,
Generalhauptmann?«
Evan hielt den Atem an. Möglicherweise war der Generalhauptmann
diesmal zu weit gegangen. Die Erklärung, Befehle nur von der
Archon-Prinzessin anzunehmen, ließ sich, wenn auch mühsam,
verteidigen. Anzudeuten, die 8. könnte gegen eine planetare
Regierung der eigenen Nation Gewalt anwenden, war ein Schritt, zu
dem weder der Herzog noch der Generalhauptmann bereit waren. Noch
nicht.
Glücklicherweise verstand Weintraub es, einem drohenden Treffer
auszuweichen. »Ganz und gar nicht, Duke VanLees«, log er, und alle
im Raum wussten es. »Nur ein Vergleich.«
Der Baron zur Linken VanLees' beugte sich mit Händen, die sich auf
dem dunklen Holz des Tisches ausbreiteten, ins Gespräch.
»Zusätzlich steht noch der 2. NAIW-Ausbildungskader auf
Kathil.«
»Kinder«, spottete der Generalhauptmann, sich seiner Stärke sicher.
»Auch wenn sie zumindest beanspruchen können, eine anständige
Akademie zu besuchen.«
»Der 2. ist der beste Ausbildungskader des Commonwealth«,
protestierte der Baron. »Eine wertvolle Verstärkung...«
Der Generalhauptmann zog stirnrunzelnd die buschigen schwarzen
Augenbrauen zusammen, als er den Mann unterbrach. Er bot das
Lehrbuchbild sturer Entschlossenheit. »Ich wurde von der
ArchonPrinzessin persönlich nach Kathil beordert«, polterte er.
»Dieser Befehl wurde bis jetzt nicht zu meiner Zufriedenheit
widerrufen.«
Der Herzog betrachtete den Generalhauptmann abschätzig. »Und können
Sie mir diese Befehlskette aufzeichnen, die vier Ihrer vorgesetzten
Offiziere und mindestens drei Adlige mit dem souveränen Recht
überspringt, Sie in Friedenszeiten von ihren Welten zu verweisen?
Das würde ich liebend gerne sehen, Mitchell, und mir diese direkte
Autorisation von Katherine Steiner-Davion zu Ihnen persönlich von
der Militärverwaltung bestätigen lassen.«
»Ich bin hier, um die Interessen der Prinzessin auf Kathil zu
verteidigen«, gab Weintraub zurück. »Ich wurde nicht von George
Hasek hierher beordert, und ich werde ihm - oder Ihnen,
Petyr - nicht gestatten, mich gegen den
Wunsch der Prinzessin von hier zu verlegen. Oder erkennt George
Hasek Katrina Steiner-Davion nicht länger als seine
Archon-Prinzessin an?«
»Sie eingebildeter, schwachsinniger Amarissohn!«, brüllte VanLees,
und lehnte sich zitternd vor Wut über den Tisch. »Kein wahrer
Adliger der Vereinigten Sonnen könnte jemals...« Die Hand der
Countess auf seinem Arm hinderte ihn daran, weiterzusprechen, und
der Duke starrte sein Gegenüber stumm an.
Kein wahrer Adliger der Vereinigten Sonnen
könnte jemals so tief sinken, Katrina seine Prinzessin zu
nennen? Ohne Zweifel hatte VanLees genau das sagen wollen.
Immerhin hatte Katrina Victor SteinerDavions Regentin, beider
Schwester Yvonne, abgesetzt und den Thron übernommen. Und sie
bevorzugte ohne Zweifel die Lyranische Allianz über Systeme der
Vereinigten Sonnen wie Kathil. Evan kümmerte es nicht, welches
Mitglied der Familie auf New Avalon auf dem Thron saß. Aber für
einen eingefleischten Davionisten, jemanden, der die Vereinigung
zwischen Vereinigten Sonnen und Lyranischem Commonwealth innerlich
nie vollzogen hatte, erschien sie ohne Zweifel als widerwärtige
Usurpatorin.
Evan lächelte dünn. Beinahe, VanLees.
Beinahe.
