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Montag, 16:50 Uhr, Alten- und Pflegeheim Blankstraße

»Nett haben Sie es hier.«

Johann Kötter winkte ab. »Es ist ein Altenheim. Nicht mehr und nicht weniger. Lassen Sie uns an die frische Luft gehen.«

»Gern.« Gemeinsam traten sie hinaus in den kleinen Park, der das Wohnheim umgab, und nahmen auf einer Holzbank Platz. »Und - womit kann ich Ihnen heute dienen?« 

»Sie kennen sich doch aus in der Welt der Wuppertaler Unternehmer.« Heike lächelte. »Man kennt sich doch, oder?«

»Da ist schon was dran.« Er lächelte versonnen und blickte einer jungen Schwester, die vorbeiging, auf den Hintern.

Je oller, je doller, dachte Heike amüsiert. »Was wissen Sie über Wittwer und Ihren Erzfeind Grotejohann?«

»Wittwer ist ein knallharter Geschäftsmann. Schon damals, als es noch familiärer zuging, handelte er nur danach, was ihm die Zahlen vorgaben. Na ja, und Grotejohann senior, der Herr habe ihn selig, hat sich schon immer für den Fußball begeistert. Jede Mark, die übrig war, hat er in den Verein gesteckt.«

Heikes Ohren glühten vor Aufregung. Genau das wollte sie hören. »In den WFC?«

»Ja, schon damals war er ein Narr. Aber er hatte immer ein glückliches Händchen. Er kaufte Spieler ein, um seinen Verein nach oben zu bringen. Einmal hätte es der WFC fast in die Bundesliga geschafft. Doch dann änderten sich die Zeiten. Daraufhin setzte Grotejohann auf ein anderes Pferd und kaufte sich bei einem anderen Fußballverein ein.«

»Wissen Sie, wo?«

»Bei Rotweiß Eifel. Die hatten die besseren Spieler, damals, Anfang der Siebziger. Trotzdem wollte er den WFC nicht ganz aufgeben.«

»Und er hatte noch bis zum Schluss Anteile am Verein?«

»Sicher.« Der alte Herr nickte. »Und mein Sohn auch. Und Wittwer ebenfalls.«

Heikes Aufregung wuchs. »Dann saßen die drei in einem Boot?« Johann Kötter lachte laut auf, fast so, als hätte Heike ihm einen brillanten Witz erzählt. »Fußball regiert die Welt, Frau Göbel. Das war schon damals so und ist es heute immer noch. Ein Sport, der so kommerziell ist, dass es schon fast kein Sport mehr ist. Es ist ein knallharter Konkurrenzkampf.«

»Heißt das, dass Wittwer, Grotejohann und Ihr Sohn Konkurrenten waren, obwohl sie Anteile am selben Verein besaßen?«

»Sie interessieren sich wohl nicht für Sport?«

»Fußball ist nicht mein Ding«, gab Heike zu.

»Grotejohann hatte ein Unternehmen hier in Wuppertal, eins in Düsseldorf und eins in Euskirchen.«

»In der Eifel.«

»Richtig. Inzwischen war er mit den Leuten aus der Eifel mehr verwachsen als mit den Wuppertalern. Doch der WFC hat zurzeit die besseren Spieler. Wie aber daran kommen?«

»Er hätte eine Mehrheit benötigt.«

»Ganz genau.« Der alte Herr hob den knorrigen Zeigefinger. »Wittwer und mein Sohn haben ihn ausgelacht, als er ihre Anteile am WFC übernehmen wollte.«

»Also … also wollte er sie aus dem Weg räumen?« Heike konnte es nicht glauben.

»Es sieht zumindest danach aus.«

»Haben Sie das mal der Polizei erzählt?«

»Warum sollte ich?« Kötter senior schüttelte das graue Haupt. »Ich bin ein alter Mann, und ich will nur meinen Frieden. Mein Sohn wurde ermordet. Plunger ist wahrscheinlich nur ein Bauernopfer. Ich weiß es nicht, aber mein Sohn und Wittwer sind Grotejohann ein Dorn im Auge. Es geht um Millionen, wenn sein Verein in der nächsten Saison nach ganz oben kommt. Und er hat alles darauf gesetzt.«

»Auf diesem Weg würde er über Leichen gehen?« Heike war fassungslos.

»Er ist bereits über Leichen gegangen, Frau Göbel.« Kötter erhob sich schwerfällig. »Denken Sie nach und lassen Sie das Gesamtbild auf sich wirken. So wie im Museum neulich.« Er lächelte feinsinnig. »Und jetzt entschuldigen Sie mich, aber ich komme zu spät zum Essen.« Ohne ein weiteres Wort ließ der alte Herr Heike zurück. Plötzlich schloss sich der Kreis.