SHAVASANA
Die Ruhestellung (Shavasana) wird auch die Totenstellung genannt. Trotz ihres Furcht einflößenden Namens führt sie zu innerer Ruhe und Freude und zu einem Körperbewusstsein, das bereits eine heitere Ahnung von Transzendenz in sich trägt.
»Wisst ihr eigentlich, was das Beste am Yoga ist?«, fragte Nadine gut gelaunt und ließ sich mit Karacho in die Kissen zurückfallen. Anna konnte gerade noch ausweichen.
»He«, meckerte sie, »das ist meine Seite!«
»Meine Seite, deine Seite – mach dich mal locker! Wir sind hier schließlich im Ashram!«
»Deshalb will ich trotzdem nicht deine Haare auf meinem Kissen.«
»Also, das Beste am Yoga ist«, plapperte Nadine unbekümmert weiter, »dass man dabei auch noch gut aussieht. Überlegt mal, was wir sonst für Sport gemacht haben! Dieses ganze Geschwitze beim Work-out im Fitnessstudio, das war doch kein schöner Anblick.«
»Und diese ausgestellten Hosen sahen auch nicht wirklich gut aus. Außer an Victoria Beckham.«
»Ich hatte eine in Neon-Orange!«
»Erinnerst du dich an meine mit dem Tigermuster?«
»Die Wahrheit ist so bitter.«
Nadine und Anna erhoben sich aus ihrer entspannten Rückenlage und klatschten die Handflächen aneinander wie zwei schwarze Rapper, denen ein besonders gemeiner Reim eingefallen war. Leise quietschten die Matratzen einen Rhythmus dazu. Ich sah auf die Uhr. Gleich würde die strenge Pferdeschwanzfrau die Tür aufreißen und uns mindestens fünfzehn Minuten Strafschweigen aufbrummen.
»Wollt ihr nicht zu uns ins Bett kommen?«, fragte Nadine und klopfte einladend auf ihr Fußende. Dort hätte zwar allenfalls Paris Hiltons Hund Platz gehabt, aber die Geste wusste ich zu schätzen.
»Lass mal gut sein«, sagte ich, »ich wollte schon immer auf einem original niedersächsischen D-Lagen-Pensionsstuhl sitzen. Da muss man jede Minute genießen.«
Ich warf einen Blick zu Melli, aber die fühlte sich augenscheinlich nicht angesprochen. Schon die ganze Zeit saß sie an die Wand gelehnt im Schneidersitz und flocht Zöpfchen aus den Fransen einer karierten Wolldecke.
Entweder sie war müde. Oder sie nahm das hier verdammt ernst. Und war böse auf uns, weil wir es nicht taten. Wenigstens nicht so.
Es gab noch einen dritten Grund, aber an den wollte ich lieber gar nicht so genau denken.
»Sagt mal«, ich senkte verschwörerisch meine Stimme, »wollt ihr wirklich den ganzen Abend beim Ingwertee bleiben oder mal auf was Härteres umsteigen?«
»Was hättest du denn?«, fragte Anna interessiert. »Rotbusch?«
»Mehr rot als Busch«, flüsterte ich, griff in meine Handtasche neben mir auf dem Boden und förderte die Chiantiflasche zutage.
Nadine stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sweetie«, sie nickte mir zu, »du entwickelst ja richtig kriminelle Energie.«
Anna blickte zweifelnd zwischen Nadine und mir hin und her. »Ich weiß nicht«, sie hob abwehrend die Hände, »das stand aber anders in unserem Vertrag.«
»Alles, was Spaß macht, ist entweder unmoralisch, illegal oder macht dick«, gab ich leichthin zurück und stand auf, um im Bad nach Zahnputzbechern zu suchen, die man als Weingläser zweckentfremden konnte. Endlich hob auch Melli den Kopf.
Ihr Blick war nicht nur eisig. Er war unter null. Minus 273,15 Grad Celsius. Kälter konnte es nicht mehr werden.
