29

Langer Mars, 1,5 Millionen Schritte Ost, jedenfalls so gut wie. Seit über vierzig Tagen unterwegs.

Frank saß am Steuer von Thor, Sally hinter ihm. Sein erster Eindruck war der von angreifenden Fahrzeugen, eine ganze Herde gewaltiger, dahinrasender Biester, das Aufblitzen von Metall – und Feuer … Feuer, das herausschoss wie aus Flammenwerfern im Dschungel von Vietnam.

Franks unmittelbare Reaktion war, an seinem Joystick zu ziehen, die Nase des Gleiters nach oben und vom Geschehen wegzuziehen. »Steigen!«, schrie er Willis in Woden zu: »Steigen! Sonst erreicht uns diese Flammenwaffe noch!«

»Alles klar«, gab Willis gelassen zurück. »Aber ich glaube nicht, dass das eine Waffe ist, Frank. Sieh mal genauer hin.«

Sobald der Gleiter gleichmäßig stieg, wagte Frank einen zweiten Blick auf die Anzeige in seiner Konsole, bei der er das Bild heranzoomen konnte. Wieder sah er diese großen Tiere (wie groß? – sein Verstand sträubte sich, einen Vergleich zu ziehen) über die Ebene fliehen, vielleicht ein Dutzend von ihnen, große und kleinere, ausgewachsene Tiere und Jungtiere, eine ganze Herde. Von hier oben sahen sie wie Dinos in einem Kinderbuch aus, mit massigen Leibern, langen Hälsen, langen Schwänzen als Gegengewicht und galoppierenden Beinen. »Das könnten vielleicht Sauropoden sein«, schlug er vor.

»Vielleicht. Aber diese ›Sauropoden‹ sind größer als alles, was wir je auf der Erde hatten«, erwiderte Willis. »Ich habe hier eine absolute Länge von achtzig Metern, vom Maul bis zum Schwanz. So lang wie acht Blauwale hintereinander. Und bis zu zwanzig Meter hoch. Also viel größer als Amphicoelias, der, wie ich soeben lese, der größte Sauropode auf der Erde war. So viel zum Thema Schwerkraft auf dem Mars. Und jedes von diesen Viechern hat ein ganzes Dutzend Beinpaare. Kein Wunder, dass sie so schnell sind. Und gepanzert sind sie obendrein, mit mehreren Reihen Rückenschilden.«

»Die Sandwale hatten ein Dutzend Flossenpaare«, sagte Sally. »Dieselbe Anatomie.«

»Ich glaube, die Viecher da unten sind die Version der Sandwale auf diesem Mars. Abkömmlinge aus gemeinsamen Wurzeln. Seht euch die Hälse an, wie gewaltige Röhren, und diese breiten Mäuler. Und … ach du Schande …«

Eines der großen Tiere hielt an und drehte sich um und schlidderte dabei über den staubigen Boden eines, jedenfalls sah es so aus, ausgetrockneten Sees. Es richtete sich zu voller Größe auf, reckte seinen gewaltigen Körper, sodass sich zwei oder drei Gliederpaare vom Boden lösten, und streckte den gewaltigen Hals, um noch länger zu werden, bis er über die Fahrzeuge hinausragte, die es verfolgten und die Frank noch gar nicht richtig zu Gesicht bekommen hatte. Dann öffnete sich das große Sandwalmaul und stieß einen gigantischen Flammenstrahl aus. Das Feuer strich über die Jäger, deren Fahrzeuge umdrehten und sich verstreuten.

»Da hast du deinen Napalmwerfer, Frank«, sagte Willis.

»Ein Feuerspucker«, sagte Sally. »Was für ein Anblick.«

»Zum Glück kann das Ding nicht fliegen«, sagte Frank.

