15

Am neunten Tag nach dem Einsatz des chinesischen Antriebs sah Maggie, die in ihrer Kajüte gerade einige Berichte verfasste, kaum auf, als sie spürte, dass das Luftschiff wieder einmal anhielt. Ein weiterer Aufenthalt für die Wissenschaftler, dachte sie. Wenn er wichtig genug wäre, dass sie die Einzelheiten kannte, oder wenn man den Zwischenstopp für interessant genug hielte, hätte man sie darüber informiert.

Einen Tag später – das Schiff pausierte immer noch – rief Gerry Hemingway durch. »Tut mir leid, dass ich stören muss, Käpt’n, aber das sollten Sie sich vielleicht doch selbst ansehen.«

Sie warf einen Blick auf den Erdometer: Erde West 17.297.031. Egal, sie brauchte ohnehin mal wieder ein bisschen frische Luft. »Komme gleich. Wie ist das Wetter?«

»Wir sind nicht weit von der Küste entfernt. Ein bisschen frisch, es ist Februar. Ziehen Sie warme Sachen an und wasserdichte Stiefel. Und, Käpt’n …«

»Ja, Gerry?«

»Passen Sie auf, wohin Sie treten.«

»Wir sehen uns am Ausstieg.« Sie erhob sich und schaute zu Shi-mi hinüber. »Kommst du mit?«

Shi-mi rümpfte die Nase. »Ist Schneeball auch dort?«

»Gut möglich.«

»Bring mir ein T-Shirt mit.«

Maggie Kauffman stand auf dem sandigen Küstenstreifen eines sanft plätschernden Meeres. Sie fragte sich, ob es sich um einen Ableger des Amerikanisches Binnenmeers wie im Walhalla-Gürtel handelte und ob hier, wo die Kontinente über die Erdoberfläche rutschten wie Puzzleteilchen über einen umgekippten Tisch, Bezeichnungen wie »amerikanisch« überhaupt noch sinnvoll waren.

Sie befand sich in der Gesellschaft von Gerry, dem Beagle Schneeball und Fähnrich Santorini, den sie dem Beagle als informellen Begleiter zugewiesen hatte. Ihr fiel auf, dass sogar Schneeball, der normalerweise barfuß ging, schwere, behelfsmäßige Stiefel trug. Nicht weit von ihnen entfernt waren Gerrys Wissenschaftler dabei, alles Mögliche zu vermessen, aufzunehmen und zu überprüfen. Dabei starrten sie immer wieder auf diesen unspektakulären Strand, das Meer und die Dünen. Zwei bewaffnete Marinesoldaten standen neben Mike McKibben, ihrem Sergeanten, der gerne Sprüche klopfte und Scrabble spielte. Von der Besatzung wusste niemand so genau, ob die Marines solchen Teams wie jetzt lediglich beigeordnet waren, um nach einheimischen Dinosauriern oder Krokodilen Ausschau zu halten, oder ob sie vielmehr die Schiffsbesatzung im Blick behalten sollten – oder den sprechenden Hund.

Es waren auch zwei Zivilisten dabei, die eigenartig aussehende Messgeräte auf dem Rücken trugen. Sie arbeiteten für Douglas Black und übermittelten ihm unablässig irgendwelche Daten. Black selbst verließ seine Kabine nur selten, aber er interessierte sich brennend für die Welten, über denen sie anhielten, und wollte sie immer wieder, wenn auch nur stichprobenartig, untersuchen.

Maggies Meinung nach gab es hier weder Krokodile noch Dinosaurier, aber dafür jede Menge Leben im Ozean: Sie sah Fische, Seetang und am Strand Reste von Schalentieren. Außerdem waren da Krabben, und zwar in großen Massen, die aufgeregt hin und her rannten.

Gerry Hemingway beobachtete sie. »Wir haben noch keinen offiziellen Bericht abgefasst, Käpt’n. Wie ist Ihre erste Reaktion?«

»Ich bin froh, dass Sie mir den Tipp mit den Stiefeln gegeben haben. Diese verflixten Krabben sind ja überall.«

»Ja, allerdings. Wir haben einen ganzen Weltengürtel gefunden, in dem Krabben und Krustentiere dominieren. Diese Welt hier ist bis jetzt die spektakulärste. Wenn Sie uns ein bisschen Zeit geben, zeigen wir Ihnen alles Schritt für Schritt. Dabei können wir auch gleich unsere Rückschlüsse überprüfen.«

»Was wollen Sie mir denn zeigen?«

»Kommen Sie mit runter zum Meer, Käpt’n.«

Sie warf Schneeball einen kurzen Blick zu, der bemerkenswert menschlich mit den Schultern zuckte, dann ging sie sehr vorsichtig hinter Hemingway her.

