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Kearny-Fuchida Yare Industries, Yare, Kathil Kathil-PDZ, Mark Capella, Vereinigtes Commonwealth7. Dezember 3062 Es war das letzte Gefecht der 8. RKG. Das wusste David.
Nachdem sie die 8. RKG endlich von den Überwachungs- und Steueranlagen von Yare Industries abgedrängt hatten, traf das Bataillon einen halben Kilometer hinter dem Ort auf eine Mauer, die sich nicht durchbrechen ließ.
Die 8. hatte sich zwischen Fallons aufgesetzter Masse Noire und der Thermalenergie- und Sendeanlage eingegraben. Die riesige Antennenschüssel auf dem Dach des Stahlbetonbunkers, unter dem sich die subplanetaren Anlagen des Thermalwerks ausbreiteten, ragte hinter den Katzbalgern hoch in den Himmel. Sie war ein Wunder der Technik, fast so groß wie Fallons Landungsschiff. Ein Netz aus Titanstreben stützte die Schüssel, und eine gigantische Ansammlung von Getrieben und Aktivatoren konnte sie um Hundertstel Grad drehen, um sie zielgenau auszurichten.
Jetzt ließ sich die 8. nicht weiter zurückdrängen, sondern schlug mit allem zu, was sie aufbieten konnte. Brutale Raketen- und Laserbreitseiten jagten über das Schlachtfeld, PPK-Blitze schlugen in künstlichen Gewitterfronten ein, Gaussgeschütze und Autokanonen donnerten in einem Stakkato der Vernichtung und übersäten die grüne Wiese mit Panzertrümmern. Ein paar Mechs kämpften von loderndem Brandgel eingehüllt weiter, als die Cavary- Kampfhubschrauber weiter mit Infernosalven zuschlugen, auch wenn die meisten daneben gingen. Weite Bereiche der Grasflächen und des Gebüschs standen in erstaunlichen Flammen und sandten öligen Rauch in den einst herrlich klaren Himmel.
David steuerte den Destruktor einen kleinen Hüge hinauf. Als er über das Wrack eines am Boden liegender Mechs stieg, trat er auf den abgerissenen Arm eines anderen. Er rollte davon und ließ das Gyroskop der überschweren Maschine kurz aufheulen, bevor die hundert Tonnen den Arm zerquetschten und der Mechfuß wieder festen Halt fand. Er holte die beiden Wracks auf dem Sichtschirm näher heran. Auf einem prangte das Wappen der Vereinigten Sonnen, auf dem anderen das des Vereinigten Commonwealth. Angeblich eine Nation. Eine Armee.
Das war einmal.
Er erreichte die Hügelkuppe und pflanzte den Meer breitbeinig auf.
Karen Fallons Hauptmann verfolgte ihr
immer noch. Eine gelb schimmernde Energielanze bohrte sich in die
linke Mechflanke, durchtrennte ein paar Stützstreben, traf aber
glücklicherweise keine wichtiger Bauteile. Er erwiderte mechanisch
das Feuer, während er auf einem Hilfsschirm beobachtete, wie Major
General Gennadis Infanteristen die Abwehrlinien umgingen und hinter
den Kämpfern in die K-F-Yare-Anlage stürmten Sie meldeten sofort
heftigen Widerstand von KatzbalgerInfanterie, die sich in
Korridoren und Treppenhäusern verschanzte. So schwer es ihm fiel,
seine Hilfstrupper; aufzugeben, gab David doch den Befehl an die
Kröten weiter, sich neu zu formieren und Gennadi zu Hilfe zu
kommen.
Aber der General kam zu spät. Es war alles zu spät.
Die Sendeantenne hatte sich in den letzten dreißig Minuten schon
dreimal gedreht, höchstwahrscheinlich, um die anfliegenden Dragoner
zu vernichten. Jetzt schwenkte sie erneut um. Nicht, dass er das
mit bloßem Auge hätte erkennen können. Die Schüssel war so
gigantisch, dass eine Bewegung von ein paar Bogenminuten nicht
auffiel Aber David bemerkte die Bewegung der Getriebe.