Willis schnaubte verächtlich. »Wahrscheinlich entzündet er bloß Methan aus seinem Verdauungssystem.«

Frank lachte ein wenig gezwungen. »Bei der Armee kannte ich einen Typen, der hat seine Fürze mit einem Feuerzeug abgebrannt.«

»Jetzt verdirb nicht den ganzen Zauber«, sagte Sally. »Wahrscheinlich krieg ich in meinem Leben keinen besseren Drachen mehr zu sehen.«

»Und nicht vergessen«, ermahnte Willis, »aus irgendeinem Grund ist dieser Mars offensichtlich voller Leben, und zwar sehr lebhaftem Leben. Warum braucht ein solches Untier wohl eine Panzerung und einen Flammenwerfer? Stellt euch mal seine wahren Jäger vor.«

»Seine wahren Jäger?«

»Im Gegensatz zu den Verfolgern da unten, Frank. Apropos – zum Verstecken ist es jetzt zu spät.«

Frank musste sich von dem Untier regelrecht losreißen.

Die kleine Flottille hinter dem feuerspeienden Drachen verteilte sich und wurde langsamer, und als der Staub sich ringsumher gelegt hatte, konnte Frank weitere Einzelheiten ausmachen. Diese Vehikel waren keine Karren, denn sie hatten keine Räder; sie sahen eher wie Strandsegler aus, die, von Segeln angetrieben, auf Kufen dahinglitten. Die staubbedeckten Konstruktionen machten technisch gesehen einen eher primitiven Eindruck, und er vermutete, dass sie aus Holz oder einer hiesigen Entsprechung bestanden. Ihre Besatzung, zwei oder drei Kreaturen pro Segler, waren nicht im Entferntesten menschenähnlich. Es waren Krustentiere, wie sie ihnen schon von anderen Marswelten vertraut waren. In dieser speziellen evolutionären Arena hatten sie jedoch geschmeidige Panzer entwickelt, ihre langen Gliedmaßen mit Greifhänden am Ende hielten Waffen gepackt: Speere und vielleicht auch Bögen.

Inzwischen waren die Gleiter entdeckt worden. Frank sah Gesten, die wie drohend geballte Chitinfäuste aussahen, ein Speer wurde sogar wütend, wenn auch vergebens in die Luft geschleudert.

»Vermutlich gehen wir hier nicht runter«, sagte er.

»Ich würde es dir nicht raten«, meinte Sally. »Sieh mal dort drüben.« Sie zeigte über Franks Schulter.

Ein ganzes Stück auf der staubigen Ebene entfernt jagten noch mehr Jäger hinter noch mehr Landdrachen her. Sie hatten die Gleiter am Himmel allem Anschein nach noch nicht entdeckt. Frank bemerkte, dass eine Sand-Yacht einem fliehenden Biest näher kam und dass diesem etliche Speere im Leib steckten, an denen Seile hingen, an denen es wiederum eine Handvoll Segler hinter sich herzog. Um mit einer solchen Harpune genau zwischen diese Panzerplatten zu treffen, gehörte wohl ein beträchtliches Maß an Können. Ein Boot kippte um und schleuderte seine Besatzung in hohem Bogen ab, und Frank erhaschte einen Blick auf die Kufen, weiß wie Elfenbein.

»Diese Kufen sehen wie Knochen aus«, sagte er zu Sally. »Vielleicht sind diese Kerle hier wie unsere Walfänger im 19. Jahrhundert, die damals ebenfalls Teile der Tiere in ihre Schiffe eingebaut haben … Was singst du da eigentlich, Sally?«

»Das Lied heißt ›Harpoon of Love‹. Kam mir nur so in den Sinn. Spielt keine Rolle.«

»Jetzt schaut mal geradeaus, nach Norden«, knurrte Willis.

Frank brachte den Gleiter wieder in die Waagerechte, riss sich von dem blutigen Gemetzel unter ihm los und spähte in die von Willis genannte Richtung. Dort sah er mehrere dunkle Streifen, die sich von der glatten Ebene des trockenen Meeresbodens abhoben und sich schlank, aufrecht und schwarz vor dem purpurfarbenen Himmel dieser Welt abzeichneten.

Monolithe. Fünf an der Zahl.

