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Kearny-Fuchida Yare Industries, Yare, Kathil Kathil-PDZ, Mark Capella, Vereinigtes Commonwealth

 

7. Dezember 3062

Zum fünften Mal an diesem Nachmittag bremste David McCarthy den Vormarsch. Er hatte ständig ein Auge auf der Zeitanzeige und zählte die Minuten, als der Milizangriff sich immer länger hinzog und dem Ankunftstermin der Capella-Dragoner immer näher kam. Er legte den Rückwärtsgang des Destruktor ein und versuchte, Kommandant Greenes Abwehrlinie mitzuziehen. Langstreckenlaserfeuer schlug rings um ihn ein, verkohlte das fahl gelbgrüne Gras und ließ ein paar Bäume explodieren, als das Wasser im Innern des Stammes verdampfte. Die bernsteingelbe Energielanze eines Extremreichweiten-Lasers zog eine grellrote Schmelzspur über seinen Mechtorso und schnitt durch die in großen, lodernden Klumpen zu Boden fallende Panzerung.

Es half nichts. Evan Greene verstand es sichtlich, eine Verteidigungsstellung auszunutzen. Er hatte die hinteren Reihen an der Ortschaft verankert und ließ die Linie nicht aus den Stellungen, um vorzustürmen. Eine RKG-Lanze schob sich an den anderen links von David vorbei, griff aber nicht direkt an. Sie wurde von einem Falkner angeführt, und David erinnerte sich an die Lanze vom Ufer des Howell und den Kampf an der Kay-Burne-Mu-nitionsfabrik. An Amandas zögerndem Vorrücken und schnellen Rückzügen sah er, dass sie die Lanze ebenfalls erkannt hatte.

»Wir haben den Vormarsch an der westlichen Flanke wie befohlen gebremst«, meldete Dylan Patschenko über das Kommsystem. Er klang bedrängt, aber keineswegs in Panik. »Sir, wir werden hier von ihren Hubschraubern durch die Mangel gedreht.«

Das war typisch für den Verlauf der Schlacht. David schickte seine Luft/Raumjäger gegen die Katzbalger, und Greene antwortete mit zwei Kampfhubschrauber-Lanzen, die in sehr riskanten, aber leider auch effektiven Manövern seine schwächeren Einheiten attackierten. Sieben Miliz-Mechs waren bereits ausgefallen, und fast das Doppelte an Panzern, die gegen eine derartige Feuerkraft wenig Chancen hatten. Die feindlichen Verluste lagen nicht annähernd so hoch. Vielleicht eine Mechlanze.

Und Davids Vorstoß kam schon wieder zum Stehen und verschwendete kostbare Zeit, während die Dragoner auf Kathil zustürzten und Fallons Leute in K-F Yare sich bereitmachten, zu atomisieren, was der Robert Davion entkam. Captain Gerst hatte eine von Taras Lanzen benötigt, um die RKG im Westen zurückzudrängen, aber das hatte das Zentrum der Milizformation geschwächt. Davids dritte Kompanie unter Kadettencaptain Thomas, ehemals 2. NAIWAusbildungskader, hatte an der östlichen Flanke Schwierigkeiten bei dem Versuch, nach Yare durchzubrechen. Die gemischt mittelschwere und schwere Einheit war auf eine schwere Verteidigungsline getroffen, die durch Pegasus-Schwebepanzer verstärkt wurde, und kam nicht weiter.

»Stellung halten, alle Mann«, befahl David. Das Gaussgeschütz im linken Mecharm feuerte zuerst, dann das im rechten, und beschleunigte die massive Nickeleisenmunition auf Überschallgeschwindigkeit. Eine der Kugeln traf Evan Greenes Cerberus und schlug eine deutliche Furche in den linken Arm. Die Maschine schüttelte den Treffer ab und drehte sich schräg nach links. Beinahe schien es, als blockiere der überschwere Kampfkoloss absichtlich einem HauptmannOmniMech den Weg. Das musste Lieutenant General Fallons Maschine sein, so wie Greene sie beschützte. Die beiden überschweren Giganten waren der harte Kern einer dichten Kampflinie, die zu durchbrechen David einiges kosten würde.