Und er konnte kaum etwas dagegen tun. Jetzt wurden die Kosten der
früheren Erfolge spürbar, als ein MilizMech nach dem anderen unter
dem gnadenlosen Bomrardement der Katzbalger-RKG ausfiel. Dylan
Patschenko hatte Yare nicht mehr erreicht. Eine
Partikelprojektorkanone hatte den Kopf seines Schleicher ausgehöhlt. Captain Gerst war gefallen,
als der Reaktor durch die Magnetflasche barst und den Drachenfeuer verzehrte, und Kadettencaptain Thomas
war mit zerschossenem Kreiselstabilisator aus dem Gefecht
ausgeschieden.
Von seinen Stabsoffizieren blieben ihm nur Tara Michaels und ein
junger Lieutenant, die sich abmühten, David bei der Führung der
zwei unterzähligen Kompanien angeschlagener Mechs und Krieger zu
helfen, die dem Bataillon noch geblieben waren. Sie wälzten sich in
einem weiteren Versuch vor, und wieder schlug die RKG sie zurück.
David erinnerte sich an eine ähnliche Schlacht, die er von der
anderen Seite erlebt hatte, an die Verzweiflung, die Verteidiger
dazu trieb, auch gegen eine überwältigende Übermacht durchzuhalten.
Und hier, bei ziemlich gleichstarken Seiten, zehrten die Verluste
mit zunehmender Brutalität an beiden Kräften. Sampreis' Überfall
auf District City, ganz gleich, wie viel oder wenig Erfolg er haben
mochte, hatte David möglicherweise die Chance auf einen Sieg
genommen. Eine Mechkompanie mehr, dachte er, hätte für die Miliz
den Ausschlag gegeben. Oder eine Panzerkette. Selbst ein paar
zuverlässige Luft/Raumjäger.
Aber die Korsaren der Miliz waren
abgestürzt, von den sehr viel schwereren Chippewas vom Himmel gefegt. Ein überschwerer Jäger
griff Davids Leute weiter an, aber die letzten zwei Stechinsekten der RKG stellten ein weit größeres
Problem dar, indem sie um die Challenger-XKampfpanzer tanzten und drohten, sie
aus dem Verkehr zu ziehen. Aber noch rollten die Panzer unbeirrt
vorwärts und führten einen Versuch der verbliebenen Panzer an, die
Katzbalger-Linie aufzubrechen.
David steuerte den Destruktor ebenfalls
gegen die RKG-Linie. Tara Michaels war leicht zurückgefallen. Ihr
Vollstrecker kämpfte mit einem
blockierten Hüftgelenk und beschädigtem Beinaktivator. Jetzt blieb
Corpora! Smiths Cestus mit dem
überschweren BefehlsMech des Bataillons auf einer Höhe und
unterstützte die beiden Gauss- und PPK-Kombinationen des
Destruktor mit seinem Quartett aus
Lasern und Gaussgeschütz.
David neigte den Angriff in Richtung der Sendeanlage fort von dem
vernichtenden Feuersturm, der der Miliz aus den Geschützen der
Masse Noire entgegenschlug, wann immer
ein paar Einheiten unvorsichtig genug waren, ihre Seite des
Schlachtfelds zu betreten. Die Anzeige der Wärmeskala stieg durch
den gelben Warnbereich hoch in die rote Gefahrenzone, als der
ständige Einsatz der Energiekanonen den Fusionsreaktor belastete.
Er atmete nur noch keuchend, mühsam, mit brennender Lunge, doch er
weigerte sich aufzugeben. Er würde entweder durchbrechen oder bei
dem Versuch sein Leben lassen.
Letztere Alternative schien mit jeder Minute wahrscheinlicher.