Der Herzog bebte vor unterdrückter Wut. Sein Gesicht lief noch
dunkler an und seine Augen waren scharf wie Laser. Aber als er
weitersprach, hatte seine Stimme die kultivierte Gelassenheit
zurückerlangt. »Ich werde dieses Gespräch nicht vergessen,
Generalhauptmann. Und ich bin nicht gewillt, weiterhin unbotmäßige
Truppen in meiner Hauptstadt zu dulden.«
Weintraub breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf, als hätten
die Worte des Herzogs ihn verwirrt. Aber seine Antwort zeigte, dass
er genau verstanden hatte. »Ich will nicht unhöflich sein, Duke
VanLees, aber was bleibt Ihnen übrig?«
Falls es eine eindeutigere Kriegserklärung zwischen diesen beiden
Männern hätte geben können, fiel sie Evan nicht ein. Der Duke hatte
einen Fehler begangen, indem er sich auf Weintraubs Stufe
herabgelassen hatte. Der Generalhauptmann hatte die geballte Kraft
der 8. RKG im Rücken, und zudem eine lebenslange Erfahrung mit
Aufspielerei, Drohungen und Kraftproben.
Aber welchen psychologischen Sieg er auch immer für sich hatte
verbuchen können, im Grunde hatte das Treffen nichts erbracht.
Beide Seiten hatten in den vergangenen Wochen schon zahllose Male
dieselben Argumente vorgebracht. Trotz allem Protz der Hall of
Nobles und der hochmütigen Sitzarrangements des planetaren Herzogs
hatte auch diese Konfrontation nicht mehr ergeben als irgendeine
vorhergehende. Sie standen einander in einer Pattsituation
gegenüber.
Petyr VanLees stand auf und zog einen dünnen Umschlag aus einem
nahen Aktenstapel. Er klopfte sich damit auf die offene Handfläche,
als würde er die Bedeutung des Dokuments abwägen. Der Ausdruck auf
seinem Gesicht behagte Evan ganz und gar nicht. Der Herzog hatte
offenbar noch ein As im Ärmel.
»Soweit ich mich erinnere, Generalhauptmann, war ihr Hauptargument
immer der Mangel an erfahrenen Truppen auf Kathil.« Der Tonfall des
Dukes klang verdächtig sanft. Evan runzelte misstrauisch die Stirn,
und wahrscheinlich ging es Weintraub ebenso. »Aber vermutlich sind
Sie nicht über die Beziehungen meiner Familie zu den 1.
CapellaDragonern informiert.«
Das stimmte ganz sicher nicht. Es war allgemein bekannt, dass die
1. Capella-Dragoner ursprünglich Lehnstruppen des Duke of Kathil
gewesen waren. Herzog Michael Hasek-Davion jedoch hatte sie schon
vor Jahrzehnten an die Armee der Vereinigten Sonnen verkauft.
Herzog Michaels Rivalität mit den Davions hatte ihm chronischen
Geldmangel beschert und so gezwungen, die Einheit aufzugeben. Die
Dragoner waren als harte Brocken mit unverbrüchlicher Loyalität zur
Mark Capella bekannt.
»Ihr Vater hat sie verkauft, als George Haseks verräterischer
Großvater versuchte, Hanse Davion den Thron zu stehlen«, stellte
der Generalhauptmann fest.
Diesmal prallte die Beleidigung ab wie Pistolenfeuer von einer
Mechpanzerung von Petyr VanLees. »Hier«, er hob den Umschlag, »ist
ein schriftlicher Befehl von Field Marshal Hasek, Ihre Truppen nach
Lee in Marsch zu setzen. Es ist die letzte höfliche Aufforderung,
die Sie zu erwarten haben.« Er warf den Umschlag vor Weintraub auf
den Tisch. Der Generalhauptmann hob ihn auf, als er langsam
aufstand.
»Neben diesem Befehl«, fuhr VanLess fort, »werden Sie darin auch
eine offizielle Benachrichtigung darüber vorfinden, dass die 1.
Capella-Dragoner zur Verstärkung der Garnisonskräfte nach Kathil
unterwegs sind. Ich habe das Regiment unserer Familie vom Field
Marshal zurückgefordert, Generalhauptmann.« Der Mund des Herzogs
war ein schmaler, harter Strich auf der aggressiven Seite eines
Lächelns.
»In wenigen Wochen werden die CapellaDragoner heimkehren. Und dann
werden wir ja sehen, ob Sie diese Welt verlassen oder nicht.«