»Ich finde das ganz, ganz schlimm«, sagte sie schließlich. »Ihr seid so oberflächlich. Könnt euch überhaupt nicht einlassen auf das hier.«
»Hä?«, fragte Anna ungewöhnlich wenig wortgewandt.
»Was ist das denn jetzt, Sweetie«, fragte auch Nadine, »vor ein paar Monaten hast du dich noch lustig gemacht, als Anna und ich angefangen haben, uns für Yoga zu interessieren. Und jetzt bist du plötzlich selbst der Oberguru?«
Melli knetete noch immer ihre Wollfransen. »Ich glaube«, antwortete sie dann ganz leise, »ich glaube, dass Yoga wirklich sehr viel verändern kann. Nicht nur, dass man weniger Rückenschmerzen hat oder so, sondern das ganze Leben. Das eigene Denken, die eigenen Beziehungen. Aber dann muss man sich eben auch mit ganzer Seele und ganzem Herzen dafür öffnen.«
Unschlüssig stellte ich die Weinflasche auf dem Tisch vor mir ab und setzte mich wieder. Ich wollte ja nicht die ganze Liebes- und Friedensenergie im Haus wieder zunichtemachen. Und so ein handfester Streit unter besten Freundinnen konnte mit Sicherheit mindestens eine Stunde Mantrasingen ruinieren.
»Pfft«, Nadine schnaubte, »solche Sätze lese ich doch jede Woche in der ›Gala‹. Nenn mir ein einziges Model, das noch kein Yogabuch geschrieben hat! Oder eine Schauspielerin, die nicht mit irgendeinem hutzligen tibetischen Mönch trainiert! Die sagen das doch alle: Dass Yoga ihr Leben total verändert hat. Und das glaub ich denen auch sofort, das ist ein super Workout und ist wahrscheinlich ganz entspannend, wenn man so eine Promi-Existenz führt. Aber hast du schon mal eine von denen mit einem Teebecher auf der Oscar-Verleihung gesehen? Oder denkst du ernsthaft, Richard Gere putzt in Himalajaklostern die Klos? Jennifer Aniston gräbt mittags schwitzend ein Blumenbeet um, damit ihr Karma besser wird?«
Blumenbeet. Das war doch mein Stichwort.
»Ach ja, wenn du gerade von Gartenarbeit sprichst«, sagte ich betont lässig und kniebelte an dem Etikett der Weinflasche herum, »möchtest du zufällig mit mir tauschen? Küchendienst?«
Verblüfft sah Nadine mich an. »Wie? Du willst freiwillig in den Matsch?«
Ich zuckte die Achseln. »Nur die Harten kommen in den Garten. Im Ernst, mir macht das nichts aus. Außerdem«, ich senkte vertraulich die Stimme, »hatte ich in letzter Zeit häufig diese seltsamen Hautirritationen … ich fürchte, ich neige zu einer Spülmittelallergie. «
»Ich sag’s ja nur ungern«, gluckste Nadine, »aber du und Grünpflanzen, das ist mir bisher auch nicht als besonders kosmische Verbindung aufgefallen. Eher im Gegenteil.«
»Äh, doch!«, behauptete ich. »Das hab ich als Kind schon gern gemacht. Im Garten meiner Oma.«
Das war nicht vollkommen gelogen, aber auch nicht ganz die Wahrheit. Mein Beitrag zur Gartenarbeit hatte meistens darin bestanden, dass ich die großen Steine umgedreht und die blau schillernden Kellerasseln beobachtet hatte, die sofort in Panik durcheinanderwuselten. Oder ich hatte mir mit unreifen Pflaumen den Magen verdorben.
»Ich hab auch gar nichts gesagt, Sweetie«, Nadine hob grinsend die Arme und zeigte mir ihre Handflächen, »das ist ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann.«
Melli sah fragend zwischen der Weinflasche und mir hin und her. Ich musste das Thema wechseln. Dringend. Nicht, dass ich Geheimnisse vor ihr gehabt hätte. Aber so genau musste sie nun auch nicht wissen, mit wem ich mir da die Finger schmutzig machen wollte. Hoffentlich kam sie nicht auf die Idee, noch mal auf der Anschlagtafel nachzuschauen.