Lieutenant General Fallon bewachte die Station, als berge sie den
Heiligen Gral, und feuerte mit tödlicher Treffsicherheit. Ihre
Laser schnitten immer neue Panzerschichten von Armen, Beinen und
Torso des Destruktor. Greenes
Cerberus patrouillierte dicht neben
ihr, tauschte Geschützfeuer mit Smith und fand ab und zu einen
günstigen Schusswinkel, um selbst eine Gausskugel in die Flanke von
Davids Maschine zu feuern.
Solange die beiden überschweren RKG-Mechs dieses Ende der Linie
verankerten, konnte nur ein Selbstmordangriff sie möglicherweise
durchbrechen. Es war vorbei. Allem zum Trotz, was David dagegen
unternommen hatte.
Allem zum Trotz, was er unternommen
hatte. Ein vertrauter Satz. Allem zum Trotz, was er getan
hatte, hatte seine Einheit den Clan-Vorstoß auf Diana nicht
aufhalten können. Allem zum Trotz, was er getan hatte, hatte die
Rückendeckungsaktion für die Ulanen fünf gute MechKrieger das Leben
gekostet, einige der Besten, an deren Seite er je gedient hatte,
und die Laufbahn von vier anderen beendet.
Lieutenant Isaak war in seinem Cockpit zerquetscht worden, als der
Eisvogel sich wieder aufgerichtet und
über ihn hinweg gestampft war, um David zu erreichen. Sein
Aufschrei über die Funkverbindung war gnädigerweise nur kurz
gewesen. Trotzdem gellte er noch immer in Davids Ohren. Captain
Kennedy, die in ihrem Berserker zwei
OmniMechs gegenüberstand, hatte nicht einmal nach Hilfe gerufen,
weil sie gewusst hatte, dass David keine Zeit für sie hatte.
Polsans Caesar, der immer noch den
Beilarm des Nachtschatten als Keule
schwang, hatte sich einem monströsen Daishi in den Weg gestellt. Fletcher und MacDougal
hatten David nur Sekunden erkauft, indem sie sich mit den
Schleichern auf den angeschossenen
Masakari warfen. Und nur drei von ihnen
hatten den Kampf überlebt. Nur drei.
Aber Sie haben auf Diana gewonnen. Amandas Worte hallten durch seine Gedanken. Haben Sie deshalb immer noch Angst? Weil Sie diesen Kampf nie zu Ende bringen konnten?
Trotz allem, was er getan hatte.Nein, herrschte
David sich an und zerrte sich zurück in die Gegenwart. Nicht alles.
Noch nicht.
Aber es würde teuer werden. Wieder sehr, sehr teuer.
Eine Gausskugel flog am Panzerglas des Kanzeldachs vorbei, ein
silbriger Schatten, der ein jähes Ende seiner Pläne nur um Meter
verfehlte. Stattdessen schlug er in die linke Mechschulter ein und
stieß den Destruktor zurück auf die
Fersen. David beugte sich nach vorne und benutzte seinen
Gleichgewichtssinn dazu, den Kreiselstabilisator des Mechs zu
steuern und den Kampfkoloss auf den Beinen zu halten. Laut
Schadensanzeige hatte die Nickeleisenkugel sich im Gelenk verkeilt
und behinderte die Drehung des Arms. Das war keine ernsthafte
Sorge. Sein Ziel war groß genug.
»Grenadiereinheiten, bereitmachen zu einem Vorstoss in maximaler
Geschwindigkeit«, befahl er. »Auf mein Zeichen vorrücken und mit
allen Mitteln die Linie aufbrechen. Kampfpanzer halten die Bresche,
Drillsons weiten sie nach rechts aus,
Goblins nach links.« Das würde die
Schwebepanzer ins Schussfeld der Masse
Noire bringen, aber die überlegene Beweglichkeit des
Luftkissenantriebs gab ihnen zumindest eine Chance, dem Beschuss
auszuweichen. Eine bessere Chance konnte er den Fahrzeugen nicht
bieten. Sie war besser als alles was seine Mechtruppen
hatten.