Der marschierte ein paar Schritte ins flache Wasser. »Was halten Sie davon, Käpt’n? Und davon?« Er zeigte auf den Meeresboden, auf einen großen rosafarbenen und dann auf einen grünen Flecken.

Beim näheren Hinsehen erkannte sie, dass es sich bei dem Rosa um einen ganzen Schwarm Schalentiere handelte. Das Grün war Seetang. »Ich verstehe nicht ganz …« Erst dann wurde ihr klar, dass die garnelenartigen Tiere in einem Rechteck aus auf dem Sand des Meeresbodens angehäuften Steinmauern eingepfercht waren und von einer Krabbe beaufsichtigt wurden, die kaum größer als Maggies Handfläche war. Auch der Seetang war grob auf eine zwei auf zwei Meter große Fläche beschränkt, auf der weitere Krabben beschäftigt waren. Sie glitten über den Seetang hinweg und rupften hier und da im Grün herum. Dabei bewegten sie sich in akkurat parallelen Linien hin und her, wie auf einem … Acker?

Maggie machte einen Schritt zurück und sah sich um. Soweit sie sehen konnte, war der Meeresboden in unmittelbarer Küstennähe links und rechts von ihr von ganz ähnlichen Rechtecken und Quadraten bedeckt – grün, rosa, violett, auch andere Farben. Jetzt, da sie es sah, war es offensichtlich.

»Oha.«

Hemingway grinste. »Was denn ›oha‹, Käpt’n?«

»Spielen Sie sich nicht so auf, Hemingway.«

»Far-rrhmen«, sagte der Beagle, der ebenso ungläubig aussah wie Maggie. »Kleine Far-rrhmen.«

»Ganz genau«, erwiderte Hemingway. »Was wir hier sehen, ist ganz offensichtlich eine sorgfältige, absichtliche und zielgerichtete Kultivierung, die von dieser speziellen Krabbenart ausgeführt wird. Weiter geht’s. Folgen Sie mir, Frau Kapitän …«

Sie gingen weiter am Strand entlang bis zu etwas, was auf den ersten Blick wie ein Entwässerungsgraben aussah, der tief in den Sand gegraben war und schnurgerade aus den Dünen herauskam. Er mochte drei Meter breit sein, und auf seiner Oberfläche trieb, Maggies erstem Eindruck nach, allerlei Abfall herum, vielleicht Blätter oder Baumreste, die ein Sturm aus dem Landesinneren hierhergeweht hatte …

Nein. Sie schaute genauer hin. Der »Abfall« trieb in zwei Reihen dahin, von denen eine sich auf das Meer zubewegte und die andere in Richtung Land. Und das, was sie für dahintreibenden Unrat gehalten hatte, waren größtenteils kleine Quadrate und Rechtecke, keines mehr als fünfzig Zentimetern Seitenlänge, die auf dem Wasser schwammen. Diejenigen, die flussabwärts unterwegs waren, trugen etwas, das tatsächlich wie Abfall aussah, leere rosafarbene Schalen und anderen Müll. Diejenigen, die vom Meer heraufkamen, waren beladen – mit Garnelen und Seetang.

Schneeball beugte sich darüber und schnüffelte intensiv mit seinen schwarzen Nüstern. Maggie fragte sich, was er wohl sah, was er wahrnahm …

Was sah sie hier eigentlich?

Diese kleinen, hellbraunen Matten waren Flöße, aus einer Art Schilf geflochten. Diejenigen, die in Richtung Meer unterwegs waren, schienen mit der Strömung zu treiben, aber die anderen in der Gegenrichtung waren mit feinen Fäden mit Krabben am Ufer des kleinen Kanals verbunden: größere Tiere als diejenigen, die sie bei den Seetangfarmen gesehen hatte, kräftige, behäbige Exemplare, die schwer an ihren Fäden zu ziehen hatten. Als sie genauer hinsah, erblickte sie auch noch mehr dieser kleineren Krabben. Jedes dieser großen Zugtiere hatte mindestens eine kleine Krabbe hinter sich, die etwas in einer Schere hielt – war das eine Peitsche? Etwas in der Art. Und auf jedem Floß fuhr ebenfalls eine kleine Krabbe mit, manchmal auch zwei, die wiederum kleine Streben in den Scheren hielten, mit denen sie so etwas wie ein Steuerruder kontrollierten.