»Dann bring ich mal eben dieses Baby hier rüber in Mellis und mein Zimmer«, sagte ich und griff nach dem Chianti, »nicht, dass es uns doch noch in Versuchung führt.«
Ich ignorierte sowohl Nadines bestürzten als auch Mellis befriedigten Blick und schlich auf den Gang. Draußen war es dunkel und still. Alle anderen hielten sich wohl wirklich an die Yogagebote. Ich tastete an der Wand herum, während sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Der Lichtschalter musste doch hier irgendwo neben dem Flurspiegel sein! Jetzt kamen Schritte die Treppe hoch und näher, schließlich schälte sich eine große Gestalt aus dem Zwielicht und kam genau auf mich zu. Das heißt, sie steuerte genau auf den Lichtschalter zu. Beinahe berührten sich unsere Finger, und als ich den kahl rasierten Schädel und die breiten Schultern erkannte, war es schon zu spät.
Die schlechte Nachricht war: Ich stand vor Siv, abends um Viertel nach elf, vor einem Zimmer, aus dem schon wieder leises Kichern drang, und trug in der Hand eine Flasche Wein.
Die gute Nachricht war: Immerhin war die Flasche unberührt. Und ich sagte gerade auch nichts.
Er starrte erst mich an, dann die Flasche, dann wieder mich. Dann begann er zu grinsen. So ein richtiges Ich-zieh-jetzt-alle-Register-Grinsen, mit Grübchen in den Wangen und blitzenden Augen wie aus der Sternchendusche für Frau Stöver.
»Ich wusste es«, flüsterte er verschwörerisch, »irgendwo in diesem Haus steigt eine Party, und ich bin mal wieder nicht auf der Gästeliste. «
»Äh«, sagte ich einfallslos, »das ist alles ein furchtbares Missverständnis. Ich meine, ich muss beim Packen einfach aus Versehen nach der falschen Flasche gegriffen haben.«
»Falscher Jahrgang?«
»Na klar … nein, natürlich nicht!«, redete ich weiter und verfluchte mich selbst. Jetzt war ich heute Abend doch noch fürs Improvisationstheater gecastet worden. Zwar nicht vor zweihundert Yogis und einem bayerischen Guru. Doch immerhin vor einem der Zuschauer, der mich am meisten interessierte.
»Ich meine, in meinem Kühlschrank steht ja so einiges herum, Sauerkrautsaft, Brottrunk und so. Da muss ich mich wohl einfach vertan haben.«
Siv griff nach der Flasche und blickte prüfend auf das Etikett. Beinahe berührten sich unsere Finger. Schon wieder! Er schnalzte leise mit der Zunge.
»Ein Jammer«, murmelte er, »so ein guter Chianti, und dann im Kühlschrank aufbewahrt. Da müssen wir wohl froh sein, dass er da wenigstens einmal herausgekommen ist.«
»Äh, ja«, begann ich zum dritten Mal, »ich kenne mich da nicht so aus. Mit Alkohol.«
»Nein?« Er wirkte amüsiert.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin eher so der natürliche Typ. Lange Spaziergänge am Flussufer, einfach sitzen und den Vögeln zuhören, Gartenarbeit … meine Zierpflanzen … so etwas ist mir lieber als lange Partynächte.«
Er nickte und ließ die Flasche los. »Das ist ja ein Zufall« sagte er, »Pflanzen liebe ich auch. Ich finde, sie sind ein guter Indikator für das Seelenleben einer Person. Wenn zum Beispiel jemand überhaupt nichts Grünes in seiner Wohnung hat oder nur so eine verdorrte Yuccapalme, das ist mir immer sehr suspekt.«
Ich nickte eifrig und starrte dabei auf den Teppich. Graugrün, etwa die Farbe meiner Aura. Was erzählte ich hier eigentlich? Das hatte doch nichts mit mir zu tun! Allenfalls mit der Frau, die ich gern werden wollte.
