Freitag, 21:00 Uhr, Elberfeld, Nordstadt
»Lass mich nicht hängen, Alter!«
Stefan drehte den Zündschlüssel bis zum Anschlag und trampelte wie wild auf dem Gaspedal herum. Der Motor im Heck seines Käfers blubberte nur asthmatisch. Der 69er Käfer war sein ganzer Stolz. Sein Auto lebte, da war Stefan Seiler sich ganz sicher. Leider nahm der VW-Käfer immer dann seine Auszeit, wenn es recht unpassend war. Wütend hieb der Reporter auf dem dünnen Lenkradkranz herum. Er beugte sich auf dem Fahrersitz vor und starrte kopfschüttelnd durch die kleine Windschutzscheibe. Es schien, als würden die altehrwürdigen Stuckfassaden der Nordstadt am Abendhimmel über ihm zusammenwachsen. Einst hatten Fabrikanten der Textilindustrie diese Häuser für ihre Arbeiter errichtet. Ende des 19. Jahrhunderts hatte man hier auf engem Raum zusammengelebt, ohne Komfort und ohne Elektrizität. Da man lange mit Petroleumlampen in den Häusern für Licht gesorgt hatte, nannte man dieses Viertel auch heute noch den »Ölberg«. Die damaligen Wohnquartiere der Arbeiter hatten die Kriege fast ohne Beschädigungen überstanden und waren irgendwann aufwendig saniert worden. Tom Tykwer hatte dieses Viertel einmal »das Bergische San Francisco« genannt. Tatsächlich, die engen und steilen Straßen ähnelten sich. Stefan lebte gern auf dem Ölberg - trotz knapper Parkplätze. Doch jetzt wäre er gern von hier verschwunden. Er zählte einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig und drehte noch einmal den Zündschlüssel. Der kleine Boxermotor erwachte nun doch zum Leben. Ein breites Grinsen huschte um Stefans Mundwinkel. »Na also, geht doch«, freute er sich und steuerte den auberginefarbenen Käfer die Marienstraße hinunter. Von seiner Haustür aus brauchte er höchstens zehn Minuten bis zum Wuppertaler Hauptbahnhof. Heike hatte darauf bestanden, dass er sie nicht vom Düsseldorfer Flughafen, sondern vom heimischen Döppersberg abholte.
Inzwischen war die Nacht über Wuppertal hereingebrochen, und entsprechend wenig Verkehr herrschte auf den Straßen von Elberfeld. Es bereitete ihm auch keine Schwierigkeiten, um diese Zeit einen freien Parkplatz direkt vor dem Bahnhof zu ergattern. »Wuppertal Elberfeld« stand in großen, goldenen Lettern am Giebel über den massiven Säulen des Quaderbaus. Das Gebäude hatte seit seiner Einweihung 1850 schon gute und schlechte Zeiten gesehen. Nach der Zerstörung im Krieg hatte der Bahnhof eine neue Vorhalle erhalten. Stefan schaltete den Motor ab und zückte die Geldbörse. Noch bevor der Parkplatzwächter zu einer Schimpfkanonade ansetzen konnte, löste Stefan bei ihm ein Parkticket und eilte in die Bahnhofshalle. Hinter der gläsernen Eingangstür blieb Stefan kurz stehen. Verschiedene Düfte drangen in seine Lunge. Neben der Rolltreppe lungerte ein Obdachloser herum, der von Beamten des Zolls dazu bewegt wurde, das Gebäude zu verlassen. Links lag der Drogeriemarkt, rechts der Blumenladen. Da der Blumenladen um diese Zeit die Pforten geschlossen hatte, überlegte er, Heike mit einer Schachtel Pralinen aus dem Drogeriemarkt zu empfangen. Doch sie würde ihn ausschimpfen und ihm von ihrer neuesten Diät berichten. Inhalt der Standpauke würde sicherlich sein, dass Pralinen nicht in ihren spartanischen Ernährungsplan passten. Also würde er darauf verzichten, sie mit zusätzlichen Kalorien in Empfang zu nehmen. Er wollte sie nur endlich Wiedersehen. Zwei Jahre waren eine verdammt lange Zeit gewesen. Es war höchste Zeit, dass sie wieder mehr voneinander hatten. Einiges hatte sich inzwischen in der Stadt geändert. Und Stefan war zum Chef vom Dienst bei der Wupperwelle befördert worden.