Maggie machte einen Schritt zurück. »Das ist doch unmöglich!«

»Von wegen, Käpt’n«, sagte Hemingway und grinste. »Das Leben hat viele Ausdrucksmöglichkeiten – und allem Anschein nach auch viele Spielarten der Werkzeugherstellung und der Schaffung von Zivilisationen. Hier haben die Krabben die Gelegenheit ergriffen. Warum auch nicht? Auf der Datum gibt es schon seit dem Jura Krebse und Krabben, es gibt Tausende von Arten, und sie können ziemlich schlau sein. Sie verständigen sich mittels Scherenklappern, kämpfen um Weibchen und buddeln Gräben. Sie haben zwar keine Hände, aber mit diesen Scheren kann man ziemlich präzise arbeiten.«

»Sie scheinen überhaupt nicht auf uns zu reagieren, oder? Dabei steht hier ein halbes Dutzend Riesen und glotzt auf sie herab.«

»Zu groß«, knurrte Schneeball. »Sehen uns nich-cht.«

»Könnte sein«, sagte Hemingway. »Vielleicht lässt ihr Körperbau nicht zu, dass sie nach oben sehen. Warum auch? Vielleicht können sie uns rein visuell nicht einordnen. Wir sind für sie einfach zu fremdartig, wie Wolken, die auf den Boden herabgestiegen sind …«

»Sie haben von ›Zivilisation‹ geredet. Ich sehe zwar jede Menge Flöße und Fischer, aber … welche Zivilisation?«

Er richtete sich auf. »Gleich hinter den Dünen, Käpt’n.«

Die Stadt der Krabben scharte sich um das, was Gerry Hemingway für eine Tempelanlage hielt. Vielleicht war es auch ein Palast.

Das große, klotzige Gebäude mit seinen offenen Säulengängen lag an einem langen und breiten rechteckigen Wasserbecken, randvoll mit trübem grünem Wasser. Vor dem »Tempel« stand die Skulptur einer Krabbe, die wie die Flößer aussah, nur viel größer, ungefähr halb so groß wie ein Mensch. Kleinere Krabbenskulpturen mit erhobenen Scheren standen aufgereiht rings um den Teich, aber Maggie fand, dass diese lebensgroßen Kopien eher wie Kadaver aussahen, vielleicht waren es auch abgeworfene Schalen.

Der gesamte Komplex aus Wasserbecken und Palast war auf allen Seiten von weiteren Gebäuden umgeben, alle mehr oder weniger rechteckig, aber mit abgerundeten Ecken, und alle aus einer harten, bräunlichen Substanz erbaut. Der Palast war tatsächlich das Herzstück eines aus geraden Linien bestehenden Straßenrasters, an das sich die bebauten Abschnitte hielten. Der vom Meer her kommende Kanal führte direkt in ein großes Viertel, dessen Gebäude wie Lagerhäuser aussahen und wo, wie Maggie vermutete, die herangeschaffte Nahrung in die eine Richtung geleitet und der gesammelte Abfall in die andere Richtung weggespült wurde. Es war eine regelrechte Stadt, obendrein von der Anlage her einer Menschenstadt nicht unähnlich – und ganz und gar nicht wie die unregelmäßigen Häuseransammlungen der Beagles. Nur dass in allen Straßen Krabben hin und her krochen. Hier an Land gab es keine Fahrzeuge, aber Maggie sah, dass einige der kleineren Krabben auf den Rücken ihrer größeren Verwandten ritten.

Wie Gulliver in Liliput konnte Maggie über die größten Gebäude hinwegsteigen. Auch dort, wo sie die Füße – mit großer Sorgsamkeit – auf Straßen oder größere Plätze setzte, schienen die Krabben sie gar nicht richtig wahrzunehmen, sie krabbelten einfach um ihre großen Stiefel herum.