Es war ihm von Anfang an klar gewesen, dass es ein Glücksspiel war, sein Bataillon in Marschkolonnen das weite, leicht abfallende Tal hinab nach Yare zu führen und dann in eine Quaderformation auseinander zu ziehen. Kommandant Greenes Flankeneinheiten bedrängten sie von Osten und Westen - gemeinsam mit der Verteidigungslinie der Katzbalger schlossen sie die Miliz von drei Seiten ein und drohten, den Kessel zu schließen. Nur die Infanterie war gegen diese Gefahr gefeit, denn Gennadis Leute hielten sich ein gutes Stück zurück, wo sie auf die Gelegenheit warteten, zum Yare-Industries-Werk vorzustoßen. David hatte die Kröten-Infanterie des 2. Kader in einer weiten Flankenbewegung in den Rücken der 8. RKG geschickt. Jetzt kamen die heimlich vorgerückten Truppen endlich in eine Position, die es David möglicherweise gestattete, sie einzusetzen. Das war eine der zwei Überraschungen, die er für den Gegner vorbereitet hatte.

Aus der Mitte der Milizformation beschossen die Panzer, die er mitgebracht hatte, die RKG weiter aus der Deckung ihrer größeren Mechvettern. Goblin- Schützenpanzer und schwere Drillson- Schwebepanzer lieferten David eine kompakte zweite Gefechtslinie, bereit, jeden Durchbruch an den Flanken zu stoppen. Außerdem versteckten sie seine zweite Überraschung, für deren Einsatz er erst noch die richtigen Bedingungen schaffen musste.

»Dylan, rücken Sie entschlossen vor«, befahl er. »Entlasten Sie Captain Gerst etwas, indem Sie das Geschützfeuer auf sich ziehen.« Das war ein herber Auftrag für eine Scoutlanze, aber David gingen die Optionen aus. Er erinnerte sich an das letzte Mal, bei dem er eine Scoutlanze mitten in ein Feuergefecht geschickt hatte. Lieutenant Dennings Skarabäus hatte auf Diana ganze zehn Sekunden überlebt. Denning nicht viel länger. Er erinnerte sich, aber er schob den Gedanken rigoros beiseite. »Preschen Sie kurz vor und fallen Sie dann zurück.

»Und wenn ich sage, fallen Sie zurück, dann meine ich: Drehen Sie um und machen Sie, dass Sie den Teufel da seg kommen.«