Suchend und mit leeren Armen blieb er neben der Rolltreppe, die ins untere Stockwerk des Bahnhofs führte, stehen und blickte sich um. Der Obdachlose krakeelte etwas von »Scheißbullen« und »Hartz IV ist für’n Arsch«. Aus der Ferne der Bahnhofspassage unter ihm drangen Gitarrenklänge an seine Ohren, unterbrochen vom lauten Schimpfen eines weiteren Obdachlosen. Reisende eilten hektisch an ihm vorüber, und weiter hinten liefen Polizisten Streife. Eine alte Dame streifte ihn mit ihrem Koffer, stammelte keuchend eine Entschuldigung und hetzte weiter. Der Geruch von Burgern, Döner und Urin schwängerte die Luft. Mein Gott, hier gab es wirklich noch eine Menge zu tun, dachte Stefan und rümpfte die Nase. Der erste Eindruck war angeblich immer der wichtigste. Wer hier aus dem Zug stieg und zum ersten Mal nach Wuppertal kam, bekam bestimmt keinen guten Eindruck von der Stadt, die ihre Schönheiten erst auf den zweiten Blick preisgibt. Trotzdem: Der Döppersberg gehörte zu Wuppertal wie die Schwebebahn, der Zoo, die Schwimmoper und die Historische Stadthalle. Höchste Zeit, hier etwas für das Image der Stadt zu tun, dachte er.
»So alleine, junger Mann?«
Er drehte sich um. Heike kam direkt auf ihn zu. Sie strahlte, und er verliebte sich wieder in ihre blauen Augen und ihren blonden Wuschelkopf. Sie trug Jeans, Kapuzenshirt und Jeansjacke. An einem Arm hing eine Segeltuchreisetasche, mit dem anderen zog sie einen Koffer auf Rädern ratternd hinter sich her.
»Heike, endlich!« Stefan breitete die Arme aus. »Schön, dass du wieder zu Hause bist!«
Sie blickte ihn fragend an. »Meinst du das jetzt privat, oder fehle ich dir einfach nur im Dienstplan?«
Er buffte ihr freundschaftlich in die Seite. »Deine Spitzen hab ich total vermisst«, grinste er und nahm ihr die schwere Reisetasche ab. »Und? Wie fühlst du dich?«
Sie übte einen koketten Augenaufschlag. Mit theatralischer Stimme sagte sie: »Ich reise gerne … und ich kehre gern zurück.« Heike zitierte damit Pina Bausch und schmiegte sich an Stefan.
»Und du«, dabei bohrte sie ihren Zeigefinger in Stefans Brust, »musst mir jetzt ein Wupper Hell im Brauhaus ausgeben.« Sie legte eine Pause ein, bevor sie fortfuhr. »Die Kollegen treffen sich doch abends immer noch im Brauhaus, oder?«
»Na klar.« Stefan nickte und ergriff ihre zierliche Hand. »Komm schon, es gibt viel zu erzählen - und ich habe Durst!«
»Na«, erwiderte Heike. »Wenn das kein Argument ist!« Seite an Seite traten sie ins Freie und genossen die frische Luft. Der Hähnchenwagen neben dem Parkplatz hatte soeben seine Pforten geschlossen, und Stefan fühlte plötzlich ein Grummeln in seiner Magengegend: Hunger.
»Worauf hast du Lust?«, fragte er, an Heike gewandt.
»Auf was Heißes …«, erwiderte sie und schenkte ihm einen fast lasziven Augenaufschlag. Sie lachte. »Heiß und fettig. Auf Brauhausfritten mit Ailoi und ‘nem kalten Bier - was dachtest du denn?«
Also doch keine Diät, durchzuckte es Stefan. Er grinste zufrieden.
»Ich wusste, dass wir uns verstehen.«
Das Gepäck hatten sie kurzerhand auf die Rückbank befördert. Nun schaute sie ihm amüsiert dabei zu, wie er versuchte, den Käfer zum Leben zu erwecken. Nichts hat sich geändert, dachte sie lächelnd.