Das war jetzt zu viel für den armen Frank. »Nicht zu fassen! Landdrachen? Krebse in Sand-Yachten als Walfänger? Und jetzt auch das noch!«

»Wäre dir noch ein toter Mars lieber?«, wollte Sally wissen.

»Mein Fernrohr gibt nicht mehr her«, meldete sich Willis wieder. »Und diese verdammte Luft ist voller Staub und Feuchtigkeit. Aber ich glaube, dass diese Tafeln eine Art Inschrift tragen.«

»Was denn für eine Inschrift?«, stöhnte Frank. »Primzahlsequenzen? Eine Anleitung, wie man sich ein Wurmloch baut?«

»Vermutlich etwas in dem Dreh«, antwortete Willis, unter diesen Umständen erstaunlich geduldig. »Das Erbe der Alten.«

Sally verschluckte sich fast. »Was redest du da? Welche Alten?«

»Jetzt komm schon«, sagte Frank und grinste. »Wir sind hier auf dem Mars. Es ist die Geschichte des Mars, der schon immer eine alte Welt gewesen ist, alt und runtergekommen. An solchen Orten finden sich immer Monumente, die die Alten zurückgelassen haben. Reste mit rätselhaften Inschriften von denjenigen, die verschwunden sind …«

»Bleiben wir doch bei der Realität«, knurrte Willis. »Wir erfahren erst dann mehr, wenn wir eine Kopie dieser Inschriften mit nach Hause nehmen, wo wir sie genauer untersuchen können.« Sein Gleiter senkte sich auf die Monolithe zu. »Wir müssen da rein und alles aufnehmen, vielleicht auch eine Probe des Materials mitnehmen, aus dem die Monolithe bestehen. Dann fliegen wir weiter und …«

»Was? Nachdem du das gefunden hast, willst du noch weiter?«

»Klar. Das hier ist wunderbar, aber es ist nicht das, wonach ich suche. Und …«

Hinter Frank stieß Sally plötzlich einen Schrei aus. »Aaah, verdammt, mein Kopf …«

Im nächsten Augenblick spürte Frank es auch.

Den Rest des Tages versuchten sie mit allen Mitteln, nahe genug an die Monolithe heranzukommen, um Bilder von ihren Oberflächen aufzunehmen. Aber etwas hinderte sie daran.

Sobald sie näher herankamen oder sogar landeten und es zu Fuß versuchten, wurden sie von grellen, heftigen Kopfschmerzen heimgesucht. Sally musste an den Druck denken, von dem Joshua berichtet hatte, den Druck, den er in der Gegenwart des gewaltigen Wesens erfahren hatte, das sie unter dem Namen Erste Person Singular kannten. Oder daran, dass die Trolle von allzu großen Ansammlungen menschlichen Bewusstseins auf der Datum-Erde abgestoßen wurden. Offensichtlich war allen Humanoiden eine gewisse geistige Sensibilität gemeinsam, eine Fähigkeit, die diese hypothetischen »Alten« manipulieren konnten.

Willis versuchte, den Mechanismus auszuhebeln, indem er in eine Welt nebenan wechselte, sich dort der Stelle mit den Monolithen näherte und dann wieder herüberwechselte – aber der Schmerz lähmte ihn beinahe, sogar in den Welten nebenan, auf denen es nicht mal einen Hinweis auf die Monolithe gab.

Sie versuchten Drohnen hinzuschicken, woraufhin jedoch eine andere Verteidigungsstrategie in Kraft trat. Die kleinen Flugkörper wurden einfach abgewehrt, weggestoßen wie von einer unsichtbaren Hand, bis sie irgendeine Grenze erreichten, an der die automatische Steuerung wieder einsetzte und sie umdrehen und zurückkehren konnten. Willis wollte einen der Gleiter mit Fernbedienung hineinschicken, aber die beiden anderen stimmten dagegen.