»3. Bataillon, auf mein Zeichen aus dem Kampf lösen Ich wiederhole:
lösen. Auf meine Position einschwenken und mit
Höchstgeschwindigkeit gegen KF Yare vorrücken. Ziel ist der Fuß der
Antennenschüssel. Wir holen sie runter. Niemand hält für
Lanzenkameraden an. Katzbalger-Mechs ignorieren. Major General
Gennadi, ziehen Sie Ihre Infanterie zurück.«
Sampreis würde ihn dafür möglicherweise des Kommandos entheben,
doch wenn David schon unterging dann zu seinen eigenen Bedingungen.
Falls es nicht eine Chance gab, die anfliegenden CapellaDragoner zu
retten, würde er sie ergreifen. Gegen die Robert Davior konnte er nichts unternehmen, sie
konnten unmöglich rechtzeitig durch die RKG brechen, um die
Sendeanlage in ihre Gewalt zu bringen, aber zumindest konnte die
Miliz verhindern, dass noch mehr Landungsschiffe vernichtet wurden.
Und das Letzte, was David seiner Einheit antun wollte, war mit dem
Gedanken weiterleben zu müssen, einen so furchtbaren Preis für
Nichts bezahlt zu haben.
Trotz allem, was sie hätten tun können.
Er gab einen letzten Feuerstoß auf Fallons Hauptmann ab. »Jetzt.«
Karen Fallon stieß die Steuerknüppel hin und her, um den unter dem Verlust von zwei Tonnen Panzerung und der schieren Einschlagswucht der beiden Gausskugeln des Destruktor wankenden OmniMech auszubalancieren. Die Steuerkonsole leuchtete vor Warnlämpchen auf wie ein Weihnachtsbaum, und die Alarmsignale gellten m einer ohrenbetäubenden Kakophonie.
Achtzehneinhalb Tonnen Panzerung bestand inzwischen mehr aus Erinnerungen als aus Metallkeramik. Die Brustpartie des Hauptmann war praktisch schutzlos. Der rechte Arm hing im Grunde nur noch an einem zerbeulten Titanknochen und ein paar Myomersträngen. Die Reaktorhülle war geborsten, Wärmetauscher zerstört, eine Sicherheitsabschaltung eingeleitet. Fallon rammte die Faust auf den Vetoschalter. Damit riskierte sie Munitionsexplosionen oder sogar einen Reaktordurchbruch, aber sie war nicht bereit, hilflos in einem toten Mech auf dem Schlachtfeld zu sitzen.
Sie ging die Schäden weiter durch. Wächter-ECMStörsender zerstört. Mittelschwerer Impulslaser zerstört. Verdammt! Lademechanismus der Autokanone zerstört! Ihre für die Abwehr eines eventuellen letzten Sturmangriffs McCarthys aufgesparte Mechkillerwaffe war nutzlos geworden, die dafür eingelagerte Munition nicht mehr als eine scharfgemachte Bombe, die nur darauf wartete, von einem Zufallstreffer zur Detonation gebracht zu werden. Sie warf einen Schalter um und ließ sie raus. Zweieinhalb Tonnen Kaliber-12-cm-Granaten fielen aus der sich im Rücken des Omnis öffnenden Luke und regneten nutzlos zu Boden.
Bestandsaufnahme und Munitionsabwurf beanspruchten nur drei Sekunden, aber das reichte McCarthy, aus ihrem Frontalschussfeld zu kommen. Sie drehte der Mech in der Hüfte, legte sich in die Drehung und stärkte sich für den Einschlag, als zwei blau leuchtende Blitze funkelnd und sich windend aus den Partikelwerfern der Destruktor brachen.
Sie zuckten über ihr vorbei und trafen die
K-FYare-Sendeanlage.
Ein Schuss zog eine Schmelzfurche in die Wand des Stahlbetonbunkers
und hatte etwa so viel Chancen, ins Innere der Thermalstation
durchzuschlagen wie ein Messer auf Landungsschiffspanzerung. Aber
der andere schnitt in das Titanstahlnetzwerk aus Streben und
Pfeilern, das die gigantische Antennenschüssel trug. Und er war
nicht allein. Zwei Salven Langstreckenraketen rissen Krater in der
Metallstruktur auf, während ein halbe? Dutzend bunter Laserbahnen
andere Streben streiften oder durchtrennten.