»Das wird eine Lücke in Gersts Linie reißen«, prorestierte Patschenko.
David musste sich den Kontrollen widmen, als ein Hagel von Granateneinschlägen frische Dellen in die Panzerung der linken Schulter und des rechten Knies schlug. Hätte er nicht die Arme ausgestreckt, um den 100-t-Koloss auszubalancieren, wäre der Destruktor zu Boden gegangen. »Das will ich hoffen«, antwortete er.
Dann tauschte er eine Salve Langstreckenfeuer mit dem Cerberus und dem Hauptmann, ein Manöver, das Patschenko dreißig Sekunden Zeit verschaffte, sich an der Westflanke unbeliebt zu machen. Tara schob sich in dem Versuch, das Feuer von ihrem Kommandeur abzuziehen, vorsichtig nach vorne, und wurde stattdessen von zwei Paladinen attackiert. Der Falkner wuchtete sich noch ein paar Schritte vorwärts. Die Ungeduld, mit der sein Pilot auf die Gelegenheit wartete, den Feind anzugreifen, war unübersehbar.
»Amanda, übernehmen Sie etwas von dem Beschuss. Weiter nach links.« Das brachte sie genau dorthin, wo sie mit Sicherheit nicht sein wollte, genau gegenüber dem Falkner. Aber falls dessen Pilot - Barajas, Greene hatte den Namen erwähnt - die ganze Lanze auf Tara hetzte, hatte ihr Vollstrecker keine Chance.
»Alle anderen, in Zweiergruppen vorrücken. Gebt euch gegenseitig Deckungsfeuer und lasst sie jeden Meter bezahlen, den ihr sie zurückwerft.« Das würde schmerzen, aber wenn Dylans Manöver an der linken Flanke gelingen sollte, musste es so aussehen, als wäre die Hauptstoßrichtung der Miliz vorwärts in die Mitte der RKG-Linien.
Der Hauptmann schien zu ahnen, was los war und rückte vor, um Davids Destruktor zu stellen. Die Entfernung war für die überschwere Autokanone noch ziemlich weit, aber die schwere Panzerung des OmniMechs konnte einen unglaublichen Schaden absorbieren, während er Davids Kampfkoloss mit den Extremreichweiten-Lasern bombardierte. Ein gelber Energiestrahl wusch Panzerung von der linken Mechschulter. Der nächste Schuss wiederholte das Manöver auf dem linken Bein Der Destruktor, der in breitbeiniger Kampfhaltung sicher wie ein Fels auf dem Feld stand, steckte den Angriff weg und revanchierte sich mit Zinsen. Beide Gausskugeln schlugen in die Brustpartie des Katzbalger-Omnis. Der Schuss der Energiekanone zuckte vorbei und erwischte stattdessen einen unglücklichen Caesar, der sich gerade an der Formation entlang bewegte.
Das dauerte alles viel zu lange. Erst der späte Aufbruch heute Morgen, dann die langsame, vorsichtige Art und Weise, in der beide Seiten die Schlacht aufbauten. Dabei war jede Minute kostbar. Wie nahe waren die Capella-Dragoner schon an Kathil? Eine Stunde noch? Weniger? Das Vernünftigste wäre gewesen, die Luft/Raumjäger auf die Schüsselantenne des Mikrowellensenders zu hetzen. Wenn er schon nichts gegen die Robert Davior. unternehmen konnte, konnte er zumindest diese sekundäre Gefahr ausschalten. Nur hatte David den ausdrücklichen Befehl, die Station bis zum letztmöglicher Zeitpunkt intakt zu lassen. Major General Gennadis Leute warteten noch immer auf ihre Chance. Aber falls sie warteten, bis die Antenne sich in Bewegung setzte, um die anfliegenden Landungsschiffe anzuvisieren, würde es zu spät sein, um die Katastrophe noch zu verhindern.
David zog das Fadenkreuz auf die breite Silhouette des Cerberus und schaltete auf die Partikelprojektorkanonen und verwendete nur ein Gaussgeschütz, um Munition zu sparen. Der blau gleißende Energieblitz einer PPK peitschte über die Beine des gegnerischer. Mechs, während die Gausssalve in einem Regen aus rasiermesserscharfen Splittern Panzerung vom oberen Torso hämmerte.
Zugleich trieb sie den Cerberus etwa zwei Schritte zurück, eine Bewegung, der zwei Lanzen folgten, die halfen, das Zentrum der RKG-Linien zu befestigen. Nur der Hauptmann und der Falkner blieben in vorgezogener Stellung. Ihre Piloten waren zu sehr darauf konzentriert, David respektive Amanda anzugreifen. Die Paladine, die sich auf Tara gestürzt hatten, waren zunächst ebenfalls zurückgewichen, aber jetzt legte einer der beiden wieder den Vorwärtsgang ein, um seinem Lanzenführer beizustehen, und feuerte ebenfalls auf Amandas Position.