»Egal, was da draufsteht«, sagte Frank fest entschlossen, »es ist nicht für uns gedacht. Deine Alten wollen uns dort nicht haben, Willis.«

»Wir geben uns aber noch nicht geschlagen. Wir finden einen Weg.«

Sie landeten in sicherer Entfernung von den Walfängern im Sand.

Später, als sie im spärlicher werdenden Licht ein Kuppelzelt für die Nacht aufschlugen, zeigte Sally nach Norden. »Seht mal. Am Fuß dieser Monolithe. Ich hab da was gesehen … Ja, da ist eine Staubfahne. Sind das … Sand-Yachten?«

Nachdem Frank durch ein Fernglas gesehen hatte, das er vor das Visier seines Druckanzugs hielt, konnte er ihre Vermutung nur bestätigen. Drei, vier, fünf dieser Walboote rasten am Fuße der Monolithe vorbei, als existierten sie überhaupt nicht. »Sie bremsen noch nicht mal ab.«

»Es ist zum Mäusemelken«, sagte Willis. »Diese Sandwalfänger haben überhaupt keine Ahnung, womit sie es da zu tun haben. Für die sind die Monolithe lediglich Landschaft, mehr nicht.«

»Was vielleicht der Grund dafür ist«, warf Sally ein, »dass sie so dicht herangelassen werden.«

»Vielleicht sind die Monolithe doch für sie gedacht«, sagte Frank. »Für später. Aber nicht für uns. Ich bin jedenfalls froh, dass wir weit genug von diesen Walfängern entfernt sind, dass sie uns in der Nacht nicht belästigen. Aber wir sollten kein Risiko eingehen. Ich finde, wir sollten eine Wache aufstellen, falls uns diese Burschen doch besuchen kommen.«

»Einverstanden«, sagte Sally.

Willis stand da in seinem Druckanzug und dachte nach. »Wir sollten einen Gleiter in die Luft schicken. Nur für den Fall, dass sie sich doch an uns ranschleichen.«

Frank überlegte kurz. »Das kommt mir übertrieben vor, Willis. Eine Drohne würde völlig ausreichen.«

»Nein, nein.« Er ging ein paar Schritte weg. »Ich nehme Woden. Wir gehen lieber auf Nummer sicher …«

Natürlich ließ er sich nicht davon abbringen. Und natürlich log er sie an. Er hatte nicht die Absicht, den fliegenden Wächter zu spielen.

Sobald Woden in der Luft war, konnten Frank und Sally ihn nicht mehr davon abhalten, die Nase des Gleiters nach Süden zu richten, auf die Hauptgruppe der Walfänger zu.

»Er hat nicht mal den Funk eingeschaltet, verdammt noch mal«, fluchte Frank. »Was treibt er da bloß?«

Sally wirkte ganz ruhig. »Er sucht noch immer nach einer Möglichkeit, die Bilder zu kriegen, die er haben will«, sagte sie. »Was sonst? So ist mein Vater nun mal. Er zieht einfach los und holt sich, was er haben will.«

»Den Tod wird er sich holen, sonst nichts. Er ist dein Vater, ja, aber das scheint dir überhaupt nichts auszumachen.«

Sie zuckte die Achseln. »Was soll ich dagegen tun?«

Frank schüttelte den Kopf. »Wenn du das Zelt aufbaust, checke ich Thor noch mal durch. Damit wir hier ruck, zuck wegkönnen, falls es nötig sein sollte.«

»Von mir aus.«

Letztendlich näherte Willis sich den Walfängern erst im frühen Morgenlicht.

Frank, der eine unruhige, fast schlaflose Nacht hinter sich hatte, wurde in seinem halbgeschlossenen Druckanzug durch ein leises Piepen des Kommunikationssystems geweckt. »Sally. Er ist online.«

Sie setzte sich sofort auf. Auch sie hatte nicht fest geschlafen.