Entlang der ganzen Feindlinie lösten sich BattleMechs aus ihren
Duellen, um die Sendeanlage anzugreifen Eine Lanze. Zwei. Eine
Kompanie! Noch mehr! Fallon spießte einen Vollstrecker mit dem Fadenkreuz auf, der sich auf
den Sprungdüsen in die Luft erhob, die Autokanone auf die Antenne
gerichtet. Zwei Energielanzen schnitten in sein rechtes Bein,
trennten es im Flug ab und schleuderten den Mech zur
Seite.
Nein! Das würde sie nicht zulassen. Nicht, solange sie nicht sicher
sein konnte, wenigstens ein anfliegende? Dragonerschiff vernichtet
zu haben. Nicht, solange sie Evans Bataillon befehligte. »Nach
Süden zurückfallen!« befahl sie. »Zwischen ihnen und der
Sendeanlage bleiben. Feuert mit allem, was ihr habt!«
Sie riss den Fahrthebel bis zum Anschlag nach hinter und brachte
den Hauptmann im Rückwärtsgang zurück
in den Schatten der riesigen Antennenschüssel, während sie die
vorrückende Miliz mit den Lichtwerfern bestrich. Ein Lichtbringer und ein Orion begleiteten sie, die improvisierte Lanze, die
sie bei der letzten Neuformation um sich geschart hatte. Evans
Cerberus, der näher am Zentrum der
Linie stand, war auch nicht zu weit entfernt und schnell genug.
Zusammen verfügten sie über die Feuerkraft, um die Milizlinie zu
sprengen. McCarthy hatte seinen ersten... und letzten...
entscheidenden Fehler begangen.
Und Karen Fallon wusste, wie man anderer Leute Fehler
ausnutzte.
Evan Greene duckte sich reflexartig, als ein Schwarm Langstreckenraketen auf ihn herabstürzte. Das Raketenabwehrsystem über dem Cockpit, längst durch Munitionsmangel ausgefallen, absorbierte den größten Teil des Schadens und beschützte die Pilotenkanzel, als der Cerberus ins Freie wankte.
Die Sensoren warnten nur vor nahen Feindmechs, aber nicht vor einer Zielerfassung. Mit einem freudigen Lächeln über sein Glück gönnte Evan sich eine zusätzliche Sekunde, um den weiten Gaussschuss auszurichten, der in die Schulter von David McCarthys Destruktor schlug. Er hatte den feindlichen Kommandeur nicht vergessen.
Dann bewegte sich die Milizlinie. So wie ein Kartenspieler die Körpersprache eines Gegenübers ›liest‹, spürte Evan die Bewegung, bevor sie offensichtlich wurde und die Reste seines Bataillons völlig verwirrte. Der Destruktor zeichnete Spuren blau gleißender Energie zwischen seinen Kanonen und der Antennenschüssel. Der Cestus, derselbe, der McCarthy vor einigen seiner Angriffe beschützt hatte, nahm Kurs auf die Sendestation, hinter einem springenden Vollstrecker und einem wild rennenden Nachtschatten.
Fallon brauchte volle fünf Sekunden länger, das Manöver zu durchschauen, aber sie erteilte zuerst einen Befehl und zog die Katzbalger zum Schutz der Station zurück. Evan wollte vor Verzweiflung aufschreien. Jetzt war der Moment gekommen, einen Gegenangriff in die Flanke der Miliz zu befehlen. Wäre er nur eine Sekunde schneller gewesen...