Stefan strahlte wie ein großer Junge, als der Motor diesmal ohne Murren ansprang. Im Schritttempo lenkte er Clemens, wie er seinen Käfer nannte, vom Parkplatz. Als der Käfer im Juni 1969 in Wolfsburger VW-Werk vom Band lief, war er leuchtorange lackiert. Der Signallack hatte den Namen »Clementine« getragen; so hatte es sogar im Kaufvertrag gestanden. Stefan hatte den VW-Käfer fast dreißig Jahre später von einem alten Herrn aus erster Hand erworben. Da Stefan der Meinung war, dass auch Autos eine Seele haben, musste ein Name her. Und so hatte es nicht lange gedauert, bis er auf »Clemens« - von »Clementine«, der Lackfarbe, abgeleitet - gekommen war. Da die vergangenen Jahrzehnte sehr am Blechkleid des Käfers genagt hatten und auch der Rost sein vernichtendes Werk längst begonnen hatte, hatte Stefan sich dazu entschlossen, dem Käfer eine Komplettrestaurierung zu gönnen. Jetzt war der Motor mit seinen 34 PS etwas flotter als damals; und auch im Innenraum waren einige Details verändert worden. Die Originalsitze mit hellen Bezügen aus den sechziger Jahren gab es aber immer noch, ebenso das dünne Lenkrad mit dem verchromten Hupenkranz und dem alten Wolfsburger VW-Symbol in der Mitte. Als Kontrast dazu hatte er seinem Wagen ein dem heutigen Standard angemessenes Radio mit CD-Player gegönnt. Auch das runde Blechkleid war modernisiert worden - aus dem ursprünglichen Leuchtorange war ein elegantes Bordeaux mit Perleffekt geworden. Der Käfer schimmerte nun, je nach Lichteinstrahlung, in den verschiedensten Farben. Doch der Name »Clemens« war geblieben.
Natürlich hätte er das Geld, das für die Restaurierung draufgegangen war, auch in ein neueres Auto investieren können, aber Clemens war für ihn zu einem treuen Begleiter und Freund geworden. Und Freunde verkaufte man nicht, also würde Clemens wohl auch noch die nächsten Jahre bei Stefan bleiben dürfen.
Jetzt hatten sie die große Kreuzung am Döppersberg erreicht. Die Reklametafel auf der gegenüberliegenden Seite tauchte die Straßen und die umliegenden Häuser in ein gleißendes, buntes Licht. Weiter hinten erkannte sie die City-Arkaden mit ihrer leuchtend roten Schrift.
Heike erinnerte sich daran, dass hier vor einiger Zeit ein Filmschauspieler erschossen worden war, unmittelbar bevor die Dreharbeiten zum Film »Wuppertod« begonnen hatten. Stefan und sie hatten bei der Suche nach dem Mörder wichtige Hilfe geleistet und so der Wupperwelle eine heiße Story beschert.
Stefan ordnete sich nach rechts, in Richtung Barmen, ein.
»Wo wirst du wohnen?«, fragte er, ohne sich von der Straße abzuwenden. Fast schien es, als hätte er ein wenig Angst vor der Antwort. Heike zuckte die Schultern. »Na ja, mal sehen. Die Wohnung am Röttgen habe ich ja aufgegeben, als ich nach Berlin gegangen bin. Vielleicht hat Peter Platz für mich.«
Peter Göbel war Heikes Bruder. Er betrieb eine kleine Werbeagentur an der Uellendahler Straße, war ziemlich extrovertiert und lebte mit seinem Mann in einer sehr geschmackvollen Wohnung inmitten von Elberfeld. Nun blickte Stefan doch kurz nach rechts.