»Schieß los, Willis …«

Frank starrte auf einen Bildschirm, auf dem der aufgerichtete Leib eines riesigen, insektenhaften Wesens zu sehen war, das in dieser Haltung einen Menschen eindeutig überragte. An den über das robust wirkende Außenskelett gespannten Gürteln und Gurten hingen Werkzeuge und zusammengerollte Seile, und es hielt mit drei oder vier seiner vielen Gliedmaßen einen Speer – einen Speer, an dem ein Seil befestigt war. Eine Harpune. All das sahen sie durch einen feinen grauen Nebel. Und dieses Wesen hielt den Speer direkt auf die Kamera gerichtet.

»Konvergente Evolution«, hörten sie Willis murmeln.

»Willis?«

»Ihr seht das, was ich sehe, durch meine Helmkamera. Konvergente Evolution. Diese Harpune könnte von einem Walfängerschiff aus Nantucket stammen. Ähnliche Probleme verlangen nach ähnlichen Lösungen.«

»Was ist das für ein grauer Nebel?«, wollte Sally wissen. »Die Sicht ist nicht besonders klar …«

»Ich befinde mich in einem Rettungssack.« Eine Hand im Handschuh erschien und drückte gegen eine durchsichtige Wand. »In meinem Druckanzug und in einem Rettungssack.«

Die Rettungssäcke waren einfache Plastiksäcke mit Reißverschluss und kleinen Drucklufteinheiten. Man stieg einfach hinein, zog den Reißverschluss zu, und die freigesetzte Luft hielt einen eine Zeitlang am Leben. Mit den schlauchartigen Arm- und Beinröhren konnte man sich nur begrenzt bewegen, letztendlich war das Ding eher dafür gedacht, dass man darin wartete, bis man von jemandem mit besserer Ausrüstung gerettet wurde.

»Ich habe ein paar dieser Rettungssäcke so umgerüstet, dass sie einen mit der hiesigen Luft versorgen, damit diese Walfänger sie benutzen können.«

Sally machte ein ungläubiges Gesicht. »Atemsäcke? Wieso brauchen diese Burschen Atemsäcke? Sie leben doch hier.«

»Ich zeichne diese Begegnung auf, falls der Kontakt nicht zustande kommt. Beim nächsten Mal könnt ihr dann aus meinen Fehlern lernen.«

»Beim nächsten Mal?«, fuhr ihn Frank an.

»Beim nächsten Mal, wenn ihr euch diesen Jungs nähert, um reinzugehen und die Inschriften der Monolithen aufzunehmen.« Er hielt seine andere behandschuhte Hand in die Höhe; sie hielt eine kleine Handkamera und mehrere Wechsler.

»Die Kamera – klar«, sagte Sally. »Du musst die Monolithe fotografieren oder die Walfänger dazu bringen, es für dich zu tun. Aber warum die Wechsler?«

»Ich hab’s dir doch gleich am Anfang gesagt. Tauschware. So ein Wechsler dürfte für jedes vernunftbegabte Wesen, dem wir begegnen, von großem Interesse sein. Obwohl man einen Raumanzug braucht, um einen einzigen Schritt auf diesen Joker-Marsen zu überleben. Deshalb gebe ich ihnen auch gleich Rettungsblasen mit …«

Willis musste im Kreise der speerschwingenden, zwei Meter großen Profijäger-Krustentiere einige Pantomimen aufführen, um sich verständlich zu machen. Zuerst zeigte er den Walfängern, was man mit einem Wechsler tun konnte. Er baute einen zusammen, was letztendlich nur bedeutete, dass er ein paar Stecker in die entsprechenden Buchsen steckte; dann betätigte er den Hebel, verschwand zur Verwunderung der Jäger und tauchte hinter dem Anführertypen wieder auf. Allgemeine Verblüffung! »Das ist alles, mein Freund. Verstehst du? Stell dir vor, wie du dich mit einem von diesen Dingern an den Zauberdrachen ranschleichst. Probier’s mal. Aber wenn er funktionieren soll, musst du ihn selbst zusammenbauen. Und du musst die Rettungsblasen benutzen, sonst bringt dich der Mars links und rechts von hier im Handumdrehen um …«