Als sie nach oben sah, erblickte sie die tröstlichen Silhouetten der Twains am Himmel, die sie wieder an die Wirklichkeit erinnerten.

»Meine Güte«, sagte sie zu Hemingway, »das ist ja wie eine Modellanlage. Ich würde mich nicht wundern, wenn gleich eine Spielzeugeisenbahn um die Ecke gerattert käme.«

Hemingway schien drauf zu brennen, ihr alles haarklein zu erklären. »Wir haben bis jetzt so einiges herausgefunden, Käpt’n. Wir beobachten sie inzwischen schon seit vierundzwanzig Stunden. Wir glauben, diese hier …« Er beugte sich hinab und zeigte auf ein Tier.

»Die Flößer?«

»Genau. Das sind die Klugen. Bei ihnen scheinen nur die Männchen das Sagen zu haben. Die anderen, größeren, sind die Weibchen ihrer Spezies – bei vielen Krabbenarten gibt es einen ausgeprägten Sexualdimorphismus. Ähm, sie scheinen auch noch andere Spezies als Zugtiere zu benutzen, vielleicht auch als Nahrungsmittel und als Bauarbeiter. Das Rad scheinen sie noch nicht erfunden zu haben … Wie Sie sehen, reiten sie auf den dümmeren Exemplaren.«

Er machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter: »Die Gebäude bestehen aus einer Paste aus gekauten Schalen und Speichel, auf deren Produktion sich eine bestimmte Art spezialisiert hat. In der großen Zone dort drüben werden Nahrungsmittel verarbeitet. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wozu die anderen Gebäude und Bezirke gut sind, obwohl einige davon bestimmt reine Wohngebiete sind. Auf der Datum leben Krabben am liebsten in Hohlräumen, in Höhlen und sogar in Gruben, die sie sich in den Meeresboden graben …«

Maggie bückte sich zu den unbeweglichen Krabbenabbildern rings um das Wasserbecken hinab. »Krabben häuten sich, oder?«

»Allerdings, Käpt’n. Sie werfen regelmäßig ihre Panzer ab. Vielleicht sind das hier alte Schalen, wer weiß? Keine Skulpturen wie der große Bursche vor dem Palast, sondern abgelegte Panzer – von wem? Vom Kaiser? Seinen Vorfahren? Einem Priestergeschlecht? Es ist eindeutig ein Er, das sieht man an der Größe der Panzer. Außerdem hat man sie zu religiösen Zwecken aufgestellt.«

»Das ist aber ziemlich wild spekuliert, Gerry.«

»Stimmt, Käpt’n.«

»Es kommen noch mehr-rrh«, sagte Schneeball und gab den großen Durchgang frei, der zum Becken hinüberführte.

Schon schob sich eine regelrechte Prozession heran, eine ganze Reihe Krabben bewegte sich auf den zentralen Komplex zu, die meisten davon in Flößergröße, dazwischen aber auch ein paar andere. Einige schienen ihre Schalen geschmückt zu haben, rot, schwarz, violett, vielleicht mit einer Variante von Tintenfischtinte, dachte Maggie. Andere, die an den Seiten gingen, klapperten laut mit den Scheren. Andererseits gab es weiter in der Mitte des Gewühls wieder andere, die eher schmutzig aussahen, mit zerkratzten und vernarbten Panzern. Bei einigen fehlten sogar die Scheren, womöglich waren sie an den Gelenken abgeknipst worden.

Außer dem Klappern der Scheren und dem Schaben Tausender von Panzern war nichts zu hören. Ein Geräusch wie Sand an einer Fensterscheibe.

»Kämpfer-rrh mit gefangenen Feinden«, sagte Schneeball. Es hörte sich beinahe traurig an. »Ihr-rrhe Waffen sind abgeschnitten.«

»Gut möglich. In der Vergangenheit haben wir dergleichen auf der Datum mehr als genug gesehen«, sagte Hemingway. »Vielleicht geben die Jungs, die da Kastagnetten spielen, nicht einfach nur sinnlose Geräusche von sich. Einige Krabbenarten kommunizieren mit solchen Geräuschen. Auf der Datum lautet die Nachricht meistens nur: ›Das Essen gehört mir‹, aber hier dürfte es etwas komplexer sein.«

»Ich frage mich, welches Schicksal diese Gefangenen wohl erwartet, wenn sie das Becken erreicht haben«, sagte Maggie.