»Weißt du, es geschieht ja im Leben nichts ohne Grund«, erklärte ich versonnen und lehnte mich an die Wand, eine Haltung, die mädchenhaft und lässig zugleich aussehen sollte. »Jedenfalls glaube ich, es ist nicht ganz umsonst so, dass ich morgen Mittag in der Gartenarbeitsgruppe eingeteilt bin.«
»Wie schön«, sagte er, und wieder erschien dieses Grübchenlächeln, »dann sehen wir uns ja. Morgen um eins, hinter dem Rosenbusch. «
Siv mochte ein toller Yogalehrer sein. Aber das mit der stillen, leidenschaftslosen Zufriedenheit hatte er fast genauso wenig drauf wie ich. Das spürte ich genau. Immerhin etwas, in dem wir uns tatsächlich ähnlich waren. Vielleicht konnten wir ja gemeinsam an unseren Defiziten arbeiten.
Allerdings nicht, ohne sie vorher noch einmal so richtig auszukosten.
Mist. Ich hatte schon wieder unanständige Gedanken. Warum musste Mr Buddha denn auch ausgerechnet der erste Mann seit Jahren sein, der auch meine beste Freundin nervös machte?
»Ich muss dann mal«, flüsterte ich, »bis morgen!«
»Gute Nacht«, flüsterte er zurück, »und keine Sorge, dein kleines Missverständnis ist bei mir gut aufgehoben.«
Dabei sah er mich an, als hätte er mich am liebsten bei der Hand genommen und mich in sein Zimmer geführt, um gemeinsam die Rotweinflasche auszutrinken.
Er drehte sich um. Auf der Rückseite seines blauen Sweatshirts glänzte ein goldener Buddha. Und hielt den Mund. Entweder Sweatshirtbuddhas konnten nicht sprechen – im Gegensatz zu Autobuddhas und Flyerbuddhas. Oder er gehörte zu der schweigenden Mehrheit, die sich an das Stillegebot hielt.
Ich erzählte Melli selbstverständlich nichts von meiner abendlichen
Begegnung auf dem Gang, als wir später gemeinsam in dem
Jugendzimmerbett nebenan lagen. Zuerst redeten wir eine ganze Weile
lang gar nichts, aber wir kannten uns lang genug, um zu merken,
dass jede von uns ihren eigenen Kampf ausfocht. Mit dem
Einschlafen, mit dem eigenen Stolz und mit Gedanken, die in eine
ähnliche Richtung gingen. Melli war es schließlich, die das
Schweigen brach.
»Findest du das denn eigentlich wirklich alles so blöd?«, fragte sie beinahe zaghaft. »Diese ganze Weltanschauung und was den Leuten hier Yoga bedeutet? Was es mir bedeutet?«
»Nein«, sagte ich, erleichtert, dass sie den ersten Schritt gemacht hatte. »Das ist mir nicht unsympathisch. Ich meine, mit jemandem, der jeden Tag für den Weltfrieden meditiert, würde ich jedenfalls lieber einen trinken gehen als mit jemandem, der nur für die Wertsteigerung seines Aktienportfolios betet.« Ich hörte Melli in der Dunkelheit tonlos kichern und kicherte mit, einfach so, aus alter Freundschaft. Bis ich verstand. Vielleicht brauchte ich noch dringender ein Date mit den Anonymen Alkoholikern als mit einem sexy Yogalehrer. »Ich meine natürlich, einen Tee trinken«, fügte ich hinzu.
Melli seufzte und richtete sich schließlich halb im Bett auf. Vorsichtig bewegte sie den Kopf hin und her, bis ihre Halswirbel knackten.
»Erinnerst du dich noch an diese Hausboottour?«, fragte sie plötzlich. »Diesen Trip für Reisebüromitarbeiter, bei dem jemand ausgefallen war und du mich mitnehmen durftest?«
»Klar erinnere ich mich. Ich hab am ersten Tag das Boot an der Schleuse festgemacht, fast wären wir geendet wie die Titanic.« Ich verschränkte die Arme hinter meinem Kopf und sah ein paar geheimnisvollen Lichtpunkten an der Decke zu. Wo kamen die jetzt her? Versprengte Energie vom gemeinsamen Mantrasingen?