Nur eine Stunde später hatte er den offenkundigen Anführer der Krustentiere in eine ziemlich komisch und falsch sitzende Plastikblase eingepackt, ließ ihn hin- und herwechseln und dann aus dem Nichts auftauchen, um seine Kollegen zu erschrecken. Oder auch ihre Kollegen, korrigierte sich Frank. Außerdem fiel ihm auf, dass einer der Gefährten mit dem neuen Spielzeug auf besondere Art und Weise erniedrigt wurde. Ob es sich dabei um einen Rivalen des Anführers handelte? Um einen Vater, Bruder, Sohn? Eine Mutter oder Schwester? Jedenfalls wurde er angesprungen, zum Stolpern gebracht, umgestoßen und auf den Boden geworfen.

»Wenn diese Viecher den Menschen auch nur ein kleines bisschen ähnlich sind, dann dürfte dieser Bursche jetzt ziemlich stinkig auf Vater sein.«

»Stimmt«, murmelte Frank. »Damit hätten wir schon mal einen zornigen jungen Prinzen. Oder was auch immer.«

Je weiter der Morgen voranschritt, desto ungeduldiger sah Frank dem Treiben zu. Einmal glaubte er, so etwas wie fernen Donner zu hören. Der Himmel war wolkenlos. Waren Stürme auf dieser Version des Mars überhaupt möglich?

Die Krustentiere lernten schnell. Schon bald hatten sie das Potenzial dieser Technologie erfasst und auch verstanden, dass Willis im Gegenzug für den magischen Wechsler nicht mehr wollte, als dass sie seine Handkamera so nahe wie möglich an die Monolithe hielten.

»Es ist unsere einzige Chance. Ich habe ihnen auch Samen für den Marskaktus gegeben, der die Box mit Energie versorgt. Er stammt vom Lückenmars, deshalb kann es gut sein, dass er auch hier wächst …«

»Gott im Himmel«, sagte Frank. »Du bist doch eben erst auf diese Kreaturen gestoßen, und schon bescherst du ihnen ihren eigenen Wechseltag.«

»Nein, so ist es nicht«, erwiderte Willis ernst. »Du darfst nicht vergessen, dass der Wechsler nur ein Hilfsmittel ist, um die Fähigkeit des Wechselns anzustoßen, die schon immer da war und letztendlich angeboren ist. Es muss irgendwelche vernunftbegabten Marsbewohner gegeben haben, die wechseln konnten, andernfalls gäbe es keinen Langen Mars. Das Wechseln ist hier allerdings weit weniger nützlich, weil die Welten in der Nachbarschaft einer bewohnbaren Insel wie dieser hier so gut wie immer tödlich sind. Ich gebe ihnen nur, was sie ohnehin schon besitzen, Frank. Abgesehen davon brauchen die Jungs hier mindestens noch eine Renaissance und eine Industrielle Revolution, ehe sie die Bedeutung des Langen Mars kapieren, von der Herstellung ordentlicher Druckanzüge ganz zu schweigen.«.

»Aber sie sind sehr erfindungsreich, rein technisch gesehen«, sagte Sally.

»Und mutig«, ergänzte Frank. »Außerdem lernen sie schnell …«

»Tja, die Büchse der Pandora ist jetzt offen. Oder würdest du und dieser Esel Mellanier sagen, dass es sich dabei um einen falschen Vergleich handelt, Frank? Wir müssen so lange auf dieser Welt bleiben, bis wir die Monolithen-Daten haben. Dann können wir weiter. Aber ich schlage vor, dass wir die Gleiter startklar machen.«

»Warum?«

»Ich glaube, ich kann die Körpersprache dieser Jungs allmählich lesen. Sie kommen mir ein bisschen nervös vor. Weißt du noch, wie ich überlegt habe, welches Raubtier ein hundert Meter langes Tier dazu bringen kann, sich Panzerplatten wachsen zu lassen? Dieser Donner, den du vor einer Weile vernommen hast … den habe ich auch gehört. Das war kein Donner …«