»Irgendwas geht am Palast vor sich«, murmelte Hemingway. »Da kommt eine Abordnung herausmarschiert.« Er gab seinen Leuten ein Zeichen. »Seht zu, dass ihr das alles restlos aufzeichnet!«

»Wird gemacht.«

Maggie beugte sich tiefer hinab, um zu sehen, wer da aus diesem Palast aus Schale und Spucke herauskam. Eine große Krabbe inmitten des Pulks war sicherlich die wichtigste Erscheinung. Ihr Panzer war nicht verziert, aber das Exemplar sah schwer aus, älter, und es kam Maggie sogar auf eine unbestimmte Weise arroganter vor. Der Würdenträger war von einem Kreis seltsam aussehender Gefolgsleute umgeben, die rosig und verletzlich aussahen … »Meine Güte!«, sagte sie. »Die haben keine Panzer.«

»Vielleicht haben sie sich gerade gehäutet«, meinte Hemingway. »Beim Häuten muss die ganze Krabbe aus ihrem Panzer steigen … Aber diese Gefährten haben natürlich auch die richtige Größe, um Weibchen zu sein. Bei manchen Krabbenarten werden die Weibchen direkt nach dem Häuten begattet, wenn sie weicher sind. Hm. Ich frage mich, ob dieser Herrscher Möglichkeiten gefunden hat, seinen Harem davon abzuhalten, neue Panzer auszubilden. Damit sie ihm stets zur Verfügung stehen, sobald ihn das Verlangen überkommt.«

»Autsch«, sagte Maggie.

»Ja, Käpt’n. Die Prozession hat jetzt das Wasser erreicht.«

Letztendlich war das Schicksal der Gefangenen ein brutales und endgültiges. Einer nach dem anderen wurde von den verzierten Soldaten-Typen in das Becken geworfen. Als der erste Gefangene ins Wasser eintauchte, verwandelte sich das Becken in hektische Betriebsamkeit, und schon bald herrschte ein einziges Durcheinander aus Fleisch und Schalen und verzweifelt um sich schlagenden Opfern.

Alle Gefangenen wurden hineingeworfen, einer nach dem anderen, mit entsetzlicher Gleichmäßigkeit, während der »Herrscher« und seine Gemahlinnen zusahen.

»Ich wüsste zu gerne, was sie in diesem Becken halten«, sagte Hemingway. »So etwas wie Piranhas?«

»Babys-ss«, knurrte Snowy.

»Was?«

»Babys. Kr-rrhabbenbabys werden von Mutter-rrh einfach ins Wasser-rrh gelassen. Schwimm. Finde Fr-rrhessen. Nicht wie junge Hunde, sie saugen nicht.«

»Ach«, sagte Hemingway. »Und in diesem Becken …«

»Babys von Herrscher-rrh in diesem Palast. Fressen Feinde. Macht Babys stark-hh. Lässt sie gegeneinander kämpfen. Ist so ähnlich wie bei uns. Junge zerreißen gefallene Feinde von Mutter-rhh.«

Hemingway und Maggie wechselten einen Blick. »Weißt du was«, sagte Hemingway, »du hast wahrscheinlich recht. So hätte ich nie darüber nachgedacht. Aber es ergibt durchaus Sinn – eine kulturelle Logik, die sich aus den Vorgaben ihrer Biologie ergibt.«

Schneeball musste sich das erst in eine einfachere Terminologie übersetzen lassen, aber dann sah er Maggie an. »Eure Gedanken, meine Gedanken, immer abhängig von Blut, von Körper-rhh. Brauchen anderes Blut, andere Körper-rhh, um Gedanken zu überprüfen. Mein Blut nicht deins. Meine Gedanken nicht eure.«

Maggie grinste. »Damit hast du absolut recht. Genau deshalb wollte ich dich mit an Bord haben, Schneeball. Unterschiedliche Denkweisen, aus unterschiedlichen biologischen Perspektiven. Um die vorgefassten Meinungen abzulegen, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben. Was wäre der Sinn der Langen Erde, wenn wir unseren Verstand nicht zusammenwerfen würden?« Sie musterte den Beagle. »Ich hoffe sehr, dass du als Besatzungsmitglied einen konstruktiveren Eindruck von uns gewinnst, als ihn deine Leute in deiner Heimatwelt von uns pflegen.«