»Major, Amanda sieht nicht allzu gut aus«, warnte Tara David über die Privatverbindung.
Amandas Bushwacker hatte den Vormarsch gestoppt, hielt dem brutalen Beschuss aber stand, und David hatte keine Zeit, sich Sorgen um sie zu machen. Sie würde es überleben. Sie würde es schaffen, weil sie es schaffen musste. Er hatte nicht die Zeit, sie behutsam zurück in den Kampf zu führen. Stattdessen bereitete er sich darauf vor, einen verzweifelten Angriff zu befehlen, verschluckte die Order aber, als seine Westflanke zusammenbrach, wie er es vorhergesehen hatte.
»Major«, drang Lieutenant Patschenkos Stimme krachend aus dem Lautsprecher. »Wir sind auf dem Rückzug. Ich habe Sergeant Campbell verloren. Sauberer Ausstieg.« Der Verlust eines Mechs schwächte Davids Einheit, doch zumindest hatte der Pilot überlebt. Ein kleiner Trost, aber auch dafür war er dankbar.
Auf der Sichtprojektion sah David die Symbole in Bewegung geraten, als die westliche Milizflanke zum Stehen kam, wankte und zurückgetrieben wurde. Ein schneller Blick auf die rechte Seite des Sichtschirms bestätigte, dass das feindliche Laserfeuer mit zunehmender Gewalt in seine Formation schlug.
»Sie brechen durch!«, schrie Captain Gerst und unternahm keinen Versuch, seine Besorgnis zu verbergen »Wenn Sie es in unseren Rücken schaffen und sich formieren...«
»Grenadiere, die Lücke stopfen«, befahl David der Panzern, ohne auf Gersts vollständigen Bericht zu warten. »Richard, halten Sie sie uns aus dem Rücken.« Corporal Smiths Cestus drehte nach Westen um, bereit, alle RKG-MechKrieger zu stoppen, die es an den Panzern vorbeischafften. »Grenadiere, macht den Deckel auf!«
Es war ein aus Verzweiflung geborenes Glücksspiel und sie alle wussten es. MechKrieger verließen sich in einer Feldschlacht vor allem auf die Sensoren und beachteten Kamerasicht und den Blick aus dem Kanzeldach kaum. Aber Sensoren benötigten mehr als nur ein Signal der Magnetischen Anomaliedetektoren, um einen bestimmten Fahrzeugtyp zu identifizieren. Die Computer verließen sich auf eine Analyse der vom Feind abgestrahlten aktiven Ortungssignale und der Panzerungssilhouette. Und diese Analyse ließ sich täuschen...
Die Drillsons glitten auf ihren Luftkissen zuerst in die Bresche, um den Ansturm der RKG im Westen aufzuhalten. Die Katzbalger waren auf sie vorbereitet. Je eine Lanze Cavalry- und Stechinsekt- Kampfhubschrauber jagten heran und überschütteten die Schwebepanzer mit Geschützfeuer. Einer der Panzer flog auseinander als ein Treffer das Munitionslager aufriss. Die Explosion füllte den Innenraum des Drillson mit Flammen und schleuderte die fünfzig Tonnen schwere Kampfmaschine durch die Luft davon. Unter dem Ansturm der 8. RKG brach die Formation der Schwebepanzer auf und gestattete zwei Lanzen Katzbalger-Mechs den Durchbruch an die GoblinLinie.
Die Linie bestand jedoch keineswegs nur aus Goblins Zwischen den Schützenpanzern des NAIWKaders hatte sich, unbemerkt von der gegnerischen Ortung, eine Lanze Challenger-XKampfpanzer mit abgeschalteter Zielerfassung versteckt, in der Hoffnung, die RKG-Truppen zu überrumpeln. Mit neunzig Tonnen Gewicht hatten die Kampfpanzer eine Schlagkraft, die der einiger überschwerer BattleMechs gleichkam, wenn auch nicht deren Beweglichkeit oder Panzerung. Jeder einzelne Challenger X war mit einem Gaussgeschütz, einer schweren LB-XAutokanone und einer mit einem Artemis-Feuerleitsystem gekoppelten LSR-Lafette für Distanzgerechte bestückt, zusätzlich zu BlitzKurzstreckenraketen und mittelschweren Impulslasern für nähere Ziele.
Jetzt griffen sie endlich ebenfalls in den Kampf ein und entluden ihren aufgestauten Zorn in vernichtenden Breitseiten gegen die anrückenden Katzbalger. Je zwei Kampfpanzer konzentrierten ihr Feuer auf einen Mech, und die Kadetten bombardierten einen Fang und einen Chamäleon mit entsetzlicher Effektivität. Beide Mechs gingen augenblicklich besiegt zu Boden, inmitten eines an Funkenschauer erinnernden Hagels abgesprengter Panzersplitter.