»Weiß er denn, dass du zurück bist?«
»Uups«, entfuhr es Heike. Sie presste die Hände vor den Mund und machte ein schuldiges Gesicht. »Ich habe ihm nur erzählt, dass ich bald zurück ins Tal komme. Und dann ging doch alles so schnell. Ich werde ihn anrufen.«
»Bald«, äffte er sie lachend nach. »Dein Bruder wird sich bedanken, wenn du mitten in der Nacht unangemeldet bei ihm auf der Matte stehst.«
Sie seufzte. »Das fürchte ich auch.«
Er lächelte. »Kannst zu mir kommen.« Stefan lenkte den Käfer soeben an der Kulturinsel vorbei: Über der Wupper schien die moderne Schwebebahnstation Kluse zu kauern, stimmungsvoll angeleuchtet. Direkt daneben das CineMaxx, dann folgte das Schauspielhaus. Geballte Kultur, und das mitten in Wuppertal, dachte Heike nun und ließ die Atmosphäre auf sich einwirken. Beide Gebäude wurden um diese Zeit bunt angestrahlt. Manchmal gab sich Wuppertal sehr weltoffen und modern, ein wenig erinnerte sich Heike an die teilweise imposanten Gebäude in der Bundeshauptstadt.
»Genau das wollte ich hören«, nahm sie den Faden auf und feixte.
»Ich weiß.« Nun war es an Stefan, zu grinsen.
»Hey, was ist denn das?« Heike riss den Arm hoch und deutete durch die kleine Windschutzscheibe des VW Käfers nach vorn. Stefans Blick folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger. »Ach das«, lachte er und winkte ab. »Das hast du verpasst.«
»Was habe ich verpasst?«
»Na, die Pinguinale 2006.«
»Die… was?«
»Die Pinguinale eben. Vor einiger Zeit konnte man Rohlinge dieser Pinguinskulpturen kaufen und sie nach eigenem Können und Gelingen gestalten.«
Ein fast zwei Meter großer, bunt bemalter Plastikpinguin stand auf dem grünen Mittelstreifen der B7, dort, wo sich vor langer Zeit die Straßenbahntrasse befunden hatte. 1987 hatte man den Betrieb der Straßenbahn aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Nach und nach waren dann auch die Schienen aus dem Wuppertaler Stadtbild verschwunden und wurden teils durch Grünflächen zwischen den Fahrstreifen der B7 ersetzt. Heute gab es von der Straßenbahn in Wuppertal kaum noch Spuren, und junge Wuppertaler wussten oft nicht einmal, dass hier früher eine elektrische Straßenbahn über die Talachse gerumpelt war. Zahlreiche Skulpturen säumten nun die Straße. Auf dem Grünstreifen vor dem Opernhaus, nur wenige Meter von der Redaktion der Wupperwelle entfernt, stand seit einiger Zeit auch eine spiegelblanke Skulptur. Das Kunstwerk wies die übergroße Form eines Tropfens auf, der der Zentrifugalkraft einer Wäschetrommel unterlegen war und dem Betrachter unwillkürlich den vielzitierten »Schluck Wasser in der Kurve« vor Augen führte. Stefan nannte sie »Spermium on the run« und fing sich damit stets einen tadelnden Blick der an Kunst und Kultur interessierten Mitmenschen ein. Aber das konnte ihm nicht den Spaß nehmen, sich über das eine oder andere Kunstwerk in der Stadt lustig zu machen. Doch darüber sagte er jetzt nichts. Heike war an den Pinguinen interessiert.
»Der sieht aber nicht nach einem Werbeträger für den Zoo aus«, stellte sie fest. »Sieh nur, die kunterbunte Farbe … was stellt der denn dar?«
»Jeder dieser Plastikvögel ist ein Werbeträger für seinen jeweiligen Besitzer«, erklärte Stefan geduldig.
»Und warum hat der keinen Kopf?«
Stefan glaubte sich verhört zu haben. »Was?« Unwillkürlich trat er auf die Bremse. Der Käfer schlidderte über den Asphalt. Im Augenwinkel hatte Stefan gesehen, was Heike gemeint hatte. Am Straßenrand stand, unweit der Haspel-Häuser, eine Pinguinskulptur. Und auch wenn Stefan schon einige fast bizarr anmutende Exemplare gesehen hatte, unterschied sich dieser doch um Längen von seinen Plastikkameraden. Kopflos stand er auf seinem Sockel. Das Haupt der Figur war vom Rumpf abgetrennt worden und lag nun neben dem Körper der fast zwei Meter großen Figur. Es musste eben erst passiert sein, denn ein hochgewachsener Schatten entfernte sich in geduckter Haltung von der geschändeten Figur.