Aber jetzt konnte er den Befehl des Lieutenant Generals nicht mehr widerrufen. Das hätte seine Leute nur noch mehr verwirrt, und sie waren ohnehin schon vom mehrmaligen ›Kommandeurswechsel‹ und der generellen Strategie angeschlagen, Boden gegen Zeit zu tauschen, statt mit ganzer Kraft zurückzuschlagen. Das schien der Fluch der RKG zu sein. Ihr fehlte der Zusammenhalt der Miliz, die Kraft, die es ihrem Gegner gestattete, so gut zusammenzuarbeiten und nicht aufzugeben. Xander, Fallon, er... wann hatten sie je wirklich zusammengearbeitet?
Aber was sonst eine Schwäche war, konnte sich hier und jetzt in eine Stärke verwandeln, indem es Evan eine letzte Gelegenheit verschaffte. Während der größte Teil der Einheit blindlings Fallons Befehl folgte, zog er mit den vorderen Elementen der Miliz mit und versuchte, ein Duell mit David McCarthy zu erzwingen. Wenn er den feindlichen Kommandeur erledigen konnte, brach die Offensive unter Umständen zusammen. Und selbst wenn nicht, würde es Evan mitten in die Milizreihen führen, wo er unglaublichen Schaden austeilen konnte. Er würde sich nicht an die Mauern des Thermalenergiewerks kauern und eine letzte Abwehrkette bilden.
Evan Greene griff an!
Er steuerte den Cerberus vorwärts, auf
Abfangkurs mit McCarthys Destruktor.
Der Milizoffizier beachtete ihn nicht. Evan feuerte die
Gaussgeschütze ab, verschoss zwei seiner letzten acht
Nickeleisengeschosse. Je eine schlug in beide Mecharme des Gegners
ein, verdarb McCarthys Schuss und riss den linken Arm nach hinten,
wo er blockierte. Evan schaltete auf Einzelschuss um und legte die
mittelschweren Laser mit auf den Feuerknöpf, als er in Reichweite
kam. Aber jetzt war der Cestus wieder
zur Stelle, schob sich in die Schussbahn und blokkierte die
Salve.
Keine der beiden Miliz-Maschinen erwiderte das Feuer, und Evan
Greene geriet in Wut. »Kämpf gegen mich, David McCarthy«, murmelte
er. »Kämpfe, verdammt.«
Er beschleunigte den Cerberus auf volle
sechzig Stundenkilometer, rannte parallel zum Vormarsch der Miliz,
versuchte, sich vor sie zu schieben, als er sich Fallons Stellung
näherte. Die Sendeschüssel ragte vor ihm auf, über zwanzig
Stockwerke hoch auf dem Dach des gedrungenen Stahlbetonbunkers.
Evan schenkte ihr keine weitere Beachtung, merkte nur, dass sie das
Sonnenlicht abblockte, als er in den Schatten trat und scharf
einschwenkte, um McCarthy auf Nahkampfdistanz zu stellen.
Bis zwei smaragdgrüne Energielanzen über Kopf und Brustpartie des
Cerberus peitschten, durch die
Panzerung schlugen und sich ins Innenleben des BattleMechs bohrten.
Der überschwere Kampfkoloss erzitterte wie unter einem Axthieb und
schleuderte Evan in die Sitzgurte. Der beißende Gestank ionisierter
Luft und verbrannten Metalls drang ihm in die Nase. Der
Beinahe-Cockpitreffer brach durch nahe Panzerung und füllte die
enge Kanzel mit rußiggrauem Qualm.
Der Cestus zielte nicht länger auf die
Sendeantenne und landete auf lodernden Plasmaflammen vor Evan. Der
hatte nicht damit gerechnet, dass McCarthys Lanzenkamerad seine
Herausforderung annahm und hatte den Mech ignoriert, bis es fast zu
spät war. Jetzt stieß er reflexartig beide Hauptfeuerknöpfe durch
und griff ihn mit sämtlichen verfügbaren Waffen an. Gausskugeln
rammten ihn durch den rechten Torso, beulten eine Munitionskammer
ein und kosteten den Cestus hoffentlich
die letzte Gaussmunition. Evans Lichtwerfer zerschmolzen über die
ganze Maschine verteilt Panzerung zu Pfützen und Sturzbächen, die
den Milizionär mindestens eine Tonne Metallkeramik
kosteten.