Die Stechinsekt-Hubschrauber hatten schon abgedreht, um die sich zurückziehenden Drillsons zu verfolgen. Die Cavalrys versuchten zwar, sich neu zu formieren und die Kampfpanzer abzulenken, aber die riesigen Panzer beachteten die Raketensalven der Kampfhubschrauber überhaupt nicht und feuerten stattdessen eine weitere Breitseite auf die RKGBattleMechs ab. Eine GoblinLanze schaffte es, ihre Laser auch noch in den Feuersturm abzuschießen, bis die Sprengbolzen der Rettungsautomatik beide Kanzeldächer davonschleuderten und die KatzbalgerPiloten sich mit Schleudersitz und Gleitschirm in Sicherheit brachten.
Nachdem ihr Durchbruch dermaßen wirkungsvoll zum Stehen gebracht worden war und durch das unvermittelte Auftauchen der Kampfpanzer ohne Zweifel erheblich aus dem seelischen Gleichgewicht geriet, drehten die Überlebenden RKG-Angreifer wieder zu Captain Gersts Linie um, in der Hoffnung, sich den Weg zurück freikämpfen zu können. Mit Panzern im Rücken und Kampfhubschraubern in der Luft, die in alle Richtungen Feuer spuckten, verwandelte sich die ganze Westflanke in ein einziges Chaos. Gerst und seine Leute kämpften wie tollwütig. Ein Mech fiel, dann ein Zweiter. Auf Davids Sichtprojektion erloschen die Symbole von RKG- und Miliz-Maschinen.
Richard Smith, nicht gerade der Typ, der sich eine Balgerei entgehen ließ, löste die Sprungdüsen des Cestus aus und segelte über einen ausgefallenen Miliz-Mech hinweg, um die eingekreisten RKGEinheiten hart von hinten anzufallen. David war vom Erfolg des Manövers sehr angetan und wollte bereits die Hauptoffensive nach Osten schwenken, musste aber warten und sich erneut mit dem Hauptmann duellieren, als Karen Fallon wieder vorrückte.
Die Verzögerung seiner Befehle rettete mehrere Leben. Gras und Erdbrocken flogen in einer Schmutzfontäne um die Beine von Amandas Bushwacker in die Höhe, als sie entsprechend Davids noch nicht zurückgenommenem Befehl weiter vorrückte. Dann erschütterte eine zweite Detonation das Schlachtfeld, als Tara Michaels' Vollstrecker in einer ähnlichen Erdfontäne ins Stolpern geriet.
Minen.
In einer weiteren Anleihe an Morgan HasekDavions historische Verteidigung K-F Yares hatte die RKG das Tal mit Vibrabomben vermint, oder möglicherweise auch mit per Langstreckenraketen platzierter Donnermunition. Sicher waren es keine schweren Minen, denn die hätten Greene daran gehindert, einen möglichen Rückzug der Miliz auszunutzen. Aber die RKG-Krieger würden die sicheren Pfade durch die Minenfelder kennen, während Davids Leute nur raten konnten. Tatsächlich ließ sich nicht sagen, wie tief sie bereits jetzt in den Minenfeldern standen.
»Sie wankt!«, rief Tara, aber ihre Sorge galt nicht dem eigenen Mech. Amanda stolperte rückwärts, hielt den Bushwacker nur durch schiere Willensanstrengung aufrecht. Dessen linkes Bein war fast bis auf das Titanskelett entblößt, und mindestens der halbe Fuß war weggesprengt. Sie richtete den Kampfkoloss auf und zog sich schnell von der feindlichen Linie zurück. »David, sie hält es nicht durch!«
»Stellung halten, Stellung halten!«, brüllte er und brachte den Destruktor zum Stehen, obwohl er Greene und Fallon dadurch eine unbewegte Zielscheibe für deren Angriffe bot. Er konnte sich jetzt nicht um Amanda kümmern. Er musste an die ganze Einheit denken. »Angel-Lanze! Wo bleiben die Korsaren? Wir brauchen einen Luftangriff auf die RKG-Linien, und wir brauchen ihn jetzt!«
Doch als der Luftangriff kam, traf er nicht die 8. RKG, sondern Davids vorderste Mechlinien. Zwei neunzig Tonnen schwere Chippewa-Luft/Raumjäger stießen aus dem Himmel und eröffneten mit licht- und Raketenwerfern das Feuer. Ein paar Infernos explodierten auf offenem Gelände und entzündeten Flammenmeere, die riesige Rußsäulen in den klaren Himmel schleuderten. Davids Destruktor wankte unter dem Einschlag von vierzig Sprengköpfen, die den Mech mit Kratern übersäten.
»David, sie rennt weg!«, rief Tara.
Amandas Bushwacker hatte sich nach Westen gedreht, trotz des dort tobenden Chaos die sicherste Fluchtroute, solange Greene und Fallon weiter vorrückten und sich vor der Miliz ein Minenfeld ausbreitete. Der mittelschwere Kampfkoloss bewegte sich zunächst zögernd, dann stürmte er in vollem Galopp davon.
David hatte gerade zu einem neuen Befehl angesetzt, als der zweite ChippewaSchwarm auftauchte und das Schlachtfeld bombardierte.

