Julia,
ich schon wieder. Rate mal, wo ich bin?
Geschichte. Nein, Verzeihung, Leistungskurs Geschichte. Mom hat mich im Lehrerklo gefunden. Ich wollte sie fragen, wie sie das gemacht hat, aber ich konnte nicht.
»Du bist ein intelligentes Mädchen, Amy«, sagte sie und es war ein komisches Gefühl, dass ich das hier, in der Klokabine, zu hören bekam, in der ich mich verbarrikadiert hatte. Und dann auch noch von Mom! »Du hast die Möglichkeit …« Sie brach ab und ich war froh darüber, weil ich Angst hatte, dass sie von »Neubeginn« reden würde, von einer »zweiten Chance« oder was auch immer. Ich hatte Angst, sie würde von etwas anfangen, das mir unerreichbar erschien, etwas, was ich nie schaffen würde, selbst wenn ich wollte.
Ich hatte Angst, dass sie mir etwas hinhalten würde, was ich nicht verdient hatte.
Hier im Kurs ist ein Mädchen, das mich dauernd anstarrt. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. Sie hat glattes goldblondes Haar und ist sehr hübsch, perfekt gestylt, wie nur Mädchen von ihrer Sorte es fertigbringen. Wenn Du da wärst, würdest Du sie nachäffen, Julia, und mich zum Lachen bringen, bis ich vergessen hätte, dass ich riesig groß bin und überhaupt nicht hübsch.
Da sind auch zwei Typen, die mich anstarren. Mit dem ersten muss ich irgendwann mal rumgemacht haben oder so, weil er sofort wegschaute, als ich zurückgestarrt habe. Wahrscheinlich hat er eine Freundin, vielleicht sogar hier in der Klasse. Super. Der andere Typ – ich weiß nicht. Er hat irgendwas an sich und er schaut auch nicht weg, er hat einfach zurückgestarrt, als ich ihn angesehen habe. Das tun die Typen sonst nicht. Sie lächeln und schauen weg, wenn ich sie ansehe, oder wenden einfach den Blick ab. Ich versteh’s nicht.
Das Mädchen starrt mich immer noch an. Das wird ein langer Tag.