»Stefan - da! Der rennt weg!«, schrie Heike aufgeregt. Sie zeigte auf eine Gestalt, die sich eilig in Richtung Wittensteinstraße entfernte. An der Abzweigung war der Käfer eben noch vorbeigerollt, bevor er auf der rechten Fahrspur der Friedrich-Engels-Allee zum Stehen gekommen war.
»Den schnappen wir uns!« Stefan legte ohne lange nachzudenken den Rückwärtsgang ein und ließ die Kupplung viel zu schnell kommen. Der Käfer machte einen Rückwärtshüpfer. Das Getriebe jaulte. Dann hatten sie im Rückwärtsgang die Abzweigung zur Wittensteinstraße erreicht. Auskuppeln, erster Gang, Blinker rechts, das Steuer herumreißen und die Kupplung loslassen waren eine Bewegung. Die dunkel gekleidete Gestalt rannte Haken schlagend durch die Nacht und nutzte die Schatten von geparkten LKW und Hauseingängen. Dann flog ein Gegenstand durch die Nacht.
»Stefan«, rief Heike aufgeregt. »Der wirft was weg!«
Stefan schob sich nickend das Baseballcap in den Nacken und gab Gas. »Hab’s gesehen. Das war bestimmt die Tatwaffe, eine Säge oder so was.«
Als sie den Autohändler an der Ecke passiert hatten, geisterte plötzlich ein blauer Lichtschein durch die Nacht.
»Mist - die Bullen«, entfuhr es Stefan, als er einen hektischen Blick in den Rückspiegel warf.
Heike wandte sich im Beifahrersitz um und blickte ebenfalls nach hinten. »Was ist denn jetzt los? Die sind doch gar nicht von hier!«
»Was?«
»Die haben kein W auf dem Kennzeichen, sondern ein NRW.
Vermutlich eine Landesbehörde oder so was, keine Ahnung.« Stefan stöhnte gequält auf. »Mann, Heike, das sind die neuen Streifenwagen. Die haben doch jetzt alle NRW-Kennzeichen. Aber ich fürchte, wir haben ein Problem.« Er hatte den Käfer am Straßenrand gestoppt und schielte nach hinten.
»Und der Typ ist längst über alle Berge«, stellte Heike trocken fest, als die Polizisten ans Seitenfenster klopften und Stefan bedeuteten, die Scheibe herunterzukurbeln. Heikes Blick war stur nach vorn gerichtet.
»Können Sie mir mal verraten, warum Sie mitten auf der B7 in einem Wahnsinnstempo zurücksetzen?«, fragte ein Beamter mit unglaublich wichtiger Miene. Er grinste feist und verlangte, ohne Stefans Antwort abzuwarten, seinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere. Stefan seufzte und fummelte in der Innentasche seiner Jeansjacke nach der Brieftasche herum.
»Haben Sie Alkohol getrunken?« Das war keine Frage. Eher klang es wie eine Feststellung.
Obwohl Stefan die Frage wahrheitsgemäß mit »Nein« beantwortete, wurde er zum Alkoholtest gebeten. Und der Pinguinmörder war längst über alle Berge. Den Abend hatten sich Stefan und Heike etwas anders vorgestellt.
Nachdem die Formalitäten erledigt waren, verabschiedeten sich die Polizisten und fuhren weiter.
»Stefan«, rief Heike und rüttelte ihn am Arm. »Wir müssen nachsehen, was der Typ weggeschmissen hat, als er getürmt ist!«
»Was meinst du?« Er blickte sie fragend an.
»Na - er hat doch einen Gegenstand weggeworfen.« Sie stieß die Beifahrertür auf und sprang ins Freie. »Komm schon!«
Er folgte ihr, nachdem er den Käfer ordnungsgemäß auf dem Parkstreifen der Wittensteinstraße abgestellt hatte. Als sie eine Viertelstunde vergeblich gesucht hatten, meldete sich Stefans Magen. »Komm«, quengelte er, »lass uns endlich ins Brauhaus fahren. Ich sterbe vor Hunger!«