»Weißt du«, fuhr Melli fort, »was mich am meisten überrascht hat, war, wie schwerfällig diese Boote zu manövrieren sind. Man lenkt und lenkt und lenkt und es passiert überhaupt nichts, und plötzlich, fünf Minuten später, macht das Ding eine Kurve und du musst total gegensteuern. Weißt du was? Genau so bin ich doch auch. Unheimlich langsam, aber wenn ich mal auf Kurs bin, dann bin ich auch auf Kurs. Dann lasse ich mich so schnell nicht mehr abbrin-gen. Ich mache einfach keine halben Sachen, dafür bin ich nicht geschaffen.«
Ich nickte in die Dunkelheit. Es stimmte, was sie sagte. Melli hatte für alles in ihrem Leben lang gebraucht. Steve hatte sie ein halbes Jahr gekannt, bis sie sich zum ersten Mal von ihm küssen ließ, und bis sie sich für eine Ausbildung zur Erzieherin entschieden hatte, waren sämtliche Bewerbungsfristen für das Jahr schon abgelaufen. Doch wenn sie sich auf etwas einließ, dann tat sie es ganz. Nicht umsonst war sie meine treueste Freundin. Meine älteste. Meine beste.
»Und jetzt bist du wirklich so ganz und gar auf dem Yogaweg?«
»Ich weiß, das klingt komisch. Hätte ich bis vor ein paar Monaten auch nicht gedacht, und ich bin da ja auch mehr zufällig reingeraten. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, umso mehr fasziniert mich das ganze Thema.«
Wer oder was genau fasziniert dich eigentlich?, lag mir auf der Zunge, aber ich hielt mich zurück. Stattdessen fragte ich: »Und Steve? Wie findet der das?«
Wieder ein leiser Seufzer. »Ich weiß, das wird noch ganz schön hart. Wenn ich wirklich vegetarisch lebe, jeden Tag meine Übungen mache und morgens um sieben zum Meditieren aufstehe. Ich weiß vor allem nicht, wo ich einen Platz für den Altar schaffen soll. Er sollte nach Norden zeigen, das ist energetisch günstig. Sagt der Siv.«
Ich ging elegant über das Stichwort hinweg.
»Und wo ist das Problem?«
»Na, da steht schon der neue Plasmafernseher. Und den würde Steve sicher nicht wegrücken. Das würde er niemals verstehen.«
Nein, würde er nicht, wollte ich sagen. Weil er nämlich immer noch kein Fremdwörterlexikon hat und keine Ahnung, was energetisch bedeutet.
Doch plötzlich hatte ich eine Sperre im Kehlkopf. So eine winzig kleine Schranke im dritten Chakra von oben, die nichts Gehässiges mehr durchließ. Stattdessen sagte ich etwas ganz anderes. Etwas, das sogar mich selbst überraschte.
»Wenn er dich wirklich liebt«, sagte ich, »dann rückt er sogar den Fernseher für dich weg.«
Wo kam das jetzt her?
Auf Melli hatte es jedenfalls ungefähr die Wirkung, die siebzehnmaliges Absingen eines Schlafliedes auf ein übermüdetes Baby hat. Sie ließ sich raschelnd rückwärts fallen und begann fast augenblicklich so gleichmäßig zu atmen, dass ich mich fragte, ob sie schon auf dem Weg zum Kissen eingeschlafen war.
War sie dann aber doch nicht.
»Gute Nacht«, flüsterte sie.
»Om Shanti«, gab ich zurück.
Unter der Decke grub sich eine weiche Hand einen Tunnel, dann schlüpften Mellis Finger in meine. Klein und zart, fast wie die Hand eines Kindes.
»Du, Evke?«
»Hm?«
»Ach, nichts. Nein, es ist nichts.«
Wir hielten uns noch immer an den Händen. So schliefen wir ein.