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Einen Monat später
Ganz hinten im klimatisierten Raum eines Internetcafés in Muhandissîn sassen, inmitten eines Gewirrs aus Spielen, Chatrooms und Musik, zwei junge Männer, ein dicker und ein schlanker mit Brille, an einem Computer.
»Bist du sicher, dass es funktioniert?«, fragte Achmad.
»Ja, das bin ich«, antwortete Omar.
»Wo waren wir stehengeblieben?«
»Du schickst jetzt eine E-Mail aus Australien, aus Sydney. So als würdest du dort sitzen.«
»Werden sie es nicht merken?«
»Du selbst wirst es nicht merken. Das Programm, das ich heruntergeladen habe, ändert die IP-Adresse des Computers – so was wie sein Fingerabdruck –, die allen Daten angehängt wird, die über das Netz verschickt werden. Und dann: Herzlichen Glückwunsch!«
Achmad lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Grossartig.«
Omar lud – von einer E-Mail-Adresse, die er neu eingerichtet hatte, und zwar auf Alâa Gumaas Namen – eine komprimierte Datei hoch. Als der Upload beendet war, drehte er sich um und fragte Achmad: »Was willst du in den Betreff schreiben?«
Achmads nachdenkliches Stirnrunzeln hielt nicht länger als zehn Sekunden an. »Schreib ›Ein Foto der Tänzerin Sally beim Sugaring‹!«
Omar nickte zufrieden. »Ich könnte einer solchen Mail nicht widerstehen.« Er tippte die aufreizende Zeile und begann dann, die E-Mail-Adressen der Empfänger einzufügen. Es waren insgesamt fünfzig: die Adressen sämtlicher ägyptischer Zeitungen und Magazine, einer Reihe von Grossunternehmen und zusätzlich die einiger Freunde, in deren Posteingang keine Mail lange liegenblieb, ohne weitergeschickt zu werden, so dass sie fast wie ein eigenes Presse- oder Verlagshaus arbeiteten. Im Anhang befand sich der gesamte Inhalt des Bankschliessfachs: Dokumente, Eigentumsurkunden für Immobilien, Kopien von Zeitungsartikeln, Gesundheitsatteste … Alâas ganzer Reichtum und dazu noch Gûdas Fotos. Einen vollen Monat hatten Omar und Achmad damit zugebracht, sie auf den Computer zu transferieren und anschliessend so anzuordnen, dass alles sonnenklar erschien. Auch das manipulierte Foto, das Alâa zusammen mit Gûda zeigte, hatten sie nicht vergessen hinzuzufügen. Ausserdem hatten sie von sämtlichen Papieren Fotokopien angefertigt und diese an das Büro des Generalstaatsanwalts und die Administrative Kontrollbehörde geschickt: ein dickes, hochexplosives Paket.
»Fertig«, rief Omar, er hatte alle Bilder verschickt. »Und ab mit uns!«
Gemeinsam gingen sie hinaus und machten einen Spaziergang entlang dem Nil, im Viertel Agûsa. Zuvor hatte Omar ihre sämtlichen Spuren auf dem Computer des Internetcafés gelöscht und stattdessen ein Geschenk zurückgelassen: eine Datei, die den Inhaber des Cafés zwingen würde, Windows neu zu installieren.
»Meinst du, die Mail bewirkt was?«, fragte Achmad.
»Ja, die Pest.«
»Wie meinst du das?«
»Die Pest hat sich plötzlich verbreitet, und niemand konnte sie stoppen. Und weisst du auch, warum?«
»Weil niemand wusste, woher sie kam.«
»Sie kam von den Ratten. Und das Internet heutzutage ist schlimmer als irgendwelche Ratten. Es kommt in jedes Haus, so wie damals die Pest. Morgen früh hat ein Viertel der Internetnutzer in Ägypten diese Mail gesehen, und wer weiss, wo sie in ein paar Tagen ist. Dank dem nackten Mädchen in der Betreffzeile werden Gross und Klein sie sofort öffnen.«
»Ich wünschte, Alâa könnte das noch erleben.«
»Gott hab ihn selig. Letztendlich werden alle Leute sein Bild vor Augen haben und wissen, dass dieser Mann für etwas gestorben ist, das es wert war. Und dann noch Gûda, der doch nie damit gerechnet hätte, mal ein Held zu sein.«
»Ich möchte nicht zu früh jubeln. Ich fürchte, das ist nur ein Traum.«
»Hör mal, du Trauerkloss, es sind schon Grosskonzerne wegen einem Gerücht im Internet zugrunde gegangen. Hast du dieses Unternehmen vergessen, von dem es hiess, sein Mineralwasser würde Krebs verursachen? Die Firma musste zumachen. Wir verschicken doch Dokumente und Fotos. Denkst du, darüber kann man so einfach hinweggehen? Und ausserdem: Wenn die Leute mal an etwas glauben, dann halten sie auch daran fest. Wenn du dann behauptest, dass es nicht wahr ist, streiten sie mit dir, als hätten sie selbst diese Dinge gesehen und nicht du. Und dann noch die Pakete, die wir an die Administrative Kontrollbehörde und die Generalstaatsanwaltschaft geschickt haben! Die allein reichen schon für eine Anklage.«
»Wir werden sehen«, meinte Achmad. »Das war meine letzte Karte.«
»Und deine stärkste!«
»Bei Gott, das hoffe ich.«