* * *

 

Niemand feuert auf den Bushwacker. War das so schwer zu verstehen?

Xander Barajas hatte seiner Lanze sehr deutlich gesagt, dass der Bushwacker ihm gehörte. Er hatte es nicht geschafft, die Munitionsfabrik in Stihl rechtzeitig zu erreichen, und das unglückliche Eintreffen des Landungschiffs hatte ihm den Abschuss ruiniert. Aber jetzt würde er ihn sich holen. Die beiden Paladine hatten sich auf den Vollstrecker konzentrieren sollen. Sergeant Hadens Luchs stand frei, jedes Ziel mit Ausnahme des Bushwacker anzugreifen.

Er hätte seinen Abschuss längst gehabt, wenn der MechKrieger in der Miliz nicht so zögernd vorgerückt wäre und Greene ihm nicht alle zwei Minuten befohlen hätte, die Position zu halten. Der MechKrieger stieß ein frustriertes Knurren aus. In Gedanken verfluchte er seinen Kommandeur und den gegnerischen Piloten und K-F Yare dafür, dass das Werk Vorrang vor seiner Rache hatte. Selbst als die Geschütze eines Miliz- Vollstrecker einen seiner Paladine erledigten, verweigerte Green Xander die Erlaubnis zur Vergeltung und befahl ihr auf Position zu bleiben.

Dann brach die linke Flanke der RKG einwärts aus und geradewegs in McCarthys geschickt aufgebaute Falle. Xander konnte ein Grinsen über den Fehlschlag seines Kommandeurs nicht unterdrücken und nutzte die Gelegenheit, sich von der Leine der Befehlskette zu befreien. Er stampfte vor, begleitet von Sergeant Cases Paladin, um diesem Feigling von MechKrieger ein für allemal das Lebenslicht auszupusten, als der Bushwacker den Rand des Minenfelds erreichte. Die Explosion lies ihn stolpern und wanken. Fast wäre er gestürzt. Eine leichte Beute.

Bis der Pilot davonlief.
Schon wieder.
Xander heulte auf vor Wut und brachte den Falkner auf Pallelkurs nach Westen. Er würde ihm den Weg abschneiden und ihn zerfetzen. Er stieß den Schubhebel bis an den Anschlag vor und schwenkte auf den Schrägheihtskurs, der ihn sicher durch das Donnerminenfeld bringen würde.