Schneeball schien die Stirn zu runzeln, aber sein Gesichtsausdruck war immer sehr schwer zu interpretieren. »Konssch … konsch-sch …«

»Ich meine: einen besseren Eindruck. Ich weiß, dass ihr nicht damit einverstanden seid, wie wir unsere Hunde behandeln. Aber du weißt, dass wir sie auch schätzen und lieben.«

Hemingway schien sich für die Unterhaltung zu interessieren. »Nicht nur das, Käpt’n, es gibt Menschen, die glauben, dass das Verhältnis zu unseren Hunden zu unserer eigenen Entwicklung beigetragen hat. Wenn wir dieses Experiment mit Schneeball fortsetzen, wenn wir auch in Zukunft zusammenarbeiten …«

Schneeball sah ihn ernst an. »Vielleicht haben sich Menschen-hh auch besser-rrh fortgepflanzt als vorher-rrh.«

Maggies Grinsen wurde noch breiter. »Leutnant, ich werde in meinem Logbuch vermerken, dass du heute deinen ersten Witz gemacht hast. Aber was fangen wir jetzt mit diesen Krabbenviechern an?« Sie ging in die Hocke und starrte auf die blutige Szene, die sich vor ihnen abspielte. »Wisst ihr, wir haben mit diesen kleinen Kerlchen mehr gemeinsam, als uns lieb sein kann. Mit wir meine ich sowohl die Menschen als auch die Beagles – mindestens. Sie stellen Werkzeuge her, genau wie wir. Sie errichten Städte, genau wie wir. Wissen wir, ob sie zählen können, Gerry? Oder schreiben?«

»Äh, Käpt’n …«

»Wissen Sie, wenn ich eine Möglichkeit fände, einen von diesen Burschen in die Mannschaft der Armstrong aufzunehmen …«

»Käpt’n.« Es klang dringlicher.

Sie drehte sich um. »Was denn?«

Er gestikulierte verschämt. »Die Ecke des Tempels. Ihr, äh, Hintern …«

Sie drehte sich um und schaute hin. »Ich habe den Westflügel demoliert. Hoppla.«

»Jetzt ss-ssehen sie uns«, sagte Schneeball, der nach unten sah.

Maggie sah, dass der Herrschertyp ihr mit seinen großen Scheren auf eine in seinem Miniaturzorn gewissermaßen komische Weise drohte, wobei er nach links und rechts um sich schlug und so seine weichen, ungepanzerten Konkubinen verscheuchte. Überall klapperten jetzt Scheren, ein leises Geräusch, das in der Vielfalt jedoch immer lauter wurde. Sie hatte den König von Liliput beleidigt, indem sie seinen Palast mit ihrem Hintern gestreift hatte. Sie versuchte, nicht zu lachen.

Aber dann spürte sie, wie der Boden ins Schwanken geriet.

Hemingway drehte sich um. »Äh, Käpt’n …«

»Was jetzt, Gerry?«

»Die große Krabbe auf dem Dach des Gebäudes. Die richtig große.«

»Was ist damit?«

»Wir dachten, es wäre eine Skulptur.«

»Und?«

»Also … es ist keine.«

»Was denn?«

»Ein Panzer. Auch sie ist bloß ein Panzer.«

»Ein Panzer von was? Ach … Von dem, was dort drüben aus dem Boden gekrochen kommt. Verstehe. Was schlagen Sie jetzt vor, Leutnant?«

Ohne zu zögern, sagte er: »Abhauen, Käpt’n!«

Sie hauten ab, vor einer Krabbe, die aus einem Erdloch im sandigen Boden hervorbrach, eine Krabbe, so groß wie ein kleiner Bär und mit der Geschwindigkeit eines Geparden, ob sie nun seitwärts rannte oder nicht.

Die Luftschiffe blieben drei Tage vor Ort und beobachteten, stellten Messungen an, nahmen Proben. Sie ließen ein Team aus drei Freiwilligen aus Hemingways Abteilung zurück, das die Zivilisation der Krabben genauer erforschen und nach Möglichkeit Kontakt herstellen sollte – oder zumindest vor Ort überleben.

Dann setzten sich die Schiffe wieder in Bewegung.