Doch der Cestus steckte den Angriff
weg, wankte nur leicht, als er mit je zwei schweren und
mittelschweren Lasern zurückschlug. Smaragdfeuer durchtrennte den
Mecharm am Ellbogen und das Gaussgeschütz fiel nutzlos zu Boden.
Von neuem überrascht von der Wildheit des Angriffs taumelte Evan
einen Schritt zurück.
Er brachte den Cerberus in einen
langsamen Rückwärtsgang. Er stand immer noch hundert Meter vor
Fallons Lanze und hatte reichlich Platz. Dann zog er das Fadenkreuz
auf die Silhouette des Cestus, und als
es die Farbe von Rot zu Gold wechselte, bombardierte er den
gegnerischen Mech mit dem verbliebenen Gaussgeschütz und den
Lasern.
Fallon hatte sich immer in Evans Herausforderungen eingemischt, und
Xander Barajas hatte McCarthys Familie angegriffen, statt den Major
selbst zu stellen. Weintraub und Sampreis waren genauso tükkisch
und versteckten sich hinter dem nächstbesten greifbaren Politiker.
Trug außer ihm überhaupt noch jemand seine Kämpfe selbst
aus?
Dann hallte das Stöhnen überlasteten Metalls über das Schlachtfeld
und verwandelte sich in ein Kreischen, bei dessen Klang Evan eine
Gänsehaut überlief, schrill wie Fingernägel auf einer
Schiefertafel. Der Schatten, in dem er stand, wurde länger, zuckte,
dehnte sich aus. Er drehte den Cerberus
in der Hüfte, schaute ungläubig hoch zur Sendeantenne.
Ungläubig, bis die gigantische Schüssel sich bewegte.
Mehrere Tausend Tonnen Metall rührten sich, selbst in einem
gewaltigen Netz von Streben und Getrieben hängend, nicht ohne
enorme Anstrengung. Aber es gab nur wenige Kräfte, die so
nachdrücklich wirkten wie die Schwerkraft. Vom konstanten
Milizbombardement geschwächte Stützpfeiler verbogen sich und
knickten an. Die Schüssel schwang zurück und hinab auf das
Schlachtfeld. Sie stürzte über das Bunkergebäude der
Thermalenergieanlage und zertrümmerte eine Wand, bevor sie
rückwärts zu Boden rollte.
Evan Greene beobachtete es nicht mehr. Er brauchte die Schüssel
nicht auf Karen Fallons Hauptmann oder
den restlichen Mechs seiner alten Einheit landen zu sehen, um zu
wissen, dass sie tot waren. Er drückte den Fahrthebel nach vorne,
änderte die Richtung und hoffte auf die für einen Mech seiner
Gewichtsklasse hohe Geschwindigkeit des Cerberus. Der Cestus,
der Evan zurückgedrängt hatte, befand sich bereits in der Luft,
jagte auf den Destruktor zu und über
ihn hinweg. Alle Mechs der Miliz retteten sich hinter den
Destruktor, während McCarthys
überschwerer Kampfkoloss wie angewurzelt die Stellung hielt und auf
seine Leute wartete.
McCarthys Standfestigkeit versprach ihnen Sicherheit, als sie sich
an ihm vorbei retteten, versprach ihnen, dass er sie nicht opfern
würde, um sich selbst zu retten. Es erinnerte Evan an Karen Fallons
Bemerkung, dass einen Sieg herbeizuführen ebenso ruhmreich war, wie
den letzten Schuss selbst abzufeuern. Und als das Netz der
verdrehten, geborstenen Streben in einer letzten kreischenden
Kakophonie gefolterten Metalls über ihm zusammenbrach und den
Cerberus nach vorne schleuderte, griff
Evan als letzte Aktion in seinem Mech nach dem Auslöser der
Rettungsautomatik.
Und er wusste: David McCarthy hatte Lieutenant General Fallon und
ihn selbst besiegt, ohne eine ihrer Maschinen selbst
abzuschießen.