Und dann musste er ausweichen, weil Sergeant Case ihm den Weg abschnitt. Der Paladin hatte Kurs auf den gleichen Weg und spie Langstreckenraketen
- als gäbe es keine Nachschubkrise -, um den mit mittelschweren Lasern bewaffneten Bushwacker aus sicherer Distanz abzuschießen.

Eine derartige Beleidigung ließ Xander sich nicht biegen. Nicht diesmal. Sein Befehl war unmissverständlich gewesen, und Case hatte ihn verweigert. Er riss den Steuerknüppel herum, zog das Fadenkreuz auf den Rücken des Paladin und drückte ab. Es war ein Spiel gewesen, mit dem er langweilige Patrouillen aufgelockert hatte - und eine Drohung, um seine Leute unter Kontrolle zu halten, wenn sie ihm zu aufmüpfig wurden. Eine morbide Vergnügung. Jetzt änderte sich das Spiel zu etwas weit Ernsterem: Verrat. Partikelkanone und Gaussgeschütz schlugen krachend in den Rücken des Paladin, schmolzen und rammten sich rurch die dünne Schutzpanzerung. Einer der mittel-schweren Laser bohrte sich durch das klaffende Loch und beschädigte den Kreiselstabilisator des Mechs. Die Maschine tat noch einen wankenden Schritt. Das linke Bein schwenkte viel zu weit aus. Cases rechtes Mechbein verdrehte sich unter dem Gewicht von sechzig Tonnen außer Balance geratenem Metall, Myomer und Munition. Der Paladin kippte nach vorne und krachte zu Boden.

Und Xander stürmte vorbei, erreichte die Höchstgeschwindigkeit von fünfundachtzig Stundenkilometern. Eine Hitzewelle schlug aus dem Fusionsreaktor durch die Pilotenkanzel. Xander sonnte sich in der Wärme und jagte seiner Rache hinterher. Seinen Lanzenkameraden und seine Einheit ließ er hinter sich zurück.

* * *

Als es Fallons Hauptmann endlich gelang, sich vor ihn zu drängen und er den Cerberus abbremste, stand Evan die Wut ins Gesicht geschrieben. Nicht nur, dass sie ihm den Befehl über seine Schlacht abgenommen hatte, sie gönnte ihm nicht einmal das Duell mit David McCarthy; In Yare würde niemand irgendeinen Ruhm ernten - außer Karen Fallon.

Nur waren Fallon durch ihre völlige Konzentration auf McCarthy die Zügel der Schlacht entglitten. Die Flankeneinheit, die Evan nach Nordwesten geschickt hatte, meldete einen Durchbruch, gefolgt von der Überraschung durch McCarthys meisterhaft versteckte Challenger X und schließlich den erzwungenen Rückzug. Aber Fallon war so besessen von dem Duell mit dem Destruktor, dass sie das an der westlichen Flanke ausgebrochene Chaos gar nicht beachtete.

Dann feuerte First Lieutenant Barajas auf einen seiner eigenen Männer und ließ seine Lanze im Stich. Das sorgte augenblicklich für Chaos an der Ostflanke. Fallon kümmerte sich nicht darum. Sie saß unangreifbar in ihrem Hauptmann und prügelte sich mit McCarthy, Angewidert zog Evan sich zurück und überließ sie sich selbst. Mit etwas Glück würde die Miliz ihn von diesem Mühlstein um seinen Hals erlösen, so dass er wieder vorrücken konnte.

Aber da er nicht bereit war, sich auf diesen Glücksfall zu verlassen, rief Evan die Chippewa- Luft/Raumjäger herunter, die er für einen Notfall wie diesen knapp außer Ortungsreichweite in Reserve gehalten hatte. Der doppelte Luftangriff erschütterte die vorderste Milizlinie. Der Gegner geriet ins Stocken und versuchte sich neu zu formieren, aber leider war er nicht so verwirrt, wie Evan gehofft hatte. Und nach dem Stimmengewirr auf den Kommkanälen zu schließen, waren seine Soldaten beinahe so verunsichert wie der Feind.

»Sie ziehen sich zurück. Nein, nur nach rechts.« »Das gilt First Lieutenant Barajas.«
»Nein, die ganze Linie...«
»Barajas hat Case in den Rücken geschossen. Ist

er übergelaufen?«

Die ganze Formation der Miliz drehte sich jetzt nach Westen. Der Major schwenkte die komplette Formation um neunzig Grad, so dass jetzt die vorderste Linie auf die Flanke der 8. RKG traf. Die Panzereinheit übernahm zusammen mit den zuvor zerrütteten Mechtruppen an McCarthys rechter Flanke die Front, während die östlichen Einheiten die Rückendeckung bildeten. Das ermöglichte McCarthy einen leichten Ausbruch aus dem Kessel, den Evan so sorgfältig aufgebaut hatte und brachte sie mehrere Kilometer näher an K-F Yare Industries, auch wenn die Katzbalger sie immer noch abfangen und zurücktreiben konnten.

Evan feuerte zwei Gausskugeln auf McCarthy ab und verspürte eine kurze Befriedigung, als beide Schüsse den Destruktor an der rechten Seite erwischten, einer in Hüfthöhe, der andere knapp unter der Schulter. Dann zog er sich weiter von der Frontlinie zurück, während er versuchte, die Fäden seines Plans wieder aufzunehmen. Er musste sie erneut zu einem soliden Ganzen zusammenflicken, um das Milizmanöver zu neutralisieren, und das schnell, denn Fallon zeigte keinerlei Interesse am Schlachtverlauf.

McCarthys Antwortfeuer schleuderte die geballte Energie der beiden PPKs in den linken Arm des Cerberus. Die künstlichen Blitzschläge sprengten die Panzerung beiseite und zerschmolzen den Unterarmaktivator zu einem unförmigen Klumpen Metall. Zähneknirschend löste Evan sich aus der Schlacht und übernahm Barajas' Lanze. Sergeant Case kam gerade wieder hoch. Der Paladin schwankte, konnte sich aber noch auf den Beinen halten.

»PirschLanze zu mir«, befahl er, dann schaltete er auf die allgemeine Befehlsfrequenz um. »Östliche Flanke, den Gegner nicht verfolgen. Richtung Yare zurückziehen. Alle anderen nach Westen schwenken. Nach Westen schwenken und den Feind aufhalten. Bis auf weiteres auf keinen schweren Schlagabtausch einlassen. Neu formieren, neu formieren, neu formieren.«

Er wartete auf Fallons Gegenbefehl und war leicht überrascht, als keiner kam. Im Gegenteil, sie zog sich ebenfalls zurück und feuerte in einem letzten Schusswechsel die Laser ab, während McCarthy mit den PPKs und einer Gausskugel antwortete, die vom linken Knie des Hauptmann abprallte, das Bein gerade schlug und offensichtlich den Aktivator zertrümmerte. Der Omni-Mech humpelte zurück, bis er auf gleicher Höhe mit Evans Cerberus war, als wolle sie mit ihm gemeinsam die hinteren Linien bewachen.

McCarthy hatte nur ein Duell gewonnen, nicht die Schlacht. Die Auseinandersetzung verlagerte sich lediglich an eine neue Front. Evan hätte es vorgezogen, die Miliz mit einem vernichtenden Schlag zu besiegen, aber letztlich war ein mühsam erkämpfter Sieg ebenso süß. Er würde Fallon die Zeit verschaffen, die sie brauchte, um die Yare-Sendeanlage einzusetzen und in einer letzten großen Trotzgeste die 1. CapellaDragoner abzuschießen. Danach würde er aus eigener Kraft den Tag für sich entscheiden.

Je härter die Schlacht, desto größer die Belohnung. Und diesmal würde er Fallon nicht gestatten, sie ihm abzunehmen. Nicht ohne einen Kampf.

BattleTech 54: Flammen